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Full text of "Image - Zur Genealogie eines Kommunikationscodes der Massenmedien"

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York Kautt 


eines Kommunikationscodes 
der Massenmedien 


[transcript] Kultur- und Medientheorie 


York Kautt 
Image 


York Kautt (Dr. rer. pol.) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der 
Universität Gießen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kultur- und 
Medientheorie sowie empirische Kulturanalyse. 


YORK KAUTT 
Image. 
Zur Genealogie eines Kommunikationscodes 
der Massenmedien 


[transcript ] 


Diese Arbeit wurde 2006 als Dissertation zur Erlangung des Doktor- 
grades an der Universität Kassel vorgelegt und angenommen. 


Q029 


This work is licensed under a Creative Commons 
Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 3.0 License. 


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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation 
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte 
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© 2008 transcript Verlag, Bielefeld 


Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld 
Lektorat & Satz: York Kautt 
Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar 
ISBN 978-3-89942-826-1 


Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei 
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DANKSAGUNG 


Besonderer Dank gilt Prof. Dr. Herbert Willems und Prof. Dr. Johannes Weiß für 
vielfältige Anregungen und Unterstützungen in den letzten Jahren. 

Engagierte technische Hilfe und zweckdienliche Leihgaben verdanke ich Henrik 
Groß, Kristina Lehfeldt, Dirk Medebach, Sebastian Pranz, Thomas Bruns und Stefan 
Seeberger. 

Herzlicher Dank geht nicht zuletzt an meine Eltern, die mich immer unterstützt 
und gefördert haben. Kirstin, Malte und Hannes danke ich für ihre stets erfrischende 
Teilnahme an diesem Forschungsprojekt, das in bestimmter Weise auch zu ihrem 
wurde. 


INHALT 


Einleitung 


2.1 


2.2 


2.3 


Image als historisches Alltagsphänomen: 
Eine Perspektive im Umfeld der Image-Forschung 


Image als »Vorstellungsbild« (Kleining) 

Image als Begriff der Markt- und Konsumforschung 

Image als Rahmen und Rahmung der Interaktionsordnung (Goffman) 
Image als »Pseudoereignis« (Boorstin) 


Wozu Image? Ausgangspunkte der Luhmann’schen Theorie symbolisch 
generalisierter Kommunikationsmedien 


Technische Bildmedien und die Entwicklung von Image am 
Beispiel der Photographiegeschichte des 19. Jahrhunderts 


Einleitung 


Bezugsproblem I: Oberfläche und/als Tiefe — 
technische Bilder als Kommunikationsmedien 


2.1.1 Pose und Retouche: Problemlösungen der Portraitphotographie 


Bezugsproblem Il: Die Reichweite sozialer Redundanz — 
technische Bilder als Verbreitungsmedien 


2.2.1 Markt- und Publikumsorientierung 
2.2.2 (Selbst-)Dynamisierung: Der Zwang zum Neuen 


2.2.3 Die Realität technischer Bilder als Bezugsrahmen 
der Lebenswirklichkeit 


Zusammenfassung: Die Kommunikation von Erscheinungsbildern 
und das System der Massenmedien 


3. Die Entwicklung von Image-Kommunikation in der Werbung: 
Eine theoretische und empirisch-analytische Untersuchung 


Einleitung 


3.1 Zum methodischen Vorgehen 
3.1.1 Theorie und Empirie 
3.1.2 Datenbasis 
3.1.3 Qualitative Analyse 


3.2 Die Entfaltung der Bildlichkeit 


3.2.1 Kommunikation unter Anwesenden als zentraler 
Bezugsrahmen der Werbung um 1900 


3.2.2 Schrift als Bild: Typographie 

3.2.3 Rahmen, Ornament und Zeichnung 
3.2.4 Photographie 

3.2.5 Die Anzeigenseite als Bilder-Rahmen 
3.2.6 Namen 

3.2.7 Die Thematisierung der Marke 

3.2.8 Die Beziehung von Text und Bild 


3.3 Werbung und das System der Massenmedien 
3.3.1 Symbolische Generalisierung, Codierung und Programmierung 
3.3.2 Operative Schließung, Reflexivität und strukturelle Kopplungen 


3.4 Exemplarische Ressourcen der Image-Programmierung 
3.4.1 Schichtorientierter Status 
3.4.2 Weiblichkeit und Männlichkeit 
3.4.3 Gute Form 
3.4.4 Modernität 
3.4.5 Tradition 
3.4.6 Jugendlichkeit 
3.4.7 Seriosität 
3.4.8 Menschlichkeit 
3.4.9 Erotik 
3.4.10 Realismus 


4. Schlußbemerkungen 


Literatur 


97 
97 


101 
101 
104 
109 


118 


121 
126 
132 
139 
147 
149 
150 
155 


161 
170 
182 


190 
197 
217 
236 
243 
251 
256 
270 
278 
286 
307 


317 


333 


EINLEITUNG 


Das Wort Image taucht in der Alltagssprache und den Diskursen der Massenmedien 
etwa in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts auf.' Inzwischen ist es längst üblich, von 
den verschiedensten Objekten auch als einem Image zu sprechen: Organisationen,’ 
Institutionen,’ Wirtschaftsunternehmen,* Prominente,’ käufliche Produkte,‘ Politiker,’ 
Urlaubsorte,® Nationalstaaten bzw. Regionen,” Sportarten, Berufe,'' Altersklassen’? 
und unzählige andere Dinge können offenkundig ein jeweils für sie charakteristisches 
Image besitzen. Dabei weist nicht nur die weltweite Verbreitung des englischen 
Wortes darauf hin, daß wir es mit einem globalen Thema zu tun haben.” Auch die als 
Image bezeichneten Formen sind häufig transnationale bzw. transkulturelle Gebilde. 


1 Daß die USA Vorreiter der Entwicklung sind, kann man z.B. daran erkennen, daß Boors- 
tin den alltäglichen Gebrauch des Image-Begriffs in Bezug auf Institutionen, Personen, 
Produkte und Unternehmen hier für das Ende der 1950er Jahre diagnostiziert (vgl. 1964, 
163 f.), während vergleichbare Beobachtungen für den europäischen Raum fehlen. Er- 
kennbar ist zudem, daß sich Beschreibungen entsprechender Phänomene in den deut- 
schen Massenmedien zunächst auf US-amerikanische Verhältnisse beziehen, wobei eng- 
lische Wörter übernommen werden. So berichtet die in der vorliegenden Untersuchung 
analysierte »Berliner Illustrierte Zeitung« schon seit den 1920er Jahren in regelmäßigen 
Abständen über »Publicity«, womit meistens das Streben prominenter Medienpersön- 
lichkeiten nach einer guten Bildberichterstattung gemeint ist. 

2 Vgl. Noelle-Neumann 1970. 

3 Ур]. Mueller-Fohrbrodt 1975. 

4 Vgl. Herbst 2006. 

5 Vgl. Faulstich/Korte (Hg.) 1997. 

6 Vgl. Ruppel 1965; Müller 1971. 

7 Ур]. Schwartzenberg 1980. 

8 Vgl. Wellhoener 1992. 

9 Ур]. Silbermann 1989; Kunczik 1990; Leggewie 2006. 

10 Vgl. Meyer 1973. 

11 Vgl. Pöttker 1997; Bentele/Seidenglanz 2005. 

12 Vgl. Tartler 1961. 

13 Daß das Wort Image auch im angloamerikanischen Sprachraum neben »Bild« eine neue 
Bedeutung erhält, kann man Furbanks Abhandlung zum »Public Image« entnehmen (vgl. 
Furbank 1970, 141-149; vgl. auch Boorstin a.a.O.). 


10 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Images von Filmstars oder Konsumgütermarken geben hierfür prägnante Beispiele. 
Man kann ohne Übertreibung sagen: Die Image-Kultur der (Welt-)Gesellschaft ist ein 
Zentralbereich der (Welt-)Alltagskultur. 

Anlaß genug danach zu fragen, unter welchen historischen Voraussetzungen und 
Bedingungen das Phänomen im 20. Jahrhundert Kontur gewinnt und Karriere macht. 
Warum und wozu bildet sich Image? Und wie lassen sich die Objekte näher beschrei- 
ben, auf die sich eben dieses Wort bezieht? Diese Fragen drängen sich um so mehr 
auf, als sie bislang von den Sozial- und Kulturwissenschaften nicht gestellt werden. 
Auch in dem breit erschlossenen Forschungsfeld einer visuellen Kultur der Moderne 
— deren Entwicklung aufs engste mit der Entstehung von Image verbunden ist — blei- 
ben entsprechende Fragestellungen bislang ausgespart.'* 

Fragt man nun nach der Genealogie von Image verdeutlicht bereits die oben ste- 
hende Aufzählung, daß eine Beschreibung und Erklärung nicht an einer Klassifizie- 
rung von Gegenstandsbereichen ansetzen kann. Von einem Prominenten, einem Beruf 
oder einer Sportart als einem Image zu sprechen bedeutet vielmehr, einen spezifischen 
Sinn an das jeweilige Objekt als eine Beschreibung heranzutragen, die sich von ande- 
ren möglichen Beschreibungen unterscheidet. Schon in der sachlichen Heterogenität 
dessen, worauf sich Image alltagssprachlich beziehen kann, wird erkennbar, daß es 
um eine bestimmte Perspektive, um eine bestimmte Beobachtung geht, die die jewei- 
ligen Objekte charakterisiert und vergleichbar macht. Daß es sich um eine neuartige 
Perspektive historisch jüngeren Datums handelt, wird deutlich, wenn man nach Er- 
satzbegriffen für Image Ausschau hält. Man sieht dann schnell, daß es sich keineswegs 
nur um einen modischen Anglizismus handelt, für den sich leicht adäquate Synonyme 
finden lassen. Ehre, Ruf, Prestige, Reputation oder Ansehen etwa meinen Ähnliches, 
aber keineswegs dasselbe. Nicht bestritten ist damit, daß Image im Alltag und in der 
Semantik der Massenmedien synonym zu diesen Wörtern verwendet werden kann. 
Kaum zu übersehen ist jedoch, daß sich dessen Bedeutung häufig nicht durch andere 
(z.B. deutsche) Vokabeln ausdrücken läßt. 

Es gibt also einen spezifischen Eigensinn des Wortes, für den sich vorliegende 
Untersuchung interessiert. Sie geht dabei von diesem Sachverhalt als einer (auch ohne 
Forschung) überprüfbaren Tatsache aus und fragt von dort aus nach der Entwicklung 
von Image als einem spezifischen Modus der Objektbeschreibung bzw. der Herstellung 
von (Image-)Identität. Daß sich dieses Vorgehen, indem es die Definition von Image 


14 Das ist um so erstaunlicher, als »visual culture« seit längerem nicht nur ein Untersu- 
chungsgegenstand verschiedener Disziplinen (von der Kunstgeschichte bis hin zur all- 
gemeinen Bildwissenschaft), sondern auch ein Theorieprogramm ist, dem man z.B. De- 
batten um Begriffe wie »iconic turn« (Boehm 1994), »pictorial turn« (Mitchell 1997) 
oder »imagic turn« (Fellmann 1991) zuordnen kann. Zu einem Überblick über die Klas- 
siker und die aktuellen Diskurse der (Theorie der) visual culture vgl. exemplarisch Jenks 
(Hg.) 1995; Evans/Hall 1999; Roeck 2003; Dalle Vacche 2003; Bachmann-Medick 2006; 
Mersmann/Schulz (Hg.) 2006; Dikovitskaya 2006; Mirzoeff (Hg.) 1998. 


EINLEITUNG | 11 


mit einer theoretischen wie empirisch-analytischen Rekonstruktion dessen verbindet, 
was in der Gesellschaft als Image entwickelt und beschrieben wird, grundlegend von 
den vorliegenden Image-Begriffen der Sozialwissenschaften unterscheidet, wird ein- 
leitend über die Darstellung einschlägiger Image-Konzepte (vgl. 1.1 bis 1.4) sowie 
über eine Spezifikation der gewählten Perspektive im Anschluß an Luhmanns Theorie 
der »symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien« (vgl. 1.5) gezeigt. 

Ausgehend von der Beobachtung, daß insbesondere die über die modernen Bild- 
medien kommunizierten Objekte mit Images belegt werden, verfolgt das zweite Kapitel 
die Hypothese, daß die Einführung eben dieser Medien (Photographie, Film, Fernsehen) 
und die Ausdifferenzierung einer bildbasierten »Realität der Massenmedien« (Luhmann 
1996) von entscheidender Bedeutung ist. Die Photographiegeschichte des 19. Jahrhun- 
derts steht dabei exemplarisch im Mittelpunkt der Betrachtung. Deren Rekonstruktion 
will zeigen, daß und inwiefern technische Bilder die Ausbildung von Image provozieren. 
Da die Untersuchung über die Analyse der Materialien zwei verschiedene Strukturebe- 
nen technischer Bilder als zentrale Bezugsprobleme von Image diagnostiziert – nämlich 
zum einen ihre spezifische Darstellungsform und zum anderen ihre massenhafte Repro- 
duzierbarkeit, sind die entsprechenden Überlegungen in zwei Unterkapitel gegliedert, 
die die gesellschaftlichen Folgen der Photographie als Kommunikationsmedium (vgl. 
2.1) einerseits und als Verbreitungsmedium (vgl. 2.2) andererseits in den Blick nehmen, 
wobei die Portraitphotographie aus einleitend dargestellten Gründen (vgl. 2.1) als ex- 
emplarischer Untersuchungsgegenstand gewählt wird. 

Das dritte Kapitel geht der Frage nach, inwiefern und wozu gerade die massenme- 
diale Werbung Image zu einer regelgeleiteten Kommunikationsform (Image-Kommuni- 
kation) entwickelt. Diese Frage wird nicht nur theoretisch, sondern auch im Rahmen ei- 
ner empirischen Analyse behandelt, die im wesentlichen die Entwicklung der Werbung 
zwischen 1900 und 1960 fokussiert. Warum dieser Zeitraum von besonderer Bedeutung 
ist, erläutert ein einleitender Abschnitt zum methodischen Vorgehen (3.1), der in erster 
Linie die Auswahl der Materialien sowie das qualitative Analyseverfahren beschreibt 
und begründet. Die nachfolgende Ergebnisdarstellung rekonstruiert den Strukturwan- 
del der Werbungskommunikationen in Richtung Bildlichkeit als einen Funktionswandel 
des Werbens (vgl. 3.2), bevor die moderne Werbung in Auseinandersetzung mit system- 
theoretischen Begriffen und Argumentationszusammenhängen Luhmanns als ein Be- 
reich des Systems der Massenmedien konzeptualisiert wird (vgl. 3.3). Die spezifischen, 
Werbung konstituierenden Operationen und Unterscheidungen (Beobachtungen) sind 
hier ebenso Thema wie die Mechanismen, mit denen die Werbung in einer spezifischen 
und spezifisch engen Beziehung zu ihrer Umwelt steht. Im letzten Abschnitt des Ka- 
pitels werden diejenigen Ergebnisse der empirischen Analyse vorgestellt, die sich auf 
die zuvor als Programmressourcen definierten Werbungsthemen und deren Aufführung 
als Image-Kommunikationen beziehen. Die Schlußbemerkungen fassen wesentliche Er- 
gebnisse zusammen und weisen auf einige Forschungsdesiderata hin, die sich aus der 
Konzeption von Werbung als einen auf Image-Kommunikation spezialisierten Bereich 
des Systems der Massenmedien ergeben. 


1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN: 
ЕТМЕ PERSPEKTIVE IM UMFELD DER IMAGE-FORSCHUNG 


Der Image-Begriff ist, insbesondere in Frankreich und dem angloamerikanischen 
Sprachraum in der Psychologie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gebräuchlich und 
bedeutet hier in etwa das, was in deutschsprachigen psychologischen Studien zur sel- 
ben Zeit unter dem Terminus des »Vorstellungsbildes« gefaßt wird.! Der ursprüngliche 
Sinn des Wortes (von engl. image / von lat. imago, Bild) ist hier insofern relevant, als 
sich die Psychologie, z.B. in der Tradition der Würzburger Schule, mit der »Erfas- 
sung der Anschaulichkeit von Denkvorgängen und Bewußtseinsinhalten überhaupt« 
befaßt oder insofern sie wie Freuds Tiefenpsychologie mit dem Imago-Begriff »eine 
im Unbewußten existierende typenhafte Vorstellung von realen Personen oder Phan- 
tasiegestalten« bezeichnet, »zu denen im Kindesalter die ersten engen Beziehungen 
geknüpft worden waren (z.B. Mutter-Imago).« (Brachfeld 1976, 216) Die Einführung 
und Verbreitung des Image-Begriffs in den Sozial- und Kulturwissenschaften erfolgt 
jedoch nur bedingt im Anschluß an die Psychologie. Wirkungsmächtig sind vielmehr 
die Begriffsprägungen der Wirtschaftspsychologie und der (zunächst amerikanischen) 
Absatzforschung. Vor allem in letzterer ist der Begriff seit einer Veröffentlichung von 
Gardner und Levy (1955) als Terminus technicus gebräuchlich. Ein Blick in die neu- 
ere Literatur verdeutlicht schnell, daß die gängigen Image-Konzepte hier wie in den 
Sozial- und Kulturwissenschaften den Aspekt der Typisierung und Generalisierung 
als Bezugsrahmen der Definition von Image wählen. Eine Definition Brachfelds, der 
zufolge man Image verstehen könne als »Gesamtheit der an einen Gegenstand ge- 
knüpften Vorstellungen, Emotionen und Wertungen, wobei die Gegenstände in der 
Wirtschaftspsychologie Produkte oder Marken, in der Sozialpsychologie und Sozio- 
logie Individuen, Gruppen oder Institutionen sein können« (ebd., 215), liefert entspre- 
chend immer noch eine geeignete Formel für die prägenden Begriffsvarianten, von 
denen im folgenden vier exemplarisch skizziert werden. 


1 Vgl. Brachfeld 1976, 215. 


14 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


1.1 Image als »Vorstellungsbild« (Kleining) 


Die Untersuchungen von Kleining sind um so bemerkenswerter, als man es hier 
nicht nur mit einer bis heute wirkungsmächtigen Einführung des Begriffs in den 
deutschen Sprachraum, sondern zugleich mit einem Konzept zu tun hat, das den 
psychologischen und sozialpsychologischen? Begriffsprägungen bereits in den 
1950er Jahren eine genuin soziologische hinzufügen und entsprechend die Ei- 
genart sozialer Images erfassen will.’ Das erstaunt bei der Lektüre zunächst, da 
in einem ersten Schritt die individuelle Persönlichkeit als Fundament der Image- 
Bildung eingeführt und Image als Konstruktion im Bewußtsein des einzelnen im 
Sinne einer individuellen »Vorstellung« angenommen wird: »Verschiedene Per- 
sonen haben verschiedene Vorstellungsbilder von ein und derselben Sache, und 
ihre jeweiligen Images sind verschieden, weil sie selbst verschiedene Menschen 
sind, die mit der Realität auf ihre Weise umgehen.« (Kleining 1961, 146) Während 
die Aufgabe der Psychologie und der Sozialpsychologie in der Untersuchung indi- 
vidueller Ausprägungen von Images bestehe, bestünde der Zuständigkeitsbereich 
der Soziologie darin, die überindividuellen Komponenten (das »Allgemeine«, 
»Kollektive«, »Typisierte«) von Images zu rekonstruieren.* Kleining geht es dem- 
entsprechend in seinen Untersuchungen nicht um personenbezogene, sondern um 
gruppenspezifische, andauernde Vorstellungen, die er »kollektive Images« nennt 
und als solche mit Methoden der empirischen Sozialforschung rekonstruiert. Ein 
Beispiel gibt die von ihm durchgeführte qualitative Studie, in der die kollektiven 
Vorstellungen von etwa 64.000 BRD-Bürgern in Bezug auf das Wort »Gesell- 
schaft« über Fragebögen und Interviews erhoben und ausgewertet wurden. Im 
Ergebnis wird festgestellt, daß die Vorstellungen der befragten Individuen in Ab- 
hängigkeit zu der jeweiligen Gruppenzugehörigkeit (abgeleitet über Kategorien 
wie Einkommen, Bildung, Geschlecht) zwar variieren, Images aber in jedem Fall 
als überindividuelle, semantische Konstrukte vorliegen und als solche typologi- 


2 Den Image-Begriff der (Sozial-)Psychologie sieht Kleining in seiner Zeit wie folgt be- 
setzt: »Ein Image ist das Ergebnis der Projektion psychischer Energie auf einen gege- 
benen Reiz oder es ist die Art, wie eine Gegebenheit dadurch einem Subjekt erscheint. 
In einem Image finden sich also, in verarbeiteter Form, zwei Faktoren oder Wirkungen 
wieder: solche, die von der Person ausgehen, die sich ein Bild macht, und solche, die 
von dem Reiz, dem Gegenstand oder dem Objekt stammen, von dem ein Bild entworfen 
wird.« (Kleining 1961, 146) 

3 Ур]. zuerst Moore/Kleining 1956 und Kleining 1961. 

In Anlehnung an den psychoanalytischen Imago-Begriff spricht allerdings bereits Bur- 
row (1925) von »social images«, womit er den Begriff für die Sozialpsychologie frucht- 
bar machen will, indem er darunter nicht nur »subjektiv repräsentierte« Objektbezüge, 
sondern auch solche versteht, die durch ein »kollektives Unbewußtes« strukturiert sind 
(vgl. Brachfeld 1976, 216). 


1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |15 


siert und näher charakterisiert werden können.? Kleinings Image-Begriff ist eine 
Art Meta-Begriff, in den andere (z.B. wissenssoziologische) Begriffe wie z.B. 
Rahmen, Deutungsmuster,’ Skript, (Stereo-)Typ inkludiert sind, d.h. Begriffe, 
mit denen die Soziologie Strukturen bezeichnet, die »Deutungen der Realität« 
(ebd., 155) anleiten.? Passend zu dieser Begriffsoffenheit spricht Kleining von der 
Image-Bildung als dem Prozeß des »Sich-ein-Bild-Machens« und setzt Wörter 
wie »Vorstellungssysteme« und »Vorstellungsbilder« synonym zu Image ein. 


1.2 Image als Begriff der Markt- und Konsumforschung 


Auch und gerade in der wirtschaftspraktischen Markt- und Konsumforschung werden 
Image-Begriffe in ähnlicher Bedeutungsweise gebraucht.!® Diese Forschungsansät- 
ze sind hier von besonderem Interesse, weil sie massenmedial vermittelte Kommu- 
nikationen aus naheliegenden Gründen zum Untersuchungsgegenstand machen: Da 
der Konsum in der modernen Gesellschaft in erster Linie über verschiedene Verbrei- 
tungsmedien (Zeitungen/Zeitschriften, Rundfunk, Film, Fernsehen usw.) und über 
Werbung reguliert wird, muß eine anwendungsbezogene Theorie die entsprechenden 
Kommunikationsformen fokussieren. Bereits Levy und Gardner (1955, 35) sprechen 
von einem »public image« von Produkten im Sinne eines »Charakters« oder einer 
»Persönlichkeit«, das für den Gesamtstatus des Produktes (und dessen Verkaufspoten- 
tial) wichtiger sei als dessen technische Daten. Doch wenngleich schon in den 1950er 
Jahren deutlich wird, daß Produkte ein Image haben und als Images zu instrumentieren 
sind, bleibt eine sozial- oder kulturwissenschaftliche Aufklärung des Begriffs aus.!! 
Der Diskurs setzt vielmehr das Vorhandensein des im Alltag etablierten Image-Be- 


5 Eine Spezifizierung von Images ergibt sich bei Kleining nur empirisch-analytisch, und 
zwar insofern, als verschiedene Gruppen verschiedene Vorstellungssysteme von ver- 
schiedenen Weltsachverhalten haben, so daß diese typologisierend differenziert und be- 
schrieben werden können. 

Vgl. z.B. Goffman 1977. 

Vgl. z.B. Oevermann 1993. 

Vgl. z.B. Kruse 1986. 

Eine Nähe zu diesen Begriffen ergibt sich auch durch die Betonung der Latenz von Ima- 

ges, die Kleining jedoch nicht weiter ausführt (vgl. 1961, 151). 

10 Die Entwicklung setzt in den USA und zwar, wiederum in den 1950er Jahren, ein (vgl. 
Schnierer 1999, 93-96). Daß deutschsprachige Studien mit Beginn der 1960er Jahren 
nachziehen kann man zahlreichen Literaturbelegen in Müller 1971 entnehmen. 

11 Wenn z.B. danach gefragt wird, wie Vereine oder Kirchen Mitglieder (besser) anwerben 
oder wie Parteien (besser) Wähler mobilisieren können, ist die Wissenschaft spezifisch 
zweckorientiert. Einen breiten Überblick über dieses Forschungsfeld bis zu den 1990er 
Jahren bietet eine Bibliographie von Worthmann, die sich in Faulstich (Hg.) 1992 findet 
(177-207). 


von 


16 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


griffs in seiner diffusen Bedeutung voraus und bindet ihn in den Kontext strategischer 
Handlungsanweisungen und Ratschläge ein oder operiert mit Definitionen, die sich 
wiederum auf kognitive oder kommunikativ vermittelte Typisierungsprozesse sowie 
deren Voraussetzungen und Rahmenbedingungen stützen.!? Die Nutzenorientierung 
führt dabei vor allem zu der Frage, wie Rezipienten/Konsumenten an die kommu- 
nizierten Images erlebend und handelnd anschließen. Die Feststellung und Analyse 
von Korrelationen zwischen konkreten Bewertungen einzelner Kommunikations- 
offerten und unterschiedlichen Konsumentenpositionierungen (z.B. Geschlecht, Alter, 
Bildung, Einkommensverhältnisse, Lebensstil, (Sub-)Kultur) spielt entsprechend eine 
wichtige Rolle.'3 Und weil die Rezipienten über den Erfolg eines Images entscheiden, 
wird die Frage nach dem Rezept für die Konstruktion von »public images« als eine 
Frage nach dem Selbst der Rezipienten thematisiert. Sozialpsychologische Image- 
Konzepte dominieren diesen Forschungsbereich.!* Vorstellungen, die das individuelle 
Selbst konstituieren und bedingen, werden dabei als entscheidender Generator und 
als eine einschränkende Variable des Konsumhandelns aufgefaßt. Gardner markiert 
in seinem wirkungsmächtigen Aufsatz mit dem Titel »Symbols for Sale« diesen Aus- 
gangspunkt der Konsumforschung — auch in Bezug auf die Werbung — indem er das 
Self-Image der Konsumenten dem Public-Image der Produkte gegenüberstellt und in 
der Herstellung einer bestimmten Beziehung dieser Images zueinander die Aufgabe 
der Werbung sieht: »[...] the product will be used and enjoyed, [...] when it joins with, 
meshes with, ads to, or reinforces the way the consumer thinks about himself« (Levy 
1959, 119, zit. п. Schnierer 1999, 94). 

Über das Selbstbild (Self-Image) erklärt sich also die Präferenz für ein Produkt, 
wobei, so die weitere These, das Image der Produkte zu dem Self-Image passen bzw. 
in dieses integriert werden können muß. In einer nahezu unüberschaubaren Anzahl 
theoretisch-programmatischer wie empirischer Analysen wird der Ansatz des Self- 
Images seit den 1950er Jahren verifiziert, spezifiziert, kritisiert und moduliert — und 


12 So umfaßt das »aufgebaute Image« eines Unternehmens/einer Organisation für Regen- 
thal »1. die Vorstellbarkeit der Organisation [...]; 2. Bekanntheit der Organisation [...]; 3. 
Prestige der Organisation [...]; Vergleichbarkeit [...] mit anderen Anbietern« (Regenthal 
2002, 61). Zu einem ähnlichen Verständnis von »Corporate Image« als einem »Spiegel 
der Identität« mit wünschenswerten Eigenschaften vgl. Herbst 1998, 20-24. 

13 Auf die Interpretation von Korrelationen als solchen kann dabei getrost verzichtet wer- 
den — es genügt, die jeweiligen Präferenzen der typologisierten Gruppen zu erkennen. 

14 Relevant sind insbesondere die Unterscheidung von Fremd- und Selbstbild sowie eine Be- 
schreibung von Rückkopplungsprozessen zwischen diesen Bildern, in denen (den Prozes- 
sen) sich Images konsolidieren (vgl. dazu ausführlich Dreitzel 1962). Vgl. zu einer Anwen- 
dung dieser Unterscheidung auf das Image von Organisationen Bentele/Seidenglanz 1995, 
12 ff. Folgt man Schnierer, wird in den entsprechenden Studien »zum Zweck einer knappen 
Definition des Selbstkonzeptes [...] am häufigsten Morris Rosenberg zitiert, nach dem das 
Selbstkonzept die »totality of the individual’s thoughts and feelings having reference to 
himself as an object: umfaßt (Rosenberg 1979, 7)« (Schnierer 1999, 94). 


1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |17 


zwar immer auch im Blick auf die praktische Umsetzbarkeit der Ergebnisse.!? Die 
starke Orientierung an den Rezipienten macht Schnierers Subsumierung der verschie- 
denen wirtschaftspraktischen Image-Konzepte unter den Begriff der »Konsumenten- 
forschung« durchaus plausibel.!® Die spezifische, massenmedial vermittelte Form von 
Images, deren inszenatorische Grammatik ist in diesem Forschungsbereich nur inso- 
fern von Belang, als sie für die Erklärung der Beziehung von Self-Image und Public- 
Image von Bedeutung ist. Dies gilt auch und gerade für die theoretische Beschreibung 
werblich konstruierter Produkt-Images, wie die vieldiskutierte These von Produkten 
als einer Verlängerung des Selbst (vextended self«!7) verdeutlicht. Hier wird näm- 
lich die Arbeit am Self-Image im Rückgriff auf die konsumierbaren Symbole sowie 
das Maß an Image-(In-)Kongruenz (Self-Image/Produkt-Image) thematisiert, d.h. das 
Maß der Identifikation des Konsumenten mit den »produktiven< Symbolen und de- 
ren Möglichkeit, als Ausdruck des Selbst zu fungieren. So geht z.B. Biel bei seiner 
Konzeption des Produkt-Images von den Kognitionen des Konsumenten aus, die das 
Produkt-Image als eine Gesamtheit von »three contributing subimages« generieren: 
»(a) the image of the provider of the product, or corporate image; (b) the image of the 
user; and (c) the image of ће product itself« (Biel 1993, 71). Die Werbung partizipiert 
an diesen Images nur als Element eines verzweigteren Image-Komplexes (den an- 
dernorts gewonnenen »Use-« und »User-Images«). Dieses Konzept läuft dann, ganz 
ähnlich wie bei Kleining (s.o.), auf einen Image-Begriff im Sinne von Vorstellung 
hinaus, wobei sich die Verschiedenheit der Images neben den individuellen bzw. grup- 
penspezifischen Verschiedenheiten der Vorstellungen durch die Verschiedenheit von 
Gegenstandsbereichen ergibt. So haben verschiedene Konsumenten von Autofabrika- 
ten (»Produkt-Image«), Nutzern dieser Fabrikate (»User-Image«) und dem Vorgang 
des Autofahrens (»Use-Image«) andere Sub-Images als bei den Produkten »Haushalts- 
reiniger< oder »Inline-Skates« usw. und über diese Kategorien und deren Beziehungen 
werden im Rahmen dieser Untersuchungen verschiedene Images differenziert. 


15 Schon 1959 bringt Levy (119) eine begriffliche Verfeinerung ein, indem er wie in der so- 
zialpsychologischen Selbstkonzeptforschung zwischen »actual« und »ideal« Self-Image 
unterscheidet und im Anschluß daran (wie viele Autoren nach ihm in modulierender 
Weise) die Frage stellt, welche Dimension dieses Selbstbildes für die Präferenz eines 
bestimmten Produktes die entscheidende ist. In der weiteren Debatte werden z.B. Fra- 
gen nach der Zeit- und Situationsabhängigkeit des Selbstbildes oder dessen Bedingtheit 
durch kulturelle Werte und Normen einerseits und Persönlichkeitsstrukturen andererseits 
diskutiert. Zu einem mit zahlreichen Literaturhinweisen versehenen Überblick über die 
verschiedenen, unterschiedlich soziologisch oder psychologisch fundierten Varianten 
dieses Forschungsansatzes vgl. Schnierer 1999, 93-115. 

16 Vgl. Schnierer 1999, 93-112. 

17 Ausgehend von der Annahme: »We regard our possessions as part of ourselves« (Belk 
1988, 139). 


18 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


1.3 Image als Rahmen und Rahmung der Interaktionsordnung 
(Goffman) 


Den vorgestellten Image-Konzepten ist der in der Soziologie besonders prominent 
gewordene Image-Begriff von Goffman insofern ähnlich, als auch dieser zunächst 
Kurzbeschreibungen von psychischen und sozialen Systemen meint, die als »sozi- 
ale Wegweiser« und » Anweiser« »orientieren und entlasten, Komplexität und Kon- 
tingenz reduzieren. Images sind mehr oder weniger reduktive und identifikatorische 
Metatexte, Rahmen und Rahmungen, deren Kürzelhaftigkeit praktisch verdeckt 
ist.« (Willems 1997, 153)!® In seiner Arbeit über »Interaktionsrituale« (Goffman 
1986), die das Verhalten in direkter Kommunikation ethnographisch rekonstruiert, 
schränkt Goffman den Begriff des Images jedoch in mehreren Hinsichten ein. Als 
Bezugsrahmen deutlich erkennbar werden zum einen die soziale Situation als der 
exklusive »Ort< der Konstruktion dieser »Kurzbeschreibungen« sowie der Fokus 
auf lebenswirkliche Individuen als Objekte/Subjekte dieser Kurzbeschreibungen. 
Schon im ersten Satz seiner Überlegungen zu den »Techniken der Imagepflege« 
markiert Goffman das unausweichliche Eingebundensein des Individuums in den 
Austausch mit anderen als einen Sachverhalt, der eine »Imagepflege« nahelegt bzw. 
notwendig macht: 


Jeder Mensch lebt in einer Welt sozialer Begegnungen, die ihn in direkten oder indirekten 
Kontakt mit anderen Leuten bringt. Bei jedem dieser Kontakte versucht er, eine bestimmte 
Strategie im Verhalten zu verfolgen, ein Muster verbaler und nichtverbaler Handlungen, die 
seine Beurteilung der Situation und dadurch seine Einschätzung der Teilnehmer, besonders 
seiner selbst ausdrückt. (Goffman 1986, 10) 


Eine weitere definitorische Einschränkung von Image bringt Goffman durch die Re- 
servierung des Begriffs für wertorientierte Kurzbeschreibungen ins Spiel: 


Der Terminus Image kann als der positive soziale Wert definiert werden, den man für sich 
für die Verhaltensstrategie erwirbt, von der die anderen annehmen, man verfolge sie in einer 
bestimmten Interaktion. Image ist ein in Termini sozial anerkannter Eigenschaften umschrie- 
benes Selbstbild — ein Bild, das die anderen übernehmen können. Jemand kann z.B. einen 
guten Eindruck von seinem Beruf oder seiner religiösen Einstellung vermitteln, indem er sich 
selbst gut darzustellen weiß. (Ebd.)!? 


18 Die Nähe zu Kleinings Vorstellungssystemen ergibt sich neben dem Aspekt des Schablo- 
nencharakters also in der Annahme einer latenten Funktionsweise von Images. 

19 An anderen Textstellen geht Goffman allerdings von einem weiter gefaßten Begriff 
von Image im Sinne einer wertneutralen Beschreibung aus. Betont wird dann eher 
die Kontinuität von Zuschreibungen als Generator von Images: »Von einer Person 
kann man sagen, daß sie ein gewisses Image hat, besitzt oder es wahrt, wenn ihre 


1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |19 


Von der Orientierung der beteiligten Akteure an positiven Werten ausgehend, 
spricht Goffman in expliziter Anlehnung an die Alltagssprache”® von »Face-Work« 
als dem Prozeß der Image-Arbeit bzw. verwendet er »Gesicht« synonym zu Image.?! 
Denn ein »Gesicht« ist etwas, das man verlieren kann — Gesichtsverluste treten dann 
ein, wenn Achtung entzogen wird. Die Rede davon, daß Individuen »Sorge um ihr 
Image tragen«, daß sie versuchen, das »Image zu wahren« (»maintain face«), oder 
daß sie Angst haben, »ihr Image zu verlieren« (»to lose face«), stellt Image als ein 
in Abstufungen vorhandenes »Gut« dar. Der Begriff impliziert, daß die Existenz von 
Image prinzipiell zur Disposition steht und daß Images »entzogen« werden können 
(ebd., 15).22 

Goffman bezeichnet mit dem Begriff des Images also keineswegs nur die Strate- 
gien der Image-Arbeit, die das Individuum für sich selbst verfolgt. Er hat vor allem 
die Beschreibung einer rituellen Ordnung im Sinn, die sich der wechselseitigen Be- 
zogenheit der Interagierenden und den damit notwendigerweise verbundenen Wert- 
schätzungen und Achtungsbekundungen verdankt und diese strukturiert. Entsprechend 
versteht er Image-Arbeit nicht nur als ein »Pluspunktesammeln« einzelner Akteure, 
sondern als eine wechselseitige Bezugnahme, die den Interessen der verschiedenen 
Individuen und damit zugleich der Fortsetzbarkeit der Interaktion überhaupt dienlich 
ist. Auch wenn die Aufrechterhaltung von Images nicht das Ziel der Interaktion ist, so 


Verhaltensstrategie ein konsistentes Image vermittelt, das durch Urteile und Aus- 
sagen anderer Teilnehmer, durch die Umgebung dieser Situation bestätigt wird.« 
(1986, 11) 

20 »In our Anglo-American Society, as in some others, the phrase >to lose face< seams to 
mean to be in wrong face, to be out of face, or to be shamefaced. The phrase »to save 
one’s face< appears to refer to the process by which the person sustains an impression 
for others that he has not lost face. Following Chinese usage, one can say that »to give 
face« is to arrange for another to take a better line than he might otherwise have been able 
to take, the other thereby gets face given him, this being one way in which he can gain 
face.« (Goffman 1982, 9) 

21 Im englischen Original heißt es: »The term face may be defined as the positive social va- 
lue a person effectively claims for himself by the line others assume he has taken during 
a particular contact.« (Goffman 1982, 5) 

22 Insofern kommt Goffmans Image-Begriff solchen wie Ehre und Ruf nahe. Daß die Ehre 
von Personen verletzt oder gar vernichtet werden kann, gehört zum Alltagswissen (»Ist 
der Ruf erst ruiniert...«). Über die Annahme des strategischen Handelns als immanentes 
Element der Image-Arbeit geht Goffman darüber hinaus von der Möglichkeit aus, daß 
»Jemand gar kein Image« besitzt — nämlich dann, »wenn er an einer Interaktion mit an- 
deren teilnimmt, ohne eine der Verhaltensstrategien bereit zu haben, die von Teilnehmern 
in solchen Situationen erwartet werden.« (Ebd., 13) 


20 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


ist sie dennoch eine Bedingung für ѕіе.23 Die situative Face-Work ist also an eine 
situationsübergreifende Struktur, einen (Image-)Rahmen gebunden, und nimmt in Be- 
zug auf diesen als jeweils spezifische, situativ vorliegende Rahmung eine Form an, 
die die teilnehmenden Individuen bzw. deren Images bestimmt.”* Die Analyse der 
Techniken der Imagepflege ist dabei zugleich eine Analyse der Maßnahmen, die in 
die strukturell instabilen (flüchtigen) und immer bedrohten Image-Verhältnisse ein ge- 
wisses Maß an Kontinuität und Stabilität (»Harmonie«) bringen: Sowohl das Erzielen 
von Image-Gewinnen (»Pluspunkten«) wie auch das Vermeiden von Image-Verlusten 
(»Minuspunkten«) wird in einer Struktur von Ritualen reproduziert, die »wie traditio- 
nelle Züge in einem Spiel oder traditionelle Schritte in einem Tanz« (Goffman 1986, 
18) den Einzelnen in eine »expressive Ordnung« integrieren, für die jeder der Akteure 
mit die Verantwortung übernimmt und in der die »doppelte Wirkung der Regeln von 
Selbstachtung und Rücksichtnahme« darin besteht, »daß sich jemand bei einer Be- 
gegnung tendenziell so verhält, daß er beides wahrt: sein eigenes Image und das der 
Interaktionspartner«. (Ebd., 16)25 

Die »inhaltlichen« Kriterien, mit denen die Wahrung von Images erfolgt, spielen 
für Goffmans Image-Konzept im wesentlichen keine Rolle. Er beläßt es bei einigen 
wenigen Hinweisen wie z.B. dem, daß gute Images auf der Basis »sozial anerkannter« 
Eigenschaften zugewiesen werden (s.o.). Von Interesse ist für Goffman vielmehr die 


23 Vgl. ebd., 17. In ähnlicher Weise beschreibt Luhmann (vgl. 1972 und 1997) »Achtungs- 
kommunikation« als ein funktionales Systemelement »einfacher Sozialsysteme« mit der 
Aufgabe, die Systemgrenze zu konturieren und als eine Form sozialer Kontrolle, Kon- 
tingenz und Komplexität des Verhaltens der Akteure für das System zu reduzieren und 
Reproduktionschancen des Systems zu erhöhen. Luhmann nimmt jedoch im Unterschied 
zu Goffman an, daß sich Interaktion durch seine jeweils eigene Geschichte als System 
bildet (von seiner Umwelt abgrenzt) und daß diese Geschichtlichkeit/Selbststeuerung des 
Systems über »Themen« erzeugt wird, die in die Interaktion eingebracht werden. Vgl. zu 
Anschlußmöglichkeiten der Goffman’schen Theorie der Interaktion und der Systemthe- 
orie Willems 1997, 34-39. 

24 Auch als Rahmungen sind die konkreten Images soziale Gebilde: »Immer aber ist das 
eigene soziale Image, selbst wenn es persönlichster Besitz und Zentrum der eigenen Si- 
cherheit und des Vergnügens sein kann, nur eine Anleihe der Gesellschaft; es wird einem 
entzogen, es sei denn, man verhält sich dessen würdig. Anerkannte Eigenschaften und 
ihre Beziehung zum Image machen aus jedem Menschen seinen eigenen Gefängniswär- 
ter; dies ist ein fundamentaler sozialer Zwang, auch wenn jeder Mensch seine Zelle gerne 
mag.« (Goffman 1986, 15) 

25 Goffman verdeutlicht den Aspekt der Gemeinsamkeit der Image-Arbeit u.a. an Alltagsbe- 
griffen wie Fauxpas, Etikette, Takt sowie an Kommunikationsformen, die Image-Schäden 
vermeiden sollen (z.B. Ironie, Witz, Undeutlichkeit). Wie Goffman anmerkt, stellt die 
wechselseitige Akzeptanz von Verhaltensstrategien jedoch faktisch eher die Ausnahme 
dar. Die gegenseitige Anerkennung bilde lediglich einen allgemeinen »Arbeitskonsens« 
für Interaktionen, und zwar insbesondere bei »direkten Gesprächen« (vgl. ebd., 17). 


1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |21 


analytische Rekonstruktion der rituellen Ordnung als solcher, z.B. über eine systema- 
tische Darstellung von Handlungsschritten, die diese Ordnung aufführen und damit 
Images (re-)produzieren?° — Goffman spricht von »Ausdruckssystemen«.?’ Daß es 
ihm damit um eine voraussetzungsreiche Praxis von Techniken geht, deren Beherr- 
schung als eine Eigenschaft des Selbst fungieren können muß, betont Willems: 


Goffman versteht diese Dispositionen (Eigenschaften«) des Selbstes ganz im Sinne der [...] 
Habituskonzeption als Entsprechungen einer bestimmten Klasse von existenzbedingenden 
Praxisstrukturen, nämlich als »sekundäre« Korrelate »syntaktischer Beziehungen zwischen 
den Handlungen verschiedener gleichzeitig anwesender Personen. D.h., die als »kulturspezi- 
fische Matrix von Möglichkeiten« institutionalisierten »Praktiken zur Wahrung des Images: 
werden im Sozialisationsprozeß habituell. (Willems 1997, 206) 


1.4 Image als »Pseudoereignis« (Boorstin) 


Einen Zugang zu einer historischen Perspektive auf das Alltagskulturphänomen Image 
eröffnet die Untersuchung des Historikers Boorstin mit dem Titel »The Image or what 
happened to the american dream?« (1961)2% Sie identifiziert die Entwicklung von Image 
und Images mit der Einführung der modernen Massenmedien, insbesondere der bildge- 
benden Verfahren und der durch diese verursachten »graphischen Revolution«. Obwohl 
dieser Ausgangspunkt sowie einige Beschreibungen historischer Begebenheiten immer 
noch plausibel erscheinen, 2? wird man sein Image-Konzept für die hier zugrunde liegen- 
de Fragestellung kaum noch übernehmen können. Das Problem liegt vor allem in einer 
unzureichenden Spezifizierung des Begriffs und in einem sehr weit gefaßten Verständnis 


26 Goffman beschreibt entsprechend ein Repertoire grundsätzlicher »Techniken der Image- 
pflege«, die typischerweise zu jedermanns Verhalten im Umgang mit anderen gehören 
(vgl. ebd., 21-33). 

27 Neben diversen symbolischen Möglichkeiten, Achtung zum Ausdruck zu bringen, fun- 
gieren Gefühle insofern als soziale Handlungsschritte, als der Körper die Emotionen sei- 
nes Besitzers veräußert und mit den zum Ausdruck gebrachten Gefühlen (Stolz, Scham, 
Ehrgefühl, Herzlosigkeit, Würde) die Interagierenden über den Stand der (rituellen) Din- 
ge informiert und damit den weiteren Handlungsverlauf beeinflußt. Ohne die Berück- 
sichtigung der zum Ausdruck gebrachten Emotionen, so Goffman, wäre das Verständnis 
der Interaktionsordnung kaum möglich (vgl. 1986, 29). 

28 Die folgenden Zitate beziehen sich auf die deutsche Erstausgabe von 1964. 

29 Zum Beispiel stellt Boorstin fest, daß die technischen Bildmedien eine wichtige Rolle 
spielen, indem sie Images »vervielfachen und verlebendigen« und daß sie, neben ande- 
ren Lebensbedingungen der Moderne, die Rezipientenaufmerksamkeit verknappen und 
deshalb in den Massenmedien eine »Ikonographie der Geschwindigkeit« ausgearbeitet 
wird, deren Anfänge er auf 1850 datiert, also auf die Zeit, in der die »billboards« (Rekla- 
metafeln) entstehen (vgl. 1964, 172 £.). 


22 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


der Massenmedien als den Generatoren von Images. Deutlich wird beides in der zentra- 
len Diagnose, daß sich mit den Massenmedien ein neuartiger Ereignistyp entwickle, den 
er »Pseudoereignis« (engl.: »pseudo-event«) nennt. Wie der Name schon sagt, sind da- 
mit »falsche< Ereignisse gemeint — Pseudoereignisse, so die Annahme Boorstins, stehen 
der Wirklichkeit gegenüber?” und stellen sich als »synthetische« Konstruktionen vor die 
yreale Realität«, die demnach als solche zugänglich vorausgesetzt wird 2) Den Begriff 
des Images setzt Boorstin dabei auf der Ebene der Pseudoereignisse an bzw. verwendet 
er die Begriffe z.T. auch synonym, wie nicht zuletzt an der weitgehenden Entsprechung 
der Definitionen von Image einerseits und von Pseudoereignis andererseits zu erkennen 
ist: Images sind »Phantasiebilder«, »Abbilder«, »Illusionen« und »Einbildungen«, d.h., 
sie sind als Pseudoereignisse durch ihren (die Realität verdeckenden) Scheincharakter 
wesentlich bestimmt. Als Verbreitungsmedien konstituieren und stabilisieren die tech- 
nischen Bildmedien also den Verblendungszusammenhang, den die Images herstellen.? 
Die an zahlreichen Beispielen aus der Alltags-, Hoch- und der politischen Kultur ent- 
lang geführte Darstellung beschreibt die Entwicklung in Richtung Image als eine durch 
die (Bild-)Massenmedien verursachte Verfallsgeschichte und konzentriert sich dabei 
mehr auf die Beschreibung der » Auflösung der Formen« (so eine Kapitelüberschrift) im 
Sinne einer Auflösung (Relevanzminimierung) schriftbasierter (z.B. literarischer) Dis- 
kurse und Wissensbestände als auf die Herausarbeitung der Besonderheiten der neuen, 
visuellen Medienkultur. Obwohl Boorstin die Bedeutung der »Graphischen Revoluti- 
on« immer wieder betont, stellt er in Bezug auf die neu entstehenden Pseudoereignisse 
weniger deren spezifische Grammatik als die Falschheit erfundener (Bild-)Berichter- 
stattungen in den Vordergrund.?3 Diese Zielrichtung wird auch in der Kontrastierung der 


30 Vgl. ebd., z.B. 15, 37. 

31 Den Standards epistemologischer Forschung (von Kant bis Konstruktivismus) kann diese 
Begriffsbildung nicht genügen. Boorstin selbst stellt in der Einleitung seiner Abhandlung 
fest, daß die Definition von Pseudoereignis im Sinne von »falscher Realität: einer Erklä- 
rung der damit implizierten »realen Realität« (die er durch die Pseudoereignisse zunehmend 
verdrängt sieht) bedürfe, doch läßt er dieses Problem in der Arbeit durchgehend unberück- 
sichtigt. Dieses Defizit schmälert jedoch nicht die Leistung der Arbeit, die darin besteht, 
daß er den Image-Begriff zur Entstehung der (Bild-)Massenmedien in Beziehung setzt. 

32 Auch die spezifischen Charakteristika von Pseudoereignis sind allesamt in denen von 
»Image« enthalten. Images sind Boorstin zufolge: 1. »synthetisch« (geplant, um einen 
bestimmten Eindruck zu machen); 2. »überzeugend« (durch Darstellungen, die Glaub- 
würdigkeit erzeugen); 3. »passiv« (sie erzeugen einen »Konformismus«, der sich an 
Images/Leitbildern ausrichtet); 4. »lebensnah und konkret« (durch »lebendige Anschau- 
ungsbilder«); 5. »vereinfacht« (komplexitätsreduziert und daher verständlich); 6. »zwei- 
deutig« (als Bilder lassen sie Interpretationsspielräume offen), vgl. ebd., 161-169. 

33 Bezeichnenderweise bezieht sich der Nachweis dieser Falschheit dann meist auf schrift- 
liche Mitteilungen. So werden z.B. im Falle der Werbung fast ausschließlich Slogans 
oder textbasierte (»falsche<) Qualitäts-Hinweise und (falsche) Argumentationen themati- 
siert (vgl. ebd., 184-197). 


1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |23 


Begriffe Ideal und Image deutlich, die Boorstin im Anschluß an eine bekannte Metapher 
zum Ausdruck bringt: Während Ideale als unveränderliche Orientierungen des Han- 
delns und Verhaltens fungierten, so wie einst die ungreifbaren Sterne am Himmel dem 
Seefahrer in der Nacht den Weg wiesen, seien die zunehmend an die Stelle der Ideale 
tretenden Images nur noch wandelbare Leitbilder”*, die nach Bedarf ausgetauscht wer- 
den könnten. Daß Boorstin in diesem Wandel einen neuen Utilitarismus erkennt, dessen 
moralische Minderwertigkeit (Falschheit) eine zentrale Eigenschaft der so definierten 
Images (Leitbilder) ist, mag folgendes Zitat verdeutlichen: 


Ideale werden gebraucht, weil sie in ihrer vollkommenen Form irgendwie schwer zu errei- 
chen sind. Ein Image dagegen ist etwas, auf das wir einen Anspruch erheben. Es muß unseren 
Zwecken dienen. Leitbilder sind Mittel. Wenn das Leitbild einer Firma ihr (oder das Leitbild 
eines Menschen ihm) nicht nützlich ist, wird es aufgegeben. (Ebd., 172, vgl. auch 158 f.) 


Boorstin geht es also im Grunde mit seiner Beschreibung des »Zeitalters der Images« 
um die Beschreibung einer massenmedial gesteuerten Gesellschaft, die im Unter- 
schied zu ihren (nicht dargestellten) Vorläufern über keine stabilen Normen und Idea- 
le mehr verfügt und sich gleichsam statt dessen an wandelbaren Leitbildern (Images) 
orientiert, die den verschiedensten und ständig wechselnden Zwecken unterstellt wer- 
den können. Und weil Boorstin Images in diesem Sinne als Leitbilder definiert, sieht 
er in der Soziologie eine Wissenschaft, die den historischen Dekonstruktionsprozeß 
der Ideale flankiert: Indem die Soziologie mit ihren Statistiken Durchschnittswerte 
erzeugt (z.B. in Bezug auf Themen wie geschlechtsspezifisches oder abweichendes 
Verhalten usw.), (Wunsch-)Vorstellungen typisiert oder moderne Werte und deren 
Wandel beschreibt, stellt sie temporalisierte wie temporalisierende »Normmodelle« 
bereit, die als vorübergehende Leitbilder des Verhaltens und Handelns wirksam wer- 
den (ebd., 175).35 


34 Während die deutsche Übersetzung die Wörter »Leitbild« und »Image« (vermutlich aus 
stilistischen Gründen) abwechselnd zum Einsatz bringt, spricht Boorstin durchgehend 
von Image und unterscheidet lediglich Firmen-Images als »Corporate-Images« (dt.: 
»Firmen-Leitbilder«). Der Begriffswechsel in der Übersetzung ist insofern legitim, als 
Boorstin fast durchgehend Leitbilder im Sinne von Pseudoereignissen meint. 

35 Ein ähnliches Problem sieht Link, wenn er der empirischen Sozialforschung im 19. Jahr- 
hundert eine zentrale Rolle bei der Entstehung des von ihm sogenannten »Normalismus« 
zuschreibt (vgl. Link 1997). 


24 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


1.5 Wozu Image? Ausgangspunkte der Luhmann’schen Theorie 
symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien 


Man kann nun eine Gemeinsamkeit dieser Image-Konzepte — bei allen hier nicht wei- 
ter eruierten Verschiedenheiten im Detail?® — darin sehen, daß sie alle eng verwandt 
sind mit Begriffen wie Schema, Rahmen, Skript oder Deutungsmuster. Sie heben auf 
die Typisierung des Sinnhaften zu Mustern ab, die als Vorstellungssysteme das Erle- 
ben und Handeln von Menschen leiten und dies als soziale Konstruktion von Wirk- 
lichkeit tun, insofern sie als kollektive Vorstellungsbilder fungieren. Typisierend läßt 
sich sagen: Der Image-Begriff nimmt in der neueren Forschung jenen Platz ein, der in 
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch den Begriff des Stereotyps besetzt war.?7 
Da es sich entsprechend um sehr allgemeine Erklärungs- und Beschreibungsansätze 
handelt, deren Gegenstand sich in den verschiedensten Bereichen des Psychischen, 
Sozialen, Kulturellen und Gesellschaftlichen ereignet, ist es durchaus verständlich, 
daß der Image-Begriff ebenso wie die Begriffe Rahmen oder Schema in die verschie- 
densten Fachwissenschaften Eingang gefunden hat, ja daß man von Image geradezu 
als einem transdisziplinären Begriff der Kulturwissenschaften sprechen kann. Die An- 


36 Zu einem weiterführenden Überblick über die Konzepte vgl. z.B. Hesse/Gelzleichter 
1993, 411-415. Hier findet sich auch der Hinweis auf Iwands Begriffssystematik, der 
sich nach wie vor die verfügbaren Begriffsvarianten zuordnen lassen: »a) Image, Bild, 
Vorstellungsbild, Leitbild, Gesamterlebnis; b) Vorurteil, Stereotype, Klischee, Attitüde; 
c) Imago, Tiefenbild, Archetyp; d) Anmutung, Eindruck; e) Ruf, Aura, Reputation, good/ 
bad will; f) Psychotyp; g) IKonik.« (Iwand 1974, 11 f.) Zu einer neueren Variante eines 
psychologischen Konzepts, das auf den Vorurteilscharakter von Images (Vorstellungen) 
abhebt, der sich mittels »psychologischer Mechanismen« in Prozessen der Komplexitäts- 
reduktion, der Verallgemeinerung, der Überverdeutlichung und der Bewertung konstitu- 
iert vgl. Bergler 1991, 47. Ein ähnlicher Image-Begriff findet sich in der sozialpsycho- 
logischen Vorurteilsforschung, wenn diese auf die Beschreibung von Stereotypen zielt 
(vgl. Koch-Hillebrecht 1978 und die Beiträge in Leithäuser u.a. (Hg.) 1977). Zu einem 
psychologischen Verständnis von Images im Sinne »kognitiver Karten« vgl. Läge/Kälin 
2005. 

37 Мап denke etwa an Lippmanns Überlegungen zu Stereotypen im Rahmen seiner Theo- 
rie einer »Public Opinion«, in denen Image synonym zu Stereotyp gebraucht wird (vgl. 
Lippmann 1922). Gemeint sind hier nicht nur Schablonisierungen der Medienberichter- 
stattung, sondern auch Typisierungsvorgänge, die menschlichem Denken und Kommu- 
nizieren generell eigen sind. Auch in Gehlens wenig später verfaßten anthropologischen 
und sozialpsychologischen Studien zielt der Stereotypenbegriff nicht exklusiv auf die 
Sphäre der »Erfahrungen zweiter Hand« sondern, z.B. im Anschluß an die Gestaltpsy- 
chologie, auf die allgemeine »Neigung unseres psychischen Apparates, alle Arten von 
Unregelmäßigkeiten, Lücken, Unvollständigkeiten und Unschärfen im Gegebenen zu- 
gunsten geschlossener, abgerundeter und maximal übersichtlicher Formen zu retouchie- 
ren.« (Gehlen 1993, 188) 


1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |25 


wendungskontexte reichen jedenfalls von der Wissenssoziologie?® über die Kunstge- 
schichte (Bildwissenschaft)” und die politische Ikonographie“" bis hin zur literatur- 
wissenschaftlichen Narrationstheorie.*! 

Nun ist jedoch nicht zu übersehen, daß Image-Begriffe im Sinne von Vorstel- 
lungsbild nicht zur Klärung der Frage beitragen können, warum, inwiefern und wozu 
sich das Phänomen Image im 20. Jahrhundert entwickelt. Es geht in den genannten 
Ansätzen (die Studie von Boorstin ausgenommen) keineswegs um eine genealogi- 
sche Beschreibung und Erklärung dessen, was in der Alltagskultur selbst als Image 
bezeichnet wird. Und ebenso wenig spielt hier die Frage eine Rolle, ob und inwie- 
fern es spezifische »Gegenstände« (soziale Konstruktionen) gibt, auf die sich die all- 
tägliche Bezeichnung von Image bezieht. Entsprechend kann eine entwicklungsge- 
schichtliche Perspektive auf Image an diesen Konzepten nicht anschließen.*? Um 
so mehr kommt es hier darauf an, die Historizität des Phänomens theoretisch und 
empirisch-analytisch genauer in den Blick zu nehmen und danach zu fragen, unter 
welchen Voraussetzungen und Bedingungen eben jene spezifische Form der Typisie- 
rung entsteht, die in etwa in den 1950er Jahren unter dem Namen Image die Bühne 
der Alltagskultur betritt. Vorliegende Untersuchung schließt also an Boorstin an, in- 
sofern sie Image als einen historischen Tatbestand rekonstruiert und dabei die Bild- 
medien als einen zentralen Generator der Entwicklung betrachtet. Im Unterschied 
zu Boorstin setzt sie jedoch nicht an der Frage nach dem ontologischen Status von 
Image(s) bzw. an der Gegenüberstellung von falscher und richtiger Realität an. Die 
Frage ist vielmehr, ob und inwiefern die Einführung der technischen Bildmedien die 
Etablierung von Image unter funktionalen Gesichtspunkten notwendig macht und 
welche Merkmale für die bezeichneten Phänomene charakteristisch sind. Um den 
Ausgangspunkt dieser Fragestellung zu verdeutlichen, kann wiederum ein Blick auf 
die erwähnten Image-Konzepte dienen. Auch in deren Kontext finden sich nämlich 
(wenn auch selten) zeitdiagnostische Argumentationen, die eine bestimmte Funktio- 
nalität von Images unter den Bedingungen der modernen Massenmedien annehmen. 
Als funktional werden Images im Sinne von Vorstellungsbild oder Stereotyp näm- 


38 Vgl. Dreitzel 1961; Knoblauch 2005. 

39 Zu einem Sammelband, der verschiedene historische Bildkonzepte, vorwiegend aus dem 
Bereich der Kunst und der (Selbst-)Darstellung von Machthabern, unter dem Image- 
Begriff versammelt vgl. Köstler/Seidl (Hg.) 1998. 

40 Zu Konzepten und empirischen Befunden einer neueren sozialwissenschaftlichen Theo- 
rie der »visuellen Politik der Sichtbarkeit«, deren Ursprünge in der Kunstgeschichte zu 
sehen sind, vgl. Holert (Hg.) 2000. 

41 Vgl. Nünning/Nünning 2003. 

42 Eine genealogische Perspektive auf Image im Sinne von »Vorstellung« anzulegen, würde 
bedeuten, die Frage nach der Entstehung der Typisierung von Sinn (Vorstellungen) zu 
stellen bzw. nach einem Formen- und Funktionswandel von Vorstellungssystemen im 
allgemeinen zu fragen. 


26 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


lich angesehen, weil sie Komplexität reduzieren und Orientierung in den zunehmend 
unübersichtlichen Kommunikationsverhältnissen schaffen. Schon Lippmann geht in 
seiner Studie »Public Opinion« (1922) von einem anwachsenden Bedarf an Stereoty- 
pisierungen in der öffentlichen Sphäre aus und führt diesen auf die mit der Expansion 
der Massenmedien einhergehenden Informationsquantitäten zurück. Er sieht, daß die 
neue Informationsflut auch und gerade deshalb problematisch ist, weil (Rezipienten-) 
Aufmerksamkeit prinzipiell eine knappe Ressource darstellt. Die Schablonisierung, 
Generalisierung, Vereinfachung und Übertreibung von Mitteilungen übernimmt also 
nicht nur Entlastungsfunktionen für Individuen (Komplexitätsreduktion), sondern 
erscheint zudem als kommunikative Anpassungsform massenmedialer Sinnanbieter 
an die neuen Konkurrenz- und Knappheitsbedingungen.*? Diese Perspektive, die für 
eine allgemeine Theorie massenmedialer Kommunikation sicherlich von zentraler 
Bedeutung ist und zu Recht bis in die aktuellen Debatten hinein eine wichtige Rolle 
spielt, zeigt aber wiederum nur, daß der Image-Begriff hier auf verschiedenste Ty- 
pisierungen zielt und die Funktionalität entsprechend in der Typisierung als solcher 
gesehen und auf die Problemlagen der modernen »Informationsgesellschaft« bezo- 
gen wird.** Schränkt man die Fragestellung jedoch auf einen spezifischen Typus von 
Typisierungen ein, nämlich auf denjenigen, der sich in der Gesellschaft bzw. der All- 
tagskultur an der Bezeichnung Image zu erkennen gibt, muß auch die Beschreibung 
derjenigen Prozesse und Problemlagen enger gefaßt werden, die dieser spezifischen 
Schematisierung vorausgehen bzw. diese entwicklungsgeschichtlich bedingen. Eine 
solche Einschränkung erfolgt hier zum einen im Anschluß an die Luhmann’sche The- 
опе der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien.*° Mit dieser Theorie 
wird die Frage nach der Entwicklung von Image als eine Frage nach einer histori- 
schen Konstellation gestellt, in der die Annahme und Akzeptanz bestimmter Mittei- 
lungen zum Problem wird. Zum anderen und zugleich erfolgt eine nähere Ausein- 
andersetzung mit der Frühgeschichte der Photographie und der Geschichte der bild- 
basierten Werbung — mithin jenen Sphären kultureller (Re-)Produktion, die mit dem 
Image-Begriff häufig assoziiert werden. Dieses Vorgehen folgt der Hypothese, daß 
die soziokulturellen Folgen bereits oder gerade mit der ersten Variante technischer 
Bildmedien, also zu der Zeit eines mit der Photographie einhergehenden Medienum- 
bruchs, besonders deutlich werden. 

Welche theoretischen Ausgangspunkte ergeben sich nun für die gewählte Frage- 
stellung im Rahmen des Luhmann’schen Konzepts der symbolisch generalisierten 


43 Insbesondere bei seinen Beschreibungen der Arbeit von Zeitungsredaktionen konkreti- 
siert Lippmann diesen Sachverhalt (vgl. z.B. 1964, 244 ff.). 

44 Zu einem Überblick über Studien, die den Image-Begriff dementsprechend auf die Be- 
darfslagen einer »Informationsgesellschaft« beziehen, vgl. Hesse/Gelzleichter 1993, 
416-419. 

45 Vgl. Luhmann 1974. 


1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |27 


Kommunikationsmedien?*° Eine wesentliche Prämisse dieser Theorie liegt in der An- 
nahme von Kommunikation als dem grundlegenden Vorgang, mit bzw. in dem sich 
das Soziale ereignet. Da Kommunikation immer eine Mehrzahl von mitwirkenden 
Bewußtseinen voraussetzt und als Vorgang wie als Kommunikationseinheit nicht 
einem Einzelbewußtsein zugeordnet werden kann, sind Kommunikationen für Luh- 
mann die spezifischen Operationen sozialer Systeme, bzw. ist Kommunikation »die 
einzig genuin soziale Operation« (Luhmann 1997, 81). Als solche steht sie immer in 
Bezug zu anderen Kommunikationen, ja sie existiert nicht ohne rekursive Vernetzung, 
ohne »ein Netzwerk, an dessen Reproduktion jede einzelne Kommunikation selber 
mitwirkt«. (Ebd., 83) Kommunikation, die Luhmann als Zusammenhang der Selekti- 
onen Information, Mitteilung und Verstehen definiert,“ ist als basaler sozialer Prozeß 
der »Stoff«, der Gesellschaft konstituiert: 


Die Gesellschaft ist ein autopoietisches System, auf der Basis von sinnhafter Kommunikation. 
Sie besteht aus Kommunikationen, sie besteht nur aus Kommunikationen, sie besteht aus al- 
len Kommunikationen. Sie reproduziert Kommunikation durch Kommunikation. Was immer 
sich als Kommunikation ereignet, ist dadurch Vollzug und zugleich Reproduktion der Gesell- 
schaft. Weder in der Umwelt noch mit der Umwelt der Gesellschaft kann es daher Kommu- 
nikation geben. Insofern ist das Kommunikationssystem der Gesellschaft ein geschlossenes 
System. Sie ist aber nur in einer Umwelt, vor allem nur dank psychischen Bewußtseins, dank 
organischen Lebens, dank physischer Materialisierungen, dank der Evolution von Sonnen 
und Atomen möglich. (Luhmann 1984a, 311) 


Eine erste für die Theorie der Kommunikationsmedien relevante Pointe besteht nun 
darin, daß sie Kommunikation nicht als Prozeß der »Übertragung« von Informationen 
zwischen Akteuren versteht. Wie Luhmann in Bezug auf verschiedene, die Kommuni- 
kation bedingende Strukturen und Aprioris verdeutlicht, ist Kommunikation vielmehr 
»unwahrscheinlich«. Die Wahrnehmung, das Bewußtsein oder die Kommunikation 
selbst sind als komplexe Selektionsmechanismen aufzufassen, deren theoretische 
Beschreibung die Annahme zurückweist, daß sich Kommunikation (wie in der auf 


46 Zu einer vergleichenden Darstellung der Medienkonzepte von Parsons, Habermas und 
Luhmann, die hier nicht näher thematisiert werden kann, vgl. Künzler 1989. 

47 Vgl. dazu ausführlich z.B. Luhmann 1987. In Bezug auf die Frage nach der evolutiven 
Entwicklung dieser synthetisierenden Selektionsleistungen schreibt Luhmann: »Ent- 
scheidend dafür dürfte sein, daß Sprechen (und dieses nachahmende Gesten) eine Intenti- 
on des Sprechers verdeutlicht, also eine Unterscheidung von Information und Mitteilung 
und im weiteren dann eine Reaktion auf diesen Unterschied mit ebenfalls sprachlichen 
Mitteln erzwingt. Erst dadurch entsteht überhaupt, als Komponente dieser Unterschei- 
dung, eine Information mit Informationswert, d.h.: eine Information, die den Zustand des 
sie prozessierenden Systems ändert (im Sinne des berühmten Diktums von Bateson: a 
difference that makes a difference)« (Luhmann 1997, 85 Ё). 


28 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Technik bezogenen Informationstheorie) als Übergabe eines Kommunikats (einer In- 
formation) von einem Sender an einen Empfänger konzipieren läßt. Plausibel wird 
das besonders dann, wenn man wie Luhmann Kommunikation nicht vom Mittei- 
lungshandeln, sondern vom Verstehen aus perspektiviert. Der Empfänger, dem das 
Bewußtsein (die Gedanken) des anderen (des Senders) prinzipiell verschlossen ist 
(sind), kann dessen Mitteilung nur über den Umweg der immer sozialen Kommuni- 
kation und nur im Rahmen derjenigen Unterscheidungsleistungen verstehen, die an 
der (Re-)Produktion von Kommunikation beteiligt sind. Da die Komplexität kommu- 
nikativer Prozesse es als unwahrscheinlich erscheinen läßt, daß der Empfänger über- 
haupt dieselben Unterscheidungen wie der Sender an Kommunikation anlegen kann, 
daß also der Enkodierung überhaupt eine Dekodierung entsprechen kann,*® wird das 
kommunikationstheoretische Modell der »Übertragung« (auch im erweiterten Sinne 
der Annahme von En- und Dekodierungsprozessen) von Information zurückgewiesen 
und durch die Theorie der Kommunikationsmedien ersetzt. Mit ihr will Luhmann 
erklären, warum Kommunikation trotzdem funktioniert, d.h. wie es möglich ist, daß 
Kommunikationen produziert und aneinander angeschlossen werden können. 

Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation ist also für Luhmann der allgemeine 
Ausgangspunkt der Erklärung eines Bedarfs und der Entstehung der Kommunikations- 
medien bis hin zu den regelgeleiteten (»codierten«, »programmierten«) »symbolisch ge- 
neralisierten Kommunikationsmedien« wie etwa Liebe oder Macht, die Luhmann auch 
als »themenorientierte Spezialsprachen« bezeichnet. Die Theorie der Kommunikations- 
medien unterscheidet nun unterschiedliche Unwahrscheinlichkeiten und entsprechend 
unterschiedliche Medien, die als Wahrscheinlichkeitssteigerungsmechanismen des 
Funktionierens von Kommunikation gedacht sind: Auf der allgemeinsten Ebene geht es 
Luhmann um die Unwahrscheinlichkeit des Sichereignens von Kommunikation über- 
haupt. Denn, so die Überlegung, ohne eine bereits vorliegende Kommunikation gäbe 
es keinen Anlaß zur Kommunikation. Da die Möglichkeit der Entstehung von Kommu- 
nikation also bereits ihr Vorhandensein voraussetzt, stellt sich die Frage »wie denn die 
Kommunikation selbst ihre eigene Unwahrscheinlichkeit des Sichereignens überwinden 
kann« (Luhmann 1997, 190). Sie stellt sich um so mehr, als alle der an Kommunikation 
beteiligten Komponenten (Information, Mitteilung, Verstehen) als Selektionsleistungen 
jeweils anders möglich, d.h. kontingent sind und es daher unwahrscheinlich ist, daß 
sich Bewußtseine und »psychische Systeme« auf Kommunikation überhaupt einlassen. 
Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation wird nun, so Luhmann, in der Kom- 
munikation mit Hilfe der Unterscheidung von Medium und Form gelöst bzw. durch 
die Unterscheidung von Medium und Form das Problem der Unwahrscheinlichkeit in 
eine Form transformiert, die die (Re-)Produktionswahrscheinlichkeit von Kommunika- 
tion steigert. Das Durchführen der Unterscheidung von Medium und Form bezeichnet 


48 Obwohl, wie auch Luhmann feststellt, Kommunikation im Alltag meistens reibungsfrei 
abläuft, kommt die Theorie nicht umhin festzustellen, daß »Konsens im Vollsinne einer 
vollständigen Übereinstimmung unerreichbar ist.« (Luhmann 1997, 82) 


1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |29 


Luhmann als ein »Kommunikationsmedium«: »Wenn wir von »Kommunikationsme- 
dium« sprechen, meinen wir immer die operative Verwendung der Differenz von me- 
dialem Substrat und Form« — und Kommunikation, so Luhmann weiter, ist »nur als 
Prozessieren dieser Differenz möglich« (ebd., 195). Das Kommunikationsmedium ist 
also nicht das »mediale Substrat«*°, und es sind auch nicht die Formen, sondern es ist 
das, was in der Unterscheidung und dem prozessualen Fortgang von Unterscheidungen 
im Zusammenhang in Erscheinung tritt. 

Kommunikationsmedien sind also Unterscheidungen von Medium und Form, die, 
obwohl sie beobachterabhängig sind, die Unwahrscheinlichkeit des Sichereignens 
von Kommunikation reduzieren. Ein plastisches Beispiel dafür ist die Medium-Form- 
Unterscheidung, die das Kommunikationsmedium Sprache ermöglicht. Die einzel- 
nen, ungekoppelten Laute bilden ein Medium, in dem sich die zu Wörtern aneinander- 
gebundenen Laute der gesprochenen Sprache als Formen deutlich abheben und sich 
als solche von dem Medium unterscheiden lassen. Betrachtet (hört) man hingegen 
Wörter in ihrer Vielzahl und in ihrer spezifischen Abfolge, werden sie zu Medien, in 
denen Sätze als Formen Kontur gewinnen. Medium und Form sind also aufeinander 
bezogene Begriffe, die mit der Beobachterposition variieren — Medien können zu For- 
men werden und umgekehrt. In jedem Fall ist, so Luhmann, die Form »stärker als das 
mediale Substrat« und »setzt sich im Bereich der lose gekoppelten Elemente durch 
[...]. Andererseits sind Formen weniger beständig als das mediale Substrat. Sie erhal- 
ten sich nur über besondere Vorkehrungen wie Gedächtnis, Schrift, Buchdruck. Aber 
selbst dann, wenn eine Form als wichtig bewahrt wird, und hierfür setzen wir den 
Begriff der Semantik ein, bleibt die freie Kapazität des medialen Substrats zu immer 
neuen Kopplungen erhalten.« (Ebd., 200) Es geht also um einen Prozeß des Koppelns 
und Entkoppelns, denn »das Medium wird wieder freigegeben. Ohne Medium keine 
Form und ohne Form kein Medium, und in der Zeit ist es möglich, diese Differenz 
ständig zu reproduzieren.« (Ebd., 199) 

Zum einen soll das Modell der Unterscheidung von Medium und Form erklären, wie 
die Kommunikation Bedingungen herstellt, die ihre Reproduktion auf Dauer stellen: 


Auf Grund dieser in sich asymmetrischen Form der Unterscheidung von medialem Substrat 
und Form prozessieren Kommunikationssysteme Kommunikationen. Sie lenken damit die 
Fokussierung von Sinn auf das, was jeweils geschieht und Anschluß sucht. So kommt es zur 
Emergenz von Gesellschaft, und so reproduziert sich die Gesellschaft im Medium ihrer Kom- 
munikation. Mit diesem komplexer gebauten Begriff ersetzen wir die übliche Vorstellung 
eines Übertragungsmediums, dessen Funktion darin besteht, zwischen unabhängig lebenden 
Organismen zu »vermitteln«. (Ebd., 201) 


49 »Wo es auf größere Genauigkeit ankommt und nur die eine Seite der Unterscheidung im 
Unterschied zu (und nicht in Einheit mit) der anderen bezeichnet werden soll, werden wir 
[...] von medialem Substrat sprechen.« (Luhmann 1997, 195) Vorliegende Arbeit verfährt 
entsprechend. 


30 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Zum anderen wird festgestellt, daß die Anschlußfähigkeit für weitere Operationen 
über die Medium-Form-Unterscheidung immer auf der Seite der Form — und nicht auf 
der Seite des medialen Substrats — hergestellt wird. Das gilt für die Wahrnehmungsme- 
dien wie für die Kommunikationsmedien: »Auch hier bilden, wenn man auf Sprache 
abstellt, nicht schon Worte, sondern erst Sätze einen Sinn, der in der Kommunikation 
prozessiert werden kann.« (Ebd.) Das bedeutet, daß auf der Ebene des Sinns erneut 
— aber jetzt in anderer, spezifizierter Weise — das Problem der Unwahrscheinlichkeit 
der Kommunikation entsteht. Jetzt geht es nicht mehr um die Unwahrscheinlichkeit 
der Kommunikation an sich, sondern es geht um die Unwahrscheinlichkeit, daß das 
Sinnangebot, das als Form kommuniziert wird, als solches angenommen wird, also 
um die Unwahrscheinlichkeit der Annahme des jeweils spezifischen Sinns. In dem 
Moment, in dem Sätze — um beim Beispiel der Sprache zu bleiben — Sinn als Form 
fixieren stellt sich überhaupt erst die Frage nach Zustimmung oder Ablehnung, und 
sie stellt sich notwendigerweise im Vollzug von Sprache permanent, insofern »jede 
Kommunikation eine offene Situation herstellt, in der Annahme und Ablehnung des 
Sinnvorschlages möglich sind«. (ЕЫа.)50 

Von dieser Stufe aus entwickelt Luhmann das Theorem der symbolisch genera- 
lisierten Kommunikationsmedien. Diese reagieren nicht nur auf das Problem, daß 
Kommunikation prinzipiell Zustimmung bzw. Reaktanz evoziert, sondern auf vor- 
aussetzungsvollere Bezugsprobleme, die sich in konkreten historischen Konstella- 
tionen ergeben.°! Die Beschreibung der symbolisch generalisierten Kommunikati- 


50 Luhmann geht daher von einer Ja/Nein-Codierung der Sprache aus. Zur argumentativen 
Herleitung dieser Annahme vgl. ausführlich Luhmann, z.B. 1997, 205-230. Obwohl be- 
reits die Sprache Komplexität reduziert, ist der Vergleich von Sprache und symbolisch 
generalisierten Kommunikationsmedien ein »schief laufender Vergleich« (Luhmann 
1987). Das Vorhandensein von Sprache macht vielmehr andere (weitere) Kommunika- 
tions-Codes um so erforderlicher: »Die durch Sprache gesteigerte Kontingenz erfordert 
Zusatzeinrichtungen in der Form weiterer symbolischer Codes, die die wirksame Über- 
tragung reduzierter Komplexität steuern.« (Luhmann 1974, 239) 

51 Das allgemeine, gemeinsame Bezugsproblem aller symbolisch generalisierten Kommuni- 
kationsmedien sieht Luhmann im Anschluß an Parsons darin, daß bei evolutionär zuneh- 
mender Systemdifferenzierung »jedes System seine Einzelbeziehung zu einem anderen 
System nach Maßgabe generalisierter Bedingungen der Kompatibilität mit den übrigen 
Systemen steuern können (muß). Die Vielzahl der Außenbeziehungen, die bei System- 
differenzierung anfallen, muß daher durch symbolisch generalisierte Tauschmedien wie 
z.B. Geld vermittelt werden.« (1974, 238) Luhmann verallgemeinert und respezifiziert 
diesen Ansatz jedoch, indem er nicht wie Parsons annimmt, daß hier nur ein (aus System- 
differenzierung hervorgehendes) Bezugsproblem im Rahmen von Tauschbeziehungen 
(und wechselseitigen Bedürfnisbefriedigungen) vorliegt, sondern ein Bezugsproblem, 
das Kommunikation generell betrifft. Die Perspektive auf die Leistung der symbolisch 
generalisierten Kommunikationsmedien wird damit erneut auf die Frage nach der »Si- 
cherstellung der erfolgreichen Abnahme von Kommunikationen« (ebd.) zurückgeführt. 


1. IMAGE ALS HISTORISCHES ALLTAGSPHÄNOMEN |31 


onsmedien ist daher eingebunden in die Rekonstruktion der Ausdifferenzierung der 
Gesellschaft und solcher Problemlagen, in denen die kommunikative Bewältigung 
bestimmter Themen dauerhaft erleichtert werden muß. Dies, so Luhmann, leisten die 
symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien mit einem Reservoir von »Spiel- 
regeln<, die die Kommunizierenden beachten müssen, wenn sie an dem jeweiligen 
Thema (erfolgreich) kommunizierend partizipieren wollen bzw. müssen.” Als solche 
themenorientierten Spezialsprachen beschreibt Luhmann z.B. Eigentum bzw. Geld,” 
Масы,“ Liebe 27 Wahrheit,°° Kunst?! oder auch »moralische Kommunikation«°°. 
Ihre allgemeine Funktion besteht darin, »reduzierte Komplexität übertragbar zu ma- 
chen und für Anschlußselektivität auch in hochkontingenten Situationen zu sorgen« 
(1974, 240). Sie sind »Kontingenzformeln«, die »verständlich und plausibel machen, 
daß in bestimmter Weise gelebt und gehandelt wird, obwohl — oder sogar: gerade 
weil — auch anderes möglich ist.« (Ebd., 250) Als Mechanismen der Komplexitäts- 
reduktion ermöglichen sie zugleich den Aufbau von Komplexität, die Steigerbarkeit 
von Kontingenz und damit den Aufbau komplexer Gesellschaften.°” Das Entstehen 
spezifischer Probleme und darauf bezogener Spezial-Kommunikationen betrachtet 
Luhmann daher als ein Apriori der Entwicklung der meisten sozialen Funktionssyste- 
me. Letztere ruhen gleichsam auf den symbolisch generalisierten Kommunikations- 
medien. Die symbolisch generalisierten Medien sind also »nicht die Folge funktio- 
naler Systemdifferenzierung, sondern eher Katalysatoren für die Ausdifferenzierung 
von Funktionssystemen.« (Luhmann 1988b, 68) Das folgende Kapitel geht nun der 
Frage nach, ob und inwiefern mit den technischen Bildmedien Problemlagen Einzug 
in die Gesellschaft halten, die mit der Entstehung von Image in Verbindung stehen. 


52 Luhmann sieht in den symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien entsprechend 
eine Alternative zu Normen, die im Rahmen funktionaler Differenzierung zunehmend 
weniger in eine einheitliche Kosmologie integriert werden können bzw. an Verbindlich- 
keit verlieren. Das bedeutet für Luhmann jedoch nicht, daß die Frage »Gibt es in unserer 
Gesellschaft noch unverzichtbare Normen?« (1993) durchweg negativ beantwortet wer- 
den könnte. Gemeint ist vielmehr, daß die themenorientierten Kommunikationen parallel 
zu Normen entstehen, so daß in vielen Bereichen der Gesellschaft Kommunikation im 
Verzicht auf diese gesteuert werden kann. 

53 Vgl. Luhmann 1988b. 

54 Vgl. Luhmann 1975. 

55 Vgl. Luhmann 1982. 

56 Vgl. Luhmann 1990. 

57 Vgl. Luhmann 1995. 

58 Vgl. Luhmann 1997. 

59 Dabei transformieren sie eher ein Problem, als daß sie es aus der Welt schaffen. Während 
die ursprünglichen Ablehnungswahrscheinlichkeiten minimiert werden, werden neue, 
nämlich auf das Medium bezogene, mit den symbolisch generalisierten Medien über- 
haupt erst erzeugt. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG 
VON IMAGE AM BEISPIEL DER PHOTOGRAPHIEGESCHICHTE 
DES 19. JAHRHUNDERTS 


Einleitung 


Wenn im folgenden die technischen Bildmedien am Beispiel der Photographie in den 
Mittelpunkt der Betrachtung gerückt werden, geschieht dies keineswegs in der Ab- 
sicht, die Technik als den alleinigen oder wichtigsten Generator der Entwicklung in 
Richtung Image zu interpretieren. Selbst wenn man davon ausgeht, daß technische 
Erfindungen nicht im Blick auf ihre sozialen und gesellschaftlichen Funktionen und 
Folgen gemacht werden (müssen), ist nicht zu übersehen, daß die jeweils historisch 
vorliegende Gesellschaft dennoch eine zentrale Rahmenbedingung der Technik dar- 
stellt, die festlegt, ob und inwiefern sich letztere entfalten kann. Dies verdeutlicht z.B. 
die Erfindung des Buchdrucks, die in Europa eine ganz andere Entwicklung einleitet 
als z.B. in China.! Es zeigt sich aber auch an der Einführung der Photographie im 19. 
Jahrhundert, deren rasche Verbreitung nicht nur die offenen Märkte der Wirtschaft, 
sondern auch die spezifische Sozialstruktur einer funktional differenzierten Gesell- 
schaft zur Voraussetzung hat: So kann man die Entwicklung der Photographie im 
19. Jahrhundert — zumindest auch — mit einer gesteigerten Nachfrage nach Bildern 
durch ein expandierendes und zunehmend wohlhabendes Bürgertum in Verbindung 
bringen.? Und man kann, noch weiter zurückblickend, diesen Bilderbedarf zu Indi- 
vidualisierungsprozessen in Beziehung setzen, die seit der Renaissance ein wichtiges 
Moment gesellschaftlicher Modernisierung darstellen und in den entsprechenden Re- 
gionen (insbesondere Europa) Einfluß auf die Bildkultur nehmen. 

Die folgenden Überlegungen interpretieren die noch zu skizzierenden Bezugs- 
probleme also keineswegs als zwingende Folgeentwicklungen der Technik, sondern 


1 Zu dieser Gegenüberstellung vgl. Luhmann 1997, 292. Zu den gesellschaftlichen bzw. 
kulturellen Folgen der Einführung des Buchdrucks in Europa vgl. z.B. Giesecke 1992. 

2 У]. Freund 1979, 13-20. Schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts knüpft das Bürger- 
tum an Formen der Selbstdarstellung an, die zuvor adeligen Schichten vorbehalten war, 
wobei halbindustrielle Verfahren der Portraitherstellung (Miniaturmalerei, Silhouette, 
Kupferdruck, Physionotrace), von einem »regelrechten Bildhunger im 18. Jahrhundert« 
(Burckhardt 1994, 248 f.) und einem darauf reagierenden Markt zeugen. 


34 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


als ein Resultat, das sich einstellt, wenn die (funktional differenzierte) Gesellschaft 
die Möglichkeiten der Entfaltung der technischen Bildmedien im wesentlichen nur 
über die Orientierung der Bildproduktion an potentiellen Publika und deren Nach- 
frage einschränkt. Gleichwohl läßt sich zeigen, daß die Bildmedien als Generatoren 
eines spezifischen Bezugsproblems von Image fungieren, indem sie nämlich als Dar- 
stellungs- und Verbreitungstechniken auf die Kommunikationsverhältnisse selbst ein- 
wirken. Über diesen Ausgangspunkt wird hier eine komplementäre Perspektive zu 
den (wenigen?) soziologischen Studien entworfen, die die gesellschaftlichen Folgen 
der Photographie nur in den »sozialen Gebrauchsweisen« (Bourdieu u.a. 1983) im 
Sinne einer symbolischen Praxis erkennen, mittels derer sich unterschiedliche Grup- 
pen als solche in der Gesellschaft darstellen und positionieren.* Entscheidend ist hier 


3 Sieht man sich nach Theorien und empirischen Untersuchungen um, die die gesellschaft- 
liche Bedeutung der Photographie in den Blick nehmen, findet man in der beeindrucken- 
den Vielzahl von Publikationen im Bereich der Photographiegeschichte wenig (zu einer 
soziologischen Analyse der Frühgeschichte vgl. aber Jäger 1996). Die Photographiege- 
schichte ist sehr lange und stark auf die Technik- und Kunstgeschichte festgelegt. Wie 
Starl (vgl. 1983; vgl. auch Stiegler 2001) feststellt, Kommt erst mit Helmut Gernsheims 
»Geschichte der Photographie. Die ersten hundert Jahre« (1969) eine kulturwissenschaft- 
liche Dimension hinzu, wobei Studien zur sozialen Dimension der Photographie rar blei- 
ben. Auch in kultur- oder sozialwissenschaftlichen Mediengeschichtsschreibungen wird 
die Photographie immer wieder ganz vergessen, oder sie nimmt nur einen marginalen 
Stellenwert ein (z.B. bei Eckert/Winter 1990). Den Kapiteln über den Buchdruck folgen 
häufig bruchlos solche über die »Elektronischen Medien« (vgl. z.B. Dröge/Kopper 1991; 
North 1995). Auch Luhmann läßt in seinen geschichtlich systematisierten Abhandlun- 
gen über die »Verbreitungs- und Erfolgmedien« (1997) die elektronischen Medien direkt 
dem Buchdruck folgen. Zu einem detaillierten Überblick über die Theorie(n) der Photo- 
graphie vgl. Stiegler 2006. 

4 Zu den klassischen Arbeiten dieses Ansatzes gehören z.B. Bourdieu u.a. 1983, Freund 
1979 oder Rouille 1982. Sie legen die soziale Funktion der Photographie im wesentli- 
chen auf die Praxis des Photographierens im Sinne einer Selbstdarstellung von Gruppen 
fest, wobei die Symbolisierung der jeweiligen Gruppenidentität (die Bourdieu zufolge 
ihre Form durch die Orientierung an einem Klassensystem gewinnt) vor allem als ein 
»Integrationsritus« (Bourdieu u.a. 1983, 42) der Gruppenmitglieder in die Gruppe fun- 
giert und daher — so Bourdieu — diejenigen Zeremonien und Rituale begleitet, denen 
ihrerseits eine gruppenintegrierende Funktion zukommt (z.B. Tauffeiern, Hochzeiten). 
Während Bourdieu seine Analyse der sozialen Gebrauchsweisen der Photographie als 
eine gegenwartsbezogene Studie im Frankreich der 1950er Jahre anlegt, blicken Freund, 
Rouillé oder auch Jäger (1996) von einem ähnlichen Standpunkt wie Bourdieu auf die 
sozialen Gebrauchsweisen der Photographie im 19. Jahrhundert. 

Einen ganz anderen Bezug zur Photographie stellt die Soziologie insofern her, als sie die 
Photographie wie die Ethnographie als ein Speichermedium visueller Daten für die For- 
schung benutzt und entsprechend (z.B. unter methodologischen Gesichtspunkten) reflek- 
tiert. Dabei wurde die photographische Fixierung gesellschaftlicher ›Таќѕасһеп‹ schon 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |35 


vielmehr der Sachverhalt, daß die sozialen Folgen — vom soziokulturellen Wandel bis 
hin zu den sozialpsychologischen Effekten dieses Wandels — ebenso wie die Funktio- 
nen der Photographie gerade nicht auf die sozialen Gebrauchsweisen in diesem Sinne 
beschränkt sind. Die Photographie befindet sich seit der Bekanntgabe des Verfahrens 
1839 nicht mehr nur in den Händen von Gruppen, die sich mittels eines neuen Dar- 
stellungsmediums selbst vergewissern und in diesem Gebrauch die Bedeutung der 
Photographie definieren. Im Zuge der Durchdringung der Gesellschaft mit Photogra- 
phien, die in Schaufensterauslagen, Photoalben, Plakaten, Zeitungen und Zeitschrif- 
ten zu einem gewöhnlichen Bestandteil der Lebenswelt werden, bildet sich, erst recht 
mit den Nachfolgemedien Film und Fernsehen, ein Universum technischer Bilder mit 
Konsequenzen, die weit über diese symbolische Praxis hinausgehen.? Die substan- 


sehr lange als eine Art bildbasierte soziologische Aufklärung betrieben. Die »Field Pho- 
tography« von Jacob A. Riis und Lewis W. Hines, die ab 1880 das Leben der Ärmsten 
New Yorks dokumentierten, gilt als ein Anfangspunkt dieser Entwicklung (vgl. Freund 
1979, 117). In dieser Tradition steht dann auch eine ambitionierte Form des Bildjourna- 
lismus, die eine für jeden verständliche Sozialethik entwickelt und einen ersten Höhe- 
punkt mit Edward Steichens Wanderausstellung »Family of Man« 1955 erreichte (vgl. 
Neumann 1989, 72). 

5 Damit ist keineswegs gesagt, daß die Photographie nicht bis heute dafür genutzt werden 
kann, gruppen-, klassen- oder milieuspezifische Unterschiede zum Ausdruck zu bringen. 
Daß dies geschieht, ist offensichtlich. Offensichtlich ist aber auch, daß selbst die photo- 
graphische Praxis Jedermanns längst nicht mehr (und bereits seit der Erfindung der Pho- 
tographie keineswegs exklusiv) nur der Selbstvergewisserung von Gruppen und ihren 
Mitgliedern als solchen dient, sondern hochindividualisierten Interessen und Funktionen 
unterstellt ist, die sich kaum noch mit dem symbolischen Ausdruck im Bourdieu’schen 
Sinne verbinden oder gar auf diesen reduzieren lassen. Die Geschichte der Photographie 
des 19. Jahrhunderts verdeutlicht vielmehr, daß sich hier ein »Kult des Selbst« (vgl. 
Goffman 1981) Bahn bricht, wenngleich dieser Aspekt in der Literatur zur Photogra- 
phiegeschichte der »bürgerlichen Photographie« nicht hinreichend berücksichtigt wird. 
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der insbesondere in der Kultur- und Kunst- 
geschichte längst beschriebene Sachverhalt, daß sich bereits am Beginn der Neuzeit eine 
an der Darstellung von Individuen orientierte Bildkultur zu entwickeln beginnt (vgl. 
Burckhardt 1860). Schon im 16. Jahrhundert etabliert sich z.B. das als Geschenk funk- 
tionalisierte Freundschaftsportrait, womit ein Genre von Bildern gemeint ist, das eine 
Person oder mehrere Individuen (als solche) zeigt (vgl. Burke 1998, 156). 

Im Blick auf die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie dürfte jedenfalls schon 
seit längerem eine Funktion von besonderer Bedeutung sein, die sich mit Hahns Begriff 
des »Biographiegenerators« (Hahn 1987) umschreiben läßt. Denn als Speichermedium 
›теапзїїзсһег‹ Bilder ermöglicht die Photographie eine permanent aktualisierbare Selbst- 
vergewisserung individueller Identität bzw. das Herstellen einer entsprechenden (Bild-) 
Biographie, wobei es offenkundig neben der individuellen Biographie auch um die Bio- 
graphie der Primärgruppe Familie — ihrer Erlebnisse, ihres Wandels (z.B. der körperli- 
chen Erscheinung ihrer Mitglieder) — geht. Zu einer neueren Untersuchung der sozialen 


36 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


tiellen gesellschaftlichen Folgen sind jedenfalls fraglos im Bereich der öffentlichen 
Bilder‘ und einer sich mit den technischen Bildern neu formierenden visuellen Kultur 
zu diagnostizieren und ebenda zu ergründen. 

Indem dies exemplarisch in Bezug auf die frühe Photographiegeschichte ge- 
schieht, bleiben erhebliche Unterschiede, die fraglos zwischen der Photographie und 
den jüngeren Techniken Film und Fernsehen bestehen, unberücksichtigt.’ Die Analy- 
se der Vergesellschaftung der Photographie des 19. Jahrhunderts verdeutlicht jedoch, 
daß die entscheidenden Strukturmerkmale der modernen Massenbildmedien bereits 
mit der Photographie entstehen und wirksam werden. Konkret faßbar wird dies an 
inszenatorischen Praktiken sowie an Beiträgen zur gepflegten Semantik, die entlang 
von Zeitungsartikeln, populärwissenschaftlichen Publikationen (z.B. Ausstellungs- 
kataloge, Ratgeberliteratur) oder privaten Stellungnahmen (z.B. Briefe, Tagebücher) 
entwickelt wird. 


2.1 Bezugsproblem I: Oberfläche und/als Tiefe — 
technische Bilder als Kommunikationsmedien 


Eines der beiden Bezugsprobleme der sich im 20. Jahrhundert entwickelnden Image- 
Kommunikation ist durch die spezifischen Darstellungsbedingungen technischer Bil- 
der fundiert. Die genauere Bestimmung dieses Problems erfordert zunächst eine Er- 
läuterung notwendiger Begrifflichkeiten. So implizieren folgende Überlegungen einen 
bestimmten Bildbegriff. Gemeint sind nicht sämtliche bildartigen Vorstellungen und 
mentalen Konstruktionen, die im Subjekt »angeschaut« werden,® sondern Kommuni- 


Gebrauchsweisen der Photographie und der Rolle »privater Photos für die Sinnhaftigkeit 
eigenen Lebens« vgl. Guschker 2002. Daß die soziale Funktion der Photographie im 
Umgang mit (privaten) Photographien inzwischen sehr stark auf die Herstellung biogra- 
phischer Ordnung (Selbstbiographisierung) abzielt, verdeutlicht folgende bilanzierende 
Feststellung Guschkers: »Photos [...] vermitteln einen autonomen Gewissheitscharakter 
über das eigene Leben, der nicht mehr nur auf Erinnerung und Habitualisierung bzw. 
Fragmenten beruht. Damit erhalten die Lebensphasen faktische Gültigkeit« (ebd., 370). 

6 Die Unterscheidung von privaten und öffentlichen Bildern und entsprechend differen- 
zierte Funktionen hebt z.B. Goffman in seiner Arbeit »Geschlecht und Werbung« (1981) 
hervor. 

7 Noch größer sind die Unterschiede zur Computertechnologie, die strukturell nichts mehr 
mit den besagten Bildtechniken gemein hat (vgl. Kittler 2002b). Der Computer reprodu- 
ziert die Bezugsprobleme jedoch insofern, als er als ein »Medium der Medienintegrati- 
on« (vgl. Bolz 1993, 233) die Darstellungstechniken Photographie, Film und Fernsehen 
zusammenführbar und simulierbar macht. 

8 Einer Theorie, die einen entsprechend weiten Bildbegriff zu Grunde legt, und damit al- 
les »Seiende« als Bild verstehen kann, läßt sich entgegnen, daß ihr keine Begriffe zur 
Verfügung stehen, um »bildlich und nicht bildlich Seiendes kategorial zu unterscheiden« 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |37 


kationen, die materiell vorhandene Objekte jenseits menschlicher Bewußtseine vor- 
raussetzen. Dieser Ausgangspunkt tritt jedoch keineswegs solchen bildwissenschaft- 
lichen Positionen entgegen, die in Bezug auf unterschiedliche Argumentationslinien 
durchaus zu Recht betonen, daß sich Bilder im Rahmen komplexer (u.a. kultureller, 
sozialer, psychologischer) Prozesse konstituieren, die das Bild gerade nicht aufgehen 
lassen in dem, was sich der menschlichen Wahrnehmung als materialer Träger visu- 
eller Informationen anbietet.’ Für vorliegende Untersuchung ist aber nicht die Frage 
»Was ist ein Bild?«!, sondern der Sachverhalt entscheidend, daß man die Sichtbar- 
keit des Bildes voraussetzen und die Spezifität von Sichtbarkeiten näher bestimmen 
kann. Aber auch dann, wenn man Bildlichkeit und Visualität kategorial unterscheidet 
und zunächst vom Visuellen ausgeht, stellt sich die Frage, ob und inwiefern die Sicht- 
barkeiten technischer Bildmedien sinnhafte Konstruktionen ermöglichen, die Diffe- 
renzen zu beliebigen anderen sichtbaren Phänomenen herstellen und damit visuelle 
Informationen auf das Niveau von Bildern heben.!! Diese Frage stellt sich um so 
mehr, als den technischen Bildmedien eine besondere Beziehung sinnhafter und sinn- 
loser Sichtbarkeit eigen ist, wie schon die Photographie zu erkennen gibt. Da sie ohne 
Intentionen eines (Bild-)Autors buchstäblich automatisch naturalistische ›Коріеп‹ des 
für Menschen Sichtbaren herstellt, hat Barthes von der Photographie als einer »Bot- 
schaft ohne Code« gesprochen.!? Zugleich ist jedoch nicht zu übersehen, daß die Pho- 
tographie wie andere visuelle Darstellungstechniken (Malerei, Zeichnung, Radierung 
usw.) als ein Kommunikationsmedium im Luhmann’schen Sinne beschrieben werden 


(Majetschak 2002, 45). Ein solch weiter Bildbegriff etabliert sich Brandt zufolge in der 
Philosophie der Neuzeit (Descartes und Vorläufer), denn hier werde »alles Seiende über- 
haupt zu einem Bild« bzw. zu einer »bildartigen Vorstellung« (vgl. Brandt 1999, 121). 

9 Gerade die kunstwissenschaftliche Theorie des Bildes hat die Unhaltbarkeit eines solchen 
Bildbegriffes plausibilisiert, z.B. im Rahmen einer »Bild-Anthropologie« (vgl. Belting 
2001). Belting zufolge sind Bilder (auch photographische) »Nomaden« der Medien: »Sie 
(die Bilder) schlagen in jedem neuen Medium, das in der Geschichte der Medien einge- 
richtet wurde ihre Zelte auf, bevor sie in das nächste Medium weiterziehen.« (Belting 
2001, 214) Ein solches Verständnis von Bildern, dem sich vorliegende Arbeit anschließt, 
wendet sich entschieden gegen die Position, photographische Bilder in ihrer Gesamtheit 
als indexikalische Bilder zu interpretieren: »Auch die photographischen Bildern symbo- 
lisieren unsere Wahrnehmung der Welt und unsere Erinnerung an die Welt.« (Ebd., 214; 
vgl. auch ebd. 213-239) 

10 Vgl. hierzu nur exemplarisch den prominenten Band von Boehm (1994), der grundle- 
gende Beiträge verschiedener Fachwissenschaften (u.a. Kunstwissenschaft, Soziologie, 
Kulturwissenschaften, Psychologie) zu dieser Fragestellung versammelt. 

11 Die Überlegung, daß Sichtbarkeit als eine basale Voraussetzung der Konstitution von 
»Objekten« überhaupt fungiert, die dann der Strukturierung von Sinn (z.B. der semanti- 
schen Verdichtung in Form von Bildern) zur Verfügung stehen, entfaltet z.B. die Phäno- 
menologie Merlau-Pontys (1986). 

12 Vgl. Barthes 1989, 99. 


38 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


kann (s.o.). Wenn auch in anderem Umfang und in anderer Weise als das Medium 
Sprache, ermöglicht auch die Photographie die operative Verwendung der Unterschei- 
dung von medialem Substrat und Form und so die Reproduktion sinnhafter Formen. 
In der Photographie können Gestalten als »rigide gekoppelte Formen« im Medium 
locker gekoppelter Erscheinungsformen gebunden werden, wobei die Gestalten (For- 
men) wiederum Medium weiterer Formbildung sein können. Auch Begriffe anderer 
Theorien wie »semantische/syntaktische Dichte«!? oder »ikonische Differenz«!* las- 
sen sich dementsprechend auf die Photographie beziehen. Die Photographie ist jeden- 
falls durchaus auch eine codierte Botschaft.'° Nicht zuletzt stützen und spezifizieren 
zahlreiche semiotische Studien diese Annahme, indem sie eine Grammatik der ver- 
schiedensten Zeichen und Symbole und damit eine Bildsprache auch technischer Bil- 
der (re)konstruieren.!° Photographien werden dabei als »Zeichen-« und »Bedeutungs- 
systeme« interpretiert, die in enger Beziehung zu der jeweiligen Kultur ѕќеһеп.!” Die 
instrumentellen Mittel der Bedeutungssteuerung sind dabei zahlreich: Die Wahl des 
Augenblicks, des Ausschnitts, der Blende, der Belichtungszeit, der (Nicht-)Farben 
sowie (im Falle inszenierter Photographie) das Arrangement der abgebildeten Gegen- 
stände, die Lichtführung usw. — mit alldem kann die Photographie als Kommunikati- 
onsmedium der (Re-)Produktion von Sinn zur Verfügung stehen. Bereits der Bildaus- 
schnitt, der etwas zeigt, indem er anderes nicht zeigt, evoziert als Bilder-Rahmen!® 
Sinn, indem er die Innenseite (das Bild) als bedeutsame Selektion erscheinen läßt 


13 Vgl. Goodman 1995, 133. 

14 Vgl. Boehm 1994, 29 ff. 

15 Selbst Luhmann, der den Begriff der Kommunikation sehr voraussetzungsreich und in 
enger Anbindung an die Unterscheidungsleistungen der Sprache anlegt (wenngleich er 
betont, daß der Vergleich von Sprache und Kommunikationsmedium ein »schief laufen- 
der Vergleich« ist, vgl. Luhmann 1987), spricht davon, daß unter den Bedingungen der 
modernen (Bild-)Medien »die gesamte Welt kommunikabel wird« (1997, 306). Zu der 
Beziehung von Wahrnehmung und Kommunikation im Blick auf die Unterscheidung von 
Medium und Form ausführlich Luhmann 1995, 13-92 und 165-215. 

16 Ob und inwiefern man von einer Grammatik und Syntax visueller Kommunikationen 

im Sinne der Linguistik, d.h. im Vergleich zu den Kommunikationsmedien Sprache und 
Schrift sprechen kann und ob sich durch diese (z.B. semiotischen) Begrifflichkeiten der 
spezifische Sinn von Bildern in angemessener Weise erklären und beschreiben läßt, ist 
dabei durchaus strittig (vgl. z.B. Majetschak 2002, 61 £.). 
Vermutlich sind Werbephotographien ein häufiger Untersuchungsgegenstand semioti- 
scher Studien, weil sie eine sehr deutliche Sprache sprechen. Wirkungsmächtig ist insbe- 
sondere das Werk von Williamson »Decoding Advertisements« (1978); zu einem Über- 
blick semiotischer Studien in diesem Kontext vgl. Nöth 2000. 

17 Zu neueren Studien über den Forschungsgegenstand »Bildgrammatik« vgl. z.B. Sachs- 
Hombach 1998. 

18 Zur Geschichte verschiedener sozialwissenschaftlicher (Bilder-)Rahmen-Konzepte vgl. 
Willems 1997, 30-33. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |39 


bzw. erscheinen lassen kann. Schon durch den Ausschnitt präsentieren Photographien 
das prinzipiell Kontingente nicht als solches, sondern als Sichtbarkeit mit Motivcha- 
rakter.!? Als Bilder-Rahmen fungiert nicht nur der räumliche, sondern auch der zeit- 
liche Ausschnitt. Photos sind also semantisch informativ, sie bieten Unterschiede, an 
die weitere Unterschiede anschließen können. Das gilt um so mehr, als die photogra- 
phischen Mittel, die das Gezeigte in eine intentionierte Richtung steuern (z.B. durch 
die Tiefenschärfe, die etwas hervorhebt), nur eine Möglichkeit der Generierung pho- 
tographischer Kommunikation darstellen — denn alle sichtbaren Zeichen und Symbole 
der Lebenswirklichkeit können photographisch prinzipiell kopiert werden und stehen 
der Sinn(re)produktion entsprechend zur Verfügung.?® 

Hier kann es nun nicht um eine ausführliche Beschreibung struktureller Unter- 
schiede zwischen Sprache und Schrift gegenüber Bild bzw. zwischen der Photogra- 
phie und anderen Formen der Bildherstellung gehen.?! Wichtig ist im Zusammenhang 
mit der Frage nach dem Bezugsproblem der Image-Kommunikation zunächst der 
Hinweis darauf, daß die Photographie — wie die anderen technischen Bildmedien - als 
Kommunikationsmedium die (Re-)Produktion von Sinn ermöglicht. Die im folgenden 
verwendeten Begriffe Darstellung und Inszenierung unterstellen diesen Sachverhalt 
und beziehen sich entsprechend auf sinnhafte Konstruktionen im Medium des Sicht- 
baren. Entscheidend ist weiterhin, daß gerade die Reproduzierbarkeit der Bilder unter 
diesen Bedingungen die Etablierung stabiler Sinnformen, mithin die Identifizierung 
verschiedenster Objekte ermöglicht: 


Jede Kommunikation muß zwischen Information und Mitteilung unterscheiden können (denn 
sonst wäre sie selbst nicht unterscheidbar). Das aber heißt, daß sich entsprechende sachliche 
und personale Referenzen bilden. In Anlehnung an Begriffe von Spencer Brown ließe sich 
auch sagen, daß die Wiederverwendung solcher Referenzen Personen (bzw. Dinge) konden- 
siert, nämlich als identische fixiert, und sie zugleich konfirmiert, nämlich mit neuen Sinn- 
bezügen aus andersartigen Mitteilungen anreichert. Geschieht das, so entwickelt sich eine 
entsprechende Semantik. (Luhmann 1997, 107) 


19 Daß es nicht einfach ist, der Photographie diesen (Ausschnitt-)Sinn zu nehmen, kann 
man unter anderem an den vielgestaltigen experimentellen Versuchen im Bereich der 
Kunst erkennen. So ist offenkundig nicht einmal der Blick durch den Kamerasucher un- 
verzichtbar, um nicht nur Sichtbarkeiten, sondern auch Bilder herzustellen. 

20 Auch Schrift wird mühelos integriertes Kommunikationsmedium des Kommunikations- 
mediums Photographie. 

21 Neben und mit den fehlenden Möglichkeiten der Spezifikation von Sinn durch Mittel wie 
z.B. Sequenzierung, Negation, Temporalisierung (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) 
oder Kausalität wird in der Literatur insbesondere die vergleichsweise hohe Bedeutungs- 
offenheit (Ambivalenz, Polysemie) der Bilder im Vergleich zur Sprache betont. 


40 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KoMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Hiervon ausgehend kann man fragen, inwiefern die Photographie auf besondere Weise 
Referenzen (seien dies Personen oder Dinge) ausbildet, die sie als identische fixiert 
und welche spezifischen Probleme in der Sozialdimension damit einhergehen. Die The- 
se, daß die spezifischen Darstellungsbedingungen der technischen Bildmedien ein Be- 
zugsproblem von Image fundieren, läßt sich also umformulieren zu der These, daß die 
Darstellungsbedingungen der technischen Bildmedien im Kontext der Schematisierung 
(sozialer) Objekte ein bestimmtes Problem evozieren. Der angedeutete Doppelcha- 
rakter photographischer Bilder, nämlich »Botschaft ohne Code« wie zugleich Kom- 
munikationsmedium zu sein, bietet für die Beschreibung dieses Problems einen ersten 
Anhaltspunkt. Dieser läßt sich entfalten und vertiefen in Auseinandersetzung mit dem 
Realismus technischer Bilder"). der sowohl in alltagspraktischer wie in theoretisch-wis- 
senschaftlicher Perspektive als ein zentrales Charakteristikum dieser Bilder angesehen 
wird. Zuerst zu letzterer: Trotz des fundamental neuen Realitätsbezugs dieser Bilder 
steht in wissenschaftlicher Perspektive fest, daß photographische Abbildungen nicht die 
unverstellte Realität an sich zeigen können. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, daß 
die Bilder, die in der Wahrnehmung des Sehsinns entstehen, ebenfalls nicht eine solche 
reale Realität vor die Augen des Betrachters führen.? Auch die Wahrnehmung kann 
nur Bilder generieren, die als Resultate verschiedenster Selektionen (der Netzhaut, des 
Gehirns usw.) zu verstehen sind, die die reale Realität: in spezifischer Weise transfor- 
mieren. Zur Veranschaulichung dieses Sachverhalts verwendet Bateson die traditions- 
reiche Metapher von der Wahrnehmung als Herstellungsprozeß von »Karten«, der sich 
zwar auf ein »Territorium« bezieht, dieses aber als solches nicht zugänglich machen 
kann.?* Die Wahrnehmung transformiert als Verkettung von Unterscheidungsleistungen 
das unsichtbar bleibende »Territorium« in einen visuellen Eindruck, wobei die Kontinu- 
ität der Selektionsprozesse stabile, wiedererkennbare Formen erzeugt. Die Wirklichkeit, 
die die Photographie zeigt, ist also, wenn man im Rahmen der Metaphorik Batesons 
bleibt, eine technisch erzeugte »Karte«, die im Wahrgenommenwerden derjenigen Kar- 
te ähnelt, die die Wahrnehmung von dem Territorium herstellt. Ja man könnte sagen, 
daß die Unterscheidungsleistungen der Technik (der optischen Apparatur, der Chemie 
und der Mechanik) auf die Unterscheidungsleistungen der menschlichen Wahrnehmung 
eingestellt sind, um diesen Ähnlichkeitseffekt zu erzeugen. 


22 Damit ist auch gesagt, daß vorliegende Untersuchung die Formulierung »technische 
Bildmedien« synonym zu »photographische Bildmedien« (Photographie, Film, Fernse- 
hen) einsetzt, also spezifisch einschränkt. 

23 Merleau-Ponty spricht vom »Wahrnehmungsglauben«, den das Sehen (für ihn untrenn- 
bar mit dem Denken verknüpft) (mit-)konstituiert (vgl. Merleau-Ponty 1986, 17-34). 

24 Vgl. Bateson 1994, 583 f. Die Karten-Metapher findet sich auch schon in der poetischen 
Epistemologie der Frühromantik, so z.B. in Novalis’ Werk »Die Lehrlinge zu Sais« (vgl. 
Novalis 1969, 116). 

25 Da optische Apparaturen wie die Camara Obscura und optische Gläser schon längst vor 
der Photographie für die Herstellung von Bildern bzw. Bildprojektionen genutzt werden, 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |41 


Dieses auf die Konstruktionsleistungen der Wahrnehmung bezogene Argument 
ist nur eines unter anderen, mittels derer sich die Rede vom Realismus der Photogra- 
phie stark einschränken und spezifizieren läßt. Zu einem ähnlichen Befund kommen 
z.B. Bild-Theorien, die Ähnlichkeit und Abbildung als Kategorien der Erklärung und 
Beschreibung von Bildern und Bild-Typen — d.h. auch von Photographien — prinzi- 
piell zurückweisen. Festgestellt wird dann, daß Objekte vor einem offenen Horizont 
wählbarer Merkmale immer als ähnlich aufgefaßt werden können, es also an einem 
Tertium comparationis fehlt, über das angegeben werden kann, unter welchen Ge- 
sichtspunkten zwischen Bild und Abgebildetem eine relevante Ähnlichkeit besteht. 
Aufgrund der Kontingenz der Ähnlichkeits-Beziehung müsse eine »bildtheoretische 
Grundthese«, darin bestehen, so Majetschak bilanzierend im Blick auf die prominente 
Position von Goodman, »daß bildliche Bezugnahme auf etwas »unabhängig von Ähn- 
lichkeit« sei« (Majetschak 2002, 50).26 

Besonders folgenreich ist die Auseinandersetzung mit dem Begriff des Ähnlichen 
für die Photographie, wenn man danach fragt, unter welchen Voraussetzungen und 
Bedingungen Ähnlichkeit als Hinweis auf Realität interpretiert wird: 


›Кеаіѕтиѕ‹, so lautet Goodmans viel beachtete These, ›15 relativ« »und keine Frage irgend- 
einer absoluten gewissermaßen objektiv vorliegenden Ähnlichkeits-Beziehung zwischen 
dem im Bild verwendeten Repräsentationssystem und dem Standard-System, wie es »für eine 
gegebene Kultur oder Person zu einer gegebenen Zeit die Norm ist«. Stimmt beides überein, 
spricht man nach Goodman vor dem Hintergrund des je gültigen Standardsystems von der 
»Ähnlichkeit« oder dem Realismus: des Bildes; divergiert beides, bezeichnet man das Bild 
als »unähnlich« oder »unrealisitisch«. (Majetschak 2002, 51) 


Die Konstruktion des Ähnlichen und (daher) Realistischen kann also in einem wei- 
teren Schritt als kulturell vermittelte Sehweise einer jeweiligen historischen Epoche 
dechiffriert werden 27 Die Sehweise ist nicht nur abhängig von (kontigenten) Eigen- 
schaftsbestimmungen des Ähnlichen, sondern auch von geschichtlich variierenden 
Kontexten, Interessen und kulturellen Konventionen, die das »Repräsentations-« und 


kann man in der Entwicklung des Informationsträgers bzw. des Speichermediums, d.h. 
in der Entwicklung der Chemie, die eigentliche photographische Technik sehen (vgl. z.B. 
Kittler 2002a, 160 ff.). 

26 Auch Scholz sieht in der Ähnlichkeit eine »triviale, weil universelle Beziehung [...], denn 
irgendeine Eigenschaft hat jedes beliebige Paar von Dingen gemeinsam« (Scholz 2004, 
54). Zudem führe der Begriff des Ähnlichen zu keinem Verständnis des Bildlichen, das 
eben über das Visuelle hinausgeht: »Ähnlichkeit ist sicherlich nicht hinreichend für bild- 
liche Darstellung. Damit etwas ein Bild ist, muß es Zeichencharakter haben; und dafür 
reicht kein Grad der Ähnlichkeit hin.« (Ebd., 79) 

27 Dem könnte man hinzufügen, daß auch die Theorie dieser Sehweise nicht als historisch 
kulturell unabhängige Sehweise gedacht werden kann. 


42 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KoMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


»Standardsystem« festlegen. Diese Überlegungen führen zu einem breiten Konsens 
bildwissenschaftlicher Untersuchungen unterschiedlicher Fachwissenschaften, der 
darin besteht, daß es kein »unschuldiges Auge«°® gibt, also kein Auge, das kultu- 
rellen, sozialen und psychischen Prozessen entzogen 151.2 Zu dieser Schuldigkeit 
gehören auch die Formen des Wissens, die die Definitionen des Realistischen und 
eine dazugehörige Bildordnung konstituieren. Schon Ivins spricht vor dem Hinter- 
grund wissenschaftlicher Errungenschaften wie der Zentralperspektive und anderer 
Methoden der darstellenden Geometrie von einer »Rationalization of Sight« (Ivins 
1938), in der sich Wissen sowie Techniken und Weisen des Sehens gegenseitig durch- 
dringen.?® Über ihre »Grammatik der Perspektivität« und ihr daran gekoppeltes Kon- 
zept von Repräsentativität und Reproduzierbarkeit steht die Photographie für Ivins 
auf einer Stufe mit den bildlichen Konstruktionsmitteln der Renaissancekultur.?! Der 
photographische Realismus wird in dieser Perspektive als Resultat einer historischen 
Auffassung realer Realität« entzaubert, die sich als Bildkonzept Bahn bricht, dann 
aber schnell als eine natürliche Ordnung erscheint, ja die »Tyrannei des Abbilds«°? 
forciert. Während das wissenschaftliche Wissen der Neuzeit eine bestimmte Idee von 
»Repräsentationalität«°? generiert, der bestimmte optische Techniken entsprechen, 23 
läßt sich zudem feststellen, daß die technischen Strukturen ihrerseits als »Techniken 
des Betrachters« (Crary) das Sehen beeinflussen.?° Camara obscura, Mikroskop, Tele- 
skop, Panorama, Diorama, Stereoskopie und andere Apparaturen gehen der Photogra- 
phie auch in dieser Blickrichtung als Generatoren einer spezifischen Realität voraus. 
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen läßt sich der Realismus der Photogra- 
phie keineswegs als Abbildung einer »realen Realität< verstehen. Deutlich ist viel- 
mehr, daß der Realismus dieser Medien auch eine (biologische, soziale, kulturelle, 
psychologische) Konstruktion ist. In welcher Beziehung steht nun dieser Befund zu 
der Frage, inwiefern die spezifischen Darstellungsbedingungen technischer Bildme- 
dien im Kontext der Schematisierung sozialer Objekte ein Problem erzeugen, auf das 
sich Image-Kommunikationen einstellen? Die Antwort wird in Kontrastierung dieser 


28 Vgl. Mitchell 1986, 118. 

29 Das Wort »Weltanschauung« erfreut sich in der angloamerikanischen Literatur zur Theo- 
rie der visuellen Kultur zu Recht als unübersetzter Terminus einer gewissen Beliebtheit, 
weil mit ihm in trefflicher Weise die immer gegebene kognitive (soziale, kulturelle) Rah- 
mung des Sehens zum Ausdruck gebracht werden kann. 

30 Heidegger sieht in den Rationalitäten, die ein bestimmtes Sehen und die Berechnung vor- 
gestellter Bilder ermöglichen, einen Kernpunkt der Modernisierung: »Der Grundvorgang 
der Neuzeit ist die Eroberung der Welt als Bild.« (Heidegger 1972, 87) 

31 Vgl. Ivins 1938, 12 f. 

32 Vgl. Mitchell 1990, 48-51. 

33 Vgl. Mersch 2002. 

34 Wie das Mikroskop, das Okular oder das Teleskop läßt sich die Photographie als »tech- 
nisches Korrelat« wissenschaftlichen Wissens auffassen (vgl. Mersch 2002, 71). 

35 Vgl. Crary 1996; vgl. auch Burckhardt 1994. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |43 


Überlegungen mit einem anderen Befund ersichtlich. Dieser nimmt zur Kenntnis, daß 
sich der Realismus der technischen Bildmedien und ihr damit zusammenhängender 
Sonderstatus im Vergleich zu anderen (manuellen) Bildern nicht gleichsam restlos 
durch die Beschreibung sozialer, kultureller, psychologischer Prozesse der Bildgene- 
rierung dekonstruieren läßt. Der Feststellung, daß die Photographie im Unterschied zu 
vorherigen Formen der Bildherstellung etwas zeigt, was notwendigerweise physika- 
lisch vorhanden war und bei dem Prozeß des Abbildens für die Wahrnehmungen des 
menschlichen Sehsinns kopiert werden konnte, läßt sich jedenfalls nicht widerspre- 
chen. Die Rede von der Photographie als einer »indexikalischen Karte«,3 als einer 
»Spur«°7 oder vom »Prinzip der Referenze als dem »Grundprinzip der Photographie«°® 
setzt hier an 27 


36 Diese Lesart der Photographie geht auf Peirce zurück: »Peirce nennt diejenigen Aus- 
drucksweisen indexikalisch, in denen der Signifikant mit dem Referenten nicht durch 
eine soziale Konvention (Symbol) und auch nicht notwendigerweise durch irgendeine 
Ähnlichkeit (Ikon), sondern durch Kontiguität und einen tatsächlichen Zusammenhang 
mit der Welt verbunden ist. (Der Blitz ist der Index des Gewitters). Photo und Film 
sind, etwas verkürzt gesagt, solche Indizes, Abdrücke, die durch die Kombination von 
Lichteinwirkung und Chemie auf einer lichtempfindlichen Oberfläche vom Objekt selbst 
hinterlassen werden.« (Metz 2003, 217) Wie bereits in Bezug auf den Begriff des Kom- 
munikationsmediums gesagt, bedeutet das nicht, daß die Photographie darauf festgelegt 
ist, die »Wirklichkeit« der visuellen Wahrnehmung zu reproduzieren: »Natürlich werden 
deshalb die symbolischen Aspekte (Konvention, Code) nicht eliminiert [...] (für Peirce 
wäre das Photo Index und Ikon zugleich). Indexikalisch ist aber die Art und Weise der 
Produktion, das Prinzip der Aufnahme.« (Metz 2003, 217; zu einer kritischen Darstel- 
lung des Peirceschen Index-Begriffs vgl. Krauss 1985, 87 ff.) 

37 Vgl. Eco 1977. 

38 Barthes 1989, 86 f. und 11: »Ich mußte zunächst deutlich erfassen, und damit, wenn 
möglich, deutlich sagen (auch wenn es etwas Einfaches ist), inwieweit der Referent der 
Photographie nicht von der gleichen Art ist wie der der anderen Darstellungssysteme. 
»Photographischen Referenten« nenne ich nicht die möglicherweise reale Sache, auf die 
ein Bild oder ein Zeichen verweist, sondern die notwendig reale Sache, die vor dem Ob- 
jektiv plaziert war und ohne die es keine Photographie gäbe. Die Malerei kann wohl eine 
Realität fingieren, ohne sie gesehen zu haben. Der Diskurs fügt Zeichen aneinander, die 
gewiß Referenten haben, aber diese Referenten können »Chimären« sein, und meist sind 
sie es auch. Anders als bei diesen Imitationen läßt sich in der Photographie nicht leugnen, 
daß die Sache dagewesen ist.« 

39 Eine besondere Bedeutung kommt dem Zeitbezug indexikalischer Bilder zu. Faktisch 
zeigen sie (von der Möglichkeit der Live-Übertragung der später entwickelten Fernseh- 
technik abgesehen) zwar immer Vergangenes, doch die Beobachtung dieses Sachverhalts 
wird von ihnen selbst nicht zwangsläufig angeleitet. Wenngleich Barthes mit der Feststel- 
lung recht hat, daß Photographien als »Emanation des vergangenen Wirklichen« betrach- 
tet werden sollten (1989, 99), dürfte die Vergegenwärtigungsfunktion der technischen 
Bildmedien für den Normalvollzug ihrer Kommunikation von erheblich größerer Bedeu- 


44 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Auch schließen die genannten Argumente keineswegs die Möglichkeit aus, von 
einer physiologischen (visuellen) Wahrnehmung zu sprechen, die gleichsam vor bzw. 
neben jeder sozial konventionalisierten Sinnhaftigkeit des Sehens sichtbare Objekte 
konstruiert und kontinuiert. Daß sich eine Grenze zwischen dem bloß wahrnehmen- 
den und dem sinnorientierten Sehen bzw. eine Separation dieser Sphären nicht be- 
schreiben läßt und man hingegen von einer analytisch unentwirrbaren Durchdringung 
derselben ausgehen muß, spricht jedenfalls nicht prinzipiell gegen die Annahme des 
Vorhandenseins eines Sehsinns, der dem Bewußtsein die Sichtbarkeiten der Welt im 
Spektrum spezifischer Konstruktionsleistungen menschlicher Wahrnehmungsprozes- 
se gleichsam auch (!) als solche anbietet. Dabei ist nicht einzusehen, daß die phi- 
losophische, sozial- oder kulturwissenschaftliche Bildwissenschaft zuständig für die 
Behandlung der Frage ist, wie es zu der Spezifität und Stabilität des wahrnehmenden 
Sehens kommt“? — denn diese Frage kann an Wissenschaften wie die Biologie oder 
die Neurophysiologie adressiert werden.*! Es genügt hier, das Fungieren einer spe- 
zifischen Selektivität menschlicher Wahrnehmung als Konstruktionshorizont einer 
Realität: des Sichtbaren voraussetzen zu können, um von dort aus festzustellen, daß 
sich diese »Realität« in photographischen Bildern (z.B. qua Isomorphie*?) in einer 
Weise wiederfindet, die sich drastisch von allen älteren Techniken der Bildherstellung 
unterscheidet.* 


tung sein. Virilio spricht in diesem Zusammenhang von dem photographischen Bild als 
dem »phatischen« Bild, das die Präsenz und die Aktualität des Abgebildeten herstellt. 
Gerade die hochauflösende Werbephotographie hält er für eine gelungene Illustration des 
Satzes von Paul Klee »Jetzt nehmen mich die Gegenstände wahr« (Virilio 1989, 144 f.; 
vgl. zu einer entsprechenden Einschätzung auch Benjamin 1977, 51). 

40 Zu einer auf dieses Erklärungsdefizit hinweisenden Kritik an Brandts (1999) These einer 
visuellen Ordnung, die (auch) auf dem bloßen Wahrnehmen basiert und damit soziale 
und kulturelle Unterschiede transzendiert bzw. diesen vorgelagert ist, vgl. Majetschak 
2002. 

41 Auch die Studien Merlau-Pontys zum (Un-)Sichtbaren können als ein Beitrag zur Kons- 
titution einer solchen Ordnung gelesen werden (vgl. Merlau-Ponty 1986). 

42 Vgl. dazu ausführlich Böhme 1999, 115 ff. 

43 Wie ließe sich z.B. leugnen, daß es bei der Beurteilung der Stimmigkeit von Farbtö- 
nen einer Photographie bei allen individuell und situativ variierenden Einschätzungen 
zu einem starken Maß an Übereinstimmung kommt bzw. sich die individuellen Abwei- 
chungen in einem sehr eng gefaßten Spektrum bewegen? Die Verschränkung des bloß 
wahrnehmenden und des sinnhaften Sehens offenbart sich z.B. im chemischen Design 
von Farbfilmen: Sie sollen einerseits die Farben möglichst natürlich wiedergeben (den 
Seheindrücken der Wahrnehmung entsprechen). Andererseits ist nicht zu übersehen, daß 
die Farbwiedergabe auf ästhetische Konventionen eingestellt ist — so z.B. auf die Positiv- 
bewertung brauner Haut oder auf eine Farbsättigung, wie sie sich bei stärkerer Sonnen- 
einstrahlung wahrnehmen läßt. Die verschiedenen Anbieter offerieren dementsprechend 
eine Produktpalette für unterschiedliche Ansprüche und Geschmacksvorlieben. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |45 


Der eigentümliche Doppelcharakter der Photographie besteht demnach darin, als 
Darstellungsmedium sowohl indexikalische Karte als zugleich Kommunikationsme- 
dium zu sein.** Das Chimärenhafte technischer Bilder wäre nun kein soziales Prob- 
lem, wenn die besagten konträren Perspektiven nur im Reich der Theorie bestünden. 
Das ist aber nicht der Fall. Der Doppelcharakter des Photographischen bringt gerade 
in der Alltagskultur, in den gewöhnlichen sozialen Gebrauchsweisen des Mediums 
verschiedene Folgeprobleme hervor, die in der Gesellschaft bearbeitet werden müs- 
sen. Der spezifische Problemzusammenhang, auf den es bei der Frage nach der Ent- 
stehung von Image-Kommunikation ankommt, entsteht dabei im Kontext der photo- 
graphischen Schematisierung sozialer Objekte. Die Spezifität dieses Objektbereichs 
läßt sich z.B. mit Goffmans Unterscheidung von »natürlichen« und »sozialen« Rah- 
men genauer fassen. Unter natürlichen Rahmen versteht Goffman Ereignisse, die »als 
nicht gerichtet, nicht orientiert, nicht belebt, nicht geleitet, rein physikalisch gesehen 
werden; man führt sie vollständig, von Anfang bis Ende, auf »natürliche< Ursachen 
zurück. Man sieht keinen Willen, keine Absicht als Ursache am Werke, keinen Han- 
delnden, der ständig auf das Ergebnis Einfluß nimmt« (Goffman 1977, 31). Soziale 
Rahmen liefern hingegen einen 


Verständnishintergrund für Ereignisse, an denen Wille, Ziel und steuerndes Eingreifen einer 
Intelligenz, eines Lebewesens, in erster Linie des Menschen, beteiligt sind. Ein solches We- 
sen ist alles andere als unerbittlich; man kann ihm gut zureden, schmeicheln, trotzen, drohen. 
Sein Tun kann man als »orientiert< bezeichnen: der Handelnde ist »Maßstäben« unterworfen, 
sozialer Beurteilung seiner Handlung auf Grund ihrer Aufrichtigkeit, Wirksamkeit, Sparsam- 
keit, Ungefährlichkeit, Eleganz, ihres Takts, guten Geschmacks usw. (Ebd., 32) 


Beide Rahmentypen sind also soziale Konstruktionen, die zwischen einer Welt des 
Natürlichen und einer Welt des Sozialen unterscheiden und damit eine basale kosmo- 
logische Ordnung begründen. Die sozialen Folgeprobleme der technischen Bild- 
medien stehen zu dieser Ordnung in einer bestimmten Beziehung: Während das Chi- 
märenhafte photographischer Bilder in Bezug auf die Abbildung einer als natürlich 
eingestuften Sache (z.B. Pflanzen, Steine) weniger die Frage nahelegt, inwiefern die 
Oberflächen als »realistische« Hinweise auf (z.B.: Charakter Eigenschaften in der 
Tiefe des Objekts zu lesen sind, liegt diese Frage dann sehr nahe, wenn die gezeigten 
Objekte als orientierte, lebendige Wesen interpretiert werden. Es liegt auf der Hand, 
daß gerade Menschen innerhalb eines sozialen Rahmens interpretiert werden, so daß 
sich im Portrait besagte Probleme manifestieren. Andererseits muß schon hier betont 
werden, daß dieser Fall nur einer unter vielen anderen ist. Man könnte sagen: Immer 


44 Gewöhnlicherweise zielt der Begriff der Darstellung demgegenüber auf die Dimension 
der Präparierung von Sinn (vgl. z.B. die Beiträge in Nibbrig (Hg.) 1994), also auf die 
Ebene, die hier mit Luhmann als Kommunikationsmedium bezeichnet wird. 

45 Zu einer ausführlichen Darstellung dieser Rahmentypen vgl. Willems 1997, 52-75. 


46 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


dann, wenn die abgebildeten Dinge personifiziert, also mit menschlichen Attributen 
versehen werden, hat man es mit einem sozialen Rahmen zu tun, in dem der Doppel- 
charakter des Photographischen - indexikalische Karte und Kommunikationsmedium 
(Bild) zugleich zu sein — das hier gemeinte Problem entfaltet. Dies läßt sich im Blick 
auf die Portraitphotographie des 19. Jahrhunderts und die zeitgenössischen Diskurse 
konkretisieren. Schon die Reaktionen auf die ersten Photoportraits weisen auf eine 
symptomatische Kontroverse ћіп.46 Zum einen wird die Abbildungstreue, die wenig 
später als selbstverständlich erscheint, in der Presse als Sensation gefeiert. Die Kom- 
mentare verdeutlichen, daß die technische Entwicklung gerade im Bereich der Por- 
traitphotographie auf eine Realismussteigerung abzielt. Auch in den Werbungen der 
Portraitphotographen ist der Aspekt der Ähnlichkeit zentrales Thema.?’ Die Faszinati- 
on, die aus den verschiedenen Quellen spricht, gibt zu erkennen, daß die Photographie 
— ganz anders als das gemalte Portrait — qua (scheinbarer) Objektivität der Darstellung 
in neuer Weise als Ausweis individueller Identität fungiert.* Und eben weil die Ober- 
fläche in ihrer präzisen Fixierung durch die Technik eine völlig neue (und vertiefte) 
Bedeutung erlangt, kann man später in Bezug auf einen renommierten Portraitphoto- 
graphen der frühen Zeit feststellen: »Nadar ist der erste Photograph, der das Gesicht 
des Menschen neu entdeckt. Die Kamera ist ganz dicht herangerückt an die Intimität 
der Gesichtslandschaft.« (Freund 1979, 48)* Es ist daher alles andere als zufällig, daß 


46 Signifikante Folgen durch die Entwicklung der neuen Darstellungstechnik werden von 
den Zeitgenossen auch für die Kunst, die Wissenschaft und die Bildung prognostiziert. 
Insbesondere die Kunst wird als betroffener Bereich gesehen, wobei die Beurteilung der 
Effekte mit dem Kunstverständnis variiert. Die Thesen reichen von der »Befreiung« der 
Kunst (im Sinne der jetzt gegebenen Möglichkeit der Konzentration auf das Wesentliche 
hinter der Oberfläche) bis hin zu der Rede vom Ende der Kunst, weil die Photographie 
deren dann unterstellte Abbildungsfunktion besser erfülle (vgl. Koschatzky 1989, 61 f.). 
Eine sehr weit reichende Kritik zu dem Zusammenhang von Photographie und Kunst, 
die in gewisser Weise beide Einschätzungen verbindet, stammt von Baudelaire. Er sieht 
durch die starke Verbreitung der Photographie und durch die Durchsetzungsfähigkeit ih- 
res Oberflächen-Realismus die Möglichkeiten dessen, was in der Vorstellung (der Phan- 
tasie) des Einzelnen hervorgebracht werden kann, beeinflußt bzw. eingeschränkt. Aus 
heutiger Perspektive wird deutlich, daß Baudelaire sehr früh erkennt, daß die visuelle 
Kultur der Verbreitungsmedien einen zentralen Bezugsrahmen der Realität überhaupt 
(auch des Phantasierbaren) darstellt und insofern auch die künstlerische Produktion tan- 
giert (vgl. Baudelaire 1980, 110-113). 

47 »Größte Ähnlichkeit garantiert« usw. heißt es auf den Plakaten und Handzetteln der Pho- 
tographen (vgl. Hoerner 1989). 

48 Zu einer umfangreichen Sammlung entsprechender Zeitungsberichte vgl. Stenger 1943. 

49 Folgt man Baläzs, tritt diese Bedeutung des Gesichtes mit den technischen Bildmedien 
wieder hervor, weil sie im Rahmen der lange dominierenden Buchkultur besonders zu- 
rücktrat. Baläzs schreibt 1924 in seinem Werk »Der sichtbare Mensch und die Kultur 
des Films«: »Die Erfindung der Buchdruckerkunst hat mit der Zeit das Gesicht des Men- 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |47 


die Phrenologie”® und die Erstellung bildbasierter Taxonomien mit der Erfindung der 
Photographie eine Renaissance erleben.°! Auch die Feststellung, daß die Kamera in 
der Frühgeschichte der Photographie »in ihrer scheinbaren Unabhängigkeit vom Ope- 
rateur gewissermaßen [...] den Blick Gottes« (Jäger 1996, 271) repräsentierte, kann 
verdeutlichen, wie hoch die Ansprüche an die Objektivität und an die Tiefenlesbarkeit 
des photographischen Bildes geschraubt werden konnten. 

Zum anderen wird — nicht selten in ein und derselben Stellungnahme — der Rea- 
lismus bereits am Beginn der Entwicklung problematisiert. Gegenstand dieser Kritik 
ist aus naheliegenden Gründen wiederum die Portaitphotographie: Weil gerade Men- 
schen offenkundig mehr und anderes sind als Materialität und sichtbare Oberfläche, 
werden photographische Darstellungen als unzureichende Schablonen reflektiert. Die 
offene Kritik setzt daher, ebenso wie das Lob der Oberfläche, sehr früh ein, nämlich 
mit den ersten Portraitphotographien und deren Veröffentlichung. In einem Artikel 
über die »Portraitfabrik zu London durch das Daguerreotyp« ist in der Schweizer Zei- 
tung »Intelligenzblatt« 1841 zu lesen: 


schen unleserlich gemacht. Sie haben so viel vom Papier lesen können, daß sie die andere 
Mitteilungsform vernachlässigen konnten.« (Balázs 2001, 16) Bei der Beschreibung der 
Wiederentdeckung des »sichtbaren Menschen« durch die »visuelle Kultur« bezieht sich 
Balázs allerdings ganz auf den Film (Kinematographie). Die Photographie kann vermut- 
lich außen vor bleiben, weil es in erster Linie um die Diagnose der Verarmung theatra- 
lischer Kompetenzen (Gebärden- und Mienenspiel) aller Gesellschaftsmitglieder durch 
die Buchkultur sowie, so seine These weiter, um die sich abzeichnende Wiedergewin- 
nung dieser Fähigkeiten geht (vgl. ebd., 16-23). Zu einer gleichsam umgekehrten These, 
nämlich der, daß die Ausbreitung der Schriftkultur als Vorentwicklung der Ausbreitung 
der medienbasierten visuellen Kultur interpretiert werden kann, vgl. Assmann/Assmann 
1994. 

50 Einer u.a., die im Portrait das Wesen der Person zu erkennen glauben und daher die 
Photographie als Instrument der Wissenschaft begrüßen, ist Schopenhauer (vgl. Jäger 
1996, 152 f.). Ob die Begeisterung, die er in einem Brief von 1852 für eine Daguer- 
reotypie äußert, die ihn selbst zeigt, einer phrenologischen Tiefen-Lesart verdankt ist, 
erscheint jedoch mehr als fraglich: Schopenhauer lobt das Photo »auf dem ich 20 Jahre 
jünger aussehe. Derselbe (Daguerreotyp, Y.K.) gibt meine Stirn und Nase in höchster, 
nie wieder erreichter Vollkommenheit wieder: ist unschätzbar.« (Zit. n. Jäger 1996, 153) 
Diese Feststellung verdeutlicht eher die Oberflächenbetonung der Photographie und eine 
dadurch evozierte Orientierung an geltenden Schönheitsidealen als die Suche nach einem 
Geist dahinter. Von diesem ist folglich auch nicht die Rede — der Philosoph kommentiert 
lediglich die Oberfläche. 

51 Der Versuch des französischen Kriminologen Bertillon, eine Typologie kriminellen Ver- 
haltens in Zuordnung zu photographisch erfaßten »Phänotypen< zu erstellen, ist dafür 
ein prominentes Beispiel. Zu den verschiedenen photographischen Kartographien des 
Körpers im 19. Jahrhundert vgl. Edwards 2003, Sekula 2003 und Link 1997. 


48 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Die Ähnlichkeit der photographischen Porträte ist wirklich außerordentlich und ihre Schärfe 
und Genauigkeit so groß, daß sie auch bei Lampenlicht deutlich sind. Doch mögen die Por- 
traitmaler nicht erschrecken! Der Ausdruck jener Porträts ist kalt und streng, die Lichter sind 
so übertrieben als die Schatten, der Glanz des Bildes kann nie wiedergegeben werden, ebenso 
wenig die Halbtinten des Fleisches und die glänzende Frische der Haut. Geist und Leben wer- 
den diesem mechanischen Vorgange immer unerreichbar bleiben, er wird das schöpferische 
Nachbilden des Malers niemals ersetzen können. (zit. n. Stenger 1943, 15 £.) 


Was hier deutlich gemacht wird, steht exemplarisch für eine Vielzahl von Beiträgen 
zur gepflegten Semantik, die (bis in die Gegenwart) den Oberflächencharakter der 
Photographie kritisieren. Schon die Zeitgenossen stellen also fest, daß Portraitpho- 
tographien nicht als »Spiegelbild« der Person zu verstehen sind und nur in einem 
»ihnen eigenthümlichen Rapporte"? zum Abgebildeten stehen, und zwar trotz großer 
Ähnlichkeit der zueinander in Beziehung stehenden Oberflächen. 

Die Kritik der Photographie im Sinne einer Kritik des »toten Blicks« wird im 
Rahmen unterschiedlicher Themenorientierungen bis in die Gegenwart fortgeführt. 
Insbesondere in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts kommt es zu wei- 
ter gefaßten Gesellschaftsdiagnosen, die die neue Darstellungstechnik als passende 
Ausdrucksform einer modernistischen Mentalität und Rationalität überhaupt interpre- 
tieren. Neben Benjamins berühmter These von der Zertrümmerung der Aura (die in 
eine gebrochene Affirmation dieses Auraverlustes mündet) ist Jüngers Position er- 
wähnenswert. Er attestiert dem modernen Menschen einen Persönlichkeitsschwund, 
dem der »tote Blick« der Photographie entspräche — ja die Photographie sei das ge- 
eignete Darstellungsmedium des modernen Menschen, weil dieser bereits seine Seele 
verloren habe. Man muß aber nicht auf diesen Diskurs hinweisen, um zu dem Schuß 
zu kommen, daß die spezifische Oberflächlichkeit der Photographie und ihr Realis- 
mus keineswegs umstandslos als eine natürliche Ordnung akzeptiert werden. Evident 
werden vielmehr die Probleme, die mit der Infragestellung eben dieses Realismus 
zusammenhängen. Schon die für die Gebrauchsweise privater Photos bis heute typi- 
sche Frage, welche Personen auf welchen Photos unter welchen Gesichtspunkten gut 
oder nicht gut »getroffen« sind, illustriert eben jenen Sachverhalt. Diese Frage bezieht 


52 »»W«. Eine Ausstellung von photographischen und heliographischen Gegenständen zu 
Amsterdam«, in: Deutsches Kunstblatt 6 (1855, 219), zit. n. Jäger 1996, 149. 

53 Vgl. Jünger 1932. In ähnlicher Perspektive spricht Picard 1929 vom »Kinogesicht« als 
einem zeittypischen Ausdruck der Gegenwart, »daß aus reinem Vordergrund bestehe und 
immer aufdringlich nahe sei« und nur existiere, »um uns über die Gegenwart erschrecken 
zu lassen« (Picard 1929, zit. n. Brückle 1998, 300). Auch der Vordenker der Neuen Sach- 
lichkeit, Franz Roh, sieht im Blick auf die Photographie »inmitten der Gelassenheit und 
Nüchternheit der Gestalten [...] das absolute Nichts, den absoluten Tod im Hintergrund 
der Bilder lauern« (Brückle 1998, 300). Vgl. zu diesen Positionen Brückle 1998, 298 ff., 
Werneburg 1994 und Plumpe 1990, 35 ff. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |49 


ihren Sinn aus der Hintergrundannahme, daß photographische Oberflächeneindrücke 
auf Tiefeneigenschaften verweisen können, keinesfalls aber verweisen müssen.°* 

Einerseits wird die Photographie also in dem Wissen rezipiert, daß sie nicht nur 
die Ähnlichkeit und die Detailtreue des Abgebildeten zu den jeweiligen Vorlagen stei- 
gert, sondern daß die abgebildeten Objekte auch etwas darstellen, das (physikalisch) 
notwendigerweise als Apriori des Abgebildeten existiert(e). Die prägnante wie popu- 
läre Formulierung von der Photographie als einem »pencil of nature«, mit der einer 
der Erfinder der Technik (Henry Fox Talbot) das neue Medium charakterisiert, bringt 
diese Einschätzung auf den Punkt. Zudem wird nicht übersehen, daß die neuartige 
Verbindlichkeit des Verweisungsbezugs der dargestellten Oberflächen auf ihre Vor- 
lagen die Bedeutung der Autorschaft spezifiziert, herabsetzt oder gar eliminiert. In 
dieser Blickrichtung können Photographien nicht bzw. weniger als bloß auktoriale 
Kommunikationen auf Distanz gesetzt werden. Die photographischen Oberflächen 
sind daher für diejenigen bzw. dasjenige, was jeweils abgebildet wird, in einer ver- 
schärften Weise identitätsrelevant. 

Andererseits spitzt die Photographie durch ihre Potenzierung und Spezifizierung der 
Bedeutung der äußeren Erscheinung drastisch die Frage zu, inwiefern sichtbare Ober- 
flächen als Hinweise auf nichtsichtbare (Identitäts-) Attribute interpretiert werden kön- 
nen. Indem die Photographie im Rahmen ihrer realistischen Bilder die jeweiligen Ober- 
flächen fixiert und mit all ihrem Detailreichtum einer dauerhaften, anonymisierten und 
wiederholbaren Beobachtung aussetzt, lenkt sie den Blick in problematisierender Weise 
auf Objekte als sichtbare Gestalten. Sie fungiert gleichsam als eine ungeheure Vergrö- 
Berungstechnik?°, die das Lesen der (re-)präsentierten Erscheinungsformen in neuartige 
Konfliktlagen bringt. Zu einem gesteigerten Problem wird die medienbedingte, Oberflä- 
chen betonende Schematisierung der Objekte dann, wenn Achtung eine Dimension der 
(Re-)Konstruktion photographisch fixierter Objekte ist. Gerade dann stellt sich nämlich 
die Frage, ob und inwiefern Oberflächen Eigenschaften von Objekten repräsentieren 
(können). Und dieser Zuschnitt des Problems ist kein randständiger Sonderfall. Im Ge- 
genteil! Er ist im kommunikativen Vollzug von Photographien eher gewöhnlich, inso- 
fern sich die am Sichtbaren identifizierten Eigenschaften kaum neutral verhalten können 
zu einer Matrix von Werturteilen. Dies gilt um so mehr, als sich die Einschätzungen der 
jeweils dargestellten sozialen Objekte nur auf Bilder beziehen können, es also an einem 


54 Die Feststellung, daß es gerade jene Photographien vermögen, ein »realistisches< Bild 
von Personen zu zeichnen, die der Phantasie des Rezipienten Raum geben, den Gegen- 
stand in der Fülle seiner Möglichkeiten wiederzufinden (vgl. Böhme 2004, 125 ff.), ent- 
spricht durchaus der Diagnose, daß die Objektivierung photographischer Bilder im Sinne 
der Abbildung, des indexikalischen Zeichens und der Isomorphie (vgl. Böhme 1999, 116 
f.) bei gleichzeitiger (!) Zurückweisung des Lesens dieser Bilder als erschöpfende Aus- 
drücke von Realität den Umgang mit diesen Bildern bestimmt. 

55 Diese Metapher kann man Benjamins Text »Kleine Geschichte der Photographie« ent- 
nehmen (vgl. Benjamin 1977, 50). 


50 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Informationshorizont jenseits des Bildlichen fehlt, der in vergleichender Perspektive 
Identifizierungsprozesse ermöglicht. Die Kommunikation von Photos legt im Themen- 
bezug der Darstellung sozialer Objekte moralische Anschlußkommunikation nahe, ohne 
selbst moralische Kommunikation zu sein.’ Gerade dann, wenn photographische Dar- 
stellungen als qualifizierende Schematisierungen von Objekten fungieren (sollen), wird 
die Akzeptanzwahrscheinlichkeit bildbasierter Kommunikationen in spezifischer Wei- 
se herabgesetzt, so daß die Steigerung der Annahmewahrscheinlichkeit entsprechender 
Sinnvorschläge über »Sondersemantiken« (Luhmann) besondere Relevanz gewinnt. 


2.1.1 Pose und Retouche: Problemlösungen der Portraitphotographie 


Die Geschichte der Photographie im 19. Jahrhundert gibt nun die besagten Bezugspro- 
bleme ebenso zu erkennen wie die ersten darauf bezogenen Lösungsversuche, wobei 
die kommerzielle Portraitphotographie eine besondere, indikatorische Rolle spielt. Da 
die abgebildeten Individuen eine zu achtende Identität für sich beanspruchen — und 
d.h. in der Photographie zur Disposition stellen — zeigen sich hier notwendigerweise 
die Folgen des Photo-Realismus besonders früh und deutlich.’’ 


a) Die Pose 

Bemerkenswert ist zunächst, daß die Pose in der Portraitphotographie des 19. Jahr- 
hunderts noch eine große Rolle spielt — und zwar im Sinne einer bewußt gewählten 
Körperhaltung, die sich als solche zu erkennen gibt.’® Die räumliche Anordnung der 


56 Denn letztere zeichnet sich dadurch aus, daß die (Nicht-)Zuweisung von Achtung nicht 
nur latent mitgeführt wird, sondern dezidiertes Kommunikationsthema ist: »Das spe- 
zifische, aber zugleich universale Medium der Moral wird durch die codierte Unter- 
scheidung von Achtung und Mißachtung bereitgestellt. Dessen Elemente bestehen aus 
Kommunikationen, die zum Ausdruck bringen, ob bestimmte Personen zu achten oder 
zu mißachten sind.« (Luhmann 1997, 400) Wie noch zu zeigen ist, lehnen die Image- 
Kommunikationen der Werbung ihre bildlichen Schematisierungen sozialer Objekte eng 
an diese Logik an. Zur Beschreibung der Entstehungsbedingungen und der Entwicklung 
von moralischer Kommunikation als einem symbolisch generalisierten Kommunikati- 
onsmedium vgl. ausführlich Luhmann 1997, 396-405. 

57 Aber auch Formen künstlerischer Photographie zielen darauf ab, den Oberflächencharakter 
der Photographie zu durchstoßen und im Portrait die Wesenhaftigkeit des Menschen heraus- 
zuschälen. So kommt es z.B. mit der Neuen Sachlichkeit zu einem starken Interesse an den ex- 
pressiven Ausdrucksformen der Gotik und zu Versuchen, diesen Expressionismus in die neuen 
Bildmedien (Photographie und Film) zu überführen (vgl. dazu ausführlich Brückle 1998). 

58 Daß die Pose dann am Ende des 19. Jahrhunderts aus der gängigen Praxis der Portrait- 
photographie verschwindet, hat sicherlich verschiedene Gründe. Die Veralltäglichung der 
Photographie durch das Entstehen billiger und einfach zu handhabender Techniken mag 
dabei eine wesentliche Rolle gespielt haben. Die inszenierte Studiophotographie weicht 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |51 


Körper ist also keineswegs Resultat einer beliebigen, situativ vorgefundenen Haltung 
der Akteure, sondern Ergebnis einer verhaltenswirksamen Vorstellung, die sich auf das 
herzustellende Bild richtet. Das ist insofern nichts Neues, als auch der Körper in hi- 
storisch vorgängigen bildlichen Darstellungen als ein »Bedeutungssystem«° fungiert, 
dessen räumliches Arrangement einen spezifischen Sinn vermittelt. In dem spezifischen 
Bilder-Rahmen der Photographie übernimmt die Pose jedoch eine bestimmte Funktion, 
die sich auf den Oberflächen- und Abbildungscharakter eben dieser Technik bezieht. 
Die Pose wird — das zeigt sich gerade am Anfang der Entwicklung besonders deut- 
lich — zu einer Verhaltensform, die dem Festgeschriebenwerden der Identität auf die je- 
weilige Oberfläche im Rahmen objektivierter Geltungsansprüche in Sachen Abbildung 
begegnet. In einer Studie zur Portraitphotographie des 19. Jahrhunderts findet Klary 
(1903) zu einer Formulierung, die die Notwendigkeit des Posierens vor der Kamera in 
diesem Sinne prägnant umschreibt: »Pourquoi la pose? — parce que le personnage doit 
remplir une surface.« (27, zit. n. Neumann 1989, 143) Eine grundlegende Funktion des 
Posierens besteht also darin, die Verhaltensverunsicherung, die die Photographie selbst 
hervorbringt, über eine Verhaltensschablone zu kompensieren. Die Pose bremst bzw. 
orientiert die Reflexion der Portraitierten auf sich selbst als Oberfläche und übernimmt 
als konkrete Handlungsanweisung eine Entlastungsfunktion. Daß diese Entlastung nötig 
ist, verdeutlicht u.a. die Tatsache, daß die sogenannte »Abnahme« von Photographien in 
den Anfängen der Entwicklung von den Portraitierten als ein geradezu physisch erfahr- 
bares wie psychisch belastendes Ereignis beschrieben wurde, bei dem der »Operateur« 
(Photograph) dem »Patient« (Portraitierter) während der Aufnahme beistehen mußte." 
Belastend ist die photographische Situation deshalb, weil die Fixierung der Oberflä- 


jedenfalls bereits in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts einer photographischen 
Amateurpraxis, in der jedermann seinen sozialen Nahraum dokumentiert, womit not- 
wendigerweise die Markierung einer besonderen, photographischen Situation an Bedeu- 
tung verliert. Auch schmälert die Vielzahl der Photos, die im Laufe eines Lebens ange- 
fertigt werden, die Repräsentationsfunktion des Einzelphotos und die darauf bezogene 
Notwendigkeit, eine bestimmte Haltung einzunehmen. Jetzt liegt es umgekehrt auf der 
Hand, sich natürlich zu geben und dadurch den Kontext der Alltags- und Schnappschuß- 
situation zu berücksichtigen: »Alles Wirkliche ist zufällig« schreibt Fritz Mauthner um 
die Jahrhundertwende (Mauthner 1982, 576) und trifft damit eine bis in die Gegenwart 
anhaltende Präferenz für Momentaufnahmen im Kontext privater Photoportraits. Zu dem 
photographiebedingten Wandel mimischer Verhaltens- und Inszenierungsformen in Be- 
ziehung zu zeitgenössischen Ausdruckstheorien vgl. Löffler 2004, 117-158. 

59 Vgl. Hahn/Jacob 1994. 

60 Vgl. Neumann 1989, 33. Die »Beobachtung« und Fest-Stellung der Oberfläche durch die 
Technik wirkte sich in der Frühzeit der Photographie um so stärker aus, als der Belich- 
tungsvorgang hier noch mehrere Minuten dauerte und die »Patienten« in dieser Zeitspan- 
ne regungslos in die Kamera blicken mußten, wobei für die Fixierung der Portraitierten 
z.T. spezielle Stühle mit Bandagiervorrichtungen (»Appareils de Pose«) bereitstanden 
(vgl. Burckhardt 1994, 262 £.). 


52 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


che zugleich eine Ein- und Wertschätzung der Objekte (hier: der Individuen) über die 
Oberfläche anleitet. Soziologische Interpretationen des Posierens gehen an diesem 
grundlegenden Sachverhalt vorbei, wenn sie die Pose nur als eine gruppenspezifische 
Distinktionspraxis beschreiben, die die Position und Identität der jeweiligen Gruppe in 
einem hierarchischen Gesellschaftsgefüge (re-)produziert.°! Denn vor und neben jeder 
Logik »feiner Unterschiede« ist in der Pose zunächst ein Verhaltensschema zu sehen, 
das darstellungsbedingte Achtungsverluste verhindern bzw. Achtung generieren, stabi- 
lisieren oder gar steigern soll. 

Sichtbar wird das auch und gerade an jenen Formen des Posierens, die 
Bourdieu für eine spezifische Konvention der bäuerlichen »Unterschichten-Kultur< 
noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts hält, die aber bereits in der Frühgeschichte der 
Photographie auch bei bürgerlichen (!) Portraits durchaus üblich war und bis heute 
bei bestimmten sozialen Anlässen (insbesondere öffentlichen Zeremonien) durchaus 
vorkommt.6? Gemeint ist ein Typus der Pose, der sich durch eine einfache Aufstellung 
der Portraitierten vor der Kamera auszeichnet. Bourdieu spricht diesbezüglich vom 
»Prinzip der Frontalität« und beschreibt dasselbe folgendermaßen: 


Die Ehre gebietet, daß man der Kamera in derselben Weise gegenübertritt wie einem Men- 
schen, den man achtet und dessen Achtung man erwartet: von vorn, mit erhobenem Kopf und 
den Blick geradeaus gerichtet. In dieser Gesellschaft, die das Gefühl von Ehre, Würde und 
Achtbarkeit ganz besonders schätzt, in dieser geschlossenen Welt, in der man ständig und un- 
entrinnbar den Blicken anderer ausgesetzt ist, kommt es darauf an, ihnen ein ehrenhaftes und 
würdiges Bild von sich selbst zu vermitteln — in der unnatürlichen und starren Pose scheint 
diese unbewußte Absicht geronnen zu sein. Die abgebildete Person wendet sich an den Be- 
trachter in einem Akt der Reverenz, der konventionell geregelten Höflichkeit, und verlangt 
von ihm, denselben Konventionen und denselben Normen zu folgen. Sie bietet die Stirn und 
wünscht, von vorn und mit Abstand betrachtet zu werden. Dieser Anspruch auf gegenseitige 
Ehrerbietung macht das Wesen der Frontalität aus. [...] Kurz, wer vor einem Blick, der die 
Erscheinungen fixiert und immobilisiert, eine höchst zeremonielle Pose einnimmt, der verrin- 
gert das Risiko, sich unbeholfen und linkisch zu zeigen: Er liefert den anderen ein gestelltes, 
d.h. ein vorab definiertes Bild von sich selbst. Dem Respekt vor der Etikette vergleichbar, ist 
die Frontalität ein Mittel, die eigene Objektivierung selbst zu betreiben. Ein geregeltes Bild 
zu vermitteln ist eine Möglichkeit, die Regeln der Selbstwahrnehmung draußen durchzuset- 
zen. (Bourdieu u.a. 1983, 94 f.) 


61 Vgl. z.B. Bourdieu u.a. 1983 und Freund 1979. 

62 Obwohl die starre Haltung der Portraitierten am Beginn der Entwicklung unverzichtbar 
ist, um Bewegungsunschärfen während langer Belichtungszeiten zu verhindern, ist diese 
Form der Pose also nicht auf technische Gründe zurückzuführen. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |53 


Das Prinzip der Frontalität sucht also potentielle Achtungsverluste durch die Minimierung 
des körperlichen Ausdrucks (Gestik, Mimik) zu verhindern. Die bewußt gewählte Starr- 
heit der Form will die problematische Beziehung von Oberfläche und Tiefe umgehen, die 
sich im Falle weniger geradliniger Posen um so mehr aufdrängt, da die Körperhaltung 
dann als Ausdruck von Tiefe (Charakter, Individualität) hinter der Oberfläche gelesen wer- 
den kann und als solche überzeugen muß. Die Ratgeberliteratur, die sich seit dem Beginn 
der Portraitphotographie immer wieder mit der Beschaffenheit guter Posen beschäftigt, 
fokussiert genau dieses Problem. Die Frage, ob und inwiefern die Pose die Gruppen- 
zugehörigkeit der Portraitierten zum Ausdruck bringt, spielt hingegen kaum eine Rolle. 
Beherrschendes Thema sind vielmehr die Möglichkeiten der Pose, die (Selbst-)Darstel- 
lung und Individualität der Portraitierten zu unterstützen (siehe oben stehendes Zitat von 
Klary). Die Natürlichkeit von Haltungund Mimik wird dabei sehr schnell als entscheidender 
Positivwert genannt. Das bedeutet dann aber um so mehr, daß das (Nicht-)Beherrschen der 
dafür notwendigen Performance eine Grenze bei der Herstellung guter Portraits bildet. In 
der sechsten Auflage von Anton Martins »Handbuch der gesammten Photographie« von 
1865 heißt es: »Die größte Schwierigkeit, welche sich der künstlerischen Auffassung eines 
Portraits entgegenstellt, liegt in den aufzunehmenden Persönlichkeiten selbst, denn wenn 
der Photograph sich auch noch so sehr bemüht, die Personen ungezwungen und graziös zu 
stellen oder zu setzen, so gibt es doch Leute, deren Steifheit, wenn ich so sagen darf, eine 
unbeugsame ist.« (zit. n. Hoerner 1989, 137)63 

Die Konvention der Pose stellt sich also, als Lehrbuch-Semantik wie als prak- 
tisches Bemühen der an den Inszenierungen beteiligten Akteure, auf den Oberflä- 
chencharakter der Photographie ein: Die Pose ist, ob als starre Haltung (»Fronta- 
litätsprinzip«) oder als spezifische Feinjustierung der Gliedmaßen zum Zweck der 
Darstellung natürlicher und (dadurch) vertiefter Persönlichkeit, in der Frühzeit der 
Photographie noch ein unvermeidliches Mittel, um drohende Achtungsverluste durch 
photographische Oberflächenfixierungen unwahrscheinlich(er) zu machen. Zu dieser 
neuen, medienspezifischen Zweckbestimmung der Pose paßt auch die Konvention 


63 Auch Jäger stellt im Blick auf die Anweisungen der Berufsphotographen fest, daß »im- 

mer wieder darauf verwiesen (wird), daß die aufzunehmende Person entspannt und 
locker sein sollte. Besonders verbissenes Starren sei zu vermeiden. Die Pose selbst sollte 
»natürlich« wirken, also der Person angemessen und nicht aufgezwungen, so wie man 
sich gegenüber Unbekannten und für die Mit- und Nachwelt verhalten solle: aufrecht und 
würdevoll, respektabel und selbstsicher.« (Jäger 1996, 151) 
Natürlichkeit ist vermutlich bis in die Gegenwart einer der wichtigsten Maßstäbe der 
Beurteilung mehr oder weniger gelungener Posen. In einem Handbuch von 1965 heißt 
es jedenfalls noch ganz in Übereinstimmung mit historischen Vorläufern: »Where the 
model has had a lot of experience in front ofthe camera, she will assume attractive poses 
naturally without direction and the photographer can work more or less in a »candid« 
manner. Оп the other hand, if the photographer must direct every detail of the pose, there 
is a danger that the subject will appear stiff and unnatural, having been arranged much 
like a still life.« (Shirley 1965, 6) 


54 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


ernster Gesichtsausdrücke, die die Portraits des 19. Jahrhunderts dominieren. Denn 
auch die Mimik leistet über die Unterdrückung emotionaler Ausdrucksbewegungen 
einen Beitrag zu einer risikoarmen Selbstdarstellung unter riskanten Bedingungen. 
Starl schreibt zu den ernsten Mienen der Epoche: »Man wendet sich sozusagen nach 
innen, verbirgt seine Stimmung und übereignet das Aussehen ruhiger Gefaßtheit der 
photographischen Apparatur.« (Starl 2006, 35) Und eben weil die Gesichtsausdrücke 
der Portraitierten nur allzu deutlich den Ernst der Situation zum Ausdruck bringen, 
gehört die Aufforderung »Bitte recht freundlich« bald zum Repertoire der Berufs- 
photographen.* 


b) Retouche 

Weil die in der Photographie gezeigte Oberfläche des Körpers im Verhältnis zur un- 
sichtbaren Tiefe in neuer Weise in den Vordergrund tritt und an Relevanz gewinnt, 
spielt das »Aussehen« für die Person eine wichtiger werdende Rolle, und zwar im 
Rahmen der Unterscheidung von gutem und schlechtem Aussehen, die jetzt buchstäb- 
lich automatisch akzentuiert wird. Der Versuch, »schlechtes< Aussehen auf die Abbil- 
dungstechnik der Apparatur zurückzuführen, ist jedenfalls nur für die früheste Früh- 
zeit der Photographie belegt. Newhall weiß aus der Kinderstube der Photographie zu 
berichten: »Mancher, der von Natur aus häßlıich ist, und der sich nach anstrengender 
Sitzung auf dem Bild noch häßlicher wiederfindet, behauptet, daß der Fehler im Ap- 
parat steckt und verläßt das Atelier ohne Bild.« (Newhall 1961, 11) 

Man hadert nun, sei es privat oder in Form öffentlicher Beiträge zum Diskurs (z.B. 
der Feuilletons) mit seinem Bild, und man spricht von einem »horror of photography« 
(George Eliot 1860, zit. n. Jäger 1996, 153)6° — ein Problem, das die Photographie 
als Identitäts-Generator bis in die Gegenwart begleitet und das erst durch dieses Dar- 
stellungs- und Verbreitungsmedium in Gang gesetzt wurde und sich entwickelte. Es 
spricht vor diesem Hintergrund einiges dafür, die verschiedenen Verfahren der Bildbe- 
arbeitung (hauptsächlich Kolorieren, Negativretouche, Übermalen), die sich während 


64 Wie bei der wenig später konkretisierten Handlungsanweisung »Bitte lächeln« (vgl. 
Freund 1979, 75) geht es um die Erzeugung eines lebendigen, natürlichen, menschli- 
chen Eindrucks, der schon deshalb seinen Zweck erfüllt, weil Lächeln als Beschwichti- 
gungsgeste gegenüber einem potentiellen Aggressor eine Art Schlüsselreiz darstellt (vgl. 
Goffman 1981) und insofern die Akzeptanzwahrscheinlichkeit des Bildes zu steigern 
vermag. 

65 Dieser Horror klingt mehr als hundert Jahre später in einer Formulierung von Barthes 
an, wenn er feststellt »[...] ich kann höchstens sagen, daß ich mich auf manchen Photos 
ertragen kann oder auch nicht, je nachdem, ob ich dem Bild entspreche, daß ich von mir 
zeigen möchte« (Barthes 1989, 113). Hier wie dort wird deutlich, daß sich der Satz »Ge- 
messen an einer leiblich erfahrenen Realität von Körpern ist der interesselose Blick auf 
ihn und mehr noch die photographische Ablichtung keineswegs realistisch, sondern eine 
Abstraktion« (Böhme 2004, 123) nicht nur als Befund einer Philosophie der Photogra- 
phie, sondern auch als Kommentar zu einer alltäglichen Bildpragmatik lesen läßt. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |55 


des 19. Jahrhunderts einer großen Beliebtheit erfreuten, nicht als vorübergehende Mo- 
deerscheinung, Geschmacksverwirrung oder Anzeichen des Verfalls künstlerischer 
Ambitionen zu interpretieren.°® Vielmehr kann man in diesen Techniken Praktiken der 
kommerziellen Portraitphotographie erkennen, mit denen auf das Problem drohender 
Achtungsverluste durch den Oberflächencharakter der Photographie reagiert wird P! 
Daß mit der Betonung der Oberfläche auch die Tiefe zu einem Problem wird, das die 
Bildbearbeitungsformen auf den Plan ruft, ist sehr gut an den Quellen festzumachen, 
die Erich Stenger in seiner »Photographiegeschichte im Spiegel von Tageszeitungen 
und Tagebüchern« (1943) zusammenführt. Auf der Seite der Tiefe lautet das Problem: 
Sie fehlt. In den Zeitungsberichten wie in den Tagebüchern der Photographen wird 
die »Todtheit«, »Schärfe« und »Kälte« der Daguerreotypien der 1840er Jahre kriti- 
ѕіегі.68 Den Darstellern mangele es an »Leben«, »Seele«, »Wärme« und »Glanz«, 
und eben das solle ihnen durch eine Optimierung des photographischen Verfahrens 
oder durch die nachträgliche Bildbearbeitung in Angleichung an die Malerei‘? wie- 
dergegeben werden. Auf der Seite der Oberfläche lautet das Problem: Sie ist zu genau. 
Vor allem die Damen, so die zeitgenössische Beobachtung, verlören durch die detail- 
lierte und exakte Wiedergabe ihre natürliche Schönheit, und zwar insbesondere die 


66 Diese Interpretation findet sich z.B. in dem prominenten Text von Freund (1979, 76). 

67 Bis in die Gegenwart ist die professionelle Portraitphotographie auf diesen Bedarf ein- 
gestellt, wie ein Blick in die Schaufensterauslagen der Anbieter schnell verdeutlicht: 
Weichzeichner, Farbfilter, bestimmte Lichtführungen, Unschärfen usw. kommen immer 
noch regelmäßig zum Einsatz, um den Realismus der Photographie abzudämpfen und 
ein optimiertes (Körper-)Bild zu entwerfen, in dem verschiedene Defizite eliminiert oder 
zumindest zurückgedrängt sind (z.B. Hautunreinheiten, Zahnverfärbungen, »unschöne« 
Proportionen). 

68 Vgl. Stenger 1943, insb. 48 und 61-64. Diese Kritik trifft in der Frühzeit besonders zu, da 
die Photos in dieser Zeit häufig noch sehr kontrastreich waren und die Darstellung zudem 
auf Schwarz-Weiß reduziert war, also die Darstellung von »Fleischfarben« ausgeschlos- 
sen war. In einem Zeitungsbericht von 1857 zur Schweizer Industrieausstellung, auf der 
auch zahlreiche Portraitphotographen ihre Werke ausstellten, bezog sich die Differenzie- 
rung der einzelnen Arbeiten durch die Kritiker daher noch sehr stark auf das Erreichen 
von nuancierten Graustufen: »[...] man verlangt einen weichen, dem Auge gefälligen 
Grundton. Bei zusammengesetzten Bildern endlich kommt es noch auf die einzelnen 
Nüancen dieses Kolorits an, um dem ganzen Bilde eine vollendete, angenehme Rundung 
zu geben.« (zit. n. Stenger 1943, 69) 

69 Im Schweizer »Intelligenzblatt« wurde 1848 entsprechend eine neue Technik gelobt als 
»bis jetzt praktischste Art von Daguerreotypen, die der Malerei am ähnlichsten Kommt 
[...]. Sie stellt ihre Bilder nicht auf Metallplatten, sondern auf eigens dazu bereitetem 
Kartonpapier dar, wodurch sie sich für Album und dergl. so gut eignen wie für Tab- 
leaux, sie machen ganz den Eindruck von Aquarellgemälden in Sepia.« (zit. n. Stenger 
1943, 64) 


56 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


weniger schönen.’® Deren Schönheit ist gefährdet, weil diese in einer Weise auf eine 
Oberfläche reduziert wird, die in der Erfahrung der Lebenswirklichkeit (und auch in 
der Rezeption traditioneller Bildgattungen) nicht existiert hatte. Der Definitions- und 
Entfaltungsspielraum für Schönheit ist jetzt spezifisch eingeschränkt, und eben dies 
wird in der mehr oder weniger »gepflegten Semantik« (Luhmann) registriert. Daß die 
technischen Einschränkungen zugleich medienspezifische Potentiale der Perfektio- 
nierung und Variabilität, also das Potential der »Vertiefung« der Oberfläche in sich ber- 
gen, wird hier am Beginn der Entwicklung noch weniger gesehen. Um so mehr wird 
vor dem Hintergrund des Vergleichens dieser Bilder mit den traditionellen Verfahren 
(Malerei, Zeichnung u.a.) ein substantieller Tiefenverlust konstatiert. Die malerische 
Überarbeitung und das Kolorieren von Photos durch einen Erfinder dieser Verfahren, 
den Schweizer Photographen Johan Baptist Isenring, wird deshalb in der St. Galler 
Zeitung 1840 als Rückgabe von (Charakter-)Substanz an die Portraitierten gefeiert: 


Das Bild ist nicht, wie man vermuthen sollte, frostig und tonlos, — ein kalter todter Reflex 
dessen, was die Natur durch das Objektiv auf der Silberplatte zurückgelassen hat [...]. Das 
Lichtbild ist [...] unter der Hand des Künstlers [...] ein wahres Gemälde geworden. Das Auge 
ist frei und offen, der Stern klar und distinkt, das ganze Bild hat Färbung, Leben und Wärme. 
Damit war Hr. Isenring jedoch nicht zufrieden, er wagte einen neuen Schritt, der darin be- 
stund, seine also gewonnenen Portraits zu koloriren. Und siehe auch dieses ist dem gewand- 
ten Daguerreotypiker nach einigen beharrlichen Versuchen insoweit gelungen, daß er bereits 
alle Tinten in das schwärzliche Lichtbild hineinzuduften, dem Kopfe Inkarnat und dem Gan- 
zen den Effekt eines wunderbaren, unvergleichlichen Pastellgemäldes zu geben weiß. (zit. n. 
Stenger 1943, 32) 


Die manipulierten Photos wurden als solche »nach dem Leben« gelobt (ebd.), wäh- 
rend die bloß photographischen Abbildungen trotz bestaunter Wiedergabetreue als 
defizitär eingeschätzt wurden.’! Die Bildbearbeitung ist also in ähnlicher Weise wie 
die Pose eine Praxis, die auf Probleme antwortet, die mit der Photographie entstehen. 
Die Portraitierten fragen das Angebot der Retouche nicht mit künstlerischen Interes- 
sen, sondern in der Absicht nach, das entstandene und für problematisch oder doch 
wenigstens optimierbar gehaltene Bild des Selbst nachträglich positiv zu beeinflus- 
sen. Neben der Ausstattung der Bilder mit »Glanz«, »Leben« und »Wärme« dienen 


70 »Vor allem die Frauen werden unvorteilhaft wiedergegeben. Oder sie müssen besonders 
hübsch sein, daß ihr Bild nicht leidet.« (Rudolf Ernst 1842, zit. n. Stenger 1943, 46) 

71 Und das, obwohl selbst die Kritiker nicht den geringsten Zweifel an der Objektivität des 
Mediums äußern. So folgt dem Kommentar eines Zeitgenossen zur Leblosigkeit photo- 
graphischer Portraits im Jahre 1848 ganz im Sinne der Talbotschen Vorstellung von der 
Photographie als »pencil of nature« die Feststellung: »Die Natur selbst schafft das Bild. 
Alles, bis zu den mit dem Auge nicht mehr wahrnehmbaren Einzelheiten wirkt auf die 
Silberplatte.« (zit. n. Stenger 1943, 47) 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |57 


die Bildbearbeitungsverfahren einer schlichten Überarbeitung der abgebildeten Kör- 
performen im Sinne chirurgischer Eingriffe, die die Oberflächen im Blick auf die 
allgemeinen Schönheitsstandards bzw. -ideale der Zeit manipulieren. Denn auch die 
Abweichung von diesen Standards wird durch die Photographie in neuer Weise fixiert 
und (dadurch) akzentuiert und läßt so ein neues Problem entstehen. Die operativen 
Eingriffe der Retouche gelten dementsprechend nicht primär dem Hintergrund und 
den Staffagen und auch nicht der Bildgestaltung im allgemeinen, sondern dem Körper 
des Portraitierten: Schönheitsflecken, krumme Nasen, Falten usw. werden einer äs- 
thetischen Korrektur unterzogen. Aber auch die retouchierende Veränderung der Ku- 
lissen, der Hintergründe und des Mobiliars sollte man wohl weniger als Kunstwollen 
verstehen denn als einen Eingriff, der den Eindruck des »Künstlerischen« mit den je- 
weils portraitierten Personen assoziiert und mit der »Verschönerung« derselben in Ein- 
klang zu bringen sucht. Das retouchierte Portrait ist also eine Form der Selbstdarstel- 
lung, die den Realismus und den dokumentarischen Anspruch der Photographie mit 
einer manuell herbeigeführten ästhetischen Überhöhung kombiniert. Daß es sich bei 
den Retouche-Techniken keineswegs um ein randständiges Phänomen, sondern um 
ein massenhaft nachgefragtes Lösungsverfahren des ausgehenden 19. Jahrhunderts 
handelt, zeigt der humorvoll übersteigerte Kommentar des Kenners und Mentors der 
deutschen Photographiegeschichte, Alfred Lichtwark, der im Jahre 1894 feststellt: 


Kommt einmal jemand mit einem Bilde zurück und macht den Photographen darauf aufmerk- 
sam, daß er 60 und nicht 30 Jahre zähle, daß er auf der Stirne Falten habe, hohle Wangen und 
eine Stubsnase statt der griechischen, die ihm anretouchiert worden sei, so wird ihm wohl die 
Bemerkung »Ach so, Sie wollen ein ähnliches Bild, aber das konnte ich doch nicht wissen: zu 
Ohren kommen. (zit. n. Freund 1979, 76)7? 


Diese Überlegungen zusammenfassend kann man feststellen, daß der Doppel- 
charakter der Photographie im Kontext der Schematisierung sozialer Objekte ein spe- 
zifisches Problem generiert. Als indexikalische Karte suggeriert die Photographie, daß 
die »realistischen<« Sichtbarkeiten als Ausweis der Identität des jeweils thematisier- 
ten Objektes fungieren, während die Betonung der Oberflächenbedeutung zugleich 
die Frage radikalisiert, auf welche Eigenschaften eben dieser Objekte die gezeigten 
Sichtbarkeiten hinweisen. Als Kommunikationsmedium kann die Photographie dieses 
Problem nicht aufheben, sondern nur verschieben, indem sie immer wieder aufs Neue 


72 Die Nachfrage der Bildbearbeitungsverfahren ist so stark, daß es zur Ausbildung spezia- 
lisierter Berufe kommt (vgl. Freund 1979, 76 £.). Den Durchbruch in Deutschland erzielt 
1855 der populäre Photograph Hanfstaengl: »Hanfstaengl stellte dasselbe Bild einmal 
unretouchiert und einmal retouchiert aus, und diese Bilder riefen eine Sensation hervor.« 
(Ebd.) Das Vorher-Nachher-Schema, das der Photograph benutzt, verlagert die Argumen- 
tation ganz in den Bereich der Bilder und erzeugt damit jene Evidenz, von der entspre- 
chende Gegenüberstellungen in der Werbung bis in die Gegenwart profitieren (wollen). 


58 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


den Versuch unternimmt, »realistische< Sichtbarkeit als Zeichen von Tiefe zu instru- 
mentieren. Im kommunikativen Vollzug dieser Bilder fällt die Bedeutungssteigerung 
des Sichtbaren also mit einer neuartigen Verunsicherung der Oberflächenbedeutung 
zusammen. Und weil es in der Lektüre dieser Bilder zu keiner Enträtselung kommen 
kann, ist man immer wieder erneut darauf angewiesen, an der Oberfläche nach ent- 
sprechenden Anhaltspunkten Ausschau zu halten. Mit den technischen Bildern kommt 
es dementsprechend nicht nur zu einer Bedeutungssteigerung »realistischer« Oberflä- 
chen, sondern zu einer Bedeutungssteigerung und -spezifizierung der Differenz von 
Oberfläche und Tiefe in Sachen Identitätsschematisierung. 

Folgt man diesen Überlegungen, kommt man zu dem Schluß, daß eine gängige 
These zu den soziokulturellen Folgeproblemen der technischen Bildmedien in Zweifel 
zu ziehen ist. Diese These geht davon aus, daß sich der Realismus der Photographie 
als eine »natürliche Ordnung« anbietet und sich als solche in der Gesellschaft durch- 
setzt.” Als Problem wird eine neue Ideologie der Bilder identifiziert. Eine Aufgabe 
der Wissenschaft wird dann darin gesehen, über die Konstruiertheit der nur scheinbar 
natürlichen symbolischen Ordnung, die sich als die Realität ausgibt, aufzuklären. Daß 
und inwiefern man den Realismus technischer Bilder mit — durchaus zutreffenden — 
Argumenten dekonstruieren kann, wurde erwähnt. Schon die sozialen Gebrauchswei- 
sen der Portraitphotographie des 19. Jahrhunderts weisen jedoch auf eine ganz andere 
soziokulturelle Problemlage hin: Das Problem ist nicht nur, daß man Photographien 
glaubt. Das Problem ist mindestens ebenso, daß man ihnen nicht glaubt. Der Umgang 
mit dem neuen Darstellungsmedium ist also vom Problem des gleichzeitigen Vorhan- 
denseins beider Perspektiven bestimmt. Nicht nur in der Theorie, sondern in der Kul- 
tur selbst wird der Doppelcharakter technischer Bilder virulent. Die soziokulturelle 
Sprengkraft der technischen Bildmedien besteht gerade in der skizzierten eigentümli- 
chen Spannung dieser Bilder. 


73 So z.B. Bourdieu u.a.: »Wenn man die Photographie für die realistische und objektive 
Aufzeichnung der Welt hält, dann deshalb, weil man ihr (von Anfang an) gesellschaft- 
liche Gebrauchsweisen eingeschrieben hat, die als „realistisch: und »objektiv« gelten. 
Sie hat sich mit den äußeren Anzeichen einer »Sprache ohne Regeln und ohne Syntax« 
dargeboten (W. М. Ivins 1953), d.h. einer »natürlichen Sprache«, weil die Auswahl, die 
sie im und am Sichtbaren vornimmt, in ihrer Logik ganz und gar der Darstellung der 
Welt entspricht, wie sie sich in Europa seit dem Quattrocento durchgesetzt hat.« (Bour- 
dieu u.a. 1983, 86) Zu der Kritik einer diagnostizierten Naturalisierung kultureller Codes 
durch die Photographie vgl. stellvertretend für neuere Untersuchungen Hall 1980. Daß es 
solche »Naturalisierungen« gibt, soll hier keineswegs bestritten werden. Bestritten wer- 
den soll um so mehr, daß hierin das entscheidende soziokulturelle Folgeproblem der 
technischen Bildmedien zu sehen ist. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |59 


2.2 Bezugsproblem Il: Die Reichweite sozialer Redundanz — 
technische Bilder als Verbreitungsmedien 


Daß Oberflächenerscheinungen mit der Photographie in neuer Weise zum Bezugs- 
rahmen der Schematisierung und Qualifizierung jeweils identifizierter Objekte (Per- 
sonen, Dinge) werden, ist nur eine Seite des Problems. Dessen andere Seite wird 
sichtbar, wenn man die Photographie nicht als Kommunikations-, sondern als Ver- 
breitungsmedium thematisiert. Denn als Verbreitungsmedium wirkt die Photographie 
wiederum auf die Kommunikationsverhältnisse ein und spezifiziert bzw. potenziert 
die Ablehnungswahrscheinlichkeit der als Oberflächen fixierten Objekte. 

Der Luhmann’sche Begriff des Verbreitungsmediums erschließt uns dieses Pro- 
blem genauer. Von Verbreitungsmedien spricht Luhmann, wenn Kommunikations- 
medien nach dem Gesichtspunkt ihrer Reichweite unterschieden werden. Die dabei 
angelegte Perspektive richtet sich auf das Maß, mit dem Kommunikationsmedien In- 
formationen so verbreiten, daß sie im weiteren Geschehen prinzipiell als bekannte 
Sachverhalte vorausgesetzt werden können. Gemeint ist, kurz gesagt, die über Kom- 
munikationsmedien hergestellte »Reichweite sozialer Redundanz« (Luhmann 1997, 
202). 

Wo liegt nun das Problem? Das Problem besteht darin, daß mit zunehmend grö- 
Вегег Reichweite sozialer Redundanz die Verbindlichkeit der Kommunikation für die 
Kommunikationsteilnehmer abnimmt. Für einen entscheidenden Schritt in diese Kon- 
stellation hinein hält Luhmann die Entwicklung der Schrift, weil mit desem Kom- 
munikationsmedium Kommunikation erstmals dauerhaft und systematisch über den 
Bereich der Interaktion hinausgreift:’* 


Schrift ist nämlich eine Zweitcodierung der Sprache, die diese mitsamt ihrem Ja/Nein-Sche- 
matismus in einem anderen Zeichensystem noch mal dupliziert und für Verwendung außer- 
halb von Interaktionskontexten zur Verfügung hält. Damit werden Gesellschaftssystem und 
Interaktionssysteme stärker differenzierbar, es kommt zu einer immensen Erweiterung des 
Kommunikationspotentials in räumlicher und zeitlicher Hinsicht, zu neuartigen Äquivalenten 
für Gedächtnis, und entsprechend verlieren die Möglichkeiten interaktioneller Motivsugge- 
stion und -kontrolle auf der Ebene des Gesellschaftssystems an Bedeutung. Die Negations- 
potentiale der Kommunikationsprozesse können nun nicht mehr so unmittelbar wie zuvor 
»sozialisiert« werden. Die Gründe für die Annahme von Selektionsofferten müssen auf ab- 
strakterer Basis rekonstruiert werden, sie müssen auf Kommunikation mit Unbekannten 


74 Die gesprochene Sprache z.B. bestimmt und erweitert den »Empfängerkreis« einer Kom- 
munikation lediglich im Bereich der jeweils Anwesenden, so daß nicht mehr Informa- 
tionen vorhanden sein können, als im Interaktionsgeschehen zirkulieren. »Man erzählt 
schon Bekanntes, um Solidarität zu dokumentieren. Aber damit ist kein Zugewinn an 
Information verbunden. Man kann jeden fragen, der die Information erhalten hat. Wenn 
man wiederholt nachfragt, entsteht keine neue Information.« (Luhmann 1997, 202) 


60 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


eingestellt sein und die Verquickung mit einem archaischen Ethos der Sozialbindung unter 
Nahestehenden abstreifen. Das ist der historische Ausgangspunkt für die Ausdifferenzierung 


besonderer symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien. (Luhmann 1974, 239)7> 


Die Verbreitungsmedien tangieren also weniger das Verstehen als vielmehr die Mög- 
lichkeiten der »erfolgreichen Annahme« von Kommunikation: 


In dem Maße, in dem die Verbreitungsmedien soziale Redundanz erzeugen, läuft nicht nur die 
Zeit schneller; es wird auch ungewiß und unklärbar, ob mitgeteilte Informationen als Prämis- 
sen für weiteres Verhalten angenommen oder abgelehnt werden. Es sind zu viele, unüberseh- 
bar viele beteiligt, und man kann nicht mehr feststellen, ob und wozu eine Kommunikation 
motiviert hatte. (Luhmann 1997, 203) 


Insofern sich die oben stehenden Überlegungen lediglich auf die Akzeptanz der Por- 
fraitphotographie und das spezifische Problem der Oberflächenbetonung beziehen, 
blieb dieser Aspekt bislang unberücksichtigt: Denn für die Portraitphotographie, 
die ja in der Regel nur im sozialen Nahraum zirkuliert, müssen Motivationen und 
Zwecke, so verschieden sie sein mögen, keineswegs erst hergestellt werden — der 
Rezipient ist in der Regel zugleich Auftraggeber der Bildherstellung und spezifisch 
motiviert, schon bevor das Bild angefertigt wird.” Welchem Zweck auch immer die 
privat genutzten Photos unterstellt sind — ob sie als Selbstvergewisserung einer Grup- 
pe, als Kunstwollen oder als das Verhindern von Langeweile interpretiert werden: Ein 


75 Umgekehrt wird damit die Annahme verknüpft, daß es in Gesellschaften, in denen die 
Interaktion noch der alleinige oder gemeinhin entscheidende Ort ist, an dem zwischen 
den Akteuren die verschiedensten Themen verhandelt werden, keinen oder nur wenig 
Regulierungsbedarf im Stile der symbolisch generalisierten Medien gibt: »Solange [...] 
Sprache nur mündlich, also nur in Interaktionen unter Anwesenden ausgeübt wird, gibt es 
genug soziale Pressionen, eher Angenehmes als Unangenehmes zu sagen und die Kom- 
munikation von Ablehnung zu unterdrücken.« (Luhmann 1997, 204) 

76 Der Photograph Anton Georg Martin (1812-1882), der ab 1840/41 als reisender Photo- 
graph unterwegs ist und sich später als Verfasser des ersten deutschsprachigen Lehrbuchs 
der Portraitphotographie einen Namen macht, erklärt die hohe Nachfrage über bestimmte 
psychische Bedürfnisse: »Die Photographie hat ihren Aufschwung einzig und allein dem 
Portraitfache zu verdanken. Die Eitelkeit und Eigenliebe des Menschen haben [...] als 
zwei mächtige Leidenschaften unserer Kunst auch mächtig Vorschub geleistet.« (zit. n. 
Hoerner 1989, 115) Auch Baudelaire sieht entsprechende Motivationen beim Publikum: 
»Von diesem Moment an war es das einzige Bestreben dieser unsauberen Gesellschaft, 
wie ein einziger Narziß ihr triviales Bild auf der Metallplatte zu betrachten. Ein Wahn, 
ein extremer Fanatismus bemächtigte sich dieser Sonnenanbeter.« (Baudelaire 1859, zit. 
n. Kemp 1980, 110) Die Feststellungen der Zeitzeugen belegen darüber hinaus, daß sich 
das Interesse der Portraitierten vorwiegend auf die Darstellung der eigenen Person und 
nicht auf die Darstellung von Gruppen richtet. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |61 


wichtiger Grund für die Annahme dieser Bilder liegt immer auch in ihrem Verwei- 
sungsbezug zu den bereits bekannten Objekten (den lebenswirklichen Individuen), 
wie der Brief einer Engländerin von 1842 an ihre Freundin verdeutlicht: 


Es ist nicht die Ähnlichkeit allein, die derlei so kostbar macht, sondern die Vorstellung und 
das Gefühl der Nähe, das einem solchen Objekt innewohnt... es ist die Tatsache, daß dort der 
echte Schatten eines Menschen für alle Zeiten festgehalten ist! Hier hat das Portrait, wie ich 
meine, zu seiner heiligsten Aufgabe gefunden — und ich finde es überhaupt nicht abwegig, 
wenn ich erkläre [...], daß ich von einem Menschen, für den ich tiefe Liebe empfand, lieber 
ein derartiges Andenken besäße als das größte Kunstwerk aller Zeiten. Ich sage das nicht, 
weil ich damit etwas über (oder gegen) die Kunst äußern will, sondern um der Liebe willen. 
(Barrett 1842, zit. n. Wiegand (Hg.) 1981, 43) 77 


Das photographische Erscheinungsbild kann hier also noch als eine spezifische Sche- 
matisierung (»Ѕсһаќеп«) zu einem »Vorbild« in Beziehung gesetzt werden, und der 
Reiz des Bildes besteht in der Vergegenwärtigung des lebenswirklichen Objektes 
(hier: des abwesenden Individuums).7® 

Die über Zeitungs- und Zeitschriftenphotos verbreiteten öffentlichen Bilder lassen 
sich in ihrer partikularen Erscheinung von den Rezipienten hingegen gewöhnlicher- 
weise nicht mehr zu einem lebenswirklichen Vorbild in Beziehung setzen. Sieht man 
von den schriftbasierten Kommunikationen mit demselben Objektbezug ab, erfolgt 
die Identifizierung der Objekte (sei es ein Filmstar, ein Politiker oder ein käufliches 
Produkt) hier ganz über die Erscheinungsformen, die in den Verbreitungsmedien kur- 
sieren. 


77 Im Anschluß an die dargestellte Diagnose einer bereits alltagskulturellen Relativierung 
des photographischen Realismus ist hier die Rede von der Echtheit des »Schattens« zu 
beachten: Diese Formulierung macht deutlich, daß die Photographie nicht als Tiefenaus- 
druck der Persönlichkeit, immerhin aber als ein »Schatten« derselben angesehen wird, 
der die Existenz dieser Person qua »realistischer« Ähnlichkeit vergegenwärtigt und inso- 
fern die Funktion des Andenkens in einem anderen Sinne als die traditionellen Bildgat- 
tungen gewährleistet. 

78 Versteht man, wie z.B. Bourdieu u.a. (1983) unter den sozialen Gebrauchsweisen der 
Photographie den Gebrauch privater Photos, müßte man wohl neben und mit ihrer Funk- 
tion der (Selbst-)Biographisierung (5.0.) von einer Vergegenwärtigungsfunktion der Pho- 
tographie sprechen und darin eine basale Gebrauchsweise der Photographie erkennen. 
Die unzähligen Familienbilder, die bis in die Gegenwart in Geldbörsen, am Arbeitsplatz 
oder zu Hause mehr oder weniger sichtbar aufbewahrt werden, bezeugen in ihrer paß- 
bildartigen Standardisiertheit und/oder kontextbezogenen Austauschbarkeit (z.B. Ur- 
laubsmotive) jedenfalls über kulturelle Unterschiede oftmals relativ wenig, symbolisie- 
ren aber in jedem Fall eine Beziehungsnähe zwischen dem Besitzer der Photos und den 
abgebildeten Personen und machen für andere sichtbar, daß es sich um den (Ehe-)Partner 
oder die Kinder handelt. 


62 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Das Hinausschieben der Photographien aus dem sozialen Nahraum vollzieht sich 
dabei seit der allgemeinen Zugänglichkeit der Technik, die nahezu zeitgleich mit der 
Erfindung derselben gewährleistet wird. Da weder Können, noch Zeit oder Geld als 
exkludierende Ressourcen wirken, kommt es rasch zu einer Verbreitung von »realisti- 
schen« Bildern, deren Ausmaß sich mit den vorherigen Bild-Verbreitungsmedien (z.B. 
Holzschnitt, Radierung, Lithographie) kaum vergleichen läßt. Früh sorgen bestimm- 
te Publikationspraktiken’”? und besondere Formate wie z.B. die Albumphotographie 
oder die Cartes des visites (z.B. prominenter Persönlichkeiten) für hohe Auflagen, die 
die Präsenz photographischer Bilder steigern und eine auf diese Bilder eingestellte 
visuelle Kultur des Erinnerns und Vergessens in Gang setzen. Der eigentliche Durch- 
bruch wird aber erst mit dem Einzug der Photographie in die Verbreitungsmedien des 
Drucks durch das 1881 von Meisenbach entwickelte Rasterungsverfahren (»Auto- 
typie«) erzielt. Denn erst jetzt wird die Photographie mit dem Massendruck (Zeitung 
und Zeitschrift) kompatibel.°® Jetzt können nicht nur weite Kreise der Gesellschaft 
(auch an der Peripherie jenseits der Großstädte) kontinuierlich photographische Bil- 
der rezipieren. Vielmehr bedient sich das System der Massenmedien fortan der tech- 
nischen Bilder als substantielle Informationsträger und entfaltet eine Bildwelt, die an 
die schriftbasierte Berichterstattung gebunden wird. 


79 So kann man die Schaufenster der Photographen in den Großstädten als Verbreitungs- 
medien photographischer Portraits betrachten, in denen einem tendenziell anonymen 
Publikum Darstellungen von tendenziell anonym bleibenden Menschen zugänglich ge- 
macht werden. Für den Großstadt-Flaneur werden die im Schaufenster erblickten Men- 
schen gewöhnlicherweise nur noch über ihre Erscheinungsform charakterisiert. Mit den 
Cartes des visites und vergleichbaren, billigen Kleinformaten etabliert sich zudem für 
eine gewisse Zeitdauer eine populäre Praxis des Verteilens und Sammelns von Portraits, 
deren Besitzer die abgebildeten Menschen gar nicht oder nur flüchtig kennen. In beiden 
Zusammenhängen zeigt sich bereits die für den späteren Illustrierten-Leser und Fern- 
sehzuschauer zum Normalvollzug werdende rezeptive Schematisierung verschiedenster 
Bildobjekte über Oberflächen. 

80 Nachdem die Photographie einige Zeit als Vorlage-Medium bei der Herstellung von Illu- 
strationen fungiert (letztere werden mit dem Hinweis »nach einer Photographie« gekenn- 
zeichnet, vermutlich auch, um den Realismus, der Photographie ins Spiel zu bringen), 
erschien 1880 erstmals im New Yorker »Daily Graphic« eine Photographie. Während 
verschiedene Wochenzeitungen bereits ab 1885 regelmäßig Photos drucken (so z.B. die 
Berliner Illustrierte ab 1895, vgl. Hoerner 1989, 197), kommt die Photographie in der auf 
kürzere Produktionszeiten angewiesenen Tagespresse mit einiger Verzögerung zum Ein- 
satz. Bereits 1904 arbeitet der englische »Daily Mirror« durchgängig mit Photographien 
(1919 folgt der New Yorker »Illustrated Daily«, vgl. Freund 1979, 116 Ё). Aber auch 
in Büchern und Zeitschriften fungieren gedruckte Photographien fortan als Generatoren 
sozialer Redundanz. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |63 


Die Photographie richtet als Verbreitungsmedium im Laufe weniger Jahrzehnte 
also eben jene Konstellation in aller Schärfe ein, in der die »Gründe für die Annah- 
me von Selektionsofferten [...] auf abstrakterer Basis rekonstruiert werden« müssen 
(Luhmann 1974, 239). Durch die technischen Bilder entsteht ein »Raum« öffentli- 
cher Bilder, in dem Produktion und Rezeption weitgehend entkoppelt und aus ei- 
nem die Kommunikationsteilnehmer integrierenden Interaktionsgeschehen heraus- 
genommen sind. H Das Problem der Oberflächenbetonung spitzt sich daher mit der 
Integration der Photographie in die Verbreitungsmedien des Massendrucks (Print- 
medien) radikal zu. Weil die Beurteilung von Attributen hinter der Oberfläche nur 
über die Oberfläche vollzogen werden kann, muß die Konstruktion der jeweils pho- 
tographisch identifizierten Objekte auf eben diesen Sachverhalt eingestellt werden. 
Die »Selektionsofferten« müssen um so mehr in die bildbasierte Kommunikation 
selbst eingebaut werden, als die Annahmewahrscheinlichkeit der jeweiligen Objek- 
te nicht über den Kontext einer sozialen Situation abgesichert oder gesteigert wer- 
den kann. Es bleibt natürlich nicht ausgeschlossen, daß die Medienproduzenten ihre 
Adressaten kennen, daß also gewußt wird, was die Rezipienten wissen (kennen), 
welche Interessen, Motivationen und Vorlieben sie haben und entsprechend, welche 
Kommunikationen eine Annahme wahrscheinlich machen. Doch die massenhafte 
Produktion von Bildern kann nicht prinzipiell von diesem Sachverhalt ausgehen 
bzw. auf diesen angewiesen bleiben. Sie muß ihre Bildkommunikation vielmehr so 
einrichten, daß alles, was kommuniziert wird, ohne Zusatzinformationen für das 
Publikum potentiell interessant und verständlich ist. Vor allem dann, wenn Kommu- 
nikation mehr erreichen soll als bloßes Verstehen — also z.B. dann, wenn Akzeptanz 
für die bildförmigen Identifizierungen und Qualifizierungen der jeweiligen Objekte 
hergestellt werden soll —, bedarf es einer besonderen »Spezialsprache« (Luhmann), 
die auf die Lösung dieses Problems eingestellt ist. Es muß eine Sondersemantik 
entwickelt werden, die eine Tiefen-Attribuierung über die jeweiligen Oberflächen 
zuläßt und sichtbare Kriterien für Positiv- oder Negativbewertungen bereitstellt. 
Wie noch zu zeigen ist, spezialisiert sich vor allem die massenmediale Werbung 
auf die (Weiter-)Entwicklung einer solchen Spezialsprache und differenziert sich 
damit zu einem eigenständigen Bereich des Systems der Massenmedien aus, der 
die Herstellung entsprechender Identifizierungen (Images) für die verschiedensten 
Nachfrager bereithält. 


81 Daneben bleiben natürlich soziale Gebrauchsweisen der Portraitphotographie bis in die 
Gegenwart bestehen, deren Funktion auf den sozialen Nahraum der Akteure beschränkt 
ist. 


64 | 


IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


2.2.1 Markt- und Publikumsorientierung 


Die Notwendigkeit einer solchen Spezialsprache besteht um so mehr, als die tech- 
nischen Bilder seit ihrer Einführung auf Märkten gehandelt werden.°? Denn das be- 
deutet, daß sich die Produktion notwendigerweise an den Interessen derer ausrichten 
muß, die die Bilder abnehmen und dadurch (wie indirekt auch immer) die Hersteller 
finanzieren. Daß die funktional differenzierte Gesellschaft des 19. Jahrhunderts den 
Markt kaum einschränkt, zeigen die historischen Quellen deutlich. Zwar gibt es 


82 Das photographische Gewerbe expandiert rasend schnell, wobei der Ankauf des 


83 


Daguerre’schen Verfahrens durch die Französische Akademie (den französischen Staat) 
1839 diese Entwicklung beschleunigt: Indem das Urheberrecht aufgehoben und die Be- 
schreibung des Verfahrens veröffentlicht wird, gewinnt trotz bestehender Hürden (kom- 
plizierter Technik, hoher Preise) prinzipiell jedermann Zugriff auf die Technik (vgl. Neu- 
mann 1989, 26-29). Für die Ausdehnung eines flächendeckenden Marktes jenseits der 
Großstädte spielen bis etwa 1890 die so genannten Wanderdaguerreotypisten eine Rolle, 
die in großer Zahl durch die Länder ziehen. Sie wecken das Interesse am Verfahren nicht 
nur (aber hauptsächlich) durch ihre Präsenz, sondern auch mit Handzetteln und Muster- 
bildern, d.h. mit Werbung (vgl. Hoerner 1989, 14 f.). In Deutschland gründen sich erste 
Studios 1842 und besetzen wie anderswo zunächst denjenigen Markt, den bis dahin die 
Portraitisten, Medaillonmaler und Silhouetteure innehatten (vgl. ebd., 9 f.). Trotz zwi- 
schenzeitlicher Krisen wächst auch hier das Gewerbe sehr schnell. Bereits 1845 ist die 
Marktrelevanz des neuen Verfahrens derartig, daß die Preußische Regierung einen Re- 
gulierungsbedarf sieht und die Photographie als Gewerbe (und nicht als Kunst) einstuft. 
Allein zwischen 1856 und 1859 werden z.B. in Berlin 70 neue Ateliers gegründet (vgl. 
ebd., 29). Jäger zufolge konstituiert sich in der Zeit von 1839-1865 in den meisten euro- 
päischen Ländern und in Nordamerika die Photographie als ein marktrelevantes Gewer- 
be (vgl. Jäger 1996, 4). Freund (vgl. 1979, 95 f.) führt für das Jahr 1864 25 photographi- 
sche Journale in sechs verschiedenen Ländern und Sprachen an und erwähnt neben dem 
technischen Angebot (diverse Apparate, Chemikalien, Papiere, Rahmen, Alben, Etuis, 
Stereoskope) auch spezialisierte Unternehmen, Publikationsorgane und Organisationen. 
Die Geschichtsschreibung der Photographie schenkt dem Aspekt des Marktes bzw. der 
kommerziellen Photographie allerdings — im scharfen Kontrast zu ihrer faktischen Be- 
deutung — bislang nur sehr wenig Beachtung (vgl. aber Hoerner 1989 und McCauley 
1994). Man kann vermuten, daß die Thematisierung der Photographie im Vergleich zur 
Kunst hierfür ein wesentlicher Grund ist bzw. daß die Interpretation der Photographie 
als Nicht-Kunst zu einer negativen Qualifizierung der Resultate führt, die andere For- 
schungsperspektiven blockiert. Selbst in Benjamins Untersuchung über »Das Kunstwerk 
im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« (1931) kann man eine eigentümli- 
che Engführung auf das Thema »Photographie und Kunst: beobachten, obwohl ja gerade 
Benjamin die Photographie als Wegbereiter der modernen Massenmedien betrachtet und 
den »Aura-Verlust« in Bezug auf die »Systemreferenz< Massenmedien (aus ähnlichen 
Gründen wie de Laborde (а.а.О.) fast hundert Jahre vor ihm) für eine begrüßenswerte 
Folge hält. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |65 


in Anlehnung an bestehendes Recht Grenzen der Herstellung und Verbreitung be- 
stimmter Photographien®* — sogar die Religion setzt dem Medium ganz am Anfang 
der Entwicklung rechtswirksame Schranken: So müssen die Werbeschaufenster der 
Berufsphotographen vor und nach den Gottesdienstzeiten verdeckt werden, damit die 
Kirchgänger von ihrer Konzentration auf das Wesentliche (des Glaubens) nicht abge- 
lenkt werden.®° Doch können die wenigen (Handels-)Einschränkungen nicht darüber 
hinwegtäuschen, daß der Bilder-Markt den Interessen der Publika weitgehend folgt 
und folgen kann. In Bezug auf die kommerzielle Photographie des 19. Jahrhunderts 
heißt das noch: Nicht der Photograph bestimmt, was und wie photographiert wird, 
sondern das zahlende Publikum.S° Da sich dieses fast ausschließlich für Portraits in- 
teressiert, dominiert dieses Genre die photographische Gesamtproduktion und ist der 
eigentliche Motor der Ausbreitung der Photographie dieser Epoche 2") 


84 Ein Beispiel ist die rechtliche Einschränkung der Verbreitung pornographischer Bilder. 
Doch auch und gerade für diese Bilder entsteht schnell ein Markt (vgl. Williams 2003). 
Eine andere Restriktionsdebatte entfaltet sich früh im Kontext der Frage nach dem Per- 
sönlichkeitsschutz von Individuen öffentlichen Interesses (vgl. Freund 1979). 

85 Vgl. Hoerner 1989, 77. Zum bis an den Beginn des 20. Jahrhunderts bestehenden sonn- 
täglichen »Blendzwang« kommerzieller Schaufenster im allgemeinen sowie den zeitge- 
nössischen Debatten hierzu vgl. Reinhardt 1993, 116 ff. 

86 In den Worten eines englischen Beobachters von 1866: »Eine Kunst, die so glücklich 
oder unglücklich ist, nur einen kleinen Kreis ausgesuchter Bewunderer zu finden, kann 
die Erhabenheit ihrer Ziele unangefochten bewahren. Aber eine Kunst, die Millionen von 
Auftraggebern hat, wird den Geschmack der Millionen adaptieren müssen. In der Spra- 
che des Theaters: sie wird für die Galerie spielen müssen. Die enorme Nachfrage nach 
Photographien hat eine große Menge verabscheuungswidriger Photographen hervorge- 
bracht.« (zit. n. Kemp 1980, 38) 

87 Einer Untersuchung von Jäger (1996) zufolge, die sich auf den Zeitraum von 1839- 
1860 beschränkt, handelt es sich bei 93% aller Photographien um Portraits. Aufgrund 
der hohen Nachfrage wechseln zahlreiche Portraitmaler in den Beruf des Photographen. 
Entsprechend gravierend sind die Folgen für die Auftrags(klein-)kunst der Zeit: »Das 
eigentliche Opfer der Photographie aber wurde nicht die Landschaftsmalerei, sondern die 
Portraitminiatur.« (Benjamin 1977, 53) 

Während sich schon die Daguerreotypie kurz nach ihrer Einführung einer gewissen Be- 
liebtheit erfreut, dringt die Photographie bereits mit der Carte des visites, einem acht- 
fachen Photoportrait, dessen Herstellungsverfahren Eugene Disderi 1854 zum Patent 
anmeldete, in einen Massenmarkt vor, der viele Mitglieder der Gesellschaft in die pho- 
tographische Praxis einbindet: »Seine Erfindung, kleine Visitenkartenportraits in voller 
Figur und in Serie sehr billig herzustellen, machte total Mode; bald herrschte nämlich 
geradezu der gesellschaftliche Zwang, solche kleinen Selbstportraits in kleiner Zahl bei 
sich zu tragen, sie auszutauschen und sie rasch wieder nachmachen zu lassen. [...] Als gar 
Napoleon III. sich 1859 so photographieren ließ, war die Mode nicht mehr aufzuhalten.« 
(Koschatzky 1989, 111; diese Diagnose teilt auch schon der zeitgenössische Beobachter 
Nadar, vgl. 1980, 140). 1860 ist die gesellschaftliche Durchdringung mit Photographien 


66 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Die Marktorientierung der massenhaften Bildproduktion wird lange kritisiert, und 
zwar deshalb, weil die Kunst als die bis dahin dominierende Bildgattung als Ver- 
gleichsrahmen genutzt wird, so als sei — und eben das ist ein Mißverständnis — die mit 
der Ausbreitung der Photographie einhergehende visuelle Kultur als Fortsetzung oder 
funktionales Äquivalent der Kunst zu уегѕќеһеп.8 Man kann nun die (auch) marktbe- 
dingte Egalisierung der Zugriffsmöglichkeiten auf die Bildmedien bzw. eine an den 
verschiedenen Publika orientierte Bildproduktion der Massenmedien als Bestandteil 
einer Demokratisierung der Gesellschaft betrachten®? oder unter Begriffen wie »Ein- 
schaltquotenmentalität« (Bourdieu 1998) kritisch kommentieren. Erkennbar ist jeden- 
falls, daß es mit den technischen Bildern und deren marktförmiger Produktion im 
Laufe der Jahrzehnte schnell zu einer Ausdifferenzierung des Bildangebots im Blick 
auf verschiedene Publikumskulturen kommt und kommen muß. Dabei geht es nun 
keineswegs nur darum, daß der Bildermarkt (später vor allem der der Massenmedien) 
bestehende Publikumskulturen kopiert, die er in seiner Umwelt vorfindet. Es geht 
vielmehr um das Entstehen einer neuen symbolischen Ordnung, die einer neuartigen 
Dynamik von Angebot (Massenmedien) und Nachfrage (Rezeption, Konsumtion) un- 
terliegt, die als solche erst durch die Entwicklung der modernen Verbreitungs- und 
Massenmedien entsteht. 


und der auch in Deutschland eingeführten »Cartes de visites« dann so weit fortgeschrit- 
ten, daß man von einer »Kartomanie« spricht. Die Berliner Photographen E. Linde & 
Co gründen 1862 eine Datenbank, die die landesweit erhältlichen Prominenten-Photos 
sowie deren Preise katalogisiert, wobei das »Central-Depot« als eine Dienstleistung ge- 
handelt wird. 

88 Einer der wenigen, die sehr früh einen prinzipiellen Unterschied von Kunst und massen- 
hafter Bildproduktion sehen, ist de Laborde. Er stellt bereits 1859 in Bezug auf verschie- 
dene Genres der Malerei (Portrait, Ansicht, Landschaft) und einen dazugehörigen billi- 
gen Massenmarkt die Frage: »War das Kunst? Ich bin geneigt, es zu bejahen, wenn ich 
diese Produkte mit den Durchschnittserzeugnissen der Vergangenheit oder des Auslandes 
vergleiche. Aber ich sage lieber: Nein, das ist keine Kunst, das sind die Massenerzeugnis- 
se einer Industrie, die der wunderbaren Erfindung der Daguerreotypie präludierte.« (De 
Laborde, zit. n. Kemp 1980, 98) 

89 De Laborde nimmt 1859 in seinem Buch »Die Revolution der Reproduktionsmittel« die- 
se Perspektive auf die Photographie vorweg, die Benjamin im 20. Jahrhundert prominent 
gemacht hat. De Laborde spricht von den »Reproduktionsmitteln« als den »Hilfstruppen 
der Demokratie« und reiht die Photographie nach dem Buchdruck und der Dampfma- 
schine in eine Reihe von Erfindungen mit Allgemeinwohlcharakter ein. Die Photogra- 
phie sei deshalb zu begrüßen, weil sie »Kopien einzigartiger Kunstwerke und handge- 
strickter Stoffe, die früher nur der Reiche besaß [...] bis in die Hütten des Bauern trage« 
(de Laborde, zit. n. Kemp 1980, 97). Neumann erwähnt ähnliche Hoffnungen der Zeitge- 
nossen wenn er feststellt, man habe das »imaginäre Museum« angekündigt und die An- 
sicht vertreten, daß die »Kartographie der Aufklärung« neu besetzt werde (vgl. Neumann 
1989, 40 f.). 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |67 


Ein frühes Beispiel hierfür gibt wiederum die Portraitphotographie. Denn schon 
mit ihr zeichnen sich Folgen ab, die an die Einführung des Buchdrucks erinnern: 
Bislang dominierende symbolische Ordnungen können nicht mehr ohne weiteres ge- 
sellschaftsübergreifend als »die« Ordnung behauptet werden, weil für den Markt zu- 
nehmend all das hergestellt und sichtbar gemacht wird, was nachgefragt wird. Im 
Bereich der Portraitphotographie kommt es mit der neuen Nachfrageorientierung der 
Bildproduktion dabei zunächst zu einer Nivellierung derjenigen symbolischen Unter- 
schiede, die im Rahmen der (ständischen) Gesellschaft des 19. Jahrhunderts noch als 
relativ verbindlicher Ausdruck hierarchisch gegliederter Schichten/Stände fungieren. 
Die Logik des Marktes (Publikumsorientierung) unterminiert die bestehende (status-) 
symbolische Ordnung in einem ersten Schritt nicht durch die Differenzierung neuer 
Entwürfe, sondern dadurch, daß sie den Mitgliedern verschiedenster Schichten dieje- 
nigen Selbstdarstellungsformen zugänglich macht, die in dieser Zeit noch ständeüber- 
greifend als erstrebenswert gelten. Dieser Sachverhalt zeigt sich auf verschiedenen 
Ebenen der Bildherstellung: 

Obwohl die Photographie in den ersten Jahren preisbedingt durchaus exklusiv 
1581,29 besteht kein Zweifel daran, daß auch das Kleinbürgertum und selbst die Arbeiter 
schon in den 1850er Jahren das neue Medium zu erobern beginnen, welches zuvor im 
wesentlichen den aristokratischen Ständen vorbehalten war.?! Entsprechend werben 
Photographen schon zu dieser Zeit mit Preisen, die so niedrig sind, daß »Jedermann 
sein Bild erwerben kann«, wie es in einer nicht untypischen Anzeige eines Berner 
Photographen von 1856 heißt.?? Die bestehende statussymbolische Ordnung wird also 
bereits dadurch irritiert, daß die Möglichkeit der Bildanfertigung in die verschiede- 
nen Schichten diffundiert. Jetzt können nicht nur Mitglieder der Oberschicht Lebens- 


90 Starl (1989) zufolge kostete in Berlin 1843 eine kleinformatige Daguerreotypie ungefähr 
45 Silbergroschen und damit in etwa den vierfachen Tagelohn eines Schusters. Auch mit 
dem Aufkommen des Visitkartenformats um 1860 konnten sich Starl zufolge nur etwa 
10% der Bevölkerung den Erwerb eines Abzugs leisten (vgl. 1989, 86). Vgl. zu der Rela- 
tion von Photo-Preisen und Einkommensverhältnissen in England und Deutschland auch 
Jäger 1996, 64-70 und 75-80. 

91 Vgl. Freund 1979, 65 und Jäger 1996, 133. 

92 Ур]. Stenger 1943, 75. Der niedrige Preis bleibt freilich noch längere Zeit ein substanti- 
elles Argument der Werbung. Um 1920 ist dann nicht nur der Besitz von Photos, sondern 
auch der von Photoapparaten bereits derart verbreitet, daß die Werbung verschiedene 
Kameras für verschiedene Gelegenheiten auf offenkundig gesättigten Märkten offeriert: 
»Jedem ein Ford-Auto ist die Devise Amerikas. Ein kompl. Photoapparat für Mark 5.- ist 
die notwendigste Ausrüstung für jeden Sportsmann und Wanderer.« (Deutsche Funk- 
telephon-Vermietungsgesellschaft, Berliner Illustrierte Zeitung 1920, 49) In einer ande- 
ren Werbung heißt es: »Mein bester Freund eine Zeiss-Ikon-Kamera! Glücklicher Be- 
sitzer einer solchen Kamera kann ein Jeder sein. Vom billigen Schüler-Apparat für 6.60 
M. bis zur vollendeten Spiegel-Reflex-Camera [...]. Unser neuer Katalog erleichtert die 
Wahl!« (Zeiss-Ikon, Berliner Illustrierte Zeitung 1927, 27) 


68 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


ereignisse mit den dazugehörigen symbolischen Arrangements ins Bild rücken. Das 
alte Privileg, biographisch bedeutsame Zeremonien wie die Hochzeit bildförmig zu 
dokumentieren, d.h. in ein die eigene Lebenszeit überdauerndes Speichermedium ein- 
zuschreiben, verschwindet und macht einer photographischen Selbstbestätigung und 
einer Erinnerungskultur Platz, die bald zu jedermanns symbolischer Praxis gehört. 
Selbst das Genre des Leichenportraits, das bislang höfischen Zeremonien vorbehalten 
war, wird jetzt entexklusiviert und gehört zur Angebotspalette, die der Markt für eine 
breite Kundschaft bereithält.” 

Zum anderen gibt es auf der Ebene der Inszenierung zahlreiche Hinweise auf die 
Nivellierung distinktiv wirksamer symbolischer Unterschiede. Nicht nur, daß Mit- 
glieder unterer Schichten im »Sonntagsstaat« beim Photographen erscheinen und sich 
dadurch an das Bild anpassen, das besser situierte Bürger abgeben. Man reagiert sogar 
professionell auf einen entsprechenden (Täuschungs-)Bedarf, der mit der gesteiger- 
ten Relevanz der Erscheinungsform einhergeht, und stellt der ärmeren und schlecht 
gekleideten Kundschaft in manchen Ateliers Teile einer distinguierenden Gardero- 
be (Schals, Radmäntel, Pelzüberwürfe, Handschuhe, Stöcke und Schuhe) zur Verfü- 
gung.?* Die Aneignung großbürgerlich-aristokratischer Zeichen und Symbole durch 
das Mittel- und Kleinbürgertum ist dabei nur eine Seite der Dekonstruktion der tra- 
ditionellen Statusordnung. Deren andere Seite besteht darin, daß sich auch die Ober- 
schicht auf das neue Darstellungsmedium einläßt und dadurch in derselben Ästhetik 
und im (Bilder-)Rahmen desselben genormten Formats (z.B. der Cartes de visites) in 
Erscheinung tritt. Im Photoatelier findet der Aristokrat dieselben Requisiten, Bühnen 
und Kulissen vor wie der einfache Landmann und auch die Kleidung bietet, wie er- 
wähnt, nicht mehr sehr viel Spielraum für die Symbolisierung von Statusdifferenzen. 
Es kommt daher in den Inszenierungen zu einer Angleichung der Mode bzw. zu einer 
verstärkten Differenzierung der Kleidung über die graduelle Annäherung an die allge- 
meine Norm der Sauberkeit und des guten Erhaltungszustands.?? Selbst verstorbene 
Fürsten und Könige werden jetzt nicht mehr gemalt, sondern photographiert, und das 


93 Eine entsprechende Nachfrage geben Zeitungsinserate der Zeit zu erkennen: »Photogra- 
phische Leichenportraits werden täglich in größter Ähnlichkeit gefertigt bei J. Bscherer, 
Photograph, Blumenstr. 18/0 rechts.« (zit. n. Hoerner 1989, 151) 

94 Architektonische Modelle, gemalte Hintergründe oder (imitierte) Materialien wie Mar- 
mor zitieren die griechische Antike oder die italienische Renaissance und sollen, wie 
andere (Status-)Symbole (z.B. Pianos, noble Möbel) auf exklusive Hochkultur verweisen 
und sind als solche Selbstdarstellungsbühnen keineswegs für Oberschichtkunden reser- 
viert. Auch Mietpferde oder Pferde-Imitate fanden sich im Studio, um nicht nur Soldaten, 
sondern auch anderen Kunden ein Portrait »hoch zu Ross« anbieten zu können (vgl. 
Hoerner 1989, 42, 44 u. 63). 

95 Zu den Details solcher Standards vgl. Jäger 1996, 156 ff. Bemerkenswert sind der weit- 
gehende Verzicht auf Berufskleidung und die damit verbundene Möglichkeit der Sta- 
tussymbolisierung — selbst ranghohe Soldaten lassen sich vorwiegend in Zivilkleidung 
portraitieren. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |69 


bedeutet, daß die Möglichkeiten distinktiver Überhöhung und Distanzierung, die die 
Malerei geboten hatte, drastisch eingeschränkt werden. Der Unterschied in Sachen 
Distinktion kann jetzt im wesentlichen nur noch in der massenmedialen Verbreitung 
und Verarbeitung dieser Bilder bestehen. Während im Falle jedermanns Photos nur im 
sozialen Nahraum zirkulieren, werden die Portraits ranghoher Persönlichkeiten auch 
in Zeitungen publiziert.?° Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen kann man vermuten, 
daß Proust in seinem Roman »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« die Diagnose 
der Nivellierung sichtbarer Statusdifferenzen am Beginn des 20. Jahrhunderts keines- 
wegs zufällig im Blick auf eine Daguerreotypie formuliert: 


Besser noch rief mir jetzt die vollkommen äußere Gleichheit zwischen einem Kleinbürger aus 
Combray derselben Altersklasse und dem Herzog von Bouillon in die Erinnerung zurück, daß 
die gesellschaftlichen oder auch individuellen Unterschiede in der Uniformierung der Epoche 
verschwinden (das gleiche, was mir schon sehr aufgefallen war, als ich Saint Loups Groß- 
vater mütterlicherseits, den Herzog von La Rochefoucauld, auf einem Daguerreotyp gesehen 
hatte, auf dem er in Kleidung, Miene und Haltung ganz meinem Großonkel glich. (Proust, zit. 
n. Neumann 1989, 46) 


2.2.2 (Selbst-)Dynamisierung: Der Zwang zum Neuen 


Eine weitere Entwicklung, die die Photographie als ein Verbreitungsmedium einlei- 
tet, ist die (Selbst-)Dynamisierung der Bildproduktion. Zu dieser kommt es nicht nur 
deshalb, weil sich mit der Etablierung eines öffentlichen Bildraumes ein rezeptiver 
Beobachtungsmodus ausbildet, der Neues (Information) von bereits Bekanntem (Re- 
dundanz) unterscheidet, so daß eine Erwartungshaltung entsteht, für die Neuheit zum 
maßgeblichen Selektionsfaktor der Medienangebote wird. Auch ist der Zwang zur 
Daueraktualisierung zunächst nicht (nur) einer natürlichen Interessenlage der Rezi- 
pienten im Sinne einer anthropologischen Konstante geschuldet.’ Zu einer (Selbst-) 
Beschleunigung der visuellen Kultur kommt es vielmehr schon deshalb, weil die tech- 


96 Doch auch dieses ›РгіуПер;‹ ist nur von kurzer Dauer — schon in den 30er Jahren des 
20. Jahrhunderts beginnen die Massenmedien, Photos von kleinen Männern und kleinen 
Frauen zu drucken (vgl. Freund 1979). 

97 Gleichwohl können bestimmte Motivationslagen als gewöhnlicherweise gegeben an- 
genommen werden, so z.B. ein Interesse des Menschen an seinesgleichen (vgl. z.B. 
Westerbarkey 2002a). Entsprechend orientiert sich die Reportage-Photographie von An- 
beginn an sogenannten »human interest stories«. Die Initialzündung für einen der ersten 
bedeutenden Bildjournalisten (Dr. Erich Salomon) bestand darin, den photogenen »news 
value« des Ereignisses zweier umgestürzter Bäume mit Todesfolge für eine Frau zu er- 
kennen und zum Gegenstand einer photographischen Berichterstattung zu machen (vgl. 
Freund 1979, 125). 


70 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


nischen Bildmedien als Verbreitungsmedien soziale Redundanz anonymisieren. Denn 
das hat zur Folge, daß die Medienproduzenten nicht mehr sicher wissen können, was 
ihre Adressaten rezipiert haben und daß sie auf dieses Unwissen reagieren müssen. 
Luhmann, der den Aspekt der Anonymisierung sozialer Redundanz für alle Verbrei- 
tungsmedien und insbesondere den Buchdruck betont, stellt im Blick auf das System 
der Massenmedien fest: 


Man muß im Zweifel mit Bekanntsein einer verbreiteten Information rechnen und kann sie 
nicht nochmals kommunizieren. Jetzt entsteht ein Bedarf an laufend neuen Informationen, 
den das System der Massenmedien befriedigt, das seine eigene Autopoiesis diesem selbst- 
erzeugten Verlust von Informationen verdankt. (Luhmann 1997, 203) 


Die Suche nach dem Neuen kommt dabei so lange schnell ans Ziel, als relativ we- 
nige Motive in das neue Darstellungsmedium eingeschrieben sind und der Photo- 
Realismus noch als Eigenwert zu faszinieren vermag. In diesem Stadium kann sich 
die Produktion noch auf das mehr oder weniger beliebige Abbilden des lebensweltlich 
Vorgefundenen beschränken, wie ein Kommentar des »Photographischen Almanach 
für das Jahr 1861« deutlich macht: 


Seit es Mode geworden ist, geisterhafte Photographien zu verschenken, anstatt der glatten, ehr- 
lichen Visitenkarten — seit es Mode geworden ist, Sammlung von diesen gesagten Photographi- 
en zu machen — vor allem seit Erfindung des Albums, hat man keine Ruhe mehr. Wo man sich 
blicken läßt, werden Gesuche um unser Portrait gleich ebenso vielen Kanonen auf uns gerichtet. 
Alles ist willkommene Beute; nichtssagende Gesichter, ehrbares Alter, obscure Stellung — das 
gefräßige Monstrum, genannt Album, nimmt mit Allem vorlieb. (zit. n. Hoerner 1989, 26 f.) 


Zu erkennen gibt diese Feststellung weiterhin, daß die Dynamisierungsfolgen bereits 
kritisch beobachtet werden, als die Photographie im wesentlichen noch nicht über die 
Verbreitungsmedien des Drucks (Zeitung und Zeitschrift), sondern über ihre eigene 
Reproduzierbarkeit soziale Redundanz generiert. Johannes Schilling moniert dann 
aber 1906 die Entwicklung der vorausliegenden Jahrzehnte prägnant: 


98 Für das System der Massenmedien spitzt Luhmann diese Überlegung zu, indem er davon 
ausgeht, daß sich das System mit der Verbreitung jeder Information selbst veralte und 
Information »vernichte« (vgl. 1996, 41 ff.). Natürlich läßt das System der Massenmedien 
auch Redundanzen zu bzw. führt sie absichtlich vor. Insbesondere im Bereich des später 
entstehenden Fernsehens werden nicht nur einzelne Sendungen, sondern ganze Serien 
wiederholt, und zwar schon deshalb, weil die Produktionskosten der Neugestaltung des 
Programms Grenzen setzen. Gerade diese Ausnahmen müssen aber in Anbindung an eine 
Ent-Anonymisierung des Publikums gemacht werden. Es muß dann in Erfahrung ge- 
bracht werden, ob dasselbe Publikum eine Wiederholung wünscht oder ob es ein neues, 
interessiertes Publikum gibt, das die Wiederholung ermöglicht. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |71 


Diese Überflutung mit photographischen Nachbildungen hat aber auch noch andere Folgen. 
Einerseits führt sie zur Übersättigung an Kunstgenüssen, andererseits zu einer Überstürzung 
im Suchen nach neuen. In unserer heutigen Zeit, in der jeder Tag auf praktischem Gebiete 
neues bringt, will der verwöhnte Zeitgenosse auch in den Künsten Neues oder wenigstens 
Anderes als das Gewohnte sehen und der Übersättigung an dem Vorhandenen steht das große 
Kaleidoskop gegenüber, das die Bekanntschaft mit den Kunsterzeugnissen aller Länder und 
Zeiten in zahllosen photographischen Nachbildungen vor seinem geistigen Auge aufrollt. 
So stehen die Künste wie nie vorher vor einer labyrinthischen Fülle der verschiedenartig- 
sten Ausdrucksformen, und in der mannigfaltigsten Weise suchen die Künstler sich von dem 
Zwange überlieferter Anschauungen zu befreien. (Schilling 1906, zit. n. Kemp 1980, 267) 


Obwohl die Beschreibung der breiten Masse der photographischen Produktion als 
»Kunstgenuß« zu eng gefaßt ist, ist damit doch die Problemstellung klar umrissen: Je 
mehr die photographischen Bilder einen Raum der Bilder vernetzen und verdichten, 
desto mehr treten Wiederholungen auf, die Information vernichten, und desto mehr wird 
»Neuheit« zu einem zentralen Positivwert, der Rezeption und Produktion gleichermaßen 
orientiert.” Im Anschluß an Luhmann kann man auch von der Herstellung einer Irrita- 
bilität der Gesellschaft durch die Massenmedien sprechen, die über deren Redundanzen 
(Gedächtnis) hergestellt wird.!00 Der Variationszwang zeigt sich nun in den verschie- 
denen Bereichen einer visuellen Kultur, die im wesentlichen (aber nicht nur) und zuneh- 
mend durch die Logik eines Systems der Massenmedien bestimmt wird, in dem profes- 
sionelle Produzenten im Rahmen unterschiedlicher Themenorientierungen für anonyme 
Publika verschiedenste (Bild-)Formate anbieten. Schon die kommerzielle Photographie 
am Ende des 19. Jahrhunderts ist ein Indikator dieser Entwicklung. So stößt z.B. die 
hochgradig kanonisierte, variationslose Portraitphotographie zunehmend auf Kritik, 10! 


99 Das Zitat von Schilling ist um so bemerkenswerter, als es sich noch nicht auf den Raum 
der Bilder bezieht, der mit dem Verbreitungsmedium Druck entsteht, denn dieser wird 
erst ab den 1920er Jahren relevant. Schillings »labyrinthische Fülle« geht noch aus den 
Reproduktionstechniken der Photographie und den dazugehörigen Vertriebssystemen 
der Wirtschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hervor. 

100 »Der vielleicht wichtigste, durchgehende Grundzug ist, daß die Massenmedien im Pro- 
zeß der Erarbeitung von Informationen zugleich einen Horizont selbsterzeugter Un- 
gewißheit aufspannen, der durch weitere und immer weitere Informationen bedient 
werden muß.« (Luhmann 1996, 149; vgl. auch 46 f.) 

101 Die Redundanzen der Studiophotographie stehen jedenfalls im krassen Widerspruch 
zu den Möglichkeiten des Mediums, die um 1900 von einer breiten Amateurbewegung 
und kurze Zeit später in den verschiedenen Bereichen der Massenmedien getestet wer- 
den. Aber schon 1866 schreibt die Engländerin Amy Dillwyn in ihr Tagebuch: »›1 am 
sick of the popular varieties in photos of smirk, lounge, stiffness, studiousness, frown, 
simper, idiocy etc. on the various Ѓасеѕ...‹ und faßt damit, abwertend, die gängigen 
Inszenierungen in der damaligen Photographie zusammen, die sich ohne Ausnahme 
bereits im Zeitraum ab 1841 finden lassen.« (Jäger 1996, 155) 


72 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


während sich zugleich Sonderformate bilden, die man als Innovationen des Marktes 
gegen das Gewohnte interpretieren kann II Andere photographische Gattungen wer- 
den eigens dazu geschaffen, neue und spektakuläre Bilder zu ermöglichen und entspre- 
chenden Erwartungen entgegenzukommen. Für die Frühgeschichte der Photographie 
ist vor allem der Pariser Photograph Nadar als Protagonist einer beginnenden Event- 
Photographie zu nennen. Die von ihm ab 1856 organisierten Ballonfahrten ermöglichen 
mit Hilfe der Photographie bislang nicht gesehene Bilder aus photogenen Perspekti- 
уеп.!9 Auch eine neu einsetzende Expeditionsbewegung kann man als Beleg der durch 
die Photographie selbst hervorgebrachten Suche nach neuen Bildern und einer sensati- 
onsorientierten Unterhaltungskultur heranziehen. Reisen in ferne Länder oder schwer 
zugängliche Regionen in Europa werden jetzt eigens organisiert und durchgeführt, um 
Bilder von der Welt herzustellen und zu publizieren — so z.B. die Bergbesteigung des 
Montblanc im Jahre 1861 durch die renommierten Pariser Photographen Louis und 
Auguste Bisson, die die »photographische Eroberung« des Berges (Koschatzky 1989, 
117) explizit zum Ziel hatte und durch die photographische Darstellung der Expedition 
zum medienwirksamen Ereignis wurde !04 


2.2.3 Die Realität technischer Bilder 
als Bezugsrahmen der Lebenswirklichkeit 


Noch bevor die Photographie über Verbreitungsmedien wie das Album oder die Zei- 
tung eine Öffentliche Bildwelt etabliert, wirkt sich die Technik auf die Wahrnehmung 
der Lebenswirklichkeit aus. Bereits für die sogenannten Wanderphotographen, die mit 
ihren mobilen Ateliers durch die Lande ziehen (und dadurch als Verbreitungsmedium 


102 Zu dieser Palette gehört z.B. ein Genre, das sich »Bilder nach dem Leben« nennt (vgl. 
Hoerner 1989, 186). Auch wenn ein Photograph aus Miesbach im Jahre 1900 seine 
Touristen-Kundschaft auf Werbe-Postkarten zur spielerischen Imitation eines traditio- 
nellen Erscheinungsbildes der Region einlädt, geht er über das Übliche hinaus: »Kos- 
tüme in oberbayer. Gebirgstracht für Damen und Herren und Kinder liegen im Atelier 
zur gef. Benutzung bereit.« (Maas 1977, zit. n. Ноегпег 1989, 137) 

103 Auch seine Bilder der Pariser Katakomben (1861) erschließen photographisches Neu- 
land (vgl. Nadar 1980, 37 f. und Sarl 1989, 82 Ё). 

104 Die kanonisierte Marktförmigkeit dieses Genres erkennt man u.a. daran, daß sich für 
die dazugehörige Rezeptionspraxis in England der Begriff des »armchair travelling« 
etabliert, das um diese Zeit auch in Deutschland Fuß faßt (vgl. Hoerner 1989, 27). Ei- 
nen verstärkten Bedarf an Reisebildern und eine darauf eingerichtete Produktion gibt es 
freilich schon vorher. Bereits in Goethes »Wahlverwandtschaften« betrachten Charlotte 
und Eduard Camera-Obscura-Zeichnungen, die ihr englischer Gast mit sich führt, und 
erfreuen sich daran, »hier in ihrer Einsamkeit die Welt so bequem zu durchreisen, Ufer 
und Häfen, Berge, Seen und Flüsse, Städte, Kastelle und manches andere Lokal, das in 
der Geschichte einen Namen hat, vor sich vorbei ziehen zu sehen.« (Goethe 1995, 80) 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |73 


der besonderen Art fungieren), wird die sichtbare Welt zu einem Fundus möglicher 
Motive, die auf ihre Photogenität hin betrachtet und differenziert werden. Gebäu- 
de, Vergnügungsparks oder Landschaften werden zu Objekten mit einem bestimmten 
Bildwert. Wenngleich die Suche nach dem Pittoresken (d.h. Malerischen) zuvor schon 
durch die Kunst befördert wurde, leistet die Orientierung an photographischen Bildern 
doch in neuer und verstärkter Weise der Wahrnehmung der Welt als Bild Vorschub und 
führt zu einer neuen Kartographie von Sehenswürdigkeiten, die in den publizierten 
Photos Gestalt annimmt.!% Wenig später treten analoge Folgen in der Amateurpho- 
tographie in Erscheinung — vor allem in der Reise- und Urlaubsphotographie. Die 
Rahmung lebenswirklicher Ereignisse durch den photographischen Bilder-Rahmen 
wird hier schnell zum integralen Bestandteil, ja zunehmend zu einem wichtigen Ziel 
der jeweiligen Unternehmungen. Und auch hier spielt das Trainieren einer selektiven 
Sichtweise auf die Gegebenheiten im Dienste des Herstellens von Photographien eine 
Rolle — z.B. zum Zweck der Beeindruckung anderer. In einer für die Zeit durchaus 
typischen Werbung von 1927 in der Berliner Illustrierten Zeitung heißt es: 


Ferien ohne »Kodak<« sind schnell vergessen! Der Du keinen »Kodak« mitgenommen hast, was 
hast Du von Deiner vorjährigen Sommerreise zu zeigen? Nichts! Auch gar nichts! Du kannst 
höchstens eine ungenaue Beschreibung versuchen, aber Dein unzuverlässiges Gedächtnis 
wird Dich schon morgen im Stich lassen. Der beste Schilderer Deiner Ferien ist ein »Kodak«. 
Wer stets seinen »Kodak« mitnimmt, braucht keine wenig überzeugenden Berichte, sondern 
klappt einfach sein Kodak-Album auf und zeigt lächelnd jedermann seine Aufnahmen: Hier 
war ich! Hier ist unser Ausflug nach der Ruine!«, Hier ist unser Kleines im Sand!, Hier eine 
lustige Огирре!‹ Das sind meine Ferien im Bilde!« (BIZ 1927, 27) 


Die propagierte Praxis ist dann in den 1950er Jahren bereits derart fortgeschritten, 
daß sozialwissenschaftlich orientierte Beobachter wie z.B. Günther Anders nicht 
nur davon ausgehen, daß Reisen eigens geplant und in der jeweiligen Gegenwart 
erlebt werden als das, was sie einmal sein werden — photographisch gespeicherte 
Vergangenheit —, sondern daß die Transformation von realen Objekten (Gebäuden, 
Landschaften usw.) in »Pictures« ein notwendiger Aneignungsmodus jeweils ak- 


105 Ein bemerkenswertes Beispiel dafür, daß die Bildwerdung der Welt sehr schnell voran- 
schreitet und Photographen entsprechend vielfältige Anwendungsbereiche auch jenseits 
kollektiv abgesicherter Vorstellungen des Bildwürdigen (z.B. in Form von Sehenswür- 
digkeiten) erkennen, liefert eine Reklame des Wanderdaguerreotypisten »Mechanikus 
und Optikus Moses J. Landauer« aus Kassel am 27. November 1839. In der »Kassel- 
schen Allgemeinen Zeitung« machte er nicht nur bekannt, daß er Daguerre’sche Appa- 
rate anzufertigen in der Lage sei, sondern er empfahl sich auch zur »Ausführung belie- 
biger Ansichten« (Hoerner 1989, 64). Die Geschäftsidee dieses Photographen löst sich 
also völlig von jeder Art der Genrephotographie und besteht im Grunde darin, sich zum 
bezahlten Gehilfen des photographischen Blicks des Kunden auf die Welt zu machen. 


74 | IMAGE. Zur GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


tueller Realität ist für ein Bewußtsein, das von massenmedial vermittelten Erfah- 
rungen geprägt ist.!00 

Ein weiterer Indikator der wechselseitigen Durchdringung von lebenswirklicher 
und photographisch (re-)konstruierter Realität ist die mehr oder weniger gepflegte 
Semantik der Zeit. So konstatieren diverse Zeitungs- und Zeitschriftentexte die mas- 
senhafte Ausbreitung des neuen Mediums und verknüpfen die Prognose der baldigen 
Omnipräsenz photographischer Bilder mit unterschiedlichen Technikfolgenabschät- 
zungen. Dabei wird z.B. auch festgestellt, daß massenmediale Bilder zu Bezugspunk- 
ten der Klatschkommunikation und überhaupt des öffentlichen oder privaten Ge- 
sprächs werden.!0” Ähnliche Hinweise geben Karikaturen, die ab den 1860er Jahren 
eine Art photographisches Panoptikum skizzieren: Alle und Alles wird photographiert 
und Alle sehen Photographien, die Alle und Alles abbilden (vgl. Abb. 1). Damit wird 
illustrativ, und d.h. hier zugleich reflexiv, erfaßt, was wenig später durch die Verbrei- 
tungsmedien und deren Nutzung im System der Massenmedien zum Normalfall der 


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1: Théodore Maurisset: La Daguerreotypomanie; Lithographie, Paris 1840 


106 Vgl. Anders 1994, 181 ff.; vgl. auch Boorstin 1964 und McLuhan 1965. 

107 Vgl. z.B. Hoerner 1989, 75. Das Album spielt als ein bestimmtes Medienformat wie- 
derum eine hervorgehobene Rolle. Jules Lecomte schreibt als Chronist in der Zeitung 
»Monde Illustre« 1860, daß ein unsystematisches, nicht mit Namen versehenes Album 
zu bevorzugen sei, weil es in den Salons die Konversation anrege und weil ein »lebhaf- 
tes Durcheinander« heilsame Zerstreuung böte (vgl. Braive 1965, 67 ff.). 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |75 


Lebenswirklichkeit wird — nämlich die permanente gegenseitige Durchdringung von 
yrealer Realität« und Realität der Massenmedien«.!%® 

Indem die über Verbreitungsmedien kommunizierten Bildobjekte zu gewöhnlichen 
Bezugspunkten im Alltag werden, entsteht eine Parallelwelt der Bilder, die die Defini- 
tionshoheit lebensweltlicher Wirklichkeiten jenseits der Medien einschränkt, da sie eng 
mit diesen verwoben ist und sich nur bedingt und punktuell reflexiv distanzieren läßt. Die 
Rezeption kann Manipulationen zwar immer unterstellen, sie kann die Eingeschränktheit 
und Selektivität der photographischen Schematisierungen unter bestimmten Umständen 
erkennen und die entsprechenden Resultate ablehnen, doch stellen alle diese Optionen 
keine Kriterien für eine zutreffendere Charakterisierung der jeweiligen Bild-Bericht- 
erstattungen und Bild-Identitäten bereit. Man wird wohl sagen können, daß gerade mit 
der Photographie als dem ersten technischen Bilddarstellungs- und Verbreitungsmedium 
eine Entwicklung beginnt, die Luhmann im Blick auf das System der Massenmedien fol- 
gendermaßen beschreibt: »Die Realitätskonstruktionen der Massenmedien erzeugen eine 
dermaßen komplexe Welt, daß die eigene Erfahrung als Kontrollinstanz zurücktritt und 
man sich daran gewöhnt, Realität als Information zu beziehen, das heißt als wie immer 
minimale, aber kontextplausible Überraschung.« (Luhmann 1997, 122 f.) 


2.3 Zusammenfassung: Die Kommunikation von 
Erscheinungsbildern und das System der Massenmedien 


Die bisherigen Überlegungen gehen nun keineswegs davon aus, daß Bilder erst mit 
den technischen Bildmedien zu wichtigen Bedeutungsträgern in der Gesellschaft wer- 
den. Es besteht kein Zweifel daran, daß Bilder und Bildlichkeit schon in der frühen 
Kulturgeschichte eine wichtige Rolle ѕріеІеп.!0 Das Gegenstands- und Themenre- 
pertoire der auf Bilder und Bildlichkeit bezogenen Untersuchungen unterschiedlicher 
Fachwissenschaften ist entsprechend vielfältig.!!0 Vom attischen Grabrelief!!! über 


108 Die Installation des dauernd sendenden und beobachtenden Fernsehens, d.h. die per- 
manente Verbreitung von Kommunikationen in real time, markiert den Endpunkt die- 
ser Entwicklung, wenn man von den Möglichkeiten der digitalen, interaktiven Medien 
(z.B. Internet) absicht. 

109 Vgl. zu dem Zusammenhang von Bild und Kult und einem hiervon ausgehenden Be- 
deutungswandels des Bildes Belting 1990. 

110 Insbesondere die Kunstgeschichte bzw. Kunstwissenschaft hat in zahlreichen Studien 
die Beziehung von Bildern, Kultur und Gesellschaft thematisiert. Daß dieser Sachver- 
halt in den aktuellen kulturwissenschaftlichen Debatten zur visual culture nicht selten 
übersehen wird, betont zu Recht mit zahlreichen Belegen auf die kunstwissenschaft- 
liche Tradition Roeck 2003. Nicht zu vergessen ist auch die volkskundliche Bildwis- 
senschaft, die sich schon früh entschieden sichtbaren Phänomenen der Alltagskultur 
zuwendet. Zu einer Auswahlbibliographie in diesem Bereich vgl. Gerndt 2004. 

111 Ур]. Diepolder 1965. 


76 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


die antiken Sokrates-Büsten,!!? von der christlichen Symbolik des Mittelalters über 
die Flugblätter des 16. Jahrhunderts!"3 bis hin zu den »Bildbagatellen«!!* späterer 
Alltagskultur reicht das Spektrum der Untersuchungsgegenstände. Aufgrund seiner 
gesellschaftlichen Relevanz bedarf der traditionsreiche Komplex politischer bzw. 
politisch wirksamer Darstellungen besonderer Erwähnung. Neben den Bildwelten 
monarchistisch-feudaler Herrschaft sind in der politischen Ikonographie auch demo- 
kratische Institutionen und Organisationen verschiedener Epochen im Spiegel bild- 
licher Darstellungen Тһета.!!5 Nicht zu vergessen sind weiterhin kulturgeschicht- 
liche und zivilisationstheoretische Arbeiten, die die Genealogie bestimmter Bildmo- 
tive bzw. sinnhaft strukturierter Sichtbarkeiten (also auch: Theater, Plastik, Architek- 
tur) als Indikatoren eines soziokulturellen Wandels interpretieren. Die Geschichte der 
Eßsitten,!!6 des Individualismus und des Subjekts,!!7 der Mode,!!8 des Tanzes, II? der 
Zeremonien und Feste!?° oder auch des Körpers!?! und der Ѕіппе!22 ist auch als eine 
Geschichte der Bilder bzw. sichtbarer Inszenierungen geschrieben worden. 77 

Die verschiedenen Studien geben zu erkennen, daß die Bedeutung des Bildlichen 
in vielen Fällen weit über das bloß Illustrative und Schmückende hinausgeht.!?* Um 
im Rahmen der genannten Beispiele zu bleiben: Kanonisierte Körper-Idealisierungen 
lebenswirklicher Personen lassen sich bereits bei attischen Grabreliefs 400 v.Chr. (und 
nicht erst mit der Portraitphotographie) feststellen;!?5 die seriellen Sokrates-Skulptu- 
ren des dritten Jahrhunderts generieren ein »Phantombild« bestimmter Eigenschaften 


112 Vgl. Giuliani 1998. 

113 Vgl. Schilling 1991. 

114 Vgl. Scharfe 2005. 

115 Das Gegenstandsspektrum reicht von Darstellungen mittelalterlicher Schwörtage infol- 
ge städtischer Ratswahlen (vgl. Kröll 2002) bis hin zu der Kulturgeschichte der Natio- 
nen, die sich schon im 19. Jahrhundert als eine Geschichte auch der Bilder denken ließ 
(vgl. Hirth 1881; vgl. Reichhardt 2004). 

116 Vgl. Elias 1983. 

117 Vgl. Burckhardt 1989. 

118 Ур]. Boehn 1923. 

119 Vgl. Bie 1925. 

120 Vgl. Horn 2004. 

121 Vgl. Laqueur 1992. 

122 Vgl. Baxandall 1972. 

123 Da sich auch die Konstruktion von Geschichte in einer jeweiligen Kultur der Bilder 
bedient, muß eine Beschreibung der »Erfindung der Tradition« diesem Sachverhalt 
Rechnung tragen (vgl. Hobsbawn/Ranger (Hg.) 1984). 

124 Schon für das seit der Antike vorkommende Figurengedicht gilt: »Das Bild ist [...] 
nicht eine Zugabe zum Text, vielmehr ist der Text ohne das Bild nicht zu verstehen.« 
(Luserke 1996, 175) 

125 Ур]. Diepolder 1965, z.B. 50 f. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |77 


des Philosophen, das auf die Schriften der Sokrates-Rezeption Einfluß nimmt!?° und 
die malerische Beschreibung des Eßaktes unter dem Leitwert der christlichen Aske- 
se läßt sich als ein »Theater der Eucharistie« beschreiben, das die Deutungen des 
christlichen Abendmahls fortschreibt und zugleich die alltagspraktische Kultur des 
Essens (mit-)bestimmt.!?” Diese und vergleichbare Beispiele zeigen, daß sich Bilder 
schon früh als Texte bemerkbar machen, die den Sinnvorrat einer jeweiligen Kultur 
in spezifischer Weise generalisieren, publizieren und damit auf die Kultur zurückwir- 
ken. Das gilt insbesondere, seit mit dem Buchdruck Bildreproduktionstechniken wie 
Holzschnitt und Radierung in ein neues Verbreitungsmedium der Schrift aufgenom- 
men werden, so daß die wechselseitigen Bezüge von Schrift und Bild an Spezifität 
und Relevanz gewinnen können. !?® Nicht zu übersehen ist auch, daß Bilder längst die 
Funktion der Informationskontrolle übernehmen.'?? Im Kontext der (Re-)Präsentati- 
on von Macht und Herrschaft spielt dies aus naheliegenden Gründen eine besondere 
Rolle. So dient etwa der »Bild-Leib« des feudalen Herrschers weniger der Abbildung 
von dessen tatsächlicher Physiognomie als vielmehr dem Ausdruck des »wirklichen 
Herrschers«, z.B. im Sinne des »gerechten Herrschers«.!?0 

Insofern Bilder und Bildlichkeit seit jeher als Ausdruck und Generator des Kultu- 
rellen (und Sozialen, Psychischen) fungieren, steht der Sinn, der sich mit technischen 
Bildern ereignet, demnach in einer langen Tradition. Ein Traditionsbruch bleibt schon 
deshalb aus, weil die kulturell und geschichtlich bedingten und entsprechend vari- 
ierenden Vorstellungen und Sehweisen des Menschen immer vorgängiger Bezugs- 


126 Vgl. Giuliani 1998, 26-30. 

127 Vgl. Neumann 1997, 48. 

128 So hatte die Verbreitung der Buchillustration in Kombination mit der zeitgleich zum 
Buchdruck entwickelten Zentralperspektive an der Ausbildung des Ingenieurwesens 
entscheidenden Anteil (vgl. mit Belegen Kittler 1993). 

129 Das bedeutet z.B., daß die Bilder, die den Vorstellungen der Herrschenden nicht ent- 
sprachen, nicht publiziert und entsprechend nicht Teil der öffentlichen Rezeptionsge- 
schichte wurden. Inwiefern z.B. Kaiser Karl V. durch eine bildbasierte Informationspo- 
litik vom »burgundischen Ritter« zum »Ahnherrn Österreichs« wurde, zeigt Wohlfeil 
(vgl. 1998, 163-178). Eine andere Variante visueller Politik beschreibt Warnke, wenn 
er die Funktion des sogenannten »Kompositbildnisses« darin sieht, die »Physiognomie 
als Projektionsfeld für Wünsche und Phantasien der betrachtenden Untertanen zur Ver- 
fügung zu stellen« (Warnke 1998, 149). 

130 Neben dem Einsetzen des weltlichen Herrschers in einen christlichen Symbolzusam- 
menhang zu Zwecken der Konstruktion einer göttlichen Herkunft lassen sich in den 
entsprechenden Portraits z.B. personifizierte Tugenden (z.B. Justitia) als beziehungs- 
reiche Begleiter des Herrschers oder solche Darstellungen finden, die den Herrscher 
neben »guten« Göttern oder gar selbst in Gestalt einer mythischen Gottheit erscheinen 
lassen. Zu einer typologischen Darstellung häufiger Inszenierungsmuster im Blick auf 
konkrete Kunstwerke sowie zu Hinweisen auf Studien zur Ikonographie der Herrschaft 
vgl. Schild 1998. 


78 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


rahmen ästhetischer Praktiken sind.!?! Warburgs Konzept, bei der Rekonstruktion 
bildlicher Fortschreibungen mythologischer (Grund-)Strukturen die Erzeugnisse der 
technischen Bildmedien, mithin die visuelle Massenkultur jenseits der Kunst, einzu- 
beziehen, ist daher nur konsequent.!?? Denn unverkennbar werden unter den neuen 
Verhältnissen Motive im doppelten Wortsinn fortgeführt, nämlich die Bildmotive der 
Tradition (von den Emblemen der Alltagskultur bis hin zur Kunst), wie auch die Mo- 
tive des Handelns und Erlebens, die mit den jeweiligen Bildern in Beziehung stehen. 

Es ist also alles andere als neu, wenn mit den technischen Bildmedien die »Dif- 
ferenzen der Visualität« so gehandhabt werden, daß das Sehen von der Kommunika- 
tion in spezifischer Weise in Anspruch genommen und ein »pikturiales Verstehen« 
erwartet werden Капп.!33 Und doch: Die technischen Bildmedien führen über die ge- 
schilderten Bezugsprobleme in eine neuartige Konstellation hinein, in der die beste- 
henden Bildkulturen erweitert werden müssen um eine spezifische Bildsprache, die 
auf eben diese Probleme eingestellt ist. Wie beschrieben, geht es zum einen um das 
Problematischwerden der Bildoberflächen: Man liest sie aufgrund ihres »Realismus« 
verstärkt als Ausweis von Identität des jeweils Gezeigten und ist zugleich vor die Fra- 
ge gestellt, inwiefern eben diese Oberflächen auf die Tiefe der dargestellten Objekte 
verweisen. Das gilt um so mehr, als sich das Dargestellte keineswegs nur als »Abbil- 
dung« einer »Realität«, sondern zugleich als sinnhafte Konstruktion zu erkennen gibt. 
Die Betonung und Relevanzsteigerung sichtbarer Oberflächen geht gerade im Kontext 
der Schematisierung sozialer Objekte mit einer Problematisierung der Beziehung von 
Oberfläche und Tiefe einher, die in dieser Form in den historisch vorgängigen Kom- 
munikationen von Bildern nicht existiert hatte.!3* 


131 Am Beispiel menschlicher Körperdarstellungen bringt dies Belting auf den Punkt: »Der 
Körper ist selbst ein Bild, noch bevor er in Bildern nachgebildet wird. Die Abbildung 
ist nicht das, was sie zu sein behauptet, nämlich Reproduktion des Körpers. Sie ist in 
Wahrheit Produktion eines Körperbilds, das schon in der Selbstdarstellung des Körpers 
vorgegeben ist. Das Dreieck Mensch-Körper-Bild ist nicht auflösbar, wenn man nicht 
alle drei Bezugsgrößen verlieren will.« (Belting 2000, 8) 

132 Vgl. Warburg 2003. 

133 Zu einer systemtheoretischen Darstellung der Zusammenhänge von Wahrnehmung, 
Bildlichkeit und Kommunikation in Bezugnahme auf oben stehende Begriffe vgl. 
Jongmanns 2003, 161-170 und 230 f. 

134 Die alte Unterscheidung von Sein und Schein bearbeitet nur bedingt dieses Problem. Zum 
einen werden in dieser Tradition die semantischen Konsequenzen indexikalischer visuel- 
ler Bild-Differenzen nicht relational zu anderen (nicht indexikalischen) Bildtechniken the- 
matisiert. Zum anderen kommt im Begriff des Scheins im Sinne eines Gegenbegriffs zum 
Wahren die Festlegung zum Ausdruck, daß man es im Falle sichtbarer Oberflächen mit dem 
bloß Scheinhaften zu tun hat, das einer »realen Realität: hinter den sichtbaren Phänomen 
gegenübersteht. Um so anschlußfähiger an den fokussierten Problemhorizont ist Heideggers 
Phänomenologie, die in ihrer Auseinandersetzung mit dem Schein »nicht zwischen Wahrheit 
und Schein, sondern zwischen Phänomen und Verdecktheit« unterscheidet (Bolz 1991, 14). 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |79 


Das andere Problem besteht in den anonymisierten Kommunikationsverhältnissen, 
die die technischen Bildmedien als Verbreitungsmedien gesellschaftsweit etablieren, 
indem sie die Reichweite sozialer Redundanz drastisch erweitern. Da Interaktions- 
prozesse die Akzeptanzchancen der jeweiligen (visuellen) Mitteilungen unter diesen 
Bedingungen kaum mehr absichern, muß die Kommunikation sozialer Bildobjekte 
in sich selbst die Arbeit an der Annahmewahrscheinlichkeitssteigerung übernehmen. 
Dies gilt um so mehr, als es in den ausgedehnten Bildräumen gewöhnlicherweise an 
alternativen Informationshorizonten fehlt, über die das jeweilige Objekt aus anderen 
Perspektiven identifiziert werden konnte !35 

Im Themenkontext der visuellen Schematisierung sozialer Objekte werden beide 
Problemlagen vor allem dann relevant, wenn die Kommunikation der Bilder soziale 
Objekte nicht nur herstellen, sondern zugleich qualifizieren soll, wenn also Achtungs- 
kommunikation im Spiel ist. Gerade dann stellt sich die Frage, inwiefern Oberflächen 
auf Tiefeneigenschaften verweisen, die eine positive und negative Bewertung des 
Gezeigten begründen und gerade diesbezüglich bedarf es einer »themenorientierten 
Spezialsprache« (Luhmann), die die Annahmewahrscheinlichkeit der Kommunika- 
tion steigert. Es muß eine Sondersemantik entwickelt werden, die eine Tiefen-Attri- 
buierung der Objekte über die jeweiligen Oberflächen zuläßt und zugleich sichtbare 
Kriterien für Positiv- bzw. Negativbewertungen bereitstellen kann. 

Wie man im Kontext der Portraitphotographie sehen kann, besteht eine erste Lö- 
sung dieser Probleme in der Etablierung der Unterscheidung von Oberfläche und Tiefe 
im Sinne eines reflexiv werdenden Schemas der Objekt-Identifizierung.!3° Diese Un- 
terscheidung wird zu einem Beobachtungsmodus, der auf den Oberflächencharakter 


135 Diesbezüglich könnte man in lockerer Anlehnung an einen sich zunehmend verge- 
wöhnlichenden Sprachgebrauch von einer Virtualisierung durch die neuen Bildmedien 
sprechen. Zu betonen wäre dann allerdings um so mehr, daß virtuelle Objekte in der 
Kultur seit jeher eine Rolle spielen (s.o.) und hier lediglich eine Bedeutungssteigerung 
und -spezifikation visuell konstruierter Objekte im Rahmen der erweiterten Reichwei- 
te sozialer Redundanz und des spezifischen Doppelcharakters des Photographischen 
(s.0.) gemeint ist. 

136 Daß Menschen wahrnehmungsgenerierte Sichtbarkeit schon immer benutzen, um auf 
eine nichtsichtbare Tiefe zu schließen, soll damit keineswegs bestritten werden. Einer 
der wichtigsten Anwendungskontexte dieser Unterscheidung dürfte seit jeher im Bereich 
sozialer Situationen liegen, also in einem Zusammenhang, in dem die jeweils Anwe- 
senden (auch) über die Erscheinungsformen der Körper einzuschätzen versuchen, wie 
sie von anderen eingeschätzt werden und welche Handlungsabsichten und Identitäts- 
eigenschaften sich hinter den Körperoberflächen der Beteiligten verbergen. Im medialen 
Substrat der technischen Bildmedien führt die Unterscheidung Oberfläche/Tiefe aber 
zu den geschilderten Bezugsproblemen, die wiederum neue Lösungen im Medium des 
Bildlichen erfordern — mit Rückwirkungen für die Kommunikation dieser Bilder, aber 
auch mit Effekten für die vor-bildliche Unterscheidung zwischen Oberfläche und Tiefe 
in den alltäglichen Lebenswelten jenseits bildbasierter Kommunikationen. 


80 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


der technischen Bildmedien eingestellt ist, indem er den Doppelcharakter des Photo- 
graphischen (indexikalische Karte und sinnhafte Darstellung) in Rechnung stellt und 
von dort aus im Gezeigten nach Anhaltspunkten der Beschreibung einer nicht sichtba- 
ren Tiefe Ausschau hält. Operativ vollzogen wird das Schema Oberfläche/Tiefe mithin 
kommunikativ, d.h. als ein Unterscheidungszusammenhang, der sich auf visuelle Dif- 
ferenzen richtet. Das kann in der ästhetischen Praxis der Bildherstellung (Auswahl von 
bildnerischen Mitteln, Motiven, Symbolen, Farben usw.) ebenso geschehen wie in der 
rezeptiven Bildbetrachtung. Die mit diesem Schema identifizierten Objekte werden im 
folgenden /mages genannt. Sie resultieren aus einer spezifischen Verkettung, Sortie- 
rung und Hierarchisierung bildlicher Erscheinungsformen entlang der Unterscheidung 
Oberfläche/Tiefe. Damit ist auch gesagt, daß erst diese Anwendung der Unterschei- 
dung Images erzeugt und nicht schon die in Bildern gespeicherte Information. Erst eine 
entsprechend eingestellte Kommunikation (also eine bestimmte Themenorientierung 
der Selektionsprozesse Information, Mitteilung und Verstehen) (re-)produziert den hier 
gemeinten Sinntyp.!?7 Insofern die kommunikative Selektivität — und nicht bereits die 
Sichtbarkeit für sich selbst genommen — Images konstituiert, könnte man von Images 
auch als einem Typus von Erscheinungsbildern sprechen, insofern dieser Begriff auf 
einen Prozeß zielt, der im Bildlichen etwas zur Erscheinung bringt, das mehr ist als das 
(sichtbare) Bild bzw. dieses in einer spezifischen Weise deutet. 

Mit dem reflexiv gehandhabten Schema Oberfläche/Tiefe bildet sich aber kein 
asymmetrischer »Präferenzcode« aus, der, wie im Falle der vollentwickelten symbo- 
lisch generalisierten Kommunikationsmedien, einen bevorzugten (Positiv-)Wert ei- 
nem weniger bevorzugten (Negativ-)Wert gegenüberstellt.13® Oberfläche wird zwar 


137 Obwohl diese Kommunikationen Eigenschaften herstellen und damit Werturteile nahele- 
gen, folgt das hier gemeinte In-Beziehung-Setzen von Oberfläche/Tiefe weder produktiv 
noch rezeptiv einem ästhetischen Ideal. Denn bei der Bewertung des Sichtbaren unter 
dem Gesichtspunkt des Schönen richtet sich das Schema Oberfläche/Tiefe, in Anlehnung 
an Hegel formuliert, auf das Maß der wechselseitigen Durchdringung dieser Ebenen 
(Sichtbarkeiten einerseits, Vorstellungen und Ideen andererseits) zur Herstellung einer 
stimmigen Einheit: »Es ist eine äußere Realität vorhanden, die als äußere zwar bestimmt 
ist, deren Inneres aber, statt als Einheit der Seele zu konkreter Innerlichkeit zu kommen, 
es nur zur Unbestimmtheit und Abstraktion zu bringen vermag. Deshalb gewinnt diese 
Innerlichkeit nicht als für sich innerliche in ideeller Form und als ideeller Inhalt ihr gemä- 
Bes Dasein, sondern erscheint als äußerlich bestimmende Einheit in dem äußerlich Rea- 
len. Die konkrete Einheit des Inneren würde darin bestehen, daß einerseits die Seelenhaf- 
tigkeit in sich und für sich selber inhaltsvoll wäre und andererseits die äußere Realität mit 
diesem ihren Inneren durchdränge und somit die reale Gestalt zur offenen Manifestation 
des Inneren machte. Solch eine konkrete Einheit aber hat die Schönheit auf dieser Stufe 
nicht erreicht, sondern hat sie als das Ideal noch vor ach a (Hegel 1986, 178 f.) 

138 Zu den Codes der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien stellt Luhmann fest: 
»Im Unterschied zum allgemeinen Ja/Nein-Code der Sprache wird der positive Wert als 
Präferenz für diesen (und nicht für den Gegenwert) ausgedrückt.« (Luhmann 1997, 360) 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE | 81 


als Wert betont, insofern auch die unsichtbare Tiefe an der Oberfläche abgelesen wer- 
den muß bzw. die nichtsichtbare Tiefe im Bereich des Sichtbaren nur als Reflexions- 
wert zur Verfügung stehen kann. So konfrontiert die Frage, für welche unsichtbaren 
Eigenschaften das Sichtbare steht, den Beobachter gegebenenfalls mit dem paradoxen 
Sachverhalt, daß das Dargestellte das Nichtdarstellbare darstellen soll. Die Orientie- 
rung an Tiefe macht jedenfalls die Kritik an der Oberflächlichkeit der realistischen 
Oberflächen wahrscheinlich und forciert damit die Verfeinerung der Oberflächen- 
behandlung zum Zweck des Tiefenausdrucks. Die beiden Seiten der Unterscheidung 
bilden aber keine Antagonisten, die das Wechseln zwischen den Werten selbst anlei- 
ten, indem die Absenz des einen Wertes notwendigerweise das Vorhandensein des an- 
deren bedeutet, so daß die Kommunikation innerhalb des Mediums gehalten werden 
Капп.!39 Entsprechend fehlt es der Kommunikation von Erscheinungsbildern trotz 
ihrer Regelgeleitetheit an einer Differenzierung von Codierung und Programmierung 
und mit letzterem an der Bereitstellung von Kriterien, mit denen sich bestimmen lie- 
Be, unter welchen Gesichtspunkten die Unterscheidung Oberfläche/Tiefe als Schema 
der Objekt-Identifizierung anzuwenden ist. So legt die Zuschreibung von Attributen 
über Oberflächen zwar deren simultane Qualifizierung nahe. Die Bewertung wird aber 
durch das Schema Oberfläche/Tiefe nicht angeleitet, die Zuteilung von (Miß-)Ach- 
tung bleibt also latent. 

Das Reflexivwerden des Schemas Oberfläche/Tiefe wird im Zuge einer neuen vi- 
suellen Massenkultur eingeübt und kündigt sich wie gezeigt bereits in den Diskursen 
und inszenatorischen Praktiken der Photographie des 19. Jahrhunderts an. Als Hin- 
weis in diese Richtung kann auch eine in zahlreichen Vereinen organisierte Amateur- 
photographiebewegung gelesen werden. Sie kulminiert am Ende des 19. Jahrhunderts 
in einer sozialen Bewegung, mit der Alfred Lichtwark »eine neue Nationalkultur auf 
der Basis engagierten Dilettantentums begründen (will)« (Kemp 1980, 259). Diese 
sich selbst als eine reformpädagogische Bewegung verstehende Kultur hat ein reflek- 
tiertes »Sehen-Lernen« zum Ziel und will mit der Photographie als einem »Mittel der 
Sinnesschulung« und als einer »Gymnastik der Sinne« auf die neuen Medienverhält- 
nisse reagieren.!*" Die organisierte Amateurphotographie um 1900 formuliert daher 


139 Die Codierung von wahr/unwahr im symbolisch generalisierten Kommunikations- 
medium Wahrheit hat z.B. eben diese Folgen. Die »Endstufe« der Ausdifferenzierung 
der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien sieht Luhmann dann erreicht, 
»wenn zum Kreuzen der Grenze, zum Umformen eines Wertes in den Gegenwert, eine 
Negation ausreicht« (Luhmann 1974, 250). 

140 Georg Fuchs skizziert den pädagogischen Wert der erwünschten Photo-Ästhetik folgen- 
dermaßen: »Denn eine Ästhetik der Zukunft wird nicht eine »Lehre vom Schönen« sein, 
sie wird niemals fragen: »Was ist schön?« — denn es ist uns längst geläufig, daß alles schön 
sein kann —, sondern sie wird eine Gymnastik sein, ein Training [...], eine Gymnastik al- 
ler Organe, durch die wir in das Leben tauchen können, durch die wir es fühlen, fassen, 
schmecken, auskosten und ausschöpfen.« (Fuchs 1904, zit. n. Kemp 1980, 259) 


82 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


ein Programm für eine ästhetische Praxis, die sich von der Kunst (und deren Funktio- 
nen) löst und sich auf einen neuen Orientierungs-, Lern- und Lehrbedarf einstellt, dem 
später die Lehrpläne von Schulen und Universitäten mit der Einrichtung des Faches 
»Visuelle Kommunikation« Rechnung tragen wollen. 

Die bisherigen Überlegungen haben sich in erster Linie mit den Eigenar- 
ten der technischen Bildmedien als Darstellungs- bzw. Kommunikationsmedien 
einerseits und als Verbreitungsmedien andererseits beschäftigt. Mit der Entstehung 
publikumsorientierter Bildermärkte, einer neuartigen (Selbst-)Dynamisierung der 
Bildproduktion sowie einer gesellschaftsübergreifenden Wirkungsmächtigkeit tech- 
nischer Bilder geraten jedoch nicht nur Folgeerscheinungen der technischen Bild- 
medien, sondern zugleich Merkmale und Strukturen eines Funktionssystems in Er- 
scheinung, das sich in spezifischer Weise der neuen Bilder bedient. Dieses System 
sind die Massenmedien. Wie andere Funktionssysteme nutzen die Massenmedien 
die Kommunikations- und Verbreitungsmedien im Rahmen einer spezifischen Ope- 
rationsweise und Selektivität,!*! sind also keineswegs als die Gesamtheit aller sich 
der Verbreitungsmedien bedienenden Kommunikationen zu verstehen. Gleichwohl 
steht dieses Funktionssystem in einer besonders engen und gesellschaftsrelevanten 
Beziehung zu den Folgen der Verbreitungsmedien und bedingt damit maßgeblich 
die Formen einer mit den technischen Bildmedien neu entstehenden visuellen Kul- 
tur. Die Konsequenzen dieser Beziehung für die Kommunikation von Images lassen 
sich im Rahmen der Luhmann’schen Theorie der Massenmedien herausarbeiten. Die 
Massenmedien entwickeln sich Luhmann zufolge auf der Basis der verschiedenen 
Verbreitungsmedien, deren Folgen er entscheidend darin sieht, »daß keine Interakti- 
on unter Anwesenden zwischen Sender und Empfänger stattfinden kann« (Luhmann 
1996, 11). Dies ist die harte strukturelle Rahmenbedingung, die im System der Mas- 
senmedien als Problem- und Lösungshorizont wirksam wird. Im Unterschied zu 
den Problemlagen der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien ist die 
Kontaktunterbrechung von Sender und Empfänger hier jedoch kein Zusatzprob- 
lem, das neben den sozialen Problemen im jeweiligen Themenkontext (z.B. Macht, 
Liebe, Geld) die Akzeptanzwahrscheinlichkeit der Kommunikation herabsetzt. Das 
System der Massenmedien ist vielmehr auf die Anonymisierung der Kommunikati- 
on und der über diese Bedingungen eröffneten (Kommunikations-)Räume als sol- 
che eingestellt. Neben dem Sachverhalt, daß die Mitteilenden Publikumsinteresse 
am jeweils Gesendeten nur noch vermuten und indirekt kontrollieren können (z.B. 
über Verkaufszahlen und Einschaltquoten), ist für das System daher entscheidend, 
daß durch die Trennung von Produktion und Rezeption zugleich »hohe Freiheits- 
grade der Kommunikation gesichert« sind (Luhmann 1996, 11 f.). Unter diesen Be- 


141 Auch die Kommunikationen etwa der Wissenschaft, der Kunst, der Erziehung, der Po- 
litik oder der Wirtschaft sind maßgeblich auf das Vorhandensein von Kommunikations- 
und Verbreitungsmedien unterschiedlicher Reichweiten wie Sprache, Schrift oder Hy- 
permedien (Computer) angewiesen und nutzen diese fortwährend. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |83 


dingungen ergeben sich Zeitgewinne, die den Aufbau von Komplexität ermöglichen 
und zu einem Überschuß an Kommunikationsmöglichkeiten führen, »der nur noch 
systemintern durch Selbstorganisation und durch eigene Realitätskonstruktionen 
kontrolliert werden kann.« (Ebd.) 

Die Vielfalt und Heterogenität möglicher Themen in den durch die Verbreitungs- 
medien sich formierenden Kommunikationsräumen im Blick, geht Luhmann von 
dem abstrakten Begriff der Information als dem »Material« aus, mit dem das System 
der Massenmedien arbeitet. Da Information aber (gerade auch in Luhmanns System- 
theorie) als Resultat eines selektiven Prozesses Bestandteil jeder Kommunikation 
(aller Kommunikationsmedien) ist, wird dieses Konzept erst im Rahmen einer wei- 
ter gefaßten Argumentation plausibel. Entscheidend für diese ist die Annahme, daß 
die Massenmedien insofern ein »operativ geschlossenes System« sind, als sie zwar 
alle Informationen (Themen), die in der Gesellschaft kursieren, verarbeiten können, 
aber bei der (Re-)Produktion der Informationen (Themen) immer auch die eigene 
Systemgeschichte berücksichtigen müssen, also das, was in den Massenmedien be- 
reits als Information behandelt wurde.!# Mit dieser angenommenen Verdopplung der 
Unterscheidung Information/Nichtinformation macht Luhmann verständlich, daß und 
inwiefern die Massenmedien in systemspezifischer Weise Informationen nutzen, um 
zwischen sich selbst (»Selbstreferenz«) und ihrer Umwelt (»Fremdreferenz«) zu un- 
terscheiden, d.h., wie sie eine systemkonstitutive Grenze zwischen der Innen- und 
Außenseite des Systems ziehen. Dies läßt sich in die anschaulichere These umfor- 
mulieren, daß Medienproduzenten — unabhängig davon, ob sie es mit der Herstellung 
von Nachrichten, Werbung oder Unterhaltung zu tun haben — den Informationswert 
eines in der Gesellschaft kursierenden Themas nur abschätzen können, wenn sie die 
Behandlung des jeweiligen Themas in der systemimmanenten Vergangenheit (d.h. im 
Rahmen der Geschichte des jeweiligen Nachrichten-, Werbungs- oder Unterhaltungs- 
formats) mit einbeziehen.!# Der historische Zustand des Systems wird demnach not- 
wendigerweise bei der Reproduktion aller massenmedialen Informationskonstruktio- 
nen berücksichtigt. Und weil der Informationswert einer Mitteilung nicht in direkten 
Interaktionen von Produktion und Rezeption ermittelt werden kann, kommt es für 
das System um so mehr darauf an, die eigene Systemgeschichte erinnern zu können, 
also zu wissen, was bereits gedruckt bzw. gesendet wurde. Denn nur so kann beurteilt 
werden, welchen Mitteilungen »news value< zukommt. 


142 Für die Tatsache, daß die Massenmedien eine eigene (System-)Geschichte entwickeln 
können, hält Luhmann wiederum die Möglichkeit der Informationsspeicherung der 
Verbreitungsmedien für zentral (vgl. ebd., 11 ff.). 

143 In erster Linie geht es bei der Berücksichtigung von Geschichtlichkeit natürlich darum, 
ob etwas überhaupt schon gebracht (gesendet, gedruckt, gefunkt) wurde oder nicht. An- 
dererseits stellt auch Luhmann fest, daß die Selbstvernichtung von Information durch 
das System Wiederholung nicht verunmöglicht, und er erkennt völlig zu Recht, daß 
gerade die Werbung davon Gebrauch macht (vgl. ebd., 42 f.). 


84 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Neben und mit der Ausbildung eines Systemgedächtnisses sieht Luhmann in der 
reflexiven Zuspitzung des Wertes Information im Verhältnis zum Gegenwert Nichtin- 
formation die zentrale Spezifikation der Massenmedien im Umgang mit Informatio- 
nen. Diese Zuspitzung hält Luhmann für derart relevant, daß er in der Unterscheidung 
von Information und Nichtinformation die Leitunterscheidung, den »Code« des Sy- 
stems, sieht.!** Information — also das, womit das System arbeiten kann - stellt dabei 
den Positivwert dar, während der Negativwert Nichtinformation als »Reflexionswert« 
(Luhmann 1996, 37) fungiert, mit dem besser beobachtet und entschieden werden 
kann, was informativ ist und was nicht.!* 

Damit ist aber noch nicht erklärt, inwiefern, d.h. mit welchen Kriterien, im Sy- 
stem der Massenmedien zwischen Information und Nichtinformation unterschieden 
werden kann. Denn nicht alles, was nicht redundant ist, ist eine Information im Sin- 
ne eines Unterschieds, der (z.B. bei dem Publikum der Werbung) einen Unterschied 
macht 78 Das System muß also über Möglichkeiten der Unterscheidung des Werts 
einer Information verfügen, um entscheiden zu können, welche Information gedruckt, 
gesendet oder gefunkt wird und welche nicht. Wie bei der Beschreibung anderer Sy- 
steme geht Luhmann auch hier davon aus, daß dem System »Programme« als Kri- 
terienkomplexe zur Verfügung stehen, die die Leitunterscheidung des Codes orien- 
tieren. Diese Funktion würden, so Luhmann, für die Massenmedien die »Bereiche« 
Nachrichten/Berichte, Unterhaltung und Werbung übernehmen, wobei diese Eintei- 
lung »rein induktiv« und »ohne Absicht auf eine systematische Deduktion und eine 
Begründung einer geschlossenen Typologie« (Luhmann 1996, 51) erfolge:!#7 »Jeder 


144 Vgl. ebd., 35 ff. Im Unterschied zu allen anderen Systemen, die ebenfalls »die sie interes- 
sierenden Informationen unterscheiden und insofern einen Leerraum der Nichtinforma- 
tion erzeugen«, reflektiert das System der Massenmedien diese Differenz »um erkennen 
zu können, welche Operationen zum System gehören und welche nicht.« (Ebd., 49 f.) 

145 »Der Code des Systems der Massenmedien ist die Unterscheidung von Information 
und Nichtinformation. Mit Information kann das System arbeiten. Information ist also 
der positive Wert, der Designationswert, mit dem das System die Möglichkeiten seines 
eigenen Operierens bezeichnet. Aber um die Freiheit zu haben, etwas als Information 
ansehen zu können oder auch nicht, muß es auch die Möglichkeit geben, etwas für 
nichtinformativ zu halten. Ohne einen solchen Reflexionswert wäre das System allem, 
was kommt, ausgeliefert; und das heißt auch: Es könnte sich nicht von der Umwelt un- 
terscheiden, könnte keine eigene Reduktion von Komplexität, keine eigene Selektion 
organisieren.« (Ebd., 37) 

146 Luhmann übernimmt hier wie in anderen Arbeiten die bekannte Definition Batesons von 
Information als einem »Unterschied, der einen Unterschied macht« (vgl. ebd., 30). 

147 Мап mag zwar im Blick auf die Zuordnung konkreter, empirisch vorliegender Formate 
im Einzelfall Schwierigkeiten mit der Zuordnung zu den einzelnen Bereichen haben: 
Nicht nur die neuesten Hybridformate wie die diversen »Doku-Soaps«, sondern auch die 
traditionellen Formate des Journalismus können beispielsweise zwischen den Bereichen 
»Unterhaltung« und »Berichte« changieren. Allerdings kann man auch in die umgekehr- 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |85 


dieser Bereiche benutzt den Code Information/Nichtinformation, wenngleich in sehr 
verschiedenen Ausführungen; aber sie unterscheiden sich aufgrund der Kriterien, die 
der Auswahl von Informationen zugrunde gelegt werden. Deshalb werden wir auch 
von Programmbereichen (und nicht von Subsystemen) sprechen.« (Ebd., 51) 
Luhmann zufolge orientieren sich die Massenmedien also nicht an bestimmten 
»Dingen« oder Themen. Die Sachdimension des Systems findet seine Grenze vielmehr 
in allem, was in der Gesellschaft informativ sein kann, und die Gesellschaft ihrerseits 
stellt sich auf diese weitreichende Irritabilität des Systems!*® mit entsprechenden Er- 
wartungshaltungen ein. Die Struktur (Codierung/Programmierung) ermöglicht den 
Massenmedien, die verschiedensten Themen in den anonymisierten Kommunikati- 
onsräumen der Massenmedien anzubieten und entlang der Reproduktion von (Nicht-) 
Informationen »Eigenwerte« im Sinne »stabiler Objekte« zu etablieren, die in der 
weiteren Kommunikation vorausgesetzt werden können (vgl. ebd., 177 Ё). Und nur 
über diese Objekte kann das Verhältnis von Information zu Nichtinformation perma- 
nent aktualisiert und entschieden werden, was zu vergessen und was zu erinnern ist. 
Das »Systemgedächtnis«, so Luhmann, stellt »für alle weiteren Kommunikationen 
eine Hintergrundrealität« bereit, »die durch die Massenmedien ständig reimprägniert 


te Richtung argumentieren und feststellen, daß auch und gerade die Hybridformen die 
eigentümliche Logik der Informationsverarbeitung offenbaren: Eine Glosse plaziert sich 
als Format ebenso wie die Doku-Soap nicht beliebig zwischen den Bereichen, sondern 
markiert sich selbst als Form in Bezug auf diese, verdankt sich also der systemischen 
(Bereichs-)Struktur der Massenmedien, und entsprechend weiß der Rezipient, daß er es 
in diesen Fällen mit Berichten ebenso wie mit Unterhaltung zu tun hat. 

148  »Irritabilität ergibt sich daraus, daß das System ein an allen Operationen mitwirken- 
des Gedächtnis hat und damit Inkonsistenzen erfahren und ausgleichen — was nichts 
anderes heißt als: Realität erzeugen kann. Das deutet auf einen rekursiven Konstituti- 
onszusammenhang von Gedächtnis, Irritabilität, Informationsverarbeitung, Realitäts- 
konstruktion und Gedächtnis hin. Die Ausdifferenzierung eines darauf spezialisierten 
Funktionssystems dient der Steigerung einer darauf spezialisierten Kommunikations- 
weise und zugleich ihrer Normalisierung. Nur von den Massenmedien erwarten wir 
diese Sonderleistung jeden Tag, und nur so ist es möglich, die moderne Gesellschaft in 
ihrem Kommunikationsvollzug endogen unruhig einzurichten wie ein Gehirn und sie 
damit an einer allzu starken Bindung an etablierte Strukturen zu hindern.« (Ebd., 175) 
Die Irritabilität des Systems ist hier wie im Falle anderer Systeme dementsprechend 
als systemspezifische Konstruktionen aufzufassen. Luhmann hierzu an anderer Stelle: 
»Irritationen ergeben sich aus einem internen Vergleich von (zunächst unspezifizier- 
ten) Ereignissen mit eigenen Möglichkeiten, vor allem mit etablierten Strukturen, mit 
Erwartungen. Somit gibt es in der Umwelt des Systems keine Irritationen, und es gibt 
auch keinen Transfer von Irritation aus der Umwelt in das System. Es handelt sich im- 
mer um ein systemeigenes Konstrukt, immer um Selbstirritation — freilich aus Anlaß 
von Umwelteinwirkungen.« (1997, 118) 


86 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


wird.« (Ebd., 173)!# Und indem sich die Gesellschaft in den verschiedensten Be- 
reichen auf die Massenmedien als Informationssystem einläßt, wird die Herstellung 
von Redundanz (Gedächtnis) und dem durch sie ermöglichten »Dirigieren der Selbst- 
beobachtung des Gesellschaftssystems« zur gesellschaftlichen Funktion der Massen- 
medien. !50 

Versteht man nun wie Luhmann die Massenmedien als ein System, das sich mit ei- 
ner spezifischen Selektivität auf die Produktion von (Nicht-)Informationen einstellt, sind 
die skizzierten Problemlagen technischer Bildmedien ebenso wie die darauf bezogenen 
Lösungen (die Kommunikation von Images) nicht exklusiv dem System der Massen- 
medien zuzuordnen. Die Formen visueller Kultur, die mit den technischen Bildern Fahrt 
aufnehmen, sind keineswegs alle auf die Unterscheidung Information/Nichtinformation 
eingestellt. Man denke nur an die zahlreichen Bilder, die sich in wissenschaftlichen, 
pädagogischen oder kunstbezogenen Publikationen finden lassen. Auch die privaten Ge- 
brauchsweisen der Photographie vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart sind nicht 
dieser Selektivität unterstellt: Sehr wohl hat man es hier mit den skizzierten Bezugspro- 
blemen technischer Bildmedien und mit der Kommunikation von Erscheinungsbildern 
zu tun, nicht aber mit einer reflexiven Unterscheidung von Information und Nichtin- 
formation, die an einem Systemgedächtnis entlang geführt wird.!5! Die Problemlagen 
sind also zunächst wie beschrieben den technischen Bildmedien als Darstellungs- bzw. 
Kommunikationsmedien sowie als Verbreitungsmedien geschuldet und eben deshalb 
transzendieren sie die visuelle Kultur der Gegenwart in den verschiedensten Bereichen 
auch jenseits des Systems der Massenmedien. Angesichts der Omnipräsenz der entspre- 
chenden Objekte gilt für Images das, was Luhmann für Werte konstatiert — »mit ihnen 
hat man es überall zu tun« (Luhmann 1997, 360). 

Obwohl die Kommunikation von Images schon über die modernen Verbreitungs- 
medien zu einem die verschiedensten Gesellschaftsbereiche transzendierenden Thema 
wird, ist andererseits nicht zu übersehen, daß das System der Massenmedien die Re- 
giedominanz dieser Formen, ja der visuellen Kultur überhaupt übernimmt und längst 
übernommen hat. Im Blick auf diesen Sachverhalt kann man die Frage stellen, warum 
die Bildmedien im System der Massenmedien zu einem zentralen Kommunikations- 
medium werden. Der oft gemachte Hinweis auf die hohe Informationsdichte von Bil- 


149 Vgl. ebd., 120 ff. und 173-178. 

150 Mit gravierenden Folgen: »Als Folge dieser auf Information abstellenden Codierung ent- 
steht in der Gesellschaft eine spezifische Unruhe und Irritierbarkeit, die dann mit der Täg- 
lichkeit der Wirksamkeit von Massenmedien und mit ihren unterschiedlichen Programm- 
formen wiederaufgefangen werden kann.« (Luhmann 1996, 46; vgl. auch ebd., 175) 

151 Ез mag durchaus vorkommen, daß sich die privaten photographischen Selbstinszenie- 
rungen an dem orientieren, was man in den Medien schon gesehen hat. Eine diffuse 
Orientierung an massenmedialen Vorlagen wird man aber nicht als hinreichende Be- 
dingung für eine Zuordnung der Kommunikationen zum System der Massenmedien 
gelten lassen können. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |87 


dern und die schnelle Lesbarkeit dieser Texte liefert hierfür ein zentrales Argument. 
Gerade weil ein Bild in den verschiedensten Themenzusammenhängen »mehr sagt 
als tausend Worte«, bieten Bilder für das System im Vergleich zur Schrift erhebliche 
Zeitgewinne. Entscheidend für die schnelle Karriere im System dürfte weiterhin der 
»Realismus< technischer Bildmedien sein, der sich nicht nur auf die Identifizierung 
sozialer Objekte, sondern auf die Darstellung beliebiger Weltsachverhalte auswirkt, 
über die die Massenmedien informieren. Die Luhmann’sche Feststellung, die Kom- 
munikationen der Massenmedien seien einem prinzipiellen Manipulationsverdacht 
ausgesetzt, setzt ja voraus, daß massenmediale Mitteilungen zumindest auch als Hin- 
weise auf »reale Realität« interpretiert werden. Daß diese Annahme eines Verweises 
auf »reale Realität« — sozusagen vor und neben jedem Manipulationsverdacht — fort- 
laufend mitreproduziert wird, verdanken die Massenmedien fraglos auch und gerade 
der Indexikalität technischer Bilder. 152 Über die technischen Bilder können zudem die 


152 Die Möglichkeit der zeitnahen Dokumentation lebenswirklicher (sichtbarer) Ereignisse 

bis hin zur Life-Übertragung des Fernsehens ist hier von entscheidender Bedeutung. 
Auf dem Abstraktionsniveau einer alle Bereiche, Themen und Kommunikationen des 
Systems erfassenden Problembeschreibung kann man in der prinzipiellen Möglich- 
keit des Manipulationsverdachts ein allgemeines Bezugsproblem der Kommunikation 
technischer Bilder erkennen. Dieses Problem entsteht neben und mit dem skizzierten 
Doppelcharakter dieser Bilder im System der Massenmedien deshalb, weil sich dessen 
Mitteilungen einer bestimmten Selektivität verdanken und eben dieser Sachverhalt mit 
den multiperspektivischen und polykontexturalen Konstruktionen der Massenmedien 
offensichtlich wird (vgl. Luhmann 1996, 9, 31, 50 £.). Luhmann spricht in diesem Zu- 
sammenhang davon, daß die Realitätskonstruktionen der Massenmedien den Modus 
der Beobachtung zweiter Ordnung gesellschaftsweit einüben (vgl. ebd., 153). 
Hält man sich die spezifischen Funktionen der einzelnen Bereiche des Systems vor Au- 
gen, sieht man jedoch schnell, daß dem Problem des Manipulationsverdachts in den ver- 
schiedenen Bereichen eine sehr unterschiedliche Relevanz zukommt. Während im Be- 
reich Nachrichten/Berichte die Glaubwürdigkeit als Akzeptanzkriterium der als Fakten 
präsentierten Informationen entscheidend ist, dürfte demgegenüber kaum zu bestreiten 
sein, daß sich der (Unterhaltungs-)Wert massenmedialer Unterhaltungen keineswegs am 
Grad ihrer Glaubwürdigkeit bemißt. Manipulationen werden hier vielmehr umstands- 
los akzeptiert, mindestens solange, wie sie zu unterhaltsamen Kommunikationen füh- 
ren. Manipulation wird dann also nicht zum Gegenwert (Reale Realität«, »Authentizität«, 
»Echtheit«, »Dokumentation«), sondern zur Funktion des Programmbereichs in Beziehung 
gesetzt. Auch in der Werbung ist die Tatsache des Manipuliertseins mitgeteilter Infor- 
mationen eine in den Image-Kommunikationen reproduzierte Selbstverständlichkeit, die 
Reaktanz auf diesen Sachverhalt sehr unwahrscheinlich macht. Auch Luhmann stellt fest: 
»Die Werbung sucht zu manipulieren, sie arbeitet unaufrichtig und setzt voraus, daß das 
vorausgesetzt wird. Sie nimmt gleichsam die Todsünde der Massenmedien auf sich — so 
als ob dadurch alle anderen Sendungen gerettet werden könnten. [...] Hier lösen sich die 
Probleme des Motivverdachts mit einem Schlage. Die Werbung deklariert ihre Motive. 
Sie raffiniert und verdeckt sehr häufig ihre Mittel.« (Luhmann 1996, 85) 


88 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Schemata (Skripts, Rahmen usw.), auf die die Massenmedien in den verschiedensten 
Programmbereichen im Sinne struktureller Kopplungen angewiesen sind, fortlaufend 
und ohne großen Aufwand in die massenmedialen Kommunikationen eingebunden 
werden !53 

Obwohl diese Argumente die Durchsetzung der Bildmedien im System der Mas- 
senmedien verständlich machen, verdecken sie den hier fokussierten Problemhori- 
zont. Denn sie erwecken den Eindruck, mit den technischen Bildmedien ließe sich ein 
Problem der modernen Gesellschaft — insbesondere ihr fortwährender und hochgradig 
temporalisierter Informationsbedarf — zumindest teilweise lösen. Das ist jedoch nur 
sehr bedingt der Fall: Weil es in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, ins- 
besondere im System der Massenmedien, unter anderem aus zeitökonomischen Grün- 
den zu einem massiven Einsatz visuell basierter Kommunikationen kommt, werden 
die geschilderten Problemlagen technischer Bildmedien erst recht gesellschaftsrele- 
vant. Dies gilt um so mehr, als die Funktion der Massenmedien darin besteht, »stabi- 
le Objekte« herzustellen, die im weiteren Kommunikationsgeschehen vorausgesetzt 
werden kënnen. (3) Die Notwendigkeit, auf die Kommunikation von Images sozialer 
Objekte nach Maßgabe der systemspezifischen Selektivität Rücksicht zu nehmen, er- 
gibt sich also schon deshalb, weil das Systemgedächtnis erinnern können muß, mit 
welchen bildlich identifizierten Objekten das System in welchen Zusammenhängen 
arbeitet(e), um entscheiden zu können, welchen Änderungen in welchen Systemberei- 
chen ein Informationswert zukommt. Und notwendigerweise orientiert sich auch die 
Rezeption an den Images der kommunizierten Objekte. 

Von besonderer Bedeutung sind dabei wie gesagt diejenigen Fälle, bei denen die 
Akzeptanz der Informationen an die Oualifizierung von Images gekoppelt ist. Da die- 
se Fälle keineswegs selten sind, erstaunt es nicht, daß sich gerade im System der Mas- 
senmedien sehr früh in den verschiedenen Bereichen ein reflexiver Umgang mit dem 
Schema Oberfläche/Tiefe konstatieren läßt. Schon die skizzierten Bildermärkte des 
19. Jahrhunderts reagieren auf die dargestellten Bezugsprobleme über die Konstrukti- 
on positiver Erscheinungsbilder, um die Akzeptanzwahrscheinlichkeit der Mitteilun- 
gen zu steigern. Die Genrephotographie des 19. Jahrhunderts bearbeitet das Problem 
von Oberfläche und Tiefe über verschiedene Inszenierungsformen ebenso, wie sie 
(Miß-)Erfolge erinnert, d.h. ein Gedächtnis für akzeptierte Images entwickelt, mit 
dessen Hilfe sie erfolgreiche Neuerungen besser einzuschätzen lernt. Mit Luhmann 
könnte man sagen: Die kommerzielle Photographie des 19. Jahrhunderts ist in weiten 
Teilen — aber nicht nur! — dem massenmedialen Bereich des Systems der Unterhaltung 
zuzuordnen, in dem die Funktion des Unterhaltens als Kriterienkomplex der Unter- 
scheidung Information/Nichtinformation genutzt wird und ein gleichsam bereichs- 
spezifisches Gedächtnis des Systems entsteht. Ein markanter Fall der frühen Entwick- 
lung in diesem Systembereich sind die Images der Filmstars, die, mit einem leich- 


153 Zu diesen Kopplungen vgl. Luhmann 1996, 117-129. 
154 Vgl. Luhmann 1996, 177 f. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE | 89 


ten Vorsprung in den USA, um die Jahrhundertwende erstmals Form аппеһтеп.!55 


Sinnigerweise werden diese Personen in den amerikanischen Publikumszeitschriften 
ab 1909 »picture personalities«!°® genannt — eine Bezeichnung, die den Entstehungs- 
horizont eines neuen Typus von Prominenz!’ bereits im Namen führt. Denn Film- 
stars gewinnen, ebenso wie andere Medienpersönlichkeiten, ihre Identität zuerst als 
ein Erscheinungsbild, d.h. als ein Komplex öffentlicher Images, zu dem neben den 
Filmbildern seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts Bilder vermeintlich privater Hin- 
terbühnen gehören.!5® So weisen Faulstich u.a. zwar zu Recht darauf hin, daß »die 
Kontinuität zwischen inner- und außerfilmischen Komponenten als Grundprinzip der 
Imagebildung [...] historisch mit der Entstehung der »Stars< von Anfang an untrennbar 
verbunden« ist (Faulstich u.a. 1997, 13). Doch das bedeutet nur, daß die Film-Images 
in ein gewisses Spannungsverhältnis zu anderen Bildern von den jeweiligen Personen 
treten und sich gerade in der Differenz der Bild-Identitäten und deren Steuerung die 
Möglichkeit der Authentifizierung für die Stars ergibt. Denn mit jedem Bild jenseits 
des Films wird eine andere Facette sichtbar, die in den jeweils anderen Bildern (des 
Films) nicht zu sehen ist, aber ihrerseits nicht den spezifischen (Bilder-)Rahmen der 
Objektidentifizierung verlassen kann 177 

Auch Politik, politische Parteien und Politiker werden zunehmend als Erscheinungs- 
bilder konstruiert und rezipiert, so daß nicht nur die körperliche Erscheinung der Persön- 
lichkeiten und deren sichtbare Performance, sondern auch die spezifische Wirkung dieser 
Ausdrucksebenen in der Kommunikation von Bildern an Relevanz gewinnt.!60 Neben 


155 Vgl. grundlegend Dyer 1979 und 1986. Zur Imagebildung früher (Stummfilm-)Stars und 
zur Entwicklung des »Starsystems« vgl. auch Schnez 1985, Staiger 1997, Hickethier 1997, 
Faulstich/Korte/Lowry/Strobel 1997 sowie Strobel/Faulstich 1998 und Schult 2000. 

156 Vgl. Faulstich u.a. 1997, 12. 

157 Zu einer neueren soziologischen Analyse der Entstehung und Wirkung von (Medien-) 
Prominenz vgl. exemplarisch Peters 1996. 

158 Hickethier, der die Fundierung des »Starsystems« zu Recht weniger in der Ära des 
Films denn der des Theaters fundiert, stellt fest: »Mit dem Film erreichte die Starpro- 
duktion gegenüber dem Theater eine neue Qualität. Das hatte vor allem mediale Ur- 
sachen. Mit dem Film und seinen technisch erzeugten Bildern fand eine Ablösung der 
Darstellung des Schauspielers von seiner Person statt a (1997, 45 f.) 

159 Man kann z.B. von einem »Moment der Rätselhaftigkeit« sprechen, von (Image-) 
»Dissonanzen«, »Leerstellen« oder tendenziellen »Widersprüchen«, die verhindern 
(sollen bzw. können), daß das Image der Stars »eindimensional und durchschaubar 
erscheint« (Faulstich u.a. 1997, 18). 

160 Die These von der »Personalisierung des Politischen« (vgl. z.B. die Beiträge in Imhof/ 
Schulz (Hg.) 1998) läßt sich gerade auch vor dem Hintergrund des Entstehens einer 
Kultur der Images plausibilisieren: Denn an der Person (ihrem Körper, ihrem sichtba- 
ren Verhalten) lassen sich Identitäts-Eigenschaften besonders effizient kommunizie- 
ren. Es ist daher durchaus verständlich, wenn eine Vielzahl von sozial-, kultur- und 
medienwissenschaftlichen Arbeiten zur Beschreibung von Politik, politischen Parteien 


90 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


dem allgemeinen Aspekt der Photogenität, der das Aussehen (auch) politischer Persön- 
lichkeiten als Faktor von (Nicht-)Beliebtheit betont, kondensieren jetzt sichtbare Eindrü- 
cke, die Politiker als Darsteller in den verschiedenen Medienformaten hinterlassen. Als 
verschieden gestaltete und auf den Aspekt der Sichtbarkeit besonders fokussierte Bühnen 
spezifizieren die Massenmedien die Möglichkeiten der (Selbst-)Darstellung von Politi- 
kern und von Politik im allgemeinen erheblich. Auch Städte und Regionen gewinnen als 
Image Kontur. Schon in der Frühgeschichte des Dokumentarfilms entstehen über das so- 
genannte Genre des »Städtebilds« Bildkomplexe, die die Objekte über die entsprechen- 
den Konstruktionsmöglichkeiten des Films (Drehbuch, Schnitt, Lichtsetzung, Auswahl 
der Settings usw.) in ein bestimmtes (gutes) Licht rücken (sollen).!°! Beispielgebend für 
die Entwicklung ist weiterhin die (Kleider-)Mode, die unter den neuen Medienbedingun- 
gen in neuer Weise als Image entworfen wird. Zwar gehört die Mode schon längst zum 
festen Themenkanon der Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftenkultur und sicherlich spielen 
Bilder bei der Behandlung des Themas schon lange eine Rolle. Aber erst im Zuge der 
Expansion der technischen Bildmedien und der damit einhergehenden Bedeutungsver- 
tiefung und Differenzierbarkeit von Oberflächen kommt es wesentlich darauf an, wie 
das jeweilige Bild die Mode darstellt und als solches überzeugen kam TI) Es geht jetzt 
darum, die Formen des Mode-Designs in den Kontext einer spezifischen Inszenierung 
einzufügen und dadurch semantisch zu programmieren. Eine von der Ästhetik der Mode 
selbst (dem Objekt der Kleidung und seiner Materialität) weitgehend emanzipierte Bil- 
dästhetik beginnt sich in den 1920er Jahren zu entwickeln,!6 also dann, als im Umfeld 
von Unterhaltungs- und Modezeitschriften die von den technischen Bildmedien bereit- 
gestellten Erscheinungsformen genutzt werden, um spezifische Images für eine Mode 
und/oder einen Hersteller zu entwerfen Ip) Daß die Images der einzelnen Modeanbieter 


und Politikern auf den Image-Begriff zugreifen (vgl. z.B. Balzer 2006; Bösch 2006; 
Schneider 2004; Karp/Zolleis 2004; Nieland 2004; Tänzler 2005; Kepplinger/Maurer 
2003; Dörner 2000 u. 2001; Imhof/Eisenegger 1999; Brettschneider 1998; Baringhorst 
1995; Rust 1984; Schwartzenberg 1980; Blecha 1966; Leggewie 1997; Meyrowitz 
1987; Meyer/Ontrup 1998; Kurt 1998; Vogt 2002). 

161 Mit Filmen wie »Bilder aus Konstanz« (1918) kommt es Junge zufolge schon früh zur 
Ausbildung und »Vollentwicklung« des »Städtebilds« als einem eigenen Format (Junge 
2003, 36 f.). Inzwischen ist die systematische Imagebildung für Städte und Regionen 
über Werbung gewöhnliches Element eines Prozesses geworden, den Siebel (1994) als 
»Festivalisierung der Stadtpolitik« bezeichnet. 

162 Zu einem Überblick über die Entstehung von Mode-Journalen im 19. Jahrhundert mit 
zahlreichen Bildbeispielen (auch aus dem Bereich der Werbung) vgl. Davis 2006. 

163 Wie Hoerner vermutet, wurden zwar schon um 1860 Photographien als Vorlagen für 
Mode-Lithographien verwendet. Dies führte aber zu keiner nennenswerten Variation 
der bislang gewohnten Mode-Bildsprache, sondern dient zunächst nur der technischen 
Vereinfachung des Verfahrens (vgl. Hoerner 1989, 179). 

164 Gerade im Bereich der Inszenierung von Mode verläuft die Entwicklung dann sehr 
schnell in Richtung einer werblichen Image-Kommunikation. Schon die Modephoto- 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |91 


inzwischen substantiell von den Bildwelten der Werbung (der Modephotographie) de- 
finiert werden, ist kaum zu übersehen. Weiterhin konstituieren sich die verschiedenen 
Medien-Formate — zuerst die miteinander konkurrierenden Zeitungen und Zeitschriften 
- als spezifische Images.!°° Am Anfang der Entwicklung kommt es darauf an, Bildlich- 
keit als eine eigenständige Sphäre des Sinns und nicht als eine illustrierende Dimension 
dessen zu interpretieren, was sprachlich thematisiert ist. Gerade für die Formate der Un- 
terhaltungsindustrie werden Bilder schnell zu substantiellen Dreh- und Angelpunkten 
ihrer Berichterstattung. Der langjährige Chefredakteur der »Berliner Illustrierten«, Kurt 
Korff, schreibt zu der entsprechenden Umstellung der Zeitschriftenkonzeption: 


Das bildliche Sehen aller Ereignisse mit Erkennung des bildlich Eindrucksvollen und Auslassung 
all dessen, was nur stofflich, nicht bildlich interessieren konnte, wurde zum Grundsatz der B.1.Z.- 
Redaktion. Nicht die Wichtigkeit des Stoffes entschied über Auswahl und Annahme von Bildern, 
sondern allein der Reiz des Bildes selbst. Diese Umstellung erzeugte die von der B.I.Z. angebahn- 
te große Veränderung im Aussehen der illustrierten Blätter, die heute nicht mehr von Textredak- 
teuren, die ihre Stoffe »illustrieren«, geleitet werden, sondern von solchen, die wie der Filmdichter 
und Filmregisseur das Leben in Bildern sehen. (Korff 1927, zit. n. Wiegand 1981, 209) 


NebenundmiteinervisuellenÖkonomiederAufmerksamkeit!60 gehtesdannim weiteren 
umeinelmprägnierungvonlmagesdurchspezifische,bildlichvermittelteAttribute,dieden 
Charakter eines bestimmten Medienformats (z.B. einer Zeitung) zum Ausdruck bringen 
sollen. Die Frage, welche Bilder (Motive) in welcher Größe, Farbigkeit oder graphischen 


graphie des New Yorker Photographen Cecil Beaton, der z.B. 1946 für die Zeitschrift 
»Vogue« gut gekleidete Frauen in eigentümlich-künstlichen Posen vor Kriegsruinen 
photographierte, erinnert durchaus an die jüngsten Inszenierungen der Werbung und 
deren Programmierung »guter Formen«. 

165 Selbst die Verbreitungsmedien gewinnen als solche ein bestimmtes Image. So läßt sich 
das Image des Fernsehens von dem anderer Medien (z.B. Presse und Hörfunk) unter- 
scheiden und z.B. zu unterschiedlichen Glaubwürdigkeitsunterstellungen in Beziehung 
setzen (vgl. Pöttker 1987). Die Formen der (Nicht-)Bildlichkeit dürften auch hier eine 
wichtige Rolle spielen. 

166 Schon Korff hält eine pointierte visuelle Kommunikation wegen einer modernen, all- 
gemein verbreiteten »Flüchtigkeit des Sehens« für notwendig: »Es ist kein Zufall, daß 
die Entwicklung des Kinos und die Entwicklung der »Berliner Illustrierten Zeitung« 
ziemlich parallellaufen. In dem Maße, in dem das Leben unruhiger wurde, in dem 
Maße, in dem der einzelne weniger bereit war, in stiller Behaglichkeit eine Zeitschrift 
zu durchblättern, in dem gleichen Maße war es notwendig, eine schärfere, prägnantere 
Form der bildlichen Darstellung zu finden, die die Wirkung auf den Leser auch dann 
nicht verfehlte, wenn er Seite für Seite nur flüchtig durchsah.« (1927, zit. п. Wiegand 
1981, 207) Bekanntermaßen zeigt sich im Zuge der Medialisierung der Gesellschaft, 
daß die Medien die »Unruhe« und die Flüchtigkeit des Sehens durch ihre Omnipräsenz 
in erster Linie selbst generieren. 


92 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Anordnung einzusetzen sind, wird zunehmend als eine Frage nach der Identität des 
Medienformats behandelt.!°7 Ein frühes Beispiel entsprechender Differenzierungen 
geben die US-amerikanischen Zeitschriften »Life« und »Look«, die mit ihren un- 
terschiedlichen Bildsprachen Maßstäbe und Orientierungswerte setzten. Während 
die Gestaltung (Layout, Typographie, Bildauswahl, Farbigkeit usw.) von »Life« auf 
Eigenschaften wie Intellektualität, Kultiviertheit, Seriosität, Schlichtheit, Bescheiden- 
heit usw. abzielt (farbige Titelblätter blieben lange ein Tabu), demonstriert das des 
Konkurrenzunternehmens »Look« Eigenschaften wie z.B. Jugendlichkeit, Humor und 
Flexibilität.!68 

Diese Beispiele weisen darauf hin, daß der gesteigerten Relevanz von Oberflächen 
in den verschiedenen Systembereichen Rechnung getragen wird, und zwar in verschie- 
denen Hinsichten: Einerseits ist zu erkennen, daß die Bildsprachen immer wieder mehr 
oder weniger explizit die Herstellung guter Eindrücke von Objekten bezwecken. Ande- 
rerseits ist evident, daß die visuellen Kommunikationen einer bereichsspezifischen Un- 
terscheidung zwischen Information und Nichtinformation unterstellt werden. Früh zeigt 
sich z.B., daß und inwiefern es im Bereich der Nachrichten/Berichte im Unterschied 
zur Kommunikation von Unterhaltung und Werbung entscheidend darauf ankommt, die 
Bildlichkeit auf die Funktion des sachlichen Informierens einzustellen. Daß dies eine Dis- 
tanz zur Bildlichkeit im allgemeinen impliziert, verdeutlichen u.a. Selbstbeschränkungen 
berichtender Zeitungs-, Zeitschriften- und TV-Formate, die sich — trotz des allgemeinen 
Trends in Richtung Infotainment — bis in die aktuelle Gegenwart ausmachen lassen. 

Jedenfalls ist nicht zu übersehen, daß bildförmig identifizierte Objek- 
te und ein entsprechendes Gedächtnis wichtiger Bestandteil der massenmedialen 
»Hintergrundrealität«!® sind, auf die sich die Gesellschaft einläßt. Wenn Kracauer 
in den 1920er Jahren die fehlende Einbettung technischer Bilder in eine mündliche 
Kultur des Deutens moniert, die die von ihm sogenannten »Erinnerungs-« oder »Ge- 
dächtnisbilder« vorheriger Zeiten erst konstituiert habe, 70 erkennt und verkennt ег 


167 Die Konsequenzen dieser Entwicklung lassen sich in der gegenwärtigen Medienland- 
schaft gut beobachten. Verschiedene Zeitschriftenformate haben ebenso wie verschie- 
dene TV-Formate unverwechselbare Images, die als bildliche Ausdrucksformen für die 
Identität des Formats stehen bzw. stehen sollen. So ist es nicht erstaunlich, daß bereits 
geringfügige Veränderungen des Designs bei solchen Formaten breite Diskussionen 
auslösen, die über ein etabliertes und traditionsreiches Erscheinungsbild verfügen, wie 
z.B. die Wochenzeitschrift »Die Zeit« oder das Magazin »Der Spiegel«. 

168 Zu einer vergleichenden Darstellung dieser Zeitschriften in historischer Perspektive 
vgl. Stein 2003. Zu Imagebildungen von Fernsehformaten, insbesondere privater Pro- 
grammanbieter, vgl. Hesse/Gelzleichter 1993. 

169 Vgl. Luhmann 1996, 173. 

170 »Die Flut der Bilder«, so eine bilanzierende Feststellung Stieglers zu Kracauers Photo- 
theorie, »zerstört die Bilder des Gedächtnisses und ersetzt eine vom Bewußtsein durch- 
drungene Erinnerung durch kontingente Fragmente reiner Äußerlichkeit und bloßer 
Zeitgebundenheit« (Stiegler 2006, 290; vgl. dazu ausführlicher ebd., 289 ff.). 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |93 


die neue Kultur technischer Bilder daher gleichermaßen: Er erkennt sie, insofern er 
die gesteigerte Bedeutung bildhafter Oberflächen als kulturelle und gesellschaftli- 
che Sinnträger diagnostiziert!?! und er verkennt sie, insofern er die Strukturiertheit, 
Eigendynamik und Eigengeschichtlichkeit der neuen Bildkulturen übersieht, indem er 
sie mit der alten Kultur manueller Bilder vergleicht und vor diesem Hintergrund von 
den photographischen Oberflächen als »geschichtslosen Oberflächen« spricht. Denn 
die neue Kommunikation der Bilder verabschiedet sich ja gerade nicht von der Tiefe, 
sondern stellt sich — rezeptiv wie produktiv - in völlig neuer und umfassender Weise 
darauf ein, daß auch die Tiefe der Objekte an den »realistischen« Oberflächen abgele- 
sen werden muß und sie konstituiert soziale Bildobjekte, die eben diesem Sachverhalt 
Rechnung tragen. Die medienverursachten Entfremdungsverhältnisse im Sinne einer 
Herausnahme der Bildkultur aus einer mündlichen Kultur des Deutens (anonymisierte 
Kommunikationsverhältnisse) sind wie gesagt eine wichtige Ausgangskonstellation 
der neuen Bildsprachen, denen u.a. mit einem neuartigen Gedächtnis der Images ent- 
gegengewirkt wird. 

Entscheidend ist es nun zu sehen, daß der gesellschaftliche Bedarf an einer geziel- 
ten Steuerung guter: Erscheinungsbilder weit über das Repertoire dramaturgischer 
Möglichkeiten hinausgeht, die in den Systembereichen Unterhaltung sowie Berichte/ 
Nachrichten entwickelt werden können. Da die Operationsweise des Systems darauf 
eingestellt ist, »stabile Objekte« zu konstruieren, die in den verschiedensten Berei- 
chen der Gesellschaft als Informationshorizont von Kommunikationen, Erlebnissen 
und Handlungen zur Verfügung stehen, !7? liegt es auf der Hand, daß die verschieden- 
sten Sinnanbieter, die ihre Kommunikationen einem größeren Adressatenkreis offe- 
rieren wollen, in dieser Realität der Massenmedien existieren müssen.!73 Das wiede- 
rum hat zur Folge, daß sie ihre Objekte im Rahmen der technischen Bildmedien und 
im Rahmen der Selektivität des Systems der Massenmedien kommunizieren müssen. 
Die Nachfrage kommt vor allem aus der Wirtschaft, denn diese ist unter den Bedin- 
gungen des modernen Industriekapitalismus, d.h. unter den Bedingungen der Massen- 
produktion und des modernen Handels, dazu gezwungen, ihre potentiellen Kunden 


171 In Kracauers bekanntem Aufsatz »Das Ornament der Masse« heißt es: »Der Ort, den 
eine Epoche im Geschichtsprozeß einnimmt, ist aus der Analyse ihrer unscheinbaren 
Oberflächenäußerungen schlagender zu bestimmen als aus den Urteilen der Epoche 
über sich selbst.« (Kracauer 1977, 50) Vordringlich geht es ihm hier jedoch um be- 
stimmte ästhetische Muster wie z.B. denen der Aufführungen der »Tiller girls«, die er 
als Ausdruck einer epochalen Rationalität deutet (vgl. dazu Klein 1999, 97 f.). 

172 Vgl. Luhmann 1996, 177 f. 

173 Selbst Bereiche kultureller Produktion, die die Formung von Sichtbarkeiten nicht an 
Bilder, sondern an soziale Situationen binden, geraten unter den Einfluß der massen- 
medialen Realität der Bilder. So stellt sich beispielsweise das Theater schon im 19. 
Jahrhundert mit einer »Piktoral-Dramaturgie« auf die neuen Bildmedienverhältnisse 
ein (vgl. Leonhardt 2007). 


94 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


auf anonymen, räumlich weit ausgedehnten Märkten anzusprechen, und dies muß sie 
im wesentlichen über Verbreitungsmedien tun, deren Entstehung im Bereich der Bild- 
medien zeitlich in etwa parallel zur Entwicklung der industriellen Massenproduktion 
verläuft.!7* Vor allem die Wirtschaft beschleunigt daher die Ausbildung eines funkti- 
onal spezifizierten Bereichs des Systems der Massenmedien, der sich auf die Kommu- 
nikation von Images spezialisiert. 

Trotz ihrer unübersehbaren Dominanz im Feld der Auftraggeber von Werbung ist 
die Wirtschaft jedoch nur ein Kunde unter anderen. Die These von der Werbung als 
einem Subsystem der Wirtschaft wird hier entsprechend zurückgewiesen.!7’° Denn 
für diese sind ja die Annahmen entscheidend, daß es in der Werbung wie im Wirt- 
schaftssystem um Zahlungen für Leistungen geht, die ihren Grund in Bedürfnissen 
haben und daß sich die Werbung über Preise beobachtet und reguliert.'7° Das pro- 
voziert jedoch die Frage, ob die Tatsache, daß die Werbung auf Märkten gehandelt 
wird, ein Argument ihrer Zuordnung zur Wirtschaft ist. Schließlich werden auch die 
Leistungen anderer Systeme auf Märkten gehandelt – z.B. die der Erziehung, der 
Kunst, des Rechts. Und dennoch ist (auch) in diesen Fällen klar erkennbar, daß sich 
die nachgefragte (käufliche) Leistung am jeweiligen System orientiert und nicht an 
der Leistung der Wirtschaft. So ergibt sich z.B. der Erfolg von Kunstwerken — bei 
aller Definitionsmacht der Käufer (Galerien, Museen, Sammler usw.) — nicht primär 
über die Gesetze des Marktes. Kunst ist vielmehr dann erfolgreich (und zwar auch 
ökonomisch), wenn sie als Kunst erfolgreich ist, d.h. der systemimmanenten Logik 
des Kunstsystems folgt.!77 Vergleichbares gilt für die Leistung von Anwaltskanzlei- 
en, Bildungseinrichtungen oder Werbeagenturen. Der Marktwert letzterer bemißt sich 
(wie der Marktwert ihrer Akteure) in erster Linie an dem von den potentiellen Auftrag- 


174 Zu einer ausführlichen Darstellung dieses Sachverhalts im Blick auf die Geschichte 
der US-amerikanischen Werbung vgl. Beniger 1994, Lears 1994 und Pope 1983. Zu 
einer gegenläufigen These konsumhistorischer Forschungen, nämlich zu der, daß In- 
dustrialisierungsprozesse (auch) als Resultat einer verstärkten (Konsum-)Nachfrage zu 
interpretieren sind, vgl. z.B. Braudel 1973. 

175 Entsprechende Überlegungen finden sich bei Schmidt 1995, 1996, 2000, Schmidt/ 
Spieß 1994, 1996 und Tropp 1997. 

176 Vgl. Schmidt/Spieß 1997, 36 und 43. 

177 Damit ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, daß man in Kunstwerke mit wirt- 
schaftlichen Motiven investieren kann. Auch ist damit nicht bestritten, daß es Bilder 
geben kann, die sich gut verkaufen lassen (z.B. in Kaufhäusern, aber auch im profes- 
sionellen Kunsthandel), obwohl sie ganz außerhalb der »Logik der Sammlung« (vgl. 
Groys 1995) stehen. Anders formuliert: Nicht jedes Bild (bzw. jedes auf Ästhetik fest- 
gelegte Objekt), das einen Käufer findet, ist Kunst. Und auch das Maß des Erfolgs eines 
Kunstwerks am Kunstmarkt ist natürlich keine direkte Übersetzung des Erfolgs eines 
Kunstwerks bzw. eines Künstlers im Kunstsystem. Dennoch bilden sich die Preise für 
Kunstwerke in der Regel im Blick auf die (gegenwärtige oder für die Zukunft erwartete) 
Stellung derselben im Kunstsystem, wie nicht zuletzt der Auktionshandel verdeutlicht. 


2. TECHNISCHE BILDMEDIEN UND DIE ENTWICKLUNG von IMAGE |95 


gebern antizipierten Vermögen, erfolgreich die spezifische, von ihr erwartete Leistung 
(nämlich: Werbung) zu erbringen. Die bis zu der jeweiligen Gegenwart vorliegen- 
den Ergebnisse sind dabei der Ausgangspunkt entsprechender Erwartungen - also die 
konkret vorliegenden Kampagnen und deren (Miß-)Erfolge. Man könnte auch sagen: 
Das Image, das sich eine Agentur in der Image-Arbeit für ihre Kunden erarbeitet, 
bestimmt ihren Preis.!7® Überhaupt können Zahlungen, wenngleich sie eine existenti- 
elle Randbedingung der Werbung darstellen, !7? deren systemspezifische Operations- 
weise nur irritieren. Während z.B. sinkende Absatzzahlen beworbener Konsumgüter 
die Konstruktion anderer Erscheinungsbilder erforderlich machen, mögen Erfolge 
das Konservieren bestehender Images nahelegen. In keinem Fall aber kann die Wer- 
bung auf einen anderen Kommunikationstyp als den noch näher zu bestimmenden der 
Image-Kommunikation ausweichen. Insofern sind die Operationen der Wirtschaft von 
denen der Werbung deutlich getrennt. Ohne Geld können die Werber nicht arbeiten, 
aber der Verlust eines Werbe-Etats kann nur bedeuten, daß man es das nächste Mal 
besser machen muß, und zwar besser im Rahmen der Logik, die die Werbung (und 
nicht die Wirtschaft) vorgibt. Die Zuordnung der Werbung zum Wirtschaftssystem ist 
auch dann nicht ohne weiteres plausibel, wenn man die Beziehung von Produktion 
und Rezeption in den Blick nimmt. Denn die Werbung ist ja für die Adressaten immer 
kostenfrei. Zahlungen sind hier nicht involviert — es sei denn, man geht wiederum 
nur von der Wirtschaftswerbung aus, die auf der Unternehmensseite als Kostenfaktor 
verbucht wird und entsprechend in die Preisbildung eingeht, so daß der Konsument 
(Werbungsrezipient) die Kosten — wenn auch indirekt – bezahlt.!80 

Die Werbung beobachtet sich jedenfalls nur indirekt über Preise — diese sind nur 
sekundärer Ausdruck der Qualität ihrer funktionsspezifischen Leistungen, die als sol- 
che Bemessungsgrundlage der Preisbildung sind. Dennoch wird die Werbung auch 


178 Die Preise von Sendezeit und Anzeigenraum verhalten sich dabei neutral zu diesem 
Sachverhalt — hier gelten dieselben Preise für jeden, der werbend Zeit und Raum in An- 
spruch nehmen will. Diese Preise müssen von den Auftraggebern als Ausgaben (ebenso 
wie die Ausgaben für die Werbungsproduktion) in Beziehung zu möglichen Gewinnen 
gesetzt werden — seien dies Image-Gewinne mit ökonomischen Folgen (bei Verkauf 
von Produkten) oder Image-Gewinne, die Wahlen beeinflussen usw. 

179 Ohne Geld kann eine Werbeagentur ebensowenig arbeiten wie eine Anwaltskanzlei, ein 
Künstler, eine Erziehungseinrichtung, eine Kirche oder ein Staat. 

180 Daß eine wirtschaftliche Bilanzierung von Ausgaben (in Werbung) und Einnahmen 
(durch Werbung) oftmals nicht möglich ist, da Werbewirkungen kaum zuverlässig ge- 
messen werden können und die Werbewirkungsforschung (statt dessen) mit spekula- 
tiven Kausalunterstellungen (vereinfacht gesagt, lautet das Schema: Aufmerksamkeit 
= Akzeptanz = Kauf) arbeitet, stellt z.B. Schmidt fest: »Offenbar setzt sich hier eine 
Argumentation ex negativo durch, die besagt: Auch wenn überhaupt nicht sicher ist, ob 
eine Werbekampagne den gewünschten Erfolg bringt, so ist andererseits doch sicher, 
daß sich nur in Ausnahmefällen Verkaufserfolg ohne Werbung einstellt.« (Schmidt 
1995, 33; vgl. auch Schmidt/Spieß 1997, 38 £.) 


96 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


über Preise beobachtet — insbesondere von denjenigen, die sie bezahlen müssen.'®! In 
den meisten Fällen (aber längst nicht in allen) sind das Wirtschaftsunternehmen, die 
käufliche Produkte auf dem Markt anbieten. Sie geben Geld für Werbung aus, weil 
sie sich durch die Kaufanreize, die die Werbung schaffen soll, Einnahmen verspre- 
сһеп.!82 Im Rahmen einer auf die wirtschaftliche Bedeutung von Werbung einge- 
schränkten Perspektive ist dann auch nachvollziehbar, inwiefern die Beschreibung des 
Werbungswandels im 20. Jahrhundert unter dem Titel »Kommerzialisierung der Kom- 
munikation« (Schmidt/Spieß 1997) gefaßt werden kann — denn dann geht es weniger 
um die Genealogie der modernen Werbung als um die Beschreibung eines Effektes, 
den die Werbung — sozusagen über den Umweg des Wirtschaftssystems — erzeugt. 183 
Die Entwicklungsgeschichte der Werbungskommunikation selbst ist hingegen Thema 
des folgenden Kapitels. 


181 Luhmann sieht in Preisen Beobachtungsinstrumente der Wirtschaft mit der Funktion, 
über Erwartungen zu informieren, die an Zahlungen und deren Höhe geknüpft werden 
bzw. »Programme«, die den Code Zahlen/Nichtzahlen mit Entscheidungskriterien ver- 
sorgen (vgl. dazu ausführlich Luhmann 1983). 

182 Und nur von der Perspektive der Wirtschaft aus formuliert man, wenn man feststellt, daß 
in der Werbung »Kapital zur Vermehrung von Kapital« eingesetzt wird (vgl. Schmidt/ 
Spieß 1997, 36). Man könnte sagen: Die (erhoffte) Erhöhung von Zahlungsbereitschaft 
der Werbungsadressaten über Image-Arbeit ist eine Leistung der Werbung in der Be- 
ziehung zum Wirtschaftssystem. 

183 Zur Darstellung einer Kommerzialisierung der Massenmedien (z.B. im Sinne einer 
zunehmenden Orientierung verschiedenster (auch journalistischer) Formate an poten- 
tiellen Werbeeinnahmen) sowie einer Kommerzialisierung der über die Massenme- 
dien hergestellten Öffentlichkeiten vgl. z.B. Habermas 1985, Weischenberg 1990 und 
Siegert 2001. 


3. De ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER 
WERBUNG: EINE THEORETISCHE UND EMPIRISCH-ANALYTISCHE 
UNTERSUCHUNG 


Einleitung 


Während das alltagskulturelle Phänomen Image bislang nicht zum Gegenstand histo- 
rischer Forschungen wurde,! sind solche Untersuchungen zur Werbung zahlreich und 
reichen bis an das Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Wie Gries u.a. (1995) zu Recht 
feststellen, führen die historischen Arbeiten nicht zu einer allgemeinen Geschichte der 
Werbung, sondern zu Geschichten nach Maßgabe verschiedener Fachwissenschaften, 
Methoden und Themenstellungen, die sich wie folgt systematisieren lassen.? 


a) Werbungsgeschichte als Wirtschaftsgeschichte 

Im Rahmen dieser Perspektive geht es im wesentlichen um eine Rekonstruktion der 
Werbung als ein Bereich der Wirtschaft. Thema ist einerseits die Werbung als ein 
Unternehmen, das selbst von wirtschaftlichen und wirtschaftsbedingenden Metaent- 
wicklungen (Märkten, Produktionsmöglichkeiten usw.) abhängt. Andererseits steht 
die Werbung als eigene Wirtschaftsmacht im Mittelpunkt. Die Geschichte der (moder- 
nen) Werbung erscheint hier hauptsächlich als eine Geschichte ihrer Organisations- 
bildung, d.h. als eine Geschichte des Agenturwesens, der Berufsstandsorganisationen, 
der Werbefachpresse, der Werbeabteilungen in den Unternehmen usw.? In diesem Be- 
reich setzt die Geschichtsschreibung am frühesten ein, und zwar zuerst als eine theo- 
rielose Bestandsaufnahme von Werbungsproduzenten und Werbungsfachleuten.* 


b) Werbegeschichte als Konsum- und Gesellschaftskritik 

Hierzu gehören insbesondere neomarxistische Positionen, die den Wandel der Wer- 
bung als eine Geschichte der Manipulation des Bewußtseins ihrer Adressaten be- 
schreiben. Die (Marx’sche) Analyse kapitalistischer Produktionsweisen bildet dann 


1 Vgl. aber Boorstin 1964. 

2 Die folgenden Punkte a) und b) entsprechen weitgehend einer Darstellung von Gries u.a. 
(vgl. 1995, 4-25), die Punkte c) und d) ergänzen diese Typologie. 

3 Vgl. z.B. Buchli 1962b und Reinhardt 1993. 

4 Vgl. Cronau 1887, Paneth 1926 und Schmiedchen 1953. 


98 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


den theoretischen Bezugsrahmen der Darstellung der Werbung als (Herrschafts-)In- 
strument des modernen Kapitalismus und seiner Machthaber. Typischerweise wird 
die Werbung als Verblendungszusammenhang interpretiert, den diese Theorie »als ge- 
schickt angelegtes Informations- und Täuschungsmanöver mit politischer Disziplinie- 
rungsabsicht zu enttarnen sucht« (Gries u.a. 1995, 11). Wie die jeweiligen Texte zu er- 
kennen geben, handelt es sich dabei um eine kritische Gesellschaftsphilosophie, deren 
makrohistorische Sicht kaum den empirischen Gegenstand selbst und die Systematik 
in den Blick nimmt, mit der die Manipulationen auf der Ebene der inszenierten Sinn- 
strukturen umgesetzt werden — die Werbung selbst bleibt sozusagen außen vor bzw. 
wird sie durch die Bezeichnung als »Ideologie« auf Distanz gehalten. Neben Geigers 
frühem Werk »Kritik der Reklame« (1943; dt. Übersetzung 1987) ist vor allem Haugs 
»Kritik der Warenästhetik« (1971) wirkungsmächtig.° 


c) Werbegeschichte als Geschichte der Konsumgesellschaft 

Vor allem US-amerikanische und englische Studien beschreiben die Entwicklung der 
Werbung als Teilgebiet einer Entwicklung der Konsumgesellschaft bzw. der Konsum- 
kultur (»consumer culture«).® Genealogische Erklärungen dieser Kultur beziehen sich 
u.a. auf die Entwicklung neuer Technologien im Bereich der Güterproduktion, des 
Verkehrs oder der Informationsübermittlung.’ Gerade neue Studien beschreiben die 
Konsumkultur als Prägekraft bestimmter Formen des Verhaltens, Handelns, Erlebens 
und Kommunizierens, die in verschiedene Sphären des Kulturellen diffundieren. Die 
Werbung wird dabei als ein Generator konsumkultureller Muster beschrieben — etwa 
im Bereich der Liebessemantik.® 


d) Werbungsgeschichte als Motiv-Geschichte und Indikator soziokulturellen Wandels 

Untersuchungen zur Geschichte einzelner Motive und Sujets thematisieren die Werbe- 
geschichte als Bestandteil der Alltagskulturgeschichte. Die konkreten Inszenierungen 
und deren Ästhetik fungieren dann als Bezugsrahmen der Interpretation von Werbung 
als Indikator und/oder Generator soziokulturellen Wandels. Diese Orientierung erklärt 
wohl das Interesse vieler Studien für bestimmte Epochen - so z.B. für die Werbung 
während Diktaturen,? Kriegen,!® Wirtschaftswundern!! oder technologischen Um- 


5 Vgl. auch Gheude 1975; vgl. für den angloamerikanischen Sprachraum Ewen 1988; Wer- 
nick 1991. 

6 Vgl. Fraser 1981; Featherstone 1982; McCracken 1992; zu einem Überblick vgl. Jäckel 

2006. 

Vgl. z.B. Roucek 1971; Beniger 1994. 

Vgl. Ilouz 2003. 

Vgl. Wündrich 1992; Westphal 1989. 

Vgl. Adkins/Tawnya 1997. 

Vgl. Kriegeskorte 1992. 


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3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |99 


wälzungen!?. Während Schnierer zufolge die bereits 1857 geäußerte Bemerkung, daß 
Werbung ein »trefflicher Wegweiser zur Kenntnis [...] culturgeschichtlicher Zustände 
und Entwicklungen« sei (Knies 1857, 50, zit. n. Schnierer 1999, 239), einen kontinu- 
ierlich verfolgten Forschungsansatz repräsentiert, sehen Gries u.a. das Verständnis von 
Werbung als Element von Alltagskultur lange Zeit auf Vergleiche zwischen Kunst und 
Werbung verengt,'? bis in den 1960er Jahren die Alltagskultur als eigenständiger Un- 
tersuchungsgegenstand thematisiert wird.!* Inzwischen liegt eine Vielzahl von Studi- 
en vor, die den Zusammenhang von Alltagskultur und Werbung am Wandel einzelner 
Werbesujets bzw. Werbemotive vorführen.'? Die methodischen Vorgehensweisen sind 
dabei äußerst heterogen und reichen von der semiotischen Zeichen- und Symbolana- 
lyse über die klassischen Verfahren der Kunstgeschichte (z.B. Panofskys Ikonogra- 
phie oder Imdahls Ikonologie) und der qualitativen und quantitativen Inhaltsanalyse 
bis hin zur linguistischen Textanalyse. Andere Studien gewinnen einen spezifischen 
Zugriff auf die Beziehung von Werbung und soziokulturellem Wandel, indem sie den 
Zeitgeist einer Zeit und dessen (wie auch immer transformiertes) Vorhandensein bzw. 
Fehlen іп den Werbungsinszenierungen fokussieren.'® 

Diese Typologie der Geschichtsschreibungen von Werbung ist hinsichtlich Sy- 
stematik und Vollständigkeit zweifellos kritisierbar. So lassen sich z.B. viele der 
genannten Studien mehrfach rubrizieren. Insbesondere der Ansatz, Werbung als 
Ausdruck von Alltagskultur zu erklären und zu beschreiben, ist integraler Bestand- 
teil verschiedenster Untersuchungen, während er sich seinerseits der Wirtschafts- 


12 Vgl. Cowan 1976. 

13 Gries u.a. 1995 nennen z.B. Westen 1925, Grosse 1980 und Riepenhausen 1979. 

14 So z.B. Bongards »Fetische des Konsums« (1964), Murken-Altrogges »Werbung, Kunst 
und Coca-Cola« (1977) oder Schivelbuschs »Das Paradies, der Geschmack und die Ver- 
nunft« (1980); vgl. auch. Nowak 1984; Pollay/Gallagher 1990; Rust 1992. 

15 In puncto Themenwahl sind Längsschnittuntersuchungen zur Darstellung der Geschlech- 
ter (vgl. z.B. Brosius/Staab 1990; Bretl/Cantor 1988; Belknap/Wilberg1991; Schmerl 
1992; Laird 1996) bzw. zur Darstellung von Frauen (vgl. z.B. Venkatesan/Losco 1975; 
Denscher 1984; Weisser 1981; Mikos 1988; Fox 1990) und Männern (vgl. z.B. Skelly/ 
Lundstrom 1981; Coltrane/Allan 1994; Zurstiege 1998) wohl am häufigsten. Andere Stu- 
dien rekonstruieren den Wandel der Inszenierung von Kindern (vgl. Alexander 1994), 
Alten (vgl. Ursic/Ursic/Ursic 1986; Kochhahn/Jäckel 2000) oder die Entwicklung der 
Inszenierung spezifischer Produkte (vgl. Schönhammer 1992; Kriegeskorte 1994; De- 
mos/Peterson 1986; Schorman 1996; Burnby 1988). Weiterhin findet man Längsschnitt- 
studien zur Darstellung verschiedener Ethnien (vgl. Brown 1981), zur Beziehung von 
Produkten und Werbedarstellern (vgl. Jhally/Kline/Weiss 1985) oder zum Einfluß der 
angloamerikanischen Kultur auf die Sprache der deutschen Anzeigenwerbung seit den 
1950er Jahren (vgl. Schütte 1996). Zu weniger an spezifischen Motiven als an der Er- 
zählweise und den Inszenierungsformen orientierten Längsschnittuntersuchungen vgl. 
Wehner 1996 und Stark 1992. 

16 Vgl. z.B. Gries u.a. 1995 und Schmidt/Spieß 1997. 


100 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


und Sozialgeschichte bedient. Dieser Überblick zeigt jedoch, daß solche Beiträge 
bislang fehlen, die die Entwicklung der modernen Werbung mit Problemlagen in 
Verbindung bringen, die mit den technischen Bildmedien entstehen. Das in den Ge- 
schichtsschreibungen dominierende Verständnis der Werbung als Überzeugungsar- 
beit, Manipulation, Informationskontrolle oder Verführung weist vielmehr in die 
Richtung eines sehr weit gefaßten Werbens mit einem entsprechend weiten Prob- 
lembezug. Formelhaft kann man diesbezüglich sagen: Das Problem besteht darin, 
daß Menschen nicht prinzipiell von sich aus wollen, was andere als deren Wollen 
wollen.!7 Eben weil die Passung des Wollens zwischen Werbenden und Beworbe- 
nen unwahrscheinlich ist, muß Überzeugungsarbeit und Verführung geleistet wer- 
den. Erreicht werden soll damit, daß der Adressat dann etwas will, was er zuvor 
nicht unbedingt von sich aus wollte. Die Wahl eines Partners, eines Konsumgutes, 
einer Religion oder einer Regierung, so ließe sich überspitzt formulieren, erscheint 
in diesem Licht — zumindest auch - als Resultat erfolgreichen persuasiven Handelns 
und Kommunizierens. 

Vor dem Hintergrund eines solchen, weiten Werbeverständnisses sind Buchtitel 
wie »6000 Jahre Werbung« (Buchli 1962) durchaus berechtigt. Denn es ist nicht von 
der Hand zu weisen, daß die Kulturgeschichte einen materialreichen Fundus von Er- 
eignissen bereithält, auf den sich eine entsprechende Werbetheorie beziehen kann. 
Vom urmenschlichen Werben der Geschlechter über die antike Rhetorik und die Propa- 
ganda der katholischen Gegenreformation bis hin zum gegenwärtigen Issues Manage- 
ment in Wirtschaft und Politik!® findet Werben im Sinne von Überzeugungsarbeit vor 
eben diesem Problemhorizont statt. Auch die hier im folgenden fokussierte, professi- 
onell als Form des Unternehmens organisierte Werbung arbeitet durchaus am Problem 
der Wahrscheinlichkeit der Inkongruenz des Begehrens, Wünschens und Wollens von 
Werbenden und Umworbenen. Für eine Beschreibung und Erklärung der Entstehung 
der offenkundig höchst charakteristischen Eigenwerte der modernen Werbung reicht 
jedoch der Hinweis auf diesen allgemeinen Problembezug nicht aus.!? Dies gilt auch 
für die Überlegung, die moderne Werbung als eine soziale Kontrolltechnik der mo- 


17 Diese Diagnose setzt voraus, daß Macht als Medium der Durchsetzung von Interessen 
nicht zur Verfügung steht. 

18 Vgl. Eisenegger 2005. 

19 Ebensowenig macht die allgemeine Problemlage des Überzeugenmüssens plausibel, 
daß und inwiefern in der modernen Gesellschaft die Ausdifferenzierung der Werbung 
im Sinne eines eigenen Funktionssystems provoziert wird. Wenn Zurstiege die Werbung 
als ein soziales System beschreibt, das seine »operationale Schließung über den binären 
Code »Teilnahmebereitschaft/Teilnahmeverzicht«« (1998, 94) erreicht und dessen Funk- 
tion in der Herstellung der »Motivation von Teilnahmebereitschaft« (ebd., 95) annimmt, 
bleibt jedenfalls unklar, unter welchen historischen Bedingungen das alte Ziel, Akzep- 
tanz/Überzeugung bei jeweils anderen auf verschiedenen Ebenen (des Denkens, Fühlens, 
Verhaltens usw.) herzustellen, zu einem neuen Thema wird. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 101 


dernen Wirtschaft zu interpretieren,? oder sie insofern mit den Massenmedien zu 
verbinden, als mit letzteren Aufmerksamkeit zu einer zunehmend knappen Ressource 
wird, die über professionelle Kommunikationsstrategien erschlossen werden muß.?! 
Gezeigt wird vielmehr, daß und inwiefern die moderne Werbung auf Spezifikationen 
des allgemeinen Problems des Überzeugenmüssens eingestellt ist, die mit den tech- 
nischen Bildmedien und dem System der Massenmedien Einzug in die Gesellschaft 
halten. 


3.1 Zum methodischen Vorgehen 


3.1.1 Theorie und Empirie 


Zunächst kann man von der empirisch fundierten Beobachtung ausgehen, daß die 
zeitgenössische Werbung, bei aller Disparität ihrer Inszenierungsformen und Strate- 
gien, durchgängig von einer bestimmten Bildsprache und einem Thema geprägt ist, 
das in diesem Zuschnitt nur die Werbung charakterisiert. Erkennbar ist das nicht zu- 
letzt daran, daß die Werbung ihre Dienste für Auftraggeber unterschiedlichster Pro- 
venienz (Wirtschaft, Politik, Kirchen, Privatpersonen usw.) anbietet und dennoch in 
allen Fällen spezifische Darstellungs- und Sinnformen hervorbringt, die hochgradig 
miteinander verwandt sind. 

Diese Diagnose wird hier zu der Hypothese von der Werbung als einem Bereich 
des Systems der Massenmedien umformuliert und im Rahmen der Luhmann’schen 
Theorie sozialer Systeme sowie einer empirischen Analyse überprüft. Obwohl die 
Untersuchung von empirischen Sachverhalten ausgeht und durch diese motiviert ist, 
legt sie also einen theoretischen Rahmen zugrunde, der nur sehr bedingt Resultat 
empirischer Analysen sein kann. Denn die Systemtheorie entzieht sich empirisch- 
analytischen Verifikations- bzw. Falsifikationszwängen, denen die Soziologie in- 
sofern ausgesetzt ist, als sie sich »ihrem Wissenschaftskonzept zufolge [...] auf die 
soziale Realität (bezieht), wie sie faktisch vorhanden ist.« (Luhmann 1997, 36) Ge- 
sellschaftstheorie, so Luhmann, kann prinzipiell nicht über eine Analyse von Daten 
(auch nicht über makrosoziologische) abgeleitet werden. Sie ist vielmehr Ergebnis 
einer stark abstrahierenden und generalisierenden Begriffsarbeit, deren Reiz nicht 
darin besteht, in Bezug auf unterschiedliche Gegenstandsbereiche unterschiedliche 


20 Vgl. dazu Beniger 1994. Beniger geht davon aus, daß die industrielle Massenproduktion, 
das moderne Verkehrswesen (Eisenbahn, Automobil) sowie die Informationstechnologi- 
en (Funk, Film, Fernsehen) zusammen die neuen, anonymisierten Märkte der Wirtschaft 
und damit eine Krise der Kontrolle erzeugen, der über die soziale Kontrolltechnik Wer- 
bung entgegengesteuert werden muß. Zu einer ähnlichen Argumentation vgl. Schmidt 
1995, 29 ff. und Schmidt/Spieß 1997, 36. 

21 Vgl. exemplarisch Schmidt/Spieß 1997. 


102 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Klassifikationen einzuführen, sondern darin, »heterogene Sachverhalte mit densel- 
ben Begriffen zu interpretieren und dadurch Vergleichbarkeit von sehr verschiede- 
nen Sachverhalten zu gewährleisten« (ebd., 42). Andererseits setzt (auch) Luhmann 
die Anbindung dieser vergleichenden Begriffsarbeit im Sinne des funktionalen Ver- 
gleichens empirische Tatsachen voraus, ja postuliert sie als unvermeidlich. Sehr 
allgemein kommt das in der Feststellung zum Ausdruck, daß auch die Theorie der 
Gesellschaft innerhalb der Gesellschaft formuliert werden muß.”? Im Blick auf die 
Spezifität der systemtheoretischen Begriffe geht es darüber hinaus um die Annah- 
me einer empirischen Fundierung der Theorie über das (zirkuläre) Argument, daß 
»das methodische Desiderat des funktionalen Vergleichens [...] Eigenarten der mo- 
dernen Gesellschaft (spiegelt)« — und zwar deshalb, weil sich diese »Eigenarten« 
als »Grundstrukturen« in den verschiedenen Funktionsbereichen nachweisen lassen 
(ebd., 43). Die Theoriebildung wird also von Beginn an durch die Beobachtbarkeit 
von (funktionaler) Vergleichbarkeit in verschiedenen Gesellschaftsbereichen ermu- 
tigt bzw. legen bestimmte empirische Phänomene eine bestimmte Theorie oder auch 
bestimmte Argumentationslinien nahe. 

Insofern die Arbeit Begriffe der Systemtheorie zum Einsatz bringt, wendet sie 
die Methode des funktionalen Vergleichens auf die Gegenstände Image und Wer- 
bung an, um zu überprüfen, ob und inwiefern sich in Bezug auf diese vergleichbare 
»Grundstrukturen« rekonstruieren lassen. Die zum Einsatz kommenden Theorie- 
bausteine und begrifflichen Prämissen schränken die Perspektive auf die Untersu- 
chungsgegenstände ein und bestimmen das methodische Vorgehen der Arbeit. So 
führt die Theorie der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien zu der 
Frage, ob sich spezifische Bezugsprobleme beschreiben lassen, die mit der Kommu- 
nikation von Images im Sinne einer problemlösenden Spezialsprache in Beziehung 
stehen und sie steuert die Beschreibung der Werbung in die Richtung der Frage nach 
deren selektiven Mechanismen. Wenngleich die Forderung empirischer Beweisbar- 
keit der Theorie zurückgewiesen werden muß und man in der empirischen For- 
schung kaum den einzig gangbaren Weg für eine zutreffende(re) Beschreibung der 
Realität schen kann,?? sollen die Vorgaben der Theorie hier keineswegs Empiriever- 


22 Die Methodologie der qualitativen Sozialforschung kommt in Bezug auf ihren Gegen- 
standsbereich zu einem ähnlichen Ergebnis, wenn sie feststellt, daß die Möglichkeiten 
des Erkenntnisgewinns soziologischer Analyse zentral an das Wissen, die Erfahrungen 
und die Habitus gebunden sind, die die Forscher in der empirisch vorgefundenen Wirk- 
lichkeit ausbilden. Zu diesem Paradigma der qualitativen Sozialforschung vgl. Willems 
1997, 298-302. 

23 Das Argument, das z.B. Luhmann gegen den latent im Raum der empirischen Wissen- 
schaft Soziologie stehenden Vorwurfeines fehlenden Empiriebezugs seiner Gesellschafts- 
theorie in Stellung bringt, basiert auf der traditionsreichen erkenntnistheoretischen Über- 
legung, daß der empirischen Forschung prinzipiell nicht mehr Realitätsbezug zugebilligt 
werden kann als einer auf abstrakte Begriffe gestützten Theoriearbeit: »Die Ambitionen 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |103 


zicht bedeuten. Die empirisch vorfindbaren Materialien werden vielmehr durchaus 
als nichtbeliebige Widerstände für bzw. gegen die Systemtheorie vorausgesetzt, die 
in der Analyse eine plausible systemtheoretische Darstellung der Werbung und ih- 
rer Entwicklung erlauben oder nicht. Und sie werden als Gegenstände interpretiert, 
anhand derer gezeigt werden kann, ob und inwiefern, d.h. an welchen konkreten 
Merkmalen, sich der strukturelle Wandel der Werbung vollzieht. Die Frage nach der 
Werbung als einem Bereich des Systems der Massenmedien wird daher im Rahmen 
einer empirischen Längsschnittanalyse gestellt. Im Unterschied zu Werbegeschichts- 
schreibungen, die die Historie der Werbung als eine »Mentalitätsgeschichte«* dar- 
stellen, verzichtet die Arbeit jedoch auf die Rekonstruktion des soziokulturellen 
Wandels und eines zeittypischen kollektiven Wissens bzw. derjenigen gesellschaft- 
lichen Kontexte (Politik, Wirtschaft, Kultur usw.), die die Werbungsinszenierungen 
einer Zeit beeinflussen. Obwohl man durchaus von einer starken Publikums- und 
Kulturorientierung der Werbung ausgehen (vgl. 3.3.2) und entsprechend der These 
zustimmen kann, daß in der Werbung ein Indikator gesellschaftlicher Zustände zu 
sehen 181,79 zielt vorliegende Analyse auf eine Beschreibung des Strukturwandels 


der empirischen Forschung wurzeln in einem Vertrauen in das eigene Instrumentarium 
und in der Prämisse (dem »Vorurteil«), daß man mit diesen Mitteln zur Realität kommen 
und nicht nur eigene Konstruktionen validieren könne. Dem könnte man entgegenhalten, 
daß die Koinzidenz von Empirie und Realität ihrerseits empirisch nicht feststellbar ist, 
also erkenntnistheoretisch als zufällig behandelt werden muß.« (Luhmann 1997, 41) 

24 In lockerem Bezug zu Weber (1956), Geiger (1932) und Raulff (Hg., 1987) legen z.B. 
Gries (1995) ihrer Werbegeschichte den Begriff der Mentalität zugrunde. Darunter wer- 
den im wesentlichen »kollektive Vorstellungswelten« (Gries u.a. 1995, 15) mit einem 
spezifischen Zeitcharakter verstanden, deren Wandlungen (in der Lebenswelt wie in der 
Werbung und der Werbungsrezeption) mit einem angemessenen Methodeninventar re- 
konstruiert werden sollen. Die »Alltagsgeschichte« (Lüdtke 1989) des jeweiligen Zeitab- 
schnitts dient entsprechend als Bezugsrahmen der Beschreibung von Werbebildern und 
Werbetexten. Mittels verschiedenster Daten (journalistischer Berichte, Sozialstatistiken, 
politischer Ereignisse, Wirtschaftsdaten, Unternehmer- und Werbeproduzentenportraits, 
Firmengeschichten usw.) und Theorien/Methoden (z.B. der Biographieforschung oder 
des »zeitgeschichtlichen Interviews« (vgl. Niethammer 1985)) wird die Alltagsgeschich- 
te als ein Erfahrungshorizont jedermanns rekonstruiert und analytisch mit Untersuchun- 
gen von Werbeanzeigen und Werbetexten in Zusammenhang gebracht. 

25 Ausgehend von der engen Anbindung der Werbung an die Kultur der Gesellschaft füh- 
ren z.B. Schmidt/Spieß (1997) verschiedenste »Modernisierungstheorien« als Theorien 
sozialen Wandels ein und beziehen deren Zeitdiagnosen (insbesondere die der Theorie 
der sogenannten Postmoderne) auf die Entwicklung der Werbung. Allgemeine Tenden- 
zen der (modernen) Moderne wie »Traditionsvernichtung und Kontingenzerweiterung«, 
»Umschalten von Identität auf Differenz«, »Depotenzierung aller universalistischer An- 
sprüche auf Wahrheit«, »Popularisierung«, »Erosion sozialer Schichtung« u.a. (vgl. ebd., 
85 f.) werden dann als Strukturbeschreibungen des gesellschaftlichen Wandels markiert 


104 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


der Werbungskommunikationen selbst. Sie konzentriert sich methodisch auf die- 
ses Ziel, indem sie die Organisations- und Unternehmensform ebenso ausblendet 
wie die professionellen Handlungsrollen und die Umwelt der Werbung. Auch auf 
einen durchaus möglichen und instruktiven Vergleich der Wertewandel diesseits 
und jenseits der Werbung wird verzichte 26 Im Zentrum steht vielmehr die Frage, 
ob und inwiefern man die Ausdifferenzierung einer bestimmten Operationsweise 
empirisch-analytisch dechiffrieren kann, die den Zugriff der Werbung auf ihre ge- 
sellschaftliche Umwelt vorstrukturiert, und inwiefern sich dies auf der Ebene des 
kommunikativen Outputs der Werbung, also auf der Ebene dessen, was als Werbung 
gedruckt, gesendet oder gefunkt wird, zeigen läßt. 


3.1.2 Datenbasis 


Bei der Auswahl der Daten war im Blick auf die Hypothese, daß sich mit der Ein- 
führung der technischen Bildmedien und der Entfaltung einer visuellen Realität der 
Massenmedien ein neuer Typus der Werbung konstituiert, die Gewährleistung der 
Beobachtbarkeit einer längerfristigen Entwicklung zentral. Die Ermittlung eines hin- 
reichend weit zurückgehenden Zeitabschnitts erfolgte zum einen über die Literatur 
zur Geschichte der Werbung und des Zeitschriftenwesens: Die meisten Autoren mar- 
kieren das Ende des 19. Jahrhunderts als Gründerzeit der modernen Werbung, womit 
neben ihrer Formierung als Organisation und wirtschaftliches Unternehmen eine zu- 
nehmende Elaboriertheit ihrer Inszenierungen gemeint 15.27 Zum anderen bestätigte 
eine stichprobenartige Durchsicht verschiedener Zeitschriften aus der zweiten Hälfte 
des 19. Jahrhunderts, daß die hauptsächlich textbasierten (Klein-)Anzeigen bis etwa 
1900 in Sachen Stilistik und Themenwahl noch stark in der Tradition der seit dem 17. 
Jahrhundert in Frankreich eingesetzten Zeitungsinserate des Kleinhandels ѕќеһеп.28 


und mit Entwicklungen in der Werbungssemantik in Beziehung gesetzt. Ähnlich wie 
Gries u.a. (1995) skizzieren Schmidt/Spieß im Anschluß an diese Theoriediskussion, die 
sich ihrer Ansicht nach »weitestgehend auf der Ebene von Kulturen bzw. mentalitätstheo- 
retischen Überlegungen abspielt« (ebd.), im empirischen Teil ihrer Analyse für jeden 
Dekadenschritt ihrer Geschichtsgliederung verschiedenste »gesellschaftliche Kontexte« 
— politische, wirtschaftliche wie kulturelle Ereignisse — und ordnen diesen Beschreibun- 
gen solche Werbungen zu, die ihrer Ansicht nach für die jeweilige Zeit (und damit für die 
Werbung dieser Zeit) symptomatischen Charakter besitzen und darüber hinaus Entwick- 
lungstendenzen erkennbar machen. 

26 Zu einer solchen, vorwiegend an den »klassischen< Wertewandel-Studien von Inglehart 
(1977) und Klages (1988) orientierten Untersuchung vgl. Bau 1995. 

27 Ур]. u.a. Borscheid/Wischermann 1995; Homburg 1991; Nimmergut 1966. Zur Entwick- 
lung des Zeitschriftenwesens vgl. Kirchner 1962. 

28 Diese Auffassung teilt auch Homburg (1991) für den Zeitraum 1750-1850 im Blick auf 
die »Leipziger Шиѕігіегіе«. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |105 


Entsprechend ist festzustellen, daß sich ein bildbasierter Werbungstyp in Ablösung 
von traditionellen Formen der (Text-)Rhetorik erst um 1900 systematisch zu entwi- 
ckeln beginnt.” 

Diese Sachverhalte führten zu der Entscheidung, Daten ab 1900 zu erheben. Da 
Zeitungen und Zeitschriften in dieser Zeit als die wichtigsten Trägermedien der über 
Verbreitungsmedien kommunizierten Werbung fungieren, war die Auswahl der Un- 
tersuchungseinheit »Illustrierte« mehr oder weniger alternativlos. Die Nichtberück- 
sichtigung des seit etwa den 1920er Jahren für Werbezwecke genutzten Verbreitungs- 
mediums Film hat zum einen praktische Gründe: Aufzeichnungen sind in größeren, 
chronologisch abfolgenden Stückzahlen, die z.B. die Rekonstruktion einzelner Wer- 
bungskampagnen erlauben würde, kaum zu beschaffen. Zum anderen wurde in der 
Erhebung weiterer Datentypen keine unverzichtbare methodische Notwendigkeit ge- 
sehen: Zwar ist unstrittig, daß die bewegten Bilder des Films (und später die des Fern- 
sehens) andere strukturelle Voraussetzungen für die Werbung auf der Ebene der Dar- 
stellungsmöglichkeiten mit sich bringen und die Einschränkung der Stichprobe auf 
Zeitschriften folglich eine Einschränkung dessen bedeutet, was empirisch-analytisch 
herausgefunden werden kann 20 Da die Zeitung und die Zeitschrift bis in die 1950er 
Jahre die Leitmedien der massenmedialen Populärkultur sind, kann man jedoch an- 
nehmen, daß der funktionale Wandel auch und gerade mit diesen Medien vollzogen 
wird und eine Analyse stiller (Werbe-)Bilder hinreichend deutlich machen kann, daß 
und inwiefern die Umstellung der Werbung auf Bildkommunikation einen substan- 
tiellen Wandel der Werbung und ihrer Funktionen bedeutet. Diese Vermutung wird 
nicht zuletzt durch die Beobachtung der späteren Werbeentwicklung sowie durch die 
Gegenwartsperspektive gestützt. Denn die große Ähnlichkeit von Darstellungsformen 
und Themen in der Printwerbung einerseits und Film- bzw. Fernsehwerbung anderer- 
seits ist kaum zu übersehen. 

Die Festlegung der Erhebung auf eine Untersuchungseinheit (Zeitschrift) gewähr- 
leistet zudem eine Vergleichbarkeit der Materialien, die im Falle der Erfassung hetero- 
gener Datentypen über eine systematische Unterscheidung von Mediengattungen (Print, 


29 Bildförmige Gestaltungselemente (Embleme, Signets, Illustrationen) kommen in den 
Anzeigen um 1900 (und vorher) zwar vor, bleiben aber nicht nur quantitativ eine Aus- 
nahme, sondern entsprechen auch als Bilder/Inszenierungen qualitativ/funktional nicht 
ihren Nachläufern (vgl. dazu ausführlich 3.2). Photographien spielen in der Werbung erst 
in den 1920er Jahren eine gewisse Rolle. Dies gilt selbst für die »Berliner Illustrierte«, 
die für eine der innovativsten Bildmagazine ihrer Zeit gehalten wird. 

30 Dies gilt um so mehr, als Film und Fernsehen audiovisuelle Medien darstellen, die Bil- 
der mit Geräuschen, Musik und gesprochener Sprache kombinierbar machen. Auch die 
sequentielle, Zeit verbrauchende Struktur bewegter Bilder führt, im Verbund mit spezi- 
fischen Bearbeitungsmöglichkeiten (genannt werden in der Regel als wichtigste Instru- 
mente: Einstellung, Schwenk, Fahrt, Überblendung, Montage), weit über die Möglich- 
keiten stiller Bilder hinaus. 


106 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


TV, Fernsehen) erst hätte hergestellt werden müssen. Insofern steigert die Homogenität 
der Untersuchungseinheit die Validität der Beschreibung des Wandels von Darstellungs- 
formen und -inhalten ebenso wie die Zuordnungsmöglichkeiten einzelner Stufen dieses 
Wandels zu der These der funktionalen Ausdifferenzierung der Werbung. 

Neben dem historischen Zeitabschnitt und dem Datentyp ist die Auswahl des kon- 
kreten Zeitschriftentitels methodisch folgenreich. Da sich das Forschungsinteresse nicht 
auf die Entwicklung einzelner Themen und Motive richtet, sondern auf die der Werbung 
im allgemeinen, lag es nahe, eine Zeitschrift mit einer möglichst breiten Zielgruppe aus- 
zuwählen.?! Daher wurde die zwischen 1892 und 1945 erschienene Unterhaltungszeit- 
schrift »Berliner Illustri(e)rte Zeitung«°? (im folgenden abgekürzt mit »BIZ«) gewählt. 
Diese Zeitschrift war »weltanschaulich und politisch neutral« (Kirchner 1962, 357), 
erschien in sehr hoher Auflage,’ erreichte aufgrund ihres geringen Preises unterschied- 
lichste Käufergruppen und enthielt deutlich mehr Werbung als das ebenfalls populäre 
Konkurrenzunternehmen »Die Woche« (1899-1942) und damit mehr Werbung als jede 
andere deutschsprachige Illustrierte dieser Zeit 27 Ausschlaggebend war weiterhin, daß 
die BIZ als eine der ersten Zeitschriften Photographien zum Einsatz brachte. Dies läßt 
— zusammen mit dem Sachverhalt, daß die BIZ eine populäre Unterhaltungszeitschrift 
war — vermuten, daß die hierin enthaltene Werbung nicht hinter dem Entwicklungsstand 
der Reklame in anderen Druckformaten zurücklag, so daß die diagnostizierten Entwick- 
lungsstufen in ihrer Zuordnung zu einem bestimmten Zeitabschnitt über die Datenbasis 
hinaus verallgemeinernd interpretiert werden können. 


31 Zum Vergleich: Würde man danach fragen, inwiefern die Behandlung bestimmter Ein- 
zelthemen diachron variiert (z.B. die Darstellung der Geschlechter), Könnte sich gege- 
benenfalls die Auswahl einer zielgruppenspezifischeren Zeitschrift als sinnvoll erweisen 
(z.B. einer Zeitschrift mit einer vorwiegend männlichen/weiblichen Leserschaft). Dem 
ist wiederum hinzuzufügen, daß die Medienlandschaft in der hier besonders berücksich- 
tigten ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ohnehin weit weniger publikumsdifferenziert ist 
als in den späteren Jahrzehnten. 

32 Vorliegende Arbeit verwendet durchgehend die inzwischen übliche Schreibweise »Illust- 
rierte<. 

33 Zu ihren besten Zeiten erreichte sie eine Auflagenhöhe von etwa zwei Millionen Exemp- 
laren (vgl. Freund 1979, 124). 

34 Vgl. ebd., 357 f. 

35 Wie bereits erwähnt, stand bei der Konzeption der gesamten Zeitschrift das Erschei- 
nungsbild sehr stark im Vordergrund. Diesbezüglich setzte die BIZ fraglos Maßstäbe 
für die Konkurrenz. Es ist daher kein Zufall, daß der 1935 in die USA emigrierte Chef- 
redakteur Kurt Korff Mentor des ersten Redaktionsstabes der ersten großen und lange 
Zeit weltweit wirkungsmächtigsten Illustrierten »Life« wurde (vgl. Stein 2003, 137; zur 
Geschichte des früh einsetzenden und international stilbildenden deutschen Bildjourna- 
lismus, der gerade auch mit der BIZ ein Forum hatte, vgl. Gidal 1972). Zu der Geschich- 
te illustrierter Zeitungen und Journale im 19. Jahrhundert vgl. exemplarisch Leonhardt 
2007, 99-104. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |107 


Vor dem Hintergrund vergleichbarer Überlegungen wurde für die Zeit nach dem 
Zweiten Weltkrieg die Zeitschrift »Stern« (im folgenden abgekürzt mit »ST«) von 
1949 (dem Jahr ihres ersten Erscheinens) bis 1970 erhoben. Vergleichbar mit der BIZ 
handelt es sich bei dieser Zeitschrift um ein auflagenstarkes Unterhaltungsformat mit 
breiter Zielgruppenausrichtung und einem hohen Werbungsanteil.’® 

Die Durchsicht einiger Jahrgänge der BIZ vor der Erhebung verdeutlichte, daß sich 
die Variationsbreite von Werbungsthemen und -stilen innerhalb kurzer Zeitabstände 
in engen Grenzen hält. Insbesondere in den ersten Jahrzehnten des Untersuchungs- 
abschnitts ist das Themen- und Inszenierungsspektrum stark eingeschränkt, ja selbst 
völlig redundante Anzeigen werden über mehrere Jahre gedruckt. Die Einschränkung 
der Zähleinheit auf ein Heft pro Jahrgang schien daher ohne substantielle Informa- 
tionsverluste durchführbar zu sein. Auch im Falle der Zeitschrift »Stern« schien die 
Erhebung eines Heftes pro Jahrgang für die Beantwortung der Untersuchungsfragen 
zu genügen, die nicht auf eine mehr oder weniger vollständige Katalogisierung von 
Themen, Stilen usw., sondern auf die Beschreibung grundlegender Entwicklungsmus- 
ter der Werbung abzielen. Um die jahreszyklische Themenorientierung, die auch in 
der Werbung eine Rolle spielt (Jahreszeiten, Festtage usw.) nicht in unangemessener 
Weise in den Vordergrund treten zu lassen, wurde in der Jahrgangsabfolge die Wahl 
des jeweiligen Heftes um einen Monat verschoben, wobei die erste erfaßte Zeitschrift 
über den Archivbestand festgelegt wurde.?7 

Um aktuellere Entwicklungen verfolgen und zu den vorausliegenden in Bezie- 
hung setzen zu können, wurde für die Zeit von 1970 bis 2001 ein bereits bestehendes 
Archiv von Werbungsanzeigen genutzt.?® Erhoben wurden hier die mindestens halb- 


36 Der »Stern« ist zumindest von 1949 bis 1995 das auflagenstärkste Magazin in der BRD 
(vgl. Wehner 1996, 23). 

37 Im Falle der »Berliner Illustrierten Zeitung« (BIZ) handelt es sich um die Ausgabe Nr. 
27 (Jg. УШ) vom 2. Juli 1899, im Falle des »Stern« um das Heft Nr. 49 (Jg. II) vom 4. 
Dezember 1949. Von der BIZ fehlen in der Grundgesamtheit folgende Jahrgänge: 1900, 
1903, 1908, 1910-1913, 1921-1925, 1932, 1939, 1940. Diese Unvollständigkeit ergibt 
sich durch die lückenhaften Bestände des Archivs. Da die Bereichsbibliothek Publizis- 
tik der FU Berlin bundesweit als einzige Bibliothek über eine größere, frei zugängliche 
und photographisch reproduzierbare Sammlung der BIZ verfügt, war die Auswahl des 
Archivs alternativlos bzw. hätte die Komplettierung des Datensatzes einen erheblichen 
Zeit- und Kostenmehraufwand bedeutet, der — so die Auswertung der erhobenen Daten 
— keine relevante Änderung der Untersuchungsergebnisse erwarten ließ. Da die Zahl 
der Anzeigen in der BIZ wie deren Gesamtumfang in den Jahren 1942-1944 deutlich 
abnimmt, wurden für diese Jahrgänge jeweils zwei Ausgaben erhoben. 

38 Dieses Archiv wurde für das von der DFG geförderte Forschungsprojekt »Theatralität der 
Werbung« angelegt. Letzteres stützt sich auch auf eine umfangreiche Spot-Sammlung. 
Neben einem Videoband des DFG-Forschungsbereichs 240 »Ästhetik — Pragmatik — Ge- 
schichte der Bildschirmmedien« mit Spots aus den Jahren 1985-1995 gehören hierzu vor 
allem die Daten einer Querschnitterhebung der Sender ARD und ZDF (jeweils 17:00- 


108 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


seitigen Anzeigen jeweils eines Heftes eines Jahres der Zeitschriften »Brigitte« und 
»Stern« sowie, in Ergänzung dieses Bestandes für vorliegende Untersuchung, die An- 
zeigen von jeweils vier Ausgaben pro Jahr der Zeitschriften »Stern«, »Brigitte« und 
»Max« aus dem Zeitraum von 2001 bis 2007. 

Diese Überlegungen verdeutlichen, daß die Erhebung nicht am (fiktiven) Anfang 
der Forschungsarbeit steht, sondern selbst schon Resultat zahlreicher analytischer 
Überlegungen ist. Sie ist, mit der grounded theory formuliert, ein »theoretical sam- 
pling« im Sinne eines Verfahrens, »bei dem sich der Forscher auf einer analytischen 
Basis entscheidet, welche Daten als nächstes zu erheben sind und wo er diese finden 
kann«. (Strauss 1991, 70) Zu betonen ist in jedem Fall, daß die verwendete Daten- 
basis nicht in einer repräsentativen Beziehung zum Untersuchungsgegenstand steht. 
Dies gilt insbesondere für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der eine enor- 
me Diversifizierung von Themen und Darstellungsformen in Abhängigkeit zu den 
adressierten Publika einsetzt. So führt die Fokussierung auf bestimmte allgemeine 
Publikumsmedien zu einem spezifischen Spektrum von Imagekomplexen (vgl. 3.4.1 - 
3.4.10), das sich in Bezug auf andere Formate erheblich erweitern ließe. Nicht zuletzt 
sind die Materialien insofern nicht repräsentativ, als mit ihnen fast ausnahmslos Wirt- 
schaftswerbungen in den Blick kommen, also solche Werbungen, die sich auf einen 
bestimmten Objekttyp beziehen.?? Das ist um so mehr ein Defizit der Untersuchungs- 
einheit, als sich die Darstellung der Werbung als eine »themenorientierte Spezialspra- 
che« (Luhmann) in Bezug auf die Analyse der Reklame für verschiedenste Objekte 
besser entfalten ließe. Andererseits bietet diese Einschränkung wiederum eine Ver- 
gleichbarkeit, die bei heterogenen Gegenständen nicht unmittelbar gegeben wäre. Da 
die beworbenen Produktarten fast ausnahmslos — und zwar seit 1900 (!) — bis in die 
Gegenwart vorkommen, kann in weitgehender Unabhängigkeit zum Gegenstandstyp 
gezeigt werden, daß und inwiefern sich die Werbung als ein auf Image-Kommunika- 
tion spezialisierter Bereich der Massenmedien ausdifferenziert, denn die weitgehende 
sachliche Invarianz der Objekte verdeutlicht um so mehr, daß diese Objekte selbst 
(ihre Eigenschaften und deren Wandel) kaum als Erklärung für den Werbungswandel 
fungieren können. Obwohl die Analyse sicherlich von einer Datenerhebung über 


20:00 Uhr) sowie SAT 1, RTL und PRO 7 (jeweils 19:00-23:00 Uhr) in der Zeit vom 09. 
bis 16.11. 1996 (insgesamt 1466 Spots). 

39 Daß die vorliegende Arbeit Werbungen für andere Objekte (politische Parteien, Institu- 
tionen, Vereine usw.) nicht in die Untersuchung einbeziehen kann, liegt daran, daß die 
Wirtschaft (insbesondere bis in die 1950er Jahre) als Hauptauftraggeber von Werbung 
fungierte und sowohl in der »Berliner Illustrierten Zeitung« als auch im »Stern« fast 
ausnahmslos Konsumgüterwerbungen zu sehen sind. 

40 Kontinuierlich häufig beworbene Produkte sind z.B. Körperpflege- und Kosmetikartikel, 
Backzutaten, Autos, Waschmittel, Taschen, Getränke, Nahrungsmittel, Zigaretten oder 
Medikamente. Aber auch viele andere Produkte kommen, haben sie erst einmal das Licht 
der Reklamewelt erblickt, im gesamten Untersuchungszeitraum vor. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |109 


die Wirtschaftswerbung hinaus profitiert hätte, kann man zudem mit guten Gründen 
annehmen, daß hiervon die Tragfähigkeit der These von Image als einem symbolisch 
generalisierten Kommunikationsmedium der Werbung nicht abhängt: Gerade dann 
nämlich, wenn die Werbung für politische Parteien, für Kirchen, Non-Profit-Organi- 
sationen usw. wirbt, wird deutlich, daß die Werbung auf die Funktion eingestellt ist, 
bestimmte Images für die jeweiligen Objekte zu erzeugen, wie sich insbesondere an 
den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zeigt. 


3.1.3 Qualitative Analyse 


Das Vorgehen der empirischen Analyse orientiert sich bis zu einer bestimmten Gren- 
ze an der von Glaser und Strauss sogenannten und von diesen geprägten »grounded 
theory«.*! Die Grenze zu dieser Form qualitativer Sozialforschung wird dann gezo- 
gen, wenn es darum geht, die Ergebnisse der Analyse in einen systemtheoretischen 
Rahmen zu integrieren. Denn obwohl selbst in der grounded theory die Einbezugnah- 
me bereits existierender Theorien in die jeweilige Untersuchung durchaus für legi- 
tim erklärt wird und obwohl eine wesentliche Grundannahme die ist, daß Deduktion, 
Induktion und Verifikation ineinandergreifende Vorgänge darstellen, die in ihrer zir- 
kulären Beziehung den ganzen Forschungsprozeß begleiten,*? besteht eine zentrale 
methodische Leitlinie der gegründeten Theorie darin, begriffliche Generalisierungen 
bis hin zur Konstruktion der von ihr sogenannten »formalen Theorien« in möglichst 
direkter Ableitung aus der Analyse der Materialien gewinnen zu wollen.* 

Insofern die vorliegende Arbeit die Ergebnisse der empirischen Analyse in eine 
formale Theorie integriert, die nicht aus dieser Analyse entwickelt wird, folgt sie also 
nicht bzw. nur in einer sehr unorthodoxen Weise den methodischen Vorgaben der 
grounded theory.** Daß aber innerhalb des Rahmens der empirischen Analyse den- 
noch zentrale methodische Empfehlungen der grounded theory übernommen werden 


41 Vgl. z.B. Glaser/Strauss 1967; Schatzman/Strauss 1973; Strauss 1987; 1991. 

42 Vgl. Strauss 1991, 37 ff. 

43 Vgl. Strauss 1991, 303-313. 

44 Andererseits gilt auch: Je genauer man wissen will, inwiefern in der Systemtheorie einer- 
seits und in der grounded theory andererseits die »Gegründetheit« in Daten als unverzicht- 
bare Legimitationsbasis der Theoriebildung angesehen wird, desto schwerer fällt es, den 
diesbezüglichen Unterschied kategorial zu erfassen. Während Luhmann das Schreiben 
über die Gesellschaft nicht nur als empirisch informiertes Schreiben in der Gesellschaft 
voraussetzt (vgl. z.B. Luhmann 1997, 43), sondern die Theorie auch durch Bezüge zu 
empirischen Materialien belegt, (man denke nur an das umfangreiche Forschungspro- 
gramm zur »gepflegten Semantik«), gehen Strauss u.a. davon aus, daß auch grounded 
theory nur möglich ist durch die Berücksichtigung von Kontexten, Sinnstrukturen und 
Wissensformen (z.B. theoretisches Vorwissen), die nicht in den Daten selbst enthalten 
sind (vgl. Strauss 1991, 29). 


110 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


können, liegt daran, daß die Leitfrage nach Image als einem symbolisch generalisier- 
ten Kommunikationsmedium der Werbung bzw. nach einer »Leitunterscheidung« und 
nach »Programmen« der Image-Kommunikation so weit gefaßt ist, daß eine Methode, 
die ihre Generalisierungen bis zum Ende des Forschungsprozesses in enger Anbin- 
dung an die erhobenen Daten vornimmt, nicht nur ermöglicht wird, sondern daß sie 
geradezu erforderlich ist. Über eine Vorab-Differenzierung spezifischer Hypothesen 
und eine darauf bezogene Operationalisierung von Variablen, d.h. über die Entwick- 
lung eines Kategoriensystems, auf das dann die Daten analytisch bezogen werden 
(wie z.B. in der quantitativen Inhaltsanalyse), ließe sich die allgemeine Beschreibung 
des Werbungswandels und ihrer strukturellen Inszenierungsgrammatik jedenfalls 
kaum erfassen. Die grounded theory eignet sich hier auch deshalb, weil sie trotz bzw. 
mit ihrer Datenorientierung keineswegs auf stärker abstrahierende Begriffsbildung 
verzichten will. Indem sie nach »Grundproblemen« fragt und den Forschungsprozeß 
(die Theoriebildung) von Anfang an an der Suche, Beschreibung und Definition einer 
»Schlüsselkategorie« ausrichtet, »die alle übrigen Kategorien am ehesten zusammen- 
hält (miteinander verknüpft)« (Strauss 1991, 45), sind ihre Perspektiven und die da- 
mit zusammenhängenden analytischen Vorgehensweisen durchaus kompatibel mit der 
systemtheoretischen Frage nach Bezugsproblemen und nach (funktionalen) Lösungs- 
mechanismen bestimmter Kommunikationstypen wie den symbolisch generalisierten 
Kommunikationsmedien bzw. kompatibel mit der Frage nach allgemeinen Prinzipien, 
die die Sinn(re)konstruktionen der Werbung kennzeichnen. 

In ihrem konkreten Vorgehen folgt die empirische Analyse dem Paradigma der 
grounded theory zunächst ganz allgemein über die Annahme, daß Methoden nur 
sehr bedingt methodisierbar sind und strenge Regeln die Forschungsarbeit eher be- 
hindern, als daß sie ihr dienlich sind. Strauss zufolge ist die grounded theory weni- 


45 Strauss empfiehlt entsprechend für den Prozeß des am Anfang stehenden »offenen Co- 

dierens« Fragestellungen wie Folgende: »Was geschieht eigentlich in den Daten? Was ist 
das Grundproblem (Probleme), mit dem die Akteure konfrontiert sind? Wie läßt sich ihr 
Grundproblem (Probleme) erklären?« (1991, 61) 
In der grounded theory steht also vor der Analyse schon fest, daß die Beschreibung einer 
»Schlüsselkategorie« immanenter Bestandteil des Forschungsprogramms sein wird bzw. 
gehört die Suche nach einer solchen Kategorie zu dem fixierten Methodenschema, wenn- 
gleich dieser folgenreiche Sachverhalt kaum unter methodologischen Gesichtspunkten 
thematisiert wird. Wenn z.B. Strauss in seinem Lehrbuch zur grounded theory (1991) im- 
mer wieder darauf hinweist, daß sich das empfohlene Forschungsschema nicht schema- 
tisch anwenden läßt, bleibt die immanente Teleologie der abstrahierten Forschungspha- 
sen (in der zu wiederholenden Sequenz: Datenerhebung, Codieren, Schlüsselkategorien, 
theoretical sampling) unthematisiert. Auch in Bezug auf das Konzept der Schlüsselkate- 
gorie wird also sichtbar, daß sich die konkreten Resultate der Anwendung von grounded 
theory nicht nur dem Umgang mit dem Material, sondern ebenfalls theoretischen Prämis- 
sen verdanken, mit denen das Material analysiert wird. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 111 


ger eine Methode im Sinne einer standardisierten Technik als vielmehr ein »Stil«.*° 
Zu diesem Stil gehört die Anpassung der gewählten Methode an die jeweilige Fra- 
gestellung ebenso wie an den Fortgang der Analyse oder die jeweiligen Untersu- 
chungsgegenstände. Letzteres ist hier um so relevanter, als es sich bei den analysier- 
ten Daten vorwiegend um Bilder?! handelt, die grounded theory aber in erster Linie 
auf die Untersuchung von Interaktionsprozessen abzielt.*® Da im vorliegenden Fall 
die Daten bereits als fixierter Text (Bilder) vorliegen, kann im Unterschied zur Ana- 
lyse flüchtiger sozialer Prozesse, wie etwa der Interaktion unter Anwesenden, z.B. 
eine naturalistische Beschreibung dessen, was der Fall ist bzw. der Fall war — z.B. 
zu Erinnerungszwecken für die weitere Forschungsarbeit — entfallen. Um so mehr 
kommt es aber darauf an, die in den Werbungstexten bereits stark strukturierten 
und generalisierten Informationen durch eine mehrfache (Bild-)Betrachtung aufzu- 
schlüsseln und dabei die Besonderheiten dieses Datentyps zu berücksichtigen: Da 
Werbungsbilder durchgehend und durchgehend stark auf ein visuelles Alltagswis- 
sen gründen (müssen), spielt hier die in der qualitativen Sozialforschung oft geäu- 
Berte Überlegung eine besondere Rolle, daß die Interpretation von Daten in hohem 


46 Vgl. Strauss 1991, 30 ff. 

47 In der Soziologie werden Bilder erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit systematisch als 
Daten herangezogen und spielen insgesamt immer noch eher eine Nebenrolle — im Unter- 
schied z.B. zur Anthropologie und Ethnologie, die sich der Photographie und des Films 
schon lange bedienen (vgl. u.a. die klassische Studie von Bateson/Mead 1942). Photos 
und Filme werden in diesen Disziplinen nicht nur als vorgefundene (Kultur-)Objekte 
analysiert, sondern auch als Aufzeichnungs- und Speichermedien von (Feld-)Daten ge- 
nutzt (zu einem Überblick vgl. Ball/Smith 1992; Petermann 2000; Pink 2001). Auch die 
Semiotik macht Bilder schon seit langem zum Forschungsgegenstand und nimmt bereits 
mit ihren Klassikern (Barthes, Eco) seit den 1950er Jahren gerade auch Werbebilder in 
den Blick (vgl. Nöth 2000, 508-511). Die Ethnomethodologie (z.B. Jalbert (Hg.) 1999), 
die Inhaltsanalyse (z.B. Bell 2001), die objektive Hermeneutik (z.B. Englisch 1991) und 
die struktural-hermeneutische Symbolanalyse (z.B. Müller-Doohm 2000) beziehen den 
Gegenstandsbereich des Visuellen ebenfalls seit längerem in ihre Methoden/Methodolo- 
gien ein. Für die Soziologie spielte Goffman eine Pionierrolle. Nicht daß er der erste war, 
der sich soziologisch mit Bildern befaßt hat (vgl. Wagner (Hg.) 1979; Ball/Smith 1992; 
Harper 2000; Denzin 2000). Aber er war insofern ein Vorreiter, als er seine Bildanalyse 
im Rahmen einer angemessenen Theorie praktizierte und zugleich sowohl empirisch- 
systematisch als auch methodisch selbstreflektiert vorging (vgl. Goffman 1981). 

48 Vgl. dazu das »Kodierparadigma« von Strauss (1991, 56 f.), das als Bezugsrahmen der 
Bildung und Systematisierung von Kategorien die »Bedingungen der Interaktion zwi- 
schen den Akteuren/den Strategien und den Taktiken/den Konsequenzen« wählt. Das 
Vorhandensein einer zu analysierenden sozialen Situation wird also vorausgesetzt, wenn- 
gleich der Analyse schriftbasierter Texte eine große Bedeutung beigemessen wird. Auch 
Krotz setzt in seiner Einführung in die grounded theory Befragungen (und nicht Bilder) 
als zu erhebende Daten voraus (vgl. 2005, 151-246). 


112 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Maße an die »Kunst«, und d.h. an den Habitus des Forschers, gebunden 151.49 Letz- 
terer wird systematisch genutzt, da die Analyse der Anzeigen nicht zuletzt auf die 
Rekonstruktion jedermanns visuellen Habitus abzielt, d.h. auf das »unermeßliche 
soziologische Wissen unseres Auges und auf den erstaunlichen Konsensus [...], der 
zwischen den Betrachtern (der Bilder, Y.K.) herrscht« (Goffman 1981, 108). Diesen 
Konsensus unterstellend, werden hier im Unterschied beispielsweise zum Analy- 
severfahren der objektiven Hermeneutik die jeweiligen Interpretationen nicht vor 
dem Hintergrund aller denkbaren Alternativdeutungen begründet. Vor allem dann, 
wenn kosmologisches, habituell verankertes Basiswissen als Rahmen der Verste- 
hensanweisung der jeweiligen Inszenierung (auf der Seite der Produzenten wie der 
Rezipienten) angenommen werden kann, setzt die Darstellung der Analyseergebnis- 
se die Plausibilität der Interpretation voraus, so daß auf eine Herleitung derselben 
über Hinweise auf einzelne Zeichen und Symbole verzichtet wird. Dieser Verzicht 
ist letztlich unerläßlich, weil sich die Typisierung einer Vielzahl von Anzeigen nicht 
mit dem Anspruch auf vollständige Beschreibungen und Erklärungen herstellen 
läßt. Reflexionen wie z.B. diejenige, daß die in einem Bild gezeigte Konstellation 
»Mann, Frau, Kind« nicht notwendigerweise als Darstellung eines (Ehe-)Paares mit 
ihrem: Kind gedeutet werden muß, bleiben hier entsprechend ebenso ausgespart 
wie Erklärungen, die deutlich machen, warum eben diese Interpretation normaler- 
weise als die richtige bzw. als die wahrscheinlich intentionierte unterstellt werden 
kann.’ Auf den gemeinten Sinn kann sich die Analyse um so begründeter stützen, 
als gerade Werbungsinszenierungen aus Gründen der Ressourcenknappheit (Rezi- 
pientenaufmerksamkeit, Kosten für Anzeigenraum bzw. Sendezeit etc.) ihren Sinn 
höchst effektiv verständlich machen (müssen), also auf Eindeutigkeit der Kommu- 
nikation abzielen. Neben der Verwendung bekannter und prägnanter Zeichen und 
Symbole wird die schnelle Lesbarkeit der Bilder nicht zuletzt durch ein (Bild-) 
Konzept erzielt, das man mit Levi-Strauss’ Begriff der Homologie in Verbindung 


49 Entsprechend betrachtet die grounded theory ihre Methode als eine »Kunstlehre«, die 
vom »Geschick« des jeweiligen Forschers abhängt (vgl. Hildenbrand 1991, 12 Ё), und 
auch die objektive (Bild-)Hermeneutik geht von einem Habitus als Voraussetzung des 
Bildverstehens und davon aus, daß der Forschende zunächst wie jedermann im Alltag 
das »eigene Normalitätsempfinden in die Waagschale« werfen muß, »das man als Nor- 
malmitglied in der Gesellschaft aufzubringen vermag« (Englisch 1991, 134 f.). Zu ei- 
ner ähnlichen Einschätzung vgl. auch Ludes 2001. Bedeutsam wird dieser Sachverhalt 
in vorliegender Analyse vor allem bei der Beschreibung der Image-Programme, also 
dann, wenn die Verweisungsstruktur von Zeichen und Symbolen als Manifestation einer 
bestimmten Semantik gedeutet wird (z.B. Natürlichkeit, Jugendlichkeit, Weiblichkeit/ 
Männlichkeit). 

50 Eine bestimmte räumliche Anordnung der Körper (geringe bis fehlende Körperdistan- 
zen, intime Berührungsformen usw.), bestimmte Bühnen und Kulissen (z.B. Wohnungen, 
Häuser) oder spezifische Zeichen und Symbole (z.B. Eheringe) realisieren z.B. die Dar- 
stellung des Motivs/Sujets »Familie«. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 113 


bringen Капп.5! Auch wenn man in Bezug auf die Werbungsinszenierungen nicht 
im Sinne einer Lebenswelt-Analyse davon sprechen kann, daß Homologien eine 
hochgradige Stimmigkeit zwischen Werten, Ich-Idealen, Lebensformen, Selbstdeu- 
tungen usw. erzeugen, d.h. einen kosmologischen Kontext, in dem die Akteure die 
Welt als sinnvoll erfahren können, 27 läßt sich mit Blick auf die Images der Werbung 
doch feststellen, daß der Zeichengebrauch zunehmend so organisiert wird, daß »je- 
der Teil in einer organischen Beziehung zum anderen (steht)« (Hebdige 1998, 406) 
und Interpretationsspielräume eingeschränkt werden. Diagnostizierbar ist also eine 
»ästhetische Totalität« (Baacke 1986, 81 f.), die durch eine Konsistenz und Bedeu- 
tungsentsprechung der stilistischen Ausdrucksformen — von der spezifischen Form 
der Raumgestaltung über die Möblierung der Szene bis hin zu den verschiedenen 
Dimensionen korporaler Expressivität der Darsteller (Kleidung, Frisur, Körperbe- 
malung, Bewegungsverhalten) — hergestellt werden soll. 

Neben und mit der Nutzbarmachung eines visuellen Alltagswissens kommt 
bei der Analyse ein (auch) von den Theoretikern der grounded theory sogenanntes 
»Kontext-«, »Fach-« und »Theoriewissen« zum Einsatz. 27 Für vorliegende Arbeit 
ist diesbezüglich eine umfangreiche Untersuchung zur aktuelleren Werbung von 
Bedeutung 27 Die empirisch-analytischen Ergebnisse dieses Projektes fungieren 
hier als ein Bezugsrahmen, mit dem die historisch vorausgehende Entwicklung ge- 
nauer dahingehend befragt werden kann, inwiefern der Werbungswandel (dis-)kon- 
tinuierlich in eine bestimmte Richtung verläuft und welche Merkmale dabei eine 
Rolle spielen. Dieses auf die neuere Werbung bezogene Hintergrundwissen ermög- 
lichte zudem die modulierte Anwendung eines Gedankenexperiments, das Goffman 
in seiner Studie »Geschlecht und Werbung« (1981) beschreibt. Er empfiehlt dort 
zu dem Zweck, Stereotypen zu entdecken und Aussagen darüber zu kontrollieren, 
in Gedanken die dargestellten Geschlechter zu vertauschen und sich das Resultat 


51 Prominenz erlangte Strauss’ Begriff über Studien, die am Center for Contemporary Cul- 
tural Studies in Birmingham seit den späten 1960er Jahren zur Analyse von Jugendsub- 
kulturen verwendet werden (vgl. z.B. Clarke 1998; Hebdige 1998; Willis 1981; 1991; 
Ferchhoff 1995). 

52 »So machte bspw. die Homologie zwischen einem alternativen Wertesystem (Tune in, 
turn on, drop out«), halluzinogenen Drogen und Acid Rock die Hippie-Kultur für den 
einzelnen Hippie zu einer zusammenhängenden ganzen Lebensweise.« (Hebdige 1998, 
406) 

53 Die Unverzichtbarkeit dieses Wissens, d.h. die Tatsache, daß die Forschungsergebnisse 
nicht als direkte Ableitungen aus den Daten zu verstehen sind, bringt die grounded the- 
ory und die vorliegende Analyse in die mißliche Lage, die Frage unbeantwortet lassen 
zu müssen, inwiefern bzw. zwo: genau im Forschungsprozeß die Grenze gezogen wird 
zwischen einer aus den Daten selbst herstellbaren Generalisierung einerseits und einer 
durch Kontextwissen bestimmten Generalisierung andererseits. 

54 Vgl. Willems/Kautt 2003. 


114 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


bildlich vorzustellen.°° Wenn der Leser seines Buches immer wieder diese Vertau- 
schung vornehme, könne er sich »seine eigenen Glossen zurechtlegen« (ebd., 111) 
und die Interpretationen des Autors besser beurteilen. Eine zielführende Spezifikati- 
on dieses Verfahrens besteht für diese Untersuchung darin, Bilder in der Vorstellung 
auf der Zeitachse auszutauschen bzw. Bilder verschiedener Zeitabschnitte mitein- 
ander vergleichend zu kontrastieren. Man sieht dann z.B. erhebliche Unterschiede 
in der Form der Darstellung und eine damit zusammenhängende Komplexitätsstei- 
gerung der Inszenierungskomponenten in Richtung Gegenwart, und man sieht in 
den jeweiligen Gegenüberstellungen genauer, wie sich die Inszenierungen der his- 
torischen Werbephasen voneinander unterscheiden. Obwohl sich die Darstellung 
der Ergebnisse hauptsächlich auf Beispiele bis zu den 1960er Jahren bezieht – und 
zwar deshalb, weil bis zu dieser Zeit der Umbau der Werbung in Richtung Image- 
Kommunikation vollzogen wird — spielt das besagte Kontextwissen also durchaus 
bei der Analyse eine Rolle. 

Die einzelnen Phasen des Forschungsprozesses orientieren sich im wesentlichen 
an den Formen des »Codierens«, die die grounded theory vorsieht. Deren erste ist 
das sogenannte »offene Codieren«.°° Das Material wird dabei mehrfach mit einem 
offenen Blick durchgesehen, wobei der Datentyp (Bilder) ein Verfahren nahelegt, das 
Denzin als »Phase eins« seiner qualitativen Filmanalyse wie folgt beschreibt: o eben 
und Fühlen< (a) Betrachten Sie die visuellen Dokumente als umfassende Einheit. (b) 
Sehen und hören Sie die Materialien und lassen Sie sie zu Ihnen sprechen. Spüren Sie 
ihren Wirkungen nach und schreiben Sie Ihre Empfindungen und Eindrücke nieder. 
(c) Schreiben Sie alle Fragen auf, die Ihnen in den Sinn kommen. Achten Sie auf 
Bedeutungsmuster« (Denzin 2000, 427). Im vorliegenden Fall war das buchstäbliche 
Hin- und Herblättern der Zeitschriftenkopien und ein damit einhergehendes Verglei- 
chen von Anzeigen verschiedener Jahrgänge besonders wichtig für das analytische 


55 Vorgehensweisen wie die Strategie der modellorientierten Analogisierung oder das Ge- 
dankenexperiment kommen der Suche nach »Normalkontexten« in der objektiven Her- 
meneutik nahe. Auch hier wollen die Analysierenden über »Gegenassoziationen« die 
für normal (erwartbar, üblich, angemessen) gehaltene symbolische Ordnung der jeweils 
untersuchten »Sequenz« dechiffrieren, um von dort aus den spezifischen Sinn des vorlie- 
genden Einzelfalls genauer fassen zu können (vgl. z.B. Englisch 1991). 

56 Dieses Codieren läßt sich als eigener Forschungsprozeß nicht immer klar bestimmen: 
Glaser und Strauss sprechen vom »stillschweigenden Codieren«, das eine zwar wesent- 
lich reflexive, aber intuitive (habituelle) Erkennungs- und Beurteilungspraxis ist: »Meist 
überfliegen die Feldforscher Teile ihrer Aufzeichnungen oder arbeiten sie erneut durch, 
um die Ausgangshypothesen zu verifizieren. In jedem Fall tun sie dabei etwas, das Ähn- 
lichkeit mit dem hat, was gewöhnlich als Vercoden bezeichnet wird. Aber sie werden 
dabei das Codieren nicht notwendigerweise als eigenständigen Vorgang hervorheben. 
Sehr oft haben die Forscher schon im Prozeß des Datensammelns ein »Aha-Erlebnis«, 
wenn sie erkennen, daß ein beobachtetes Ereignis zu einer bestimmten Kategorie gehört« 
(Glaser/Strauss 1979, 94 £.). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |115 


»Aufbrechen« (Strauss) der Daten, denn im schnellen Überblicken des Materials las- 
sen sich bestimmte Charakteristika am besten erkennen. Hier wie im weiteren For- 
schungsverlauf wurden die Beobachtungen in Form von »Memos«°’ festgehalten und 
katalogisiert (z.B. Veränderungen der Text-Bild-Beziehung, Entwicklung der Typo- 
graphie, Neuorganisation der Anzeigenfläche als Bildraum usw.). 

Das offene Codieren führt tiefer in die Fragestellungen hinein und mündet in wei- 
tere Formen des Codierens. So führt die allgemeine Frage »Was geschieht eigentlich 
in den Daten? Was ist das Grundproblem (Probleme)?« (Strauss 1991, 61) z.B. auf 
die Beobachtung des Sachverhalts, daß um 1900 oftmals unklar bleibt, wer bzw. was 
als Absender der Kommunikation markiert wird. Gerade darin kann man dann im ge- 
zielten Vergleich der Anzeigen im Längsschnitt ein bedeutsames Strukturmerkmal der 
Werbungsanzeigen um 1900 im Unterschied zur späteren Reklame erblicken, das die 
weiterführende Frage aufwirft, inwiefern die Rahmung des Absenders symptomatisch 
für den Werbungswandel ist und in welcher Beziehung dieser kategorisierte Sachver- 
halt zu den anderen Beobachtungen der Untersuchung steht. Die Auseinandersetzung 
mit dem Material bringt also generative Fragen für den Forschungsprozeß hervor, die 
dann im weiteren Analyseverlauf erneut modifiziert werden. Neben und mit der Su- 
che nach relevanten Bedeutungen und deren Musterhaftigkeit (z.B. Wiederholungen 
bestimmter Aussagen im Text, Kanonisierung von Darstellungsformen) werden beim 
offenen Codieren erste Hypothesen, Kategorien und Subkategorien gebildet. Unter 
einer Kategorie wird dabei eine systematisierende Zuordnung verschiedener »Indi- 
katoren« (»Ereignisse«) zu einem generalisierten Ereignistyp verstanden (Strauss 
1991). Die Indikatoren werden in der Codierung unter Namen gruppiert, wenn sie 
sich analytisch einem generalisierten Ereignistyp zuordnen lassen. So weisen z.B. 
bestimmte rhetorische Figuren und Symbolisierungen gleichermaßen auf die Insze- 
nierung mündlicher Werbungsformen in den untersuchten Anzeigen hin und können 
entsprechend als Indikatoren eines generalisierbaren »Ereignisses« gelesen werden. 
In dieser wie in allen späteren Arbeitsphasen dienen ausführlichere Einzelfallanaly- 
sen (»mikroskopische Codierung«) der Vervollständigung erfaßter Informationen und 
der Herstellung eines differenzierten Rasters für die weitere Arbeit. Eine weitgehend 
vollständige Erfassung der Mitteilungen (wenn auch nicht im Sinne der objektiven 
Hermeneutik) ist zu erreichen, weil der Formen- und Themenschatz früher Werbung, 
verglichen z.B. mit heutigen Werbespots, noch stark eingeschränkt ist. 

Je mehr durch das offene Codieren ein sinnstrukturierendes Analyseraster vorliegt, 
desto mehr wird aus dem Codieren ein »axiales Codieren«, das dadurch gekennzeich- 


57 Memos dienen im gesamten Forschungsprozeß der Erfassung singulärer Beobachtungen 
ebenso wie der Notierung von Verallgemeinerungen (Codes, Kategorien), Quantifizie- 
rungen oder der Fixierung von Fragestellungen und Ideen für den weiteren Forschungs- 
prozeß. Eine besondere Mnemotechnik bestand hier weiterhin darin, einzelne, beson- 
ders (zeit-)typische oder besonders abweichende Anzeigen in Zuordnung zu bestimmten 
Kennzeichen in einer separaten Sammlung zusammenzustellen. 


116 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


net ist, »daß man intensiver und konzentrierter auf eine einzelne Kategorie hin codiert« 
(Strauss 1991, 101). In dieser Phase kommen die qualitativen »Mikroanalysen«°® ver- 
stärkt zum Einsatz, die hauptsächlich auf die Entdeckung, dichte Beschreibung und 
die Kontextierung von Mustern abzielen. Der analytischen Diagnose einer bildlichen 
Inszenierung mündlichen Werbens folgt z.B. ein Arbeitsschritt, der das Material dezi- 
dert auf eben diesen Ereignistyp hin durchsieht, um eine möglichst differenzierte und 
vollständige Beschreibung dieser Kategorie, ihrer Indikatoren und ihrer Beziehung zu 
anderen Kategorien zu erhalten "27 

Weiterhin spielt das »selektive Codieren« eine Rolle als diejenige Ebene des Ar- 
beitsprozesses, auf der die gebildeten (Sub-)Kategorien systematisch mit der »Schlüs- 
selkategorie« verknüpft werden. Hier geht es um die Frage, inwiefern Image im Zeit- 
verlauf als eine Schlüsselkategorie bestimmbar wird und anhand welcher Merkmale 
das selektive Codieren diesen Prozeß rekonstruieren kann. Nicht zuletzt soll die Dar- 
stellung der Entwicklung in Richtung Bildlichkeit hier verdeutlichen, daß und in- 
wiefern Image eine Kategorie darstellt, »die alle anderen Kategorien zusammenhält« 
(Strauss 1991, 45). 

Der Forschungsprozeß kommt in seinen verschiedenen Phasen jeweils dann zum 
Abschluß, wenn das Umsortieren der Daten und der analytischen Ergebnisse, die Neu- 
entwicklung und Bearbeitung von Fragestellungen sowie die wiederholte Analyse des 
Materials, der Memos und der Relevanzfestlegungen (»Integration«) zu keinen bedeu- 
tenden Änderungen der Ergebnisse in Bezug auf das Forschungsziel bzw. die zentrale 
Fragestellung führt. Diese Sättigung der Analyse zeichnet sich im Umgang mit den 
Materialien durch zunehmende Redundanzen ab, die den Blick für die weniger wer- 
denden Abweichungen (bezogen auf das bis dahin erstellte Raster von Kategorien und 


58 Viele qualitative Sozial- bzw. Medienforscher gebrauchen den Begriff Mikroanalyse zur 
Selbstbeschreibung ihrer Arbeit. Denzin z.B. versteht darunter folgende »Leitlinien« sei- 
nes Ansatzes zur Film- und Video-Analyse: »3. Phase drei »Strukturierte Mikroanalyse« 
(a) Gehen Sie die Szenen nacheinander durch und erstellen Sie jeweils eine Mikroanaly- 
se, transkribieren Sie die Redebeiträge, beschreiben Sie die Szenen und notieren Sie sich 
Zitate aus dem Text. (b) Bilden Sie Muster und Sequenzen und suchen Sie nach ihnen. 
(с) Fertigen Sie detaillierte Beschreibungen an. [...] 4. Phase vier Suche nach Muster: 
(a) Gehen Sie zur Gesamtaufnahme zurück. (b) Legen Sie alle Photographien in ihrer 
Reihenfolge vor sich hin bzw. sehen Sie sich den ganzen Film noch einmal an. (c) Kehren 
Sie zu Ihrer Forschungsfrage zurück. In welcher Weise behandeln diese Dokumente Ihre 
Frage, und wie beantworten Sie sie?« (Denzin 2000, 427) Auch Denzins Mikroanalyse 
hat also viel mit Codieren zu tun. 

59 »Nachdem ein konzeptueller Code generiert ist, werden Indikatoren mit dem entwickel- 
ten Konzept verglichen [...]. Durch die Vergleiche zwischen weiteren Indikatoren und 
den konzeptuellen Codes werden die Codes verfeinert, damit sie optimal auf die Daten 
bezogen sind. Zwischenzeitlich werden weitere Eigenschaften von Kategorien herausge- 
arbeitet, bis die Codes überprüft und gesättigt sind, also nicht viel Neues mehr ergeben.« 
(Strauss 1991, 54 f.) 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 117 


Indikatoren) schärfen und die Aufmerksamkeit entsprechend steuern. Der Zeitpunkt 
der Sättigung ist dabei an das spezifische, durch das Forschungsinteresse bedingte 
Abstraktionsniveau gekoppelt. So ließen sich z.B. die Programme der Werbung, die in 
ihren semantischen Ausprägungen im Einzelfall höchst differenziert vorliegen, frag- 
los zu einem erheblich feiner dimensionalisierten und (sub-)kategorisierten Raster 
ausarbeiten. Von einer Sättigung der Analyse kann hier dennoch insofern gesprochen 
werden, als das Kategorienschema so lange differenziert wird, bis eine sinnvolle Zu- 
ordnung aller Anzeigen des Datenbestands zu einer der Kategorien möglich ist, wobei 
die in den Inszenierungen jeweils besonders hervorgehobenen Objekteigenschaften 
(Natürlichkeit, Jugendlichkeit, hoher (Schicht-)Status usw.) als Kriterien der Zuord- 
nung fungieren. 

Abschließend ist noch auf einige Aspekte der Ergebnisdarstellung hinzuweisen: 

Aus dem erwähnten Sättigungsprozeß der Analyse ergibt sich die Beschreibung 
des Wandels der Gestaltungsmittel über Beispiele bis in die 1960er Jahre. Das bedeu- 
tet natürlich nicht, daß sich für die Zeit danach keine vergleichbaren Beispiele mehr 
finden lassen. Im Gegenteil! Die Werbung stellt sich bis zu dieser Zeit vielmehr prin- 
zipiell auf Image-Kommunikation ein bzw. um, und genau das soll anhand der Bei- 
spiele gezeigt werden. Anders gesagt: Weil in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts 
inszenatorische Kontingenzen einer noch nicht auf Image-Kommunikation festgeleg- 
ten Werbung zu beobachten sind, legt die Analyse ebenda ihren Schwerpunkt. 

Die Bezeichnung von Inszenierungsmustern und -elementen als typisch, wahr- 
scheinlich, selten oder häufig ist dabei keineswegs Resultat statistischer Datenver- 
arbeitung. Obwohl die der Untersuchung zugrunde liegenden Datenhaufen nicht 
repräsentativ beweiskräftig sind, eignen sie sich dennoch für die hier zum Einsatz 
kommenden Abschätzungen quantitativer Tendenzen und für »Quasi-Statistiken« 
(»Quasi-Verteilungen«, »Quasi-Korrelationen«) (Barton/Lazarsfeld 1979, 72). Über 
die Untersuchungseinheit hinaus sind diese Abschätzungen zudem bedeutsam, inso- 
fern man mit guten Gründen annehmen kann, daß die erhobenen Materialien trotz 
ihrer fehlenden Repräsentativität Rückschlüsse auf Inszenierungsmuster jenseits der 
erhobenen Zeitschriften zulassen (s.o.). 

Im Bereich der Beschreibung der Image-Programme (vgl. 3.4) wird die Notwendig- 
keit typisierender Generalisierungen besonders evident. Da die Analyse die Entwick- 
lung der Werbung in ihrer Breite darstellen will, muß sie von der empirisch vorgefun- 
denen Detailfülle stark abstrahieren und sie muß auf die Darstellung ausführlicherer 
Einzelfallanalysen verzichten. Die Abbildungen der Anhänge sollen dieses Problem 
— wenn auch in einem notwendigerweise höchst eingeschränkten Umfang — kompen- 
sieren bzw. eine Kontrollfunktion für den Leser übernehmen. Ihr Einsatz folgt also der 
methodischen Überlegung, daß die vorgenommenen Typisierungen und Argumentatio- 
nen am Material rekonstruiert (verifiziert oder falsifiziert) werden können und daß über 
das Lesen der Bilder die Interpretationsspielräume und deren Grenzen deutlich werden. 
Nicht zuletzt dienen die Bilder als ergänzendes Anschauungsmaterial, indem sie eine 
Sinnform einbeziehen, die sich keineswegs restlos in Sprache überführen läßt. 


118 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 
3.2 Die Entfaltung der Bildlichkeit 


In den Annoncen der BIZ um 1900 dominiert noch ein Anzeigentypus, der mit der Ent- 
wicklung der Zeitung entsteht, also in das 16. Jahrhundert zurückreicht und bis zum 
20. Jahrhundert die über den Druck verbreitete Werbung im wesentlichen prägt. In- 
seriert werden fast ausnahmslos Wirtschaftswerbungen, d.h. Mitteilungen von Händ- 
lern für Händler oder für Konsumenten, wobei gewöhnlicherweise Produkte, Bezugs- 
orte, Händlernamen und Preise genannt werden.°! Ein typischer Werbetext um 1900 
liest sich folgendermaßen: »C.L. Flemming, Holzwarenfabrik Globenstein Sachsen, 
Radkämme, hölzerne Riemenscheiben. Wagen bis 12 ctr. Tragkraft, Vogelhäuser, Kin- 
derpulte, Sportwagen, Haus- und Küchengeräte.« (C.L. Flemming, BIZ 1901, 35) 
Daß es sich dabei durchgängig um kleinformatige Werbungen handelt (Anzeigen in 
Briefmarkengröße sind keine Seltenheit), deren ästhetische Erscheinung kaum eine 
Rolle spielt, verdeutlicht die Abbildung einer gewöhnlichen Werbungs-Seite der BIZ 
aus dem Jahre 1899 (vgl. Abb. 2).°? 

Entscheidend ist nun, zu sehen, daß Werbungen des zitierten Typs nur gelegent- 
lich und in stark eingeschränktem Maße mit Qualifizierungen des Angebots operieren. 
Daß die Vermittlung sachlicher (Handels-)Informationen hier noch im Vordergrund 
steht, läßt sich auch an der Invarianz einzelner Anzeigen (Text und Bild) über mehrere 
Jahre erkennen D) 


60 Vgl. Homburg 1991. 

61 Während der Ort in der Regel über die Händleradresse angegeben wird, ergibt sich der 
Zeitraum des Angebots in den meisten Fällen über das Druckdatum der Zeitung. 

62 Zur besseren Unterscheidbarkeit von Autorennamen werden die Belege zu den Anzeigen 
im Folgenden kursiv gesetzt. 

63 Die Belege zu den Werbungstexten und Abbildungen führen nach der Jahreszahl die je- 
weilige Ausgabennummer auf. 

64 Mit Blick auf ein Beispiel, das Boorstin für die US-amerikanische Werbung des 19. 
Jahrhunderts anführt, kann man vermuten, daß sich in dieser Region schon früher ein 
Variationsdruck der Reklame anbahnte: »James Gordon Bennett (1795-1872), der am 
7. Mai 1835 den »New York Herald« als Tageszeitung für einen Cent gründete und ei- 
ner der Pioniere des modernen amerikanischen Journalismus war, inaugurierte die neue 
Ära, indem er die alten Stehsatzinserate abschaffte. Früher blieb eine Anzeige im Satz 
stehen; manchmal wurde sie ein Jahr lang ohne Veränderung gebracht. Tatsächlich wa- 
ren solche regelmäßig erscheinenden Anzeigen bei Tageszeitungen die Regel. Natürlich 
konnten solche Annoncen den Lesern wenig oder nichts Neues oder Interessantes bieten. 
Da Bennett dem Anzeigenteil seines »Herald« einen ebenso großen Neuigkeitswert geben 
wollte wie den anderen Teilen der Zeitung, kündigte er 1847 an, daß er von nun an keine 
Anzeigen länger als zwei Wochen lang bringen würde. Von 1848 an nahm er nur noch 
einmalige Inserate auf. Dies hatte zur Folge, daß der Inserent seinen Text täglich ändern 
mußte.« (Boorstin 1964, 178) 


3. De ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG 


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Aerztin тєтїзәмө Werk praktische Aerztin. 


Kein Nach der Neuzeit hat auch тшт einen annähernd gleichen Erfolg errungen wie dieses vom 
der gesamten Iroso mit beispielleser Anerkennung beurteilte Was die geniale Autorin 
auf der Titeheite verspricht 


ein ärzulicher Rataeder für die Frau in der Familie und bei Frauenkrankbelten 


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Bestellschein F. 
Der Unterueichnete bestellt hiermit bei 


Reinhold, Sohwarz Vorlags-Buchhandlung, 
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1 Exemplar Das Frauenbuch 
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Frau Dr. med. H. B. Adams. 


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2: Berliner Illustrierte Zeitung 1899, 27 


120 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Indem sich die Werbung auf die schriftliche Mitteilung des Vorhandenseins eines 
Angebots beschränkt, erfüllt sie lediglich den Zweck, potentielle Interessenten auf die 
Existenz einer Ware aufmerksam zu machen, und das bedeutet, daß die eigentliche 
Werbung einer sozialen Situation vorbehalten bleibt, in der der Verkäufer mit seinem 
Kunden direkt interagiert. In der Steigerung der Wahrscheinlichkeit eines Werbege- 
sprächs zwischen Anwesenden besteht vermutlich auch das einzige Vermögen dieses 
Werbungstyps, wenn man in ihm überhaupt mehr erkennen will als eine informierende 
Mitteilung, die als solche Interesse bindet. Jedenfalls gibt dieser Normaltypus in aller 
Klarheit zu erkennen, daß die massenmedial verbreitete Werbung um 1900 noch im 
wesentlichen nicht als eine Kommunikationsplattform interpretiert werden kann, die 
in sich selbst das Werben übernimmt. Es fehlt eine Spezialsprache der Objektqualifi- 
zierung und damit die Möglichkeit der Angabe von Gründen, die die Annahmewahr- 
scheinlichkeit der Objekte steigern könnte. Zwar werden gelegentlich Produktqualifi- 
zierungen in den Text eingeführt, doch bleiben diese über längere Zeit sehr allgemein 
bzw. auf einfache Formen schriftbasierten Selbstlobs beschränkt (»beste Qualität«, 
»solide«, »streng reell und äußerst billig« usw.). Auch Behauptungen wie »Mit Dr. 
Zellner’s Hefe zu backen wird Ihnen viel Freude bereiten« (Zellner, BIZ 1920, 49); 
»Meine Instrumente sind sehr beliebt und begehrt, bewähren sich nicht nur 4 Wochen, 
sondern jahrelang« (Suhr, BIZ 1899, 27); »Creme Simon — Unübertroffen für den 
Teint & Die Toilette« (Creme Simon, BIZ 1907, 9) sind wenig aussagekräftig. Die im 
Vergleich zu späteren Werbungen noch sehr viel häufiger auftretende Selbstbescheini- 
gung, das beste Produkt der jeweiligen Sparte zu sein, verdeutlicht ebenfalls die weit- 
gehende Ziel- und Kriterienlosigkeit werblicher Produktqualifizierungen. Letzteres 
tritt zudem im Vergleich zu Image-Identitäten jüngerer Werbung hervor. Vergleich- 
bare Rhetorik kommt hier zwar immer noch vor, ist aber nur noch ein bekräftigendes 
Supplement im Rahmen bildhaft ausgestalteter Images DC Die im folgenden darge- 
stellten Ergebnisse der empirischen Analyse zeigen, daß und inwiefern die Werbung 
im Laufe einiger Jahrzehnte auf die Konstruktion von Images umstellt. 


65 Ein weitgehend unspezifisches Selbstlob ist auch die bis in die 1960er Jahre vorkommen- 
de Strategie, das jeweilige Objekt als eines von »Weltformat« zu stilisieren. Popularität 
und massenhafte Akzeptanz wird hier gleichsam zu einem Platzhalter einer ausgespart 
bleibenden Angabe von Qualitätsmerkmalen (»Hartmann’s. Die Weltmarke«, BIZ 1926, 
23; »Telefunken. Die Weltmarke«, BIZ 1929, 36, »Grünol Weltglanz«, ST 1956, 27; »Die 
Cigarette von Weltruf«, Reemtsma ST 1958, 36, »Weltmode«, Hudson, ST 1964, 10; 
»Weltkosmetikum«, Hormocenta, ST 1964, 10). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 121 


3.2.1 Kommunikation unter Anwesenden 
als zentraler Bezugsrahmen der Werbung um 1900 


Neben der Mehrheit der Informationswerbungen lassen sich ab etwa 1910 zuneh- 
mend solche Reklamen beobachten, die die Anzeigen selbst als einen Ort des Wer- 
bens nutzen. Bezeichnenderweise fungiert dabei zunächst — d.h. bevor Bildlichkeit als 
Ressource der Image-Konstruktion entfaltet wird — die Kommunikation unter Anwe- 
senden, d.h. das situative Werben als ein Bezugsrahmen und Vorbild. 


a) Das fiktionale Gespräch zwischen Verkäufer und Kunden 

Werbefexte, die die Qualität des Angebots zum Thema machen, sind in den ersten 
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts häufig als ein Gespräch gerahmt. Die Texte kon- 
struieren einen Sprecher, der sich an den Rezipienten wendet, so daß ein fiktiver 
Dialog hergestellt wird. Die Formulierungen lehnen sich an Gesprächsschemata 
direkter Interaktion bzw. an Textsorten an, die Konversation in Schriftform (re-) 
konstruieren. Auf eine direkte »Anrede< (»Gnädige Frau!«, »Meine Dame«, »Sehr 
geehrte Herren« usw.) folgt eine erläuternde Darstellung, die oftmals in einer »Ver- 
abschiedung« der Kunden mündet. Die einleitenden Wörter werden dabei meist 
deutlich größer gedruckt als der Rest des Textes und fungieren — wie der laute Zu- 
ruf des Markthändlers an einen vorbeilaufenden Passanten — als hervorgehobene 
Zeichen einer personenadressierten Kommunikationsabsicht. Deutlich häufiger als 
in späteren Werbungen wird als hervorgehobener Einstieg die Frageform gewählt 
(»Haben Sie [...]?«; »Interessieren Sie sich [...]?«) und im Folgetext so bearbeitet, 
als entfalte sich ein Dialog. Diese Fiktion wird durch Anknüpfungen an unterstellte 
Äußerungen des Gegenübers forciert, z.B. dann, wenn antizipierte Bedenken des 
Lesers so thematisiert werden, als habe dieser sich zu Wort gemeldet. Prinzipiell 
besetzt der Text die Rolle des Verkäufers mit dem jeweils werbenden Händler und 
die Rolle des Kunden mit dem potentiellen Werbungsrezipienten. Der Händler führt 
sich dabei über die Angabe seines Namens (noch) als real existierende Person ein 
und spricht in Bezug auf diese z.B. Empfehlungen aus (»Langfeldt empfiehlt seine 
erstklassigen Fahrräder«; »Ich bitte, auf die Schutzmarke zu achten«). Während 
die Informationen (Name, Adresse) eine Kontaktaufnahme ermöglichen, macht die 
Namensangabe in ihrer graphischen Hervorgehobenheit und in ihrer akzentuierten 
Einbindung in den Text zugleich deutlich, daß der Händler mit seinem (guten) Na- 
men seinen guten Ruf ins Spiel bringt und daß dieser Ruf einer lebenswirklichen 
Person als Ressource des Werbens noch im Vordergrund steht. Die allgemeinen 
Qualifizierungen, die die Argumentationen dieser Werbungen dominieren (»Beste 


66 »Aber bitte achten Sie beim Einkauf darauf: Alle echten »Celta<-Strümpfe tragen das 
»Celta<-Zeichen.« (Celta, BIZ 1929, 36). Typisch ist die abschließende Aufforderung an 
den Konsumenten, sich durch einen Versuch von der Qualität der Ware selbst zu überzeu- 
gen. Auch hier wird die Rhetorik des traditionellen Verkaufsgesprächs deutlich. 


122 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Qualität!«), gewinnen (wenn überhaupt) nur in Anbindung an diese im Hintergrund 
vorausgesetzten Qualitäten des Händlers (Urteilskraft, Seriosität, Kompetenz, Zu- 
verlässigkeit), d.h. im Rückbezug auf einen Sinngenerator jenseits der massenmedi- 
al verbreiteten Werbung, einen werbenden Sinn. 

Die Rhetorik des interaktiven Verkaufsgesprächs ist in der ersten Hälfte des 20. 
Jahrhunderts stilbildend und geht wie andere Werbeformen der Zeit der Konstruk- 
tion von Images voraus. Die Werbung überantwortet die Überzeugungsarbeit hier 
noch der (Re-)Inszenierung eines Verkäufers, dem sie eine Stimme verleiht, in der 
Hoffnung, daß diese bei den Rezipienten Gehör findet.” Aus der Gegenwartspers- 
pektive entsteht der Eindruck, daß im Vorlauf der Ausbildung von Image-Kommu- 
nikation bzw. parallel dazu eine Art Regression zu traditionellen Werbeformen der 
mündlichen Rhetorik stattfindet. Im Zuge der allmählichen Entfaltung von Images 
nimmt die Bedeutung des Verkaufsgesprächs als vorbildgebendes Modell jedoch 
am Ende der 1920er Jahre ab bzw. kommt es zu einer Spezifikation dieses Modells. 
Einleitende Fragen, die sich in Form der direkten Anrede an die Rezipienten rich- 
ten, werden jetzt z.B. zu rhetorischen Fragen, die der Aufmerksamkeitserzeugung 
dienen: »Wollen Sie lebensfroh sein? Wollen Sie schlank sein?« (Eno 5 Fruit Salt, 
BIZ 1928, 32), oder: »Wollen Sie nicht auch gern Ihren Husten loswerden?« (Pe- 
rix, BIZ 1935, 10) heißt es dann zum Beispiel. Einige Jahrzehnte später sind diese 
(dann seltenen) rhetorischen Figuren nicht mehr Selbstzweck, sondern integraler 
Bestandteil der Arbeit am jeweiligen Image. Wenn z.B. zu einer großformatigen 
Abbildung die Frage »Was stört Ihre Frau eigentlich an diesem Wagen?« zum Anlaß 
genommen wird, die Bedenken einer potentiellen Käuferin auszuräumen und zu- 
gleich eine männliche Zielgruppe mit Witz und Rationalität von den Qualitäten des 
beworbenen Produktes zu überzeugen, ist das ein solcher Fall (VW, ST 1965, 15). 
Denn Modernität (Rationalität), Humor und Eleganz sind Attribute, die die Bilder 
dieser Kampagne vermitteln und als Image präparieren. Daß sich der Rezipient als 
Adressat versteht und sich entsprechend hermeneutisch engagiert, wird hier wie in 
anderen Reklamen längst als ein Sachverhalt vorausgesetzt, der nicht mehr durch ein 
imitiertes Dialogschema abgesichert werden muß. Ja in den meisten Fällen späterer 
Image-Kommunikation wäre die Herstellung eines »Dialogs< mit den Rezipienten 
der Entfaltung eines Images geradezu abträglich, da sich dessen präzise Form über 
die Abgeschlossenheit einer Bildwelt ergibt. Der Rezipient wird hier sozusagen nur 
noch als Beobachter einer präparierten Image-Semantik angesprochen, die in sich 
selbst überzeugen muß. 


67 Soz.B. in einer Werbung für eine »Rasierseife«: »Sie halten es für unwahrscheinlich, daß 
das Einseifen für drei Wochen bei täglichem Rasieren 12 Pfennig kosten soll. Und doch 
stimmt es! [...] Ein Versuch lohnt sich! Kaufen Sie eine Stange Palmolive-Rasierseife 
und gebrauchen Sie sie einen Monat.« (Palmolive, BIZ 1936, 14) 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |123 


b) Die bildliche Kopie traditioneller Werbeformen 

In funktionaler Analogie zur Schriftform des Verkaufsgesprächs stellen in den ersten 
Jahrzehnten des Untersuchungszeitraumes bestimmte Bildmotive einen Rückbezug 
zur interaktiven Werbung her. Dies geschieht, indem entsprechende Zeichen und 
Symbole in die Abbildungen hineinkopiert werden. So erfreut sich z.B. die Figur des 
Ausrufers in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts einer gewissen Beliebtheit (vgl. 
Abb. 6; zu einer vergleichbaren Darstellung vgl. Abb. 5). Der Ausrufer ist als Phäno- 
men der Erfahrungswirklichkeit, der öffentlichen (Markt-)Plätze bekannt und kann 
deshalb von der Werbung eingesetzt werden, um unmittelbar deutlich zu machen, 
worum es geht. Ähnlich verhält es sich mit Motiven wie demjenigen dreier Reiter, 
die je eine stilisierte Flagge mit den Schriftzügen »Eno’s Fruit Salt«, »Der weltbe- 
rühmte Gesundheits-Spender« und »Jetzt wieder in Deutschland erhältlich« in die 
Höhe halten (Eno 5 Fruit Salt, BIZ 1927, 27; vgl. Abb. 7; vgl. auch Abb. 8). Indem die 
Werbung auf derartige Vorbilder des Werbens zurückgreift, macht sie zwar deutlich, 
daß sie wirbt, läßt aber völlig unklar, womit sie wirbt.°® Wie im Falle der besagten 
»Gespräche« vermitteln diese Anzeigen den Objekten keinen Eigensinn, sondern zie- 
hen sich gleichsam statt dessen auf die bildliche Reproduktion eines Werbens zurück, 
das längst vor der Entwicklung moderner Kommunikations- und Verbreitungsmedien 
existiert. Auch der Zeigefinger, der in vielen Reklamen (meist als einziges Bildele- 
ment) noch bis in die 1940er Jahre zu sehen ist, ist ein entsprechendes Rudiment, 
das weit hinter den Möglichkeiten späterer Image-Kommunikation zurückbleibt und 
folglich dann verschwindet, als die Inszenierungen in ihrer Gesamtheit zeigen, worin 
die Qualitäten der beworbenen Objekte bestehen (vgl. Abb. 3, 4 u. 10). Nicht zuletzt 
ist der inflationäre Gebrauch des Ausrufezeichens in der ersten Hälfte des 20. Jahr- 
hunderts dieser Kategorie des Werbens zuzuordnen — denn dieses Zeichen führt den 
emphatischen, lauten Ausdruck des gesprochenen Wortes symbolisch in die schrift- 
liche Mitteilung ein. 


68 Sieht man einmal von der Unterstellung weltweiter Popularität des zweiten Beispiels ab. 
Aber auch diese allgemeine Form des Selbstlobs läßt sich wie bereits gesagt eher als eine 
»Ersatz-Werbe-Handlung« interpretieren. 

69 Eine letzte Variante dieses Motivs erscheint im Untersuchungsmaterial 1958 (Falke, ST 
1958, 36). 


124 | Image. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


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werdende Eisengallustinte Klasse I 


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3: Levevre; BIZ 1899, 27 

4: Gustin; BIZ 1901, 35 

5: Leonhardi; BIZ 1899, 27 
6: Roverkönig; BIZ 1899, 27 


Vaehpulver 
à 10 Pra. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |125 


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DER Za RUN ME 
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7: Eno’s Fruit Sat; BIZ 1927, 27 
8: Dr. Löffler; BIZ 1927, 27 


c) Kundenfeedbacks 

Für die ersten Jahre des Untersuchungszeitraums ist eine Häufung von Anzeigen fest- 
zustellen, in denen auf Empfehlungsschreiben von Kunden hingewiesen wird. Diese 
Empfehlungen können - so die Anzeigentexte — »auf Wunsch vorgelegt werden« und 
sind »massenhaft« und »freiwillig eingegangen«.’ Die strategische Funktion dieser 
Mitteilungen liegt auf der Hand: Was viele schätzen, kann nicht schlecht sein, so die 
zu Grunde gelegte Unterstellung. Im Vergleich zu späteren Werbungen, die sich die- 
ser Strategie gelegentlich bedienen, fällt neben der hohen Quantität die betonte He- 
raus- bzw. Alleinstellung der Qualitätsbescheinigungen durch die Kunden auf. Der 
Hinweis auf die Kundenakzeptanz fungiert wiederum als gleichsam stellvertretender 
Qualitätsgenerator, weil die Mitteilung die Gründe zur Annahme der Kommunikati- 
on (noch) nicht in sich selbst enthält. Das Feedback positiver Konsumenteneinschät- 
zungen kompensiert den Mangel kommunikationsimmanenter Plausibilisierungs- 
techniken in diesem Fall durch eine Kopie der Mund-zu-Mund-Proganda. Denn auch 
diese Propaganda hängt weniger von einer argumentativen Herleitung der jeweiligen 
Bewertungen als vielmehr von dem Vorhandensein und der Weitergabe der Bewer- 
tungen durch wirkliche Individuen ab. Entsprechend wird die Echtheit der Empfeh- 
lungsschreiben immer wieder offensiv behauptet, denn mit der Glaubwürdigkeit von 


70 »Fortwährend erhalte ich unaufgefordert die wärmsten Dankschreiben« (Cavalier, BIZ 
1904, 49). 


126 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


deren Existenz steht und fällt notwendigerweise diese Form der Positivbewertung. 
Die Werbung orientiert sich mit dieser Variante auch insofern an der Kommunikation 
unter Anwesenden, als sie das, was strukturell ausgeblendet ist, nämlich das direkte 
Feedback des Konsumenten (z.B. an einen Verkäufer), über den Umweg der Bericht- 
erstattung wieder in die Werbung einführt. Das ausgeschlossene Publikum wird zur 
Sprache gebracht, so daß der Eindruck eines geschlossenen Kommunikationskreis- 
laufs entsteht. Die Werbung führt als Stellvertreter des Produzenten bzw. Auftrag- 
gebers den Dialog: mit den Konsumenten in der Öffentlichkeit als solchen vor und 
fort. 

Indem die Werbung ihren Text- und Bildsinn im Rahmen der Konstruktion von 
Images vertieft, d.h. indem sie die Kommunikation selbst als Werbung anlegt, kann 
sie zunehmend auf die Hinweise positiver Rezipienteneinschätzungen verzichten bzw. 
diese in ein Image gleichsam hineinstellen. Eine der dann möglichen Spezifikationen 
besteht darin, die Beliebtheit des Produktes bei den Konsumenten in Bezug auf ein 
als etabliert unterstelltes (Marken-)Image zu pauschalisieren: »Kein Wunder, daß man 
heute überall sagt: Nicht mehr ohne Rowenta« (Rowenta, ST 1960, 45). Eine andere, 
später genutzte Möglichkeit ist die, Kunden ins Bild zu setzen. Die Werbung teilt dann 
nicht nur mit, daß das Objekt vom Publikum gelobt wird, sondern sie zeigt, von welchen 
Publika es gelobt wird. Eine der ersten Differenzierungen in diese Richtung findet man 
im Bereich der Konstruktion von hohem Status (etwa ab den 1920er Jahren). So ist laut 
einer Kosmetikartikelreklame das beworbene Produkt nicht bei jeder Frau, sondern »bei 
den eleganten Frauen so beliebt« (Mystikum Compact, BIZ 1928, 32); und auch in einer 
BH-Werbung wird mit einem entsprechenden Bild unterstellt, daß »Die Anspruchsvol- 
len wissen, warum sie ihn kaufen.« (Marcella, BIZ 1928, 32) Erst recht verdeutlichen 
die inzwischen traditionsreichen Inszenierungen der sogenannten »Testimonials«, daß 
die Positivbeurteilungen von Objekten durch vorgeführte Konsumenten ihren Zweck 
erfüllen, indem sich die Personen als Image-Träger paßgenau in das angestrebte Objekt- 
Image einfügen. So zeigt z.B. eine doppelseitige Anzeige von 1967 nicht irgendeine 
Frau, sondern eine gut situierte (diverse Statussymbole) und out: aussehende Architek- 
tin (»Jutta Krapp, Innenarchitektin, Hamburg, Büschstr. 9«) als bekennende Seifenkon- 
sumentin, weil sie den Slogan »Wer sie wählt beweist Geschmack« image-adäquat unter 
Beweis zu stellen scheint (Palmolive, ST 1967, 23). 


3.2.2 Schrift als Bild: Typographie 

Bekanntlich sind die Zeichen der ältesten Schriftsysteme aus symbolischen Bildzei- 
chen entstanden. Die Geschichte der Schrift beginnt als eine »Bildtechnik«”!. Die 
Leistung später entwickelter Schriftsysteme besteht jedoch darin, feststehende Be- 


deutungsträger zu etablieren und die Bedeutungsgehalte unabhängig von einer sym- 


71 Vgl. Haarmann 1998, 22 f. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |127 


bolischen Verknüpfung zur (visuellen) Wahrnehmung zu fixieren.’? Die »schrifthi- 
storische Revolution des Alphabets« (Haarmann 1998, 267) führt dann auch darü- 
ber hinaus, indem mit ihr die idiographische Komponente völlig eliminiert und ein 
einfaches System bereitgestellt wird, dessen einzelne Zeichen (Buchstaben) sich auf 
Sprachlaute beziehen.’? Die visuelle Erscheinungsform der Schrift ist hier nur noch 
insofern von Bedeutung, als sie in ihrer schablonenhaften Formkonstanz die (Wieder-) 
Erkennbarkeit der Zeichen (auch im Unterschied zu den anderen Zeichen) und damit 
die Lesbarkeit der Schrift sicherstellt. Obwohl die Alphabete keinen symbolischen 
Bildcharakter haben, sind sie dennoch als Schriftzeichen immer Wahrnehmungen aus- 
gesetzt und müssen dies sein. Schrift manifestiert sich immer auch als Schrift-Bild. Es 
liegt daher auf der Hand, daß der Behandlung der visuellen Form der alphabetischen 
Schriftsysteme als solcher seit ihrem Entstehen Beachtung geschenkt wird, so daß ein 
Spektrum von Erscheinungsformen entsteht.’* Die Garantierung und Optimierung der 
Lesbarkeit bleibt jedoch ein zentraler Bezugsrahmen typographischer Bemühungen. 
Blickt man nun auf die Werbung um 1900, ist nicht zu übersehen, daß die Er- 
scheinungsform der Schrift noch ganz in der Tradition des Buchdrucks steht. Quanti- 
tativ dominant sind maschinell erzeugte Schriftsätze, die in dieser Zeit noch auf einen 
recht kleinen Formenschatz begrenzt sind (vgl. Abb. 2). Das Schriftbild übernimmt 
hier noch zwei Funktionen: Zum einen geht es um die Sicherstellung der Lesbar- 
keit des Textes. Das ist schon deshalb notwendig, weil die Schrift als wichtigstes 
mediales Substrat der Kommunikation fungiert. Zwar läßt sich eine typographische 
Variationsbreite erkennen: Schriftschnitte mit und ohne Serifen sind ebenso zu sehen 


72 Zu diesen Mnemotechniken gehören nicht erst die Alphabete, sondern auch andere ab- 
strakte Symbolsysteme (z.B. die Zeichenschrift der Phönizier). Bei aller Schwierigkeit 
der Grenzziehung zwischen den Bildsymbolen und den abstrakteren Symbolsystemen 
stellt Haarmann fest: »Im Fall von Bildsymbolen wird der Inhalt eines Bildmotivs be- 
reits durch dessen figurative Assoziation zu bekannten Dingen vorgegeben (Sporenrad), 
und der Symbolwert entsteht im Rahmen einer figurativen Ausdeutung, d.h. einer Über- 
tragung auf einen figurativ ähnlichen Begriff (Sonne). Bei abstrakten und stilisierten 
Symbolen dagegen ist der Inhalt nicht figurativ vorgegeben, und insofern kann man ein 
solches Symbol nicht erkennen, außer man kennt den »Code«, nach dem es verschlüsselt 
ist.« (Haarmann 1998, 50) 

73 »Anstelle von Hunderten von oft auch graphisch komplizierten Zeichen von sehr unter- 
schiedlicher, zum Teil auch mehrdeutiger Wertung tritt ein System von nicht mehr als 
zwanzig eindeutigen Zeichen von einfachen äußeren Formen, das nicht mehr den Sinn, 
sondern nur noch die Lautung der dargestellten Worte berücksichtigt [...] ein System, das 
viel leichter zu erlernen und viel einfacher zu handhaben ist und damit der Schrift viel 
weitere Verbreitung sichert als die bisherigen umständlichen Schriftsysteme.« (Friedrich 
1966, zit. n. Haarmann 1998, 268) 

74 Man denke nur an die Tradition der Kalligraphie, die in verschiedenen Sprachräumen 
existiert. Die Arbeit an der schönen Form ist hier zu einer Kunstform mit diversen Stilen 
ausgearbeitet. 


128 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


wie Zusammenstellungen von Buchstaben, Wörtern und Sätzen in unterschiedlicher 
Größe. Auch die Wahl zwischen Normal-, Kursiv- und Fettdruck sowie die räumliche 
Anordnung der Elemente variieren das Schriftbild. Doch alle diese Gestaltungsmaß- 
nahmen stellen noch keine Arbeit am Image dar. Sie erzeugen und steuern lediglich 
die Aufmerksamkeit des Lesers im Sinne des Absenders. So rückt die Schriftgestal- 
tung z.B. das angebotene Produkt, den Händlernamen oder weitere für wichtig ge- 
haltene Informationen in den Vordergrund, während andere in den Hintergrund treten 
(vgl. Abb. 3-12 u. 15-19). Stilbestimmend ist also das Gestaltungsprinzip der relativen 
Größe, das sich auch bei der geringen Gesamtgröße der Anzeigen in der Wahrneh- 
mung durchsetzen kann und bereits Formen der aufmerksamkeitssteigernden Irritati- 
onswerbung zuläßt. So lautet z.B. die Überschrift einer Reklame schlicht »Mörder«, 
um dann im folgenden Text enträtselnd festzustellen: »Ihres Haarwuchses sind die, 
welche nichts gegen ihre Schuppen tun. Kiderlen’s Drachen-Lösung beseitigt unbe- 
dingt Kopfschuppen.« (Kiderlen’s Drachen-Lösung, BIZ 1909, 18; vgl. Abb. 9; vgl. 
zu einem ähnlichen Schrifteinsatz Abb. 10) 

Zum anderen übernimmt die Typographie — wie das graphische Ornament (s.u.) 
— die Funktion der Verzierung. Vor allem wenn manuell erstellte Schriftformen zum 
Einsatz kommen, geht es neben der Strukturierung von Informationen um einen ästhe- 
tischen Mehrwert im Sinne der Ausschmückung. Beliebt sind z.B. schmuckvolle Initi- 
alen, verspielte (z.B. wellenförmige) Anordnungen von Wörtern und Buchstaben so- 
wie ornamentale Verzierungen, die sich an die Schrift lagern oder diese erst ausbilden. 
Obwohl sich in Ausnahmen die gezielte Herstellung semantischer Implikationen be- 
obachten 1481,75 realisiert die große Mehrheit der Fälle lediglich eine Verschönerung, 
die keine Bezüge zu dem beworbenen Objekt herstellt (vgl. Abb. 11, 12, 17-19). 

Diese Sachlage ändert sich mit der Umstellung auf Bilder (Graphiken und Pho- 
tographien) als den zentralen Sinnträgern der Werbungsanzeigen. Indem Bilder die 
jeweiligen Objekte als Images identifizieren, zwingen sie die Typographie, sich präzi- 
ser auf den Bildsinn einzustellen und an der Image-Arbeit zu partizipieren. Die ersten 
Resultate einer typographischen Neuorientierung zeigen sich am Ende der 1920er 
Jahre. Ein Beispiel, das in seiner Perfektion allerdings für längere Zeit eine seltene 
Ausnahme bleibt, gibt eine Anzeige von 1926, in der eine elegante, fein geschwunge- 
ne Handschrift in weißer Farbe auf dem dunklen Hintergrund eines Photos plaziert ist, 
das eine Frauenhand zeigt, die in eleganter Haltung ein Champagnerglas umschließt. 
Das typographische Schriftbild und die Inszenierung der Photographie bilden einen 
homologen Verweisungsbezug der Zeichen aus, der ein Image von hohem Status und 
»kultivierter Weiblichkeit« entwirft (vgl. Abb. 13). Die gespreizte Pose der Hände, 
die Eleganz der graphischen Gestaltung, die feine Lichtdramaturgie, die (Status-) 
Symbole (Champagnerglas, Schmuck) sowie das feminine (weiche, geschwungene) 


75 Ein solcher Fall ist z.B. der Schriftzug für eine »Orient-Zigarette« namens »Matrapas« 
(BIZ 1902, 44), dessen Gestaltung an arabische Schriftzeichen und damit an die (Bild-) 
Welt des Orients erinnern soll. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |129 


Schriftbild wirken entsprechend zusammen. Inwiefern es sich hier um eine Spezifi- 
kation des Schriftbildes im Dienste der Konstruktion eines bestimmten Images von 
Weiblichkeit handelt, läßt sich anhand einer Anzeige von 1961 verdeutlichen, die 
ein bestimmtes Bild von Männlichkeit mit völlig anderen typographischen Formen 
entwirft. Sie überschreibt das Photo, das einen Braunbären als Trinkgenossen eines 
Mannes zeigt, in Passung zu alltagstheoretischen Vorstellungen von Männern als dem 
‚starken Geschlecht: mit Buchstaben, die aussehen, als seien sie in Eis oder Metall 
gekratzt: »Puschkin. Für harte Männer« (Puschkin, ST 1961, 49, vgl. Abb. 14). Im 
Gegensatz zum voraus liegenden Fall verkörpert die Schrift im Verbund mit dem Pho- 
to als männlich unterstellte Eigenschaften wie Natürlichkeit, Schmucklosigkeit, Ein- 
fachheit, Härte. In beiden Fällen ist die Schrift also nicht mehr (nur) eine Verzierung, 
die die Anzeige (und den Werbenden) in einem allgemeinen, unspezifischen Sinne 
schmückt, sondern sie bildet in wechselseitiger Beziehung zu den anderen Bildele- 
menten und dem Text eine Image-Identität aus. 

Obwohl sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine zunehmende Image- 
Orientierung und -Differenzierung der Typographie beobachten läßt, nimmt diese Ent- 
wicklung erst mit der massenhaften Verbreitung des Personalcomputers, also in etwa 
seit den 1980er Jahren, volle Fahrt auf. Denn erst dann kommt es zu einer Vereinfa- 
chung der Manipulierbarkeit massenhaft druckbarer Schriftformen sowie zu neuen 
Integrationsmöglichkeiten der Gestaltungselemente (Schrift, Graphik, Photographie) 
und erst jetzt gewinnt der Berufsstand der (Schrift-)Designer Zugriff auf diese Tech- 
nik. Die Expansion einer experimentellen Typographie, deren Formenvielfalt schnell 
über die konstruktivistische (Kunst-)Typographie am Beginn des 20. Jahrhunderts 
hinausreicht und die selbst Eingang in populäre Formate der Massenmedien findet, 
legt darüber ein deutliches Zeugnis ab. Aber auch in der Werbung kommt es seither 
zu einer zunehmenden Breite von Schriftstilen, die an verschiedenen Image-Konst- 
ruktionen partizipieren: Western-Schriften werden mit Photos von Abenteuer-Land- 
schaften kombiniert, Typewriter-Schriften stehen z.B. im Rahmen nüchterner (z.B. 
Schwarz-Weiß)-Inszenierungen immer wieder für Einfachheit und Authentizität’®, 
ältere Computer-Schriftsätze wie die »OCR« können nostalgische Eindrücke einer 
vorangegangenen Mediengeneration vermitteln und bestimmte neuere Schriftsätze 
sollen Jugendsubkulturen (z.B. die Technoszene) typographisch ins Bild setzen. Nicht 
zuletzt spielt gerade in der zeitgenössischen Werbung das Abbilden von Handschrif- 
ten zu Imagezwecken eine Rolle. Sie komplettieren Inszenierungen, die Individualität 
(Persönlichkeit, Charakter), Authentizität und Emotionalität als Identitätswert der je- 
weiligen (Image-)Objekte entwerfen. 

Im Zuge dieser Entwicklung kann dann ein entsprechendes Image-Wissen der Re- 
zipienten immer mehr vorausgesetzt werden, so daß Schriftbilder ironisch eingesetzt 
werden können — so z.B. dann, wenn barocke oder romantische Serifenschriften auf 


76 Und das insbesondere dann, wenn die einzelnen Typen unscharfe und unregelmäßige 
Konturen aufweisen, so als wäre der Text mit einer alten Schreibmaschine geschrieben. 


130 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Photos plaziert werden, die den Stil des Realismus oder eine Ästhetik des Häßlichen 
an Jugendliche adressieren (vgl. 3.4.10). Die kontinuierliche Verknüpfung eines be- 
stimmten Schriftbilds mit einer bestimmten Bildwelt macht zudem die symbolische 
Vertretung des Gesamt-Images durch die Schrift möglich. Typographische Logos be- 
kannter Konsumgüterhersteller machen diesen Sachverhalt besonders deutlich: Die 
kontinuierenden Erscheinungsformen von Namen wie »IBM«, »Coca-Cola« oder 
»Mercedes« sind die komprimiertesten typographischen Kürzel des jeweiligen Ima- 
ges und rufen beim Rezipienten unwillkürlich Assoziationen wach, die sich an den 
entsprechenden Werbungsbildern orientieren. Daran wird deutlich, daß die Image- 
Vertiefung des Schriftbildes keine Eigenleistung desselben darstellt. Die Tiefe lie- 
fern vielmehr in erster Linie die Bilder, die hinter oder neben der Schrift zu sehen 
sind und mit dieser verknüpft werden. Während die alte ornamentale Schmuckschrift 
nicht mehr bedeutete als Verzierung, können vor dem Hintergrund vorhandener Bild- 
Images selbst schmucklose Schriften für ganze Image-Komplexe stehen, solange die 
Verknüpfung von Schrift und Bildwelt eindeutig ist. Entsprechend können sich Wer- 
bungen dann, wenn für das jeweilige Objekt ein ausgearbeitetes Image vorliegt, wie- 
der auf schriftbasierte Inszenierungen zurückziehen oder Namen als Stellvertreter von 
Images zum Einsatz bringen. 

Obwohl eine sehr dynamische und variantenreiche Entfaltung des Bildcharakters 
der Schrift gerade in den letzten Jahrzehnten zu beobachten ist, ist gleichfalls nicht 
zu übersehen, daß bis in die Gegenwart (image-)neutrale Schriftformen durchaus vor- 
kommen. Auch in dieser Typographie kann man jedoch eine Stabilisierung und Aus- 
übung von Image-Kommunikation erkennen: Die Schrift stört gleichsam das Image 
nicht, das die Bilder entwerfen. Es ist nur scheinbar paradox, daß die Sensibilisierung 
der Schriftgestaltung in Sachen Image die Unauffälligkeit ihrer Form zur Folge haben 
kann. Gerade die rein schriftbasierten Werbungen, die mit dem Image des Imagelo- 
sen (d.h. mit der Darstellung von Tatsachen, vgl. 3.4.7) operieren und entsprechend 
nicht nur keine Bilder, sondern auch keine pointierte Schriftgestaltung zum Einsatz 
bringen, verdeutlichen diesen Sachverhalt. In diesen Fällen, die in den 1950er Jah- 
ren als eigenes Genre der Informationswerbung hervortreten, also in einer Zeit, in 
der die Werbung im wesentlichen auf Image-Kommunikation eingestellt ist, setzen 
einzelne Anzeigen auf die »Objektivität« des gedruckten Wortes, der im Kontext der 
Oberflächenorientierung der Image-Kommunikation eine neue Bedeutung zukommt. 
Schrifttypen wie die »Times« oder die »Helvetica« imitieren die Neutralität des re- 
daktionellen Umfelds und sollen bei gleichzeitigem Verzicht auf Bilder Eindrücke 
von Seriosität, Bescheidenheit, Einfachheit usw. vermitteln. Im Unterschied zu den 
historischen Vorläufern realisieren solche Werbungen jetzt bereits als typographisches 
Erscheinungsbild ein bestimmtes Image — und zwar deshalb, weil die Identität der 
Objekte inzwischen an der Bildform dechiffriert und zu anderen Images in Beziehung 
gesetzt wird. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 131 


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ihres Haarwuchses sind die, welche 
nichts gegen Schuppen fun. 
Ne 


Nachahmungen von 
Quaker Oats haben wohl 
ein ähnliches Aussehen, 
kosten gewöhnlich das. 
selbe, haben aber niemals 
denselben Geschmack. 

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9: Kiderlen; BIZ 1909, 18 

10: Quaker Oats; BIZ 1909, 18 
11: Steckenpferd; BIZ 1915, 27 
12: Lobeck’s; BIZ 1915, 27 


132 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


| Ihre Handi verralen alles! PUSCHKIN д 


\ FÜR HARTE MANNER 


E Ў 
schen ‚die Hände 
einer аи über Kal- 
tur und Karakter. 


Gepflegte Hände 


sind immer schön. 


ELIDA HAUTPFLEGE 


13: Elida; BIZ 1926, 23 
14: Puschkin; ST 1961, 49 


3.2.3 Rahmen, Ornament und Zeichnung 


Obwohl das Verbreitungsmedium Zeitung keineswegs auf Schriftlichkeit festgelegt 
ist, wird in den ersten Jahrzehnten des Untersuchungszeitraums von der Zeichnung 
oder Graphik kaum Gebrauch gemacht. Wie die Typographie ist die Variabilität der 
zeichnerischen Gestaltung auf das Prinzip der relativen Größe eingeschränkt, wobei 
das Gesamtformat der Anzeige die entscheidende Gestaltungsressource ist. Das Format 
schränkt den Gestaltungsspielraum ein und ist auch insofern bedeutsam, als die relative 
Größe im Verhältnis zur rexlativen Kleinheit der anderen Anzeigen Größe und Format 
im wertbezogenen Sinne zum Ausdruck bringen kann bzw. soll (vgl. Abb. 2). Der Rah- 
men, der als Linie um die Anzeigen läuft, spielt bei der Symbolisierung von Größe eine 
formbildende Rolle, ist aber vor allem ein Gestaltungselement mit der Funktion, die in 
einer Vielzahl auf einer Seite gruppierten Anzeigen voneinander abzugrenzen und der 
einzelnen Werbung eine unterscheidbare Form zu geben (vgl. Abb. 2).77 


77 Aus der Perspektive gegenwärtiger Sehgewohnheiten erinnern solche Anzeigen, die sich 
auf Text und Rahmen beschränken, ап Todesanzeigen. Und im (Gestaltungs-)Bereich der 
Todesanzeigen läßt sich bis heute die Dramaturgie der relativen Größe gut beobachten: Ge- 
rade weil der Gestaltung hier (trotz eines gewissen Wandels in Richtung »Ästhetisierung« 
in den letzten Jahren) aus sittlichen Gründen enge Grenzen gesetzt sind, so daß die sozialen 
Unterschiede zwischen den zu ehrenden Toten kaum zum Ausdruck kommen, fungiert die 
Anzeigengröße als wichtiger Differenzierungsmechanismus der Achtungszuteilung. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |133 


Anzeigen, die weitere graphische Elemente ins Spiel bringen, orientieren sich um 
1900 noch in erster Linie an der Funktion des Ornaments im Sinne eines schmü- 
ckenden Beiwerks.’® Neben kunstvoll gestalteten Buchstaben (insbesondere Initialen) 
tritt das Ornament in zwei Varianten in Erscheinung, die zum Teil ineinander überge- 
hen. Eine Variante besteht in der ornamentalen Bearbeitung des Rahmens, z.B. durch 
breitenvariierte Linienführungen, die als Musterwiederholungen und -modulationen 
ausgeführt werden (vgl. Abb. 16-18). Als Verzierung kommt dieser Schmuckrahmen 
unabhängig von dem jeweils beworbenen Objekt zum Einsatz, d.h. er findet sich in 
einer Werbung für ein »Kräftigungsmittel für Bleichsüchtige« ebenso wie in einer 
Reklame für ein »beliebtes Mode-Parfum« (vgl. Abb. 15-18). Seine Form verdankt 
der Schmuckrahmen also nicht einer semantisch spezifizierenden Arbeit am Image, 
sondern allgemein populären Gestaltungsmoden einer Epoche. Um 1900 ist z.B. der 
Jugendstil eine solche Mode, die Eingang in die Werbung findet. 

Die andere Variante besteht in der ornamentalen Behandlung der (Anzeigen-) 
Fläche, die der Rahmen umschließt. Der Umgang mit Symmetrie und Wiederho- 
lung weist auch hier die Gestaltung als eine Schmuckform aus, die kein spezifisches 
Erscheinungsbild des beworbenen Objektes realisiert, auch wenn letzteres integra- 
ler Bestandteil des Schmuckwerks ist, wie z.B. in einer Reklame für Kakao, die die 
Darstellung von zwei Tassen und dem aufsteigenden Dampf zu einem ornamentalen 
Bildgewebe ausarbeitet. 

Neben und mit den ornamentalen Gestaltungen sind die zum Einsatz kommen- 
den Zeichnungen der Zeit um 1900 symptomatisch, denn ihr Zweck beschränkt sich 
im wesentlichen darauf, die beworbenen Objekte naturalistisch abzubilden. In einer 
Werbung für Scheren sind entsprechend Scheren zu sehen, Töpfe werben für Töpfe, 
Koffer für Koffer, Fahrräder für Fahrräder usw. Die Darstellung ist nüchtern und 
fügt typischerweise das schwarz gezeichnete Objekt ohne jeglichen Kontext in den 
weißen Umraum der Anzeige ein — die Zeichnung hat also lediglich emblemati- 
schen Charakter. Unmittelbar und vor jedem Einstieg des Rezipienten in den Text 
soll darüber informiert werden welcher Gegenstand angeboten wird (vgl. Abb. 2).7? 
Neben und mit der fehlenden Arbeit am Image fällt (insbesondere im Vergleich mit 
späteren Werbephotographien) die Undetailliertheit der Bilder auf. Das Bemühen, 
die beworbenen Objekte in ihrem schmuckvollen Detailreichtum vorzuführen, ist 
zwar gelegentlich erkennbar (vgl. Abb. 2, 5, 16), scheitert jedoch nicht zuletzt an 
der geringen Auflösung, die der Drucktechnik, der Papierqualität sowie der Klein- 


78 Einen ganz anderen Ornament-Begriff entwickelt Luhmann in seinem Werk »Die Kunst 
der Gesellschaft« (1995). Luhmann geht davon aus, daß sich die Kunst als ein soziales 
System ausdifferenziert, das sich zunehmend und zunehmend selbstbezüglich mit der 
Bewältigung von (selbstgestellten) Formproblemen beschäftigt, wobei das Ornament als 
»Medium« der Formarbeit beschrieben wird (vgl. ebd., 193-199 und 366 ff.). 

79 Beides gelingt vermutlich um so besser, als die meisten Anzeigen der Zeit noch nicht 
illustriert sind. 


134 | Image. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


heit des Gesamtformats geschuldet ist. Schon deshalb bleibt die Entfaltung des 
Prinzips der »schönen Form« (Luhmann 1996), das man ansonsten als eine frühe 
Variante der Imagebildung ansehen könnte, noch für längere Zeit auf das Ornament 
beschränkt Si 


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FLEISCH-EXTRACT. 


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Zei: BLEICHSÜCHTIGE | 


15: Liebig Company; BIZ 1899, 27 
16: Divinia; BIZ 1906, 5 

17: Herz; BIZ 1907, 9 

18: Eisen-Somatose; BIZ 1899, 27 
19: Palmitin; BIZ 1907, 9 


80 Die Ausschmückung des Produktes wird aber in einigen (wenigen) Fällen so deutlich 
in den Vordergrund gestellt, daß man sagen könnte, Schönheit wird als Identitätswert 
eines Produkts propagiert. So unterscheidet sich eine Anzeige von 1899, die eine Flasche 
»Kölnisch Wasser« zeigt, von allen (!) anderen Werbungen der Zeitungsausgabe, indem 
sie einen schwarzen Hintergrund für das Objekt wählt und dieses fast die gesamte Anzei- 
genfläche einnehmen läßt (ca. 3 cmx 7 cm), so daß die ornamentalen Verzierungen des 
Produktes betont werden (Eau de Cologne, BIZ 1899, 27). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 135 


Ab den 1920er Jahren sind dann zunehmend Zeichnungen zu sehen, die sich von der 
Funktion des bloßen Abbildens und der Schmuckfunktion des Ornaments emanzi- 
pieren und die Erscheinungsformen im Blick auf die Herstellung guter Attribute se- 
lektieren und arrangieren. Folgende Entwicklungen verdeutlichen eine zunehmende 
Bedeutungsvertiefung und -spezifizierung gezeichneter Oberflächen. 


a) Menschen und andere Figuren: Vom »leblosen< Objekt zum Image Träger 
Werbungen um 1900 zeigen Menschen — wenn überhaupt — noch häufig als aus- 
druckslose Figuren, die den Produkten zur Seite stehen. Im Unterschied zu den eben 
erwähnten Objektabbildungen werden die Produkte dann immerhin im Kontext ihres 
Gebrauchs gezeigt. Zu sehen ist entsprechend nicht nur ein Rasiermesser, sondern 
ein Mann, der sich rasiert (vgl. Abb. 20), nicht nur ein Korsett, sondern eine Frau in 
einem Korsett. Im Laufe einiger Jahrzehnte verschwindet diese additive Kopplung 
der Elemente, die Menschen wie eine Sache unter anderen erscheinen läßt und macht 
solchen Bildern Platz, die den menschlichen Körper als ein komplexes »Bedeutungs- 
system« (Hahn 1999) zu Zwecken der Imagebildung nutzen. Es liegt auf der Hand, 
daß die Vertiefung der Erscheinungsformen insbesondere die Beziehung der Akteure 
zu dem Produkt definiert und daß die Darstellung guter Gefühle dabei eine besonders 
wichtige Rolle spielt: Während die Frau im Korsett dann ihre Arme vor Freude strah- 
lend in die Höhe reckt, signalisiert der Mann jetzt durch eine kraftvoll-dynamische 
Bewegung von Armen und Oberkörper, daß die Rasierseife namens »Wach auf« eben 
diesen Effekt hervorruft (vgl. Abb. 21). 

Mit der zunehmenden Präparation der Darsteller als Image-Träger geht eine Ziel- 
führung zeichnerischer Formen einher (Helligkeitskontraste, Proportionen, Linien- 
führungen usw.), die den menschlichen Ausdruck hinter der Oberfläche deutlich(er) 
hervortreten lassen. Die Präzisierung des Kindchenschemas ist dafür ein Beispiel: 
Während um 1900 noch sachlich-ausdruckslos aussehende Kleinkinder abgebil- 
det werden, dominieren später »Niedlichkeitseindrücke< und Darstellungen diverser 
Binnenzustände, die durch ein passendes Inventar von Gestaltungsmitteln umgesetzt 
werden (vgl. Abb. 22 u. 23). Auch bildet sich ein vielfältiges Figurenrepertoire, das 
unterschiedliche Identitätsattribute auf die beworbenen Objekte transferierbar macht. 
Neben dem seriösen Verkäufer gehören schon bald imagebildende Rollenträger wie 
Handwerker, Wissenschaftler, Ärzte oder Hausfrauen zu einem imagebildenden Fi- 
gurenkanon. Hinweise auf Produkte, z.B. durch den partialisierten Zeigefinger, ver- 
schwinden währenddessen und machen einer Praxis des Demonstrierens der jeweili- 
gen Objekte Platz, die mehr bedeutet als ein Hinweis auf das Objekt als solches. So 
zeigt z.B. eine Anzeige von 1956 eine Hand, die das beworbene Feuerzeug umschließt 
und in die Höhe hält. Die zu der Hand aufblickende Perspektive und die modischen 
Accessoires (Handschuh, Hemd, Sakko) verdeutlichen hier Hervorgehobenheit im 
Sinne von Kultiviertheit und hohem Status (Ronson, ST 1956, 27). 

Einen Schritt in diese (Image-)Richtung markiert daneben ein surrealer Figurenty- 
pus, der sich seit den 1950er Jahren einer größeren Beliebtheit erfreut und bis in die Ge- 


136 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


genwart existiert. Gemeint sind, meist an die Gattung des (Kinder-)Trickfilms erinnern- 
de, Kunstfiguren mit symbolisch pointierten (guten) Eigenschaften, die den medialen 
Auftritt der Marke kontinuierlich begleiten und dadurch den Charakter der jeweiligen 
Figur mit dem beworbenen Objekt assoziieren sollen. Der »Blendax-Max« ist z.B. ein 
cleveres Kerlchen,S! der grüne Frosch der Firma »Erdal« steht wie der Bär der »Bären- 
marke« für Natürlichkeit,” der »Maggi-Fridolin« steht als »freundlicher Helfer« der 
Hausfrau zur Seite und der »Firestone«-Fuchs soll für einen Reifenhersteller Klugheit 
zum Ausdruck bringen (»Füchse fahren Firestone«, Firestone, ST 1966, 18). 


a IH „Zur Probe! 
We p ман лее schw Gi 


rasire Sich Selbst! 
e 


RE 
=» 


ТАВАК МАЯК 


Gräfrath sches 


Gebrüder Rauh, 


Versand gegen N 


20: Rauh; BIZ 1901, 35 

21: Wach auf; BIZ 1907, 9 

22: Dr. Lahmanns; BIZ 1902, 40 
23: Milka; ST 1951, 5 


Das neue Rasieren 
„Wach auf” ! 


Vergnügen 


Weisen Sie im eigenen Int 
des gemeinschaftlichen 


lss nur tücktig Aa 
MILKA bekommt Kindern — 
die wachsen wollen e мид 
so us wie Milch Say y 


MILKA UND BROT MACHT WANGEN ROT! 


81 Die gezeichnete Figur, die einem jüngeren Matrosen gleichkommt, rät z.B. einem Mann 
beim Abendbrot: »Ein Zwiebelfisch? Sei auf der Hut, rät Blendax-Max, der schmeckt 
zwar gut, nur darf nach einem solchen Essen man’s Zähneputzen nicht vergessen!« 


(Blendax, ST 1951, 5) 


82 Dessen Erscheinungsform als (Kinder-)Stofftier ist dabei ebensowenig zufällig wie seine 
Situierung in »natürlichen« Landschaften wie z.B. »ursprünglichen« Bergwiesen (vgl. Bä- 


renmarke, ST 1960, 45). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 137 


b) Die Sprachorientiertheit der Bilder 

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die Sprache der Bilder noch häufiger an 
sprachbasierte Erklärungen und Beweisführungen angelehnt und insofern funktional 
zu diesen äquivalent. Selbst in den 1950er Jahren kommen Anzeigen wie diejeni- 
ge vor, die in die Handzeichnung eines Reisekoffers die photographische Abbildung 
eines Photoapparats plaziert, um zu verdeutlichen, was der ideale Reisebegleiter ist 
(Agfa, ST 1956, 27). Anstelle eines Images, das z.B. mit dem Motiv Urlaubserlebnis 
kommuniziert werden könnte, werden hier Symbole in sprachanaloger Weise kombi- 
niert, um sinngemäß die Botschaft »Beim Kofferpacken nicht die Kamera vergessen« 
ins Bild zu setzen (vgl. Abb. 24). Beispiele für die Sprachorientiertheit der Bilder 
geben auch die bis zu dieser Zeit noch beliebten allegorischen Darstellungsweisen, 
die immer wieder im Text als solche ausgewiesen werden. Wenn auf einer Zeichnung 
zwei Schuhe auf einer Stahlfeder plaziert sind, um die Überschrift »Sie gehen federnd 
und beschwingt« zu veranschaulichen, ist das ein solcher Fall (Abb. 25).8? 


Ferienland, du Wunderland 
ма тма 
Endlich einmal ton wad Jemen попел. 
ма = wie herrlich! Spazierengehen durch 
welter oder 
won ийм, бе Lust zum Pheteprapbieren. Got. 
wenn man denn eine Comer МӘ. fine NONE 
Camera, mit der heste Hundarizuzende 
апарата. nt de 


Sperre vd Zühlmerk geschaltet, Entscheidend > 

Mett de Agbe-Ofyektiv kinzribeiten segi Den. er 
bareng Dr Pheichändier, Und denken Sie = 
bihe өл die neoe Koferbraschöre der Agia 
»Phototips für die Reises 
Kostenlos bei Ihrem Phetebändier 


сү, 
Ko 


24: Agfa; ST 1956, 27 
25: Ada Ada; ST 1958, 36 


83 Ein anderes Beispiel gibt eine Anzeige für ein Insektenvernichtungsmittel, die den Hin- 
weis »Fliegen bringen Krankheiten« in die Zeichnung eines menschlichen Skeletts über- 
setzt, das auf einer Fliege reitet (Flit, BIZ 1929, 36). 


138 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


c) Die Distanzierung von der Erscheinungsform des Gegenstands 

Die semantische Vertiefung der Zeichnung läßt sich weiterhin an der Vergewöhnli- 
chung einer Darstellungsform erkennen, die nicht mehr die Erscheinung des bewor- 
benen Objektes in den Mittelpunkt rückt, sondern mit Bildern operiert, die dasselbe 
stellvertretend qualifizieren. Zu diesen Bildern gehört das Motiv der Natur, das in 
verschiedenen Variationen relativ früh Eingang in die Werbung findet und, sei es als 
Landschaft oder solitäres Naturobjekt (Tiere, Bäume, Blumen), einen Sinngenerator 
darstellt, der bestimmte, gute Qualitäten symbolisieren soll. Ein frühes Beispiel ist 
eine Werbung für ein Pflanzenfett, die den Schriftzug »Palmin« neben einer stark 
stilisierten Zeichnung plaziert und damit nicht nur den Rohstoff des Produktes, son- 
dern auch dessen Natürlichkeit ins Spiel bringt, wenngleich die assoziativen Bezüge 
(Südsee) durch den hohen Abstraktionsgrad der Zeichnung noch unbestimmt bleiben 
(Palmin, BIZ 1906, 5; vgl. Abb. 26). Eine Anzeige von 1928 setzt dann zielgerich- 
teter auf ein Naturmotiv, indem sie für einen koffeinfreien Kaffee das Photo einer 
idyllischen Landschaft (Überschrift: »Schönheit der Natur«) als allegorische Charak- 
terdarstellung des Objektes bzw. als Sinnbild für dessen Natürlichkeit zum Einsatz 
bringt (Kaffee HAG, BIZ 1928, 32; vgl. Abb. 27). 


ЖҮ ШИШЕ SCHÖNHEIT 
i DER NATUR 


KAFFEE HAG 


Alle deutschen Bäder und Kurorte führen Ка сс Hag seiner bekannten Vorzüge 


26: Palmin; BIZ 1906, 5 
27: Kaffee Hag; BIZ 1928, 32 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 139 


3.2.4 Photographie 


Die Photographie hält, von wenigen Ausnahmen abgesehen, erst in den 1920er Jahren 
Einzug in die Werbung. Sie spielt dann tendenziell immer häufiger eine Rolle, wird aber 
erst in der Nachkriegszeit zum Leitmedium der Printwerbung. Der Medienwechsel geht 
dann allerdings so sprunghaft vonstatten, daß graphische Techniken (Zeichnung und Illust- 
ration) schon am Ende der 1960er Jahre nur noch ein marginales Nischendasein fristen. 
Von diesem Befund ausgehend, kann man die Frage stellen, warum es zu einem ver- 
zögerten Einsatz der Photographie in der Werbung kommt — immerhin wird das Verfahren 
zur Herstellung von Druckvorlagen bereits 1881 erfunden und setzt sich in den redaktio- 
nellen Teilen der Zeitungen schnell durch. Der Hinweis auf die Knappheit der Ressour- 
cen Zeit und Geld kann diese Frage kaum beantworten. Denn die Werbung hätte — ganz 
anders als z.B. die zur Tagesaktualität verpflichteten Nachrichten — unter den technischen 
Bedingungen der Jahrhundertwende zu bezahlbaren Preisen mit Photos konzipiert werden 
können. Die Analyse legt vielmehr den Schluß nahe, daß neben und mit dem Fehlen einer 
medienspezifischen (Image-)Bildsprache die noch unzureichende Abbildungsqualität der 
Verbreitungsmedien diese Entwicklung bedingt: Als gedruckte Photographie verfehlt die 
Photographie in den Trägermedien Zeitung und Zeitschrift lange Zeit die ihr eigene Ober- 
flächenperfektion, die sie als reine Photographie (d.h. als nicht gedruckter Originalabzug) 
bereits um 1850 erzielt und die gerade für die Image-Kommunikationen der Werbung 
von Bedeutung ist. Die Unzulänglichkeiten der Reprographie, der Drucktechnik und nicht 
zuletzt der Papierqualität verhindern lange Zeit jene Brillanz, die uns beim gegenwärtigen 
Stand der Reproduktions-, Druck- und Papierherstellungstechniken vor die Augen tritt, 
wenn wir z.B. Reproduktionen der ersten Daguerreotypien und Kalotypien in Büchern, 
Ausstellungskatalogen oder Zeitschriften betrachten.°* Dem photographischen Druckbild 
fehlt es noch lange an Schärfe, an Geschlossenheit und Dichte der Oberflächen, an der 
Durchzeichnung feiner Details, an einem breiten Spektrum von Grauabstufungen und an 
den nötigen Kontrasten.$° Die ersten Bilder des Datenbestands sind von so schlechter 


84 Die gedruckten Photographien sind kaum noch уоп dem photographischen »Original- 
abzug« zu unterscheiden. Diesen Perfektionsgrad erreichen allerdings seit Jahrzehnten 
nicht nur kostspielige Publikationen, sondern auch die sogenannten »Illustrierten«. Selbst 
der durchschnittliche Zeitungsdruck zeigt inzwischen Bilder, deren Abbildungsqualität 
dem ungedruckten Photoabzug erheblich näherkommt als der Zeitungsdruck am Beginn 
des 20. Jahrhunderts. 

85 Deshalb bleibt es unter Werbegesichtspunkten lange zwecklos, solche Dinge photographisch 
zu zeigen, bei denen es auf sichtbare Feinheiten ankommt. So wird z.B. »stumpfes, sprödes 
und ausdrucksloses« Haar noch länger als Zeichnung thematisiert, weil mit diesem Medium 
das Problem besser zum Ausdruck gebracht werden kann (vgl. Elida, BIZ 1937, 18). Diese 
Interpretation mangelnder Abbildungsqualität macht auch plausibel, warum lange Zeit Zeich- 
nungen (und nicht Photos) Werbung für Photoapparate und Filmmaterial machen — denn die 
gedruckten Photographien können nur ein schlechtes Beispiel für das beworbene Produkt 
abgeben, weil der Rezipient bereits bessere: (nicht gedruckte) Photos kennt. 


140 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Qualität, daß sie als Photographien kaum erkannt werden können. Am Ende der 1920er 
Jahre steht dann immerhin der photographische Status auch bei den kleinformatigen Wer- 
bungsanzeigen nicht mehr in Frage. Es ist daher vermutlich kein Zufall, daß erst dann 
Inszenierungsstrategien zum Einsatz kommen, die die Zeugenschaft der Photographie 
als Glaubwürdigkeitsgenerator nutzen — so wie z.B. eine Anzeige, die das Empfehlungs- 
schreiben eines Gutachters nicht nur erwähnt, sondern nebst einer notariellen Beglaubi- 
gung (Übereinstimmung mit Urschrift bestätigt«) als Photodokument vorführt, um unter 
Beweis zu stellen, daß es dieses Schreiben wirklich gibt (Vauen, BIZ 1927, 27). Der tech- 
nische Standard reicht aber für glanzvolle Inszenierungen, die die Oberflächenperfektion 
des Mediums ausnutzen müssen, bei weitem noch nicht aus. Deshalb, so die hier vertre- 
tene These, spielt die Zeichnung in der Werbung noch längere Zeit eine wichtige Rolle, 
und zwar gerade dann, wenn körperliche Schönheit zum Image-Faktor wird. Denn in der 
Zeichnung lassen sich ästhetische Ideale, makellose Oberflächen und Glanzeffekte (wenn- 
gleich ohne die spezifischen Realitäts- und Attraktionswerte der Photographie) leichter 
herstellen; und dies könnte auch eine Erklärung dafür sein, warum die gezeichneten Stili- 
sierungen des Körperschönen eher den bis heute gängigen Schönheitsidealen entsprechen 
als die photographischen Inszenierungen derselben Zem 26 Die folgenden Abbildungen 
verdeutlichen die vorübergehende inszenatorische Überlegenheit der Zeichnung bzw. ent- 
sprechende Defizite der Photographie in Gegenüberstellung vergleichbarer Motive (vgl. 
Abb. 28-32). 

Die Photographie muß in der Drucktechnik gleichsam erst zu sich selbst kom- 
men, und dies ist — zumindest in den hier untersuchten Massendruckerzeugnissen erst 
etwa hundert Jahre nach ihrer Erfindung der Fall.” Spätestens mit der Einführung 
der Farbphotographie wird in den 1960er Jahren auch im Bereich der Massenmärkte 
der (billigen) Zeitschriften ein photographischer Realismus gewöhnlich, der Bilder 
von geradezu haptisch-taktiler Qualität hervorbringt. Erst dann bilden sich bestimmte 
Inszenierungsstile der Werbung aus, die auf eben diesen Realismus angewiesen sind 
bzw. auf dessen Steigerung setzen. Eine dieser Strategien besteht z.B. darin, über 
Ausschnitte und Vergrößerungen »zu den Sachen selbst: vorzudringen.®® Jetzt tau- 


86 So wird der Typus der modischen, langen und schlanken »Eleganten«, der ein kontinu- 
ierendes Schönheitsideal (auch der Werbung) ist (vgl. Thoms 1995), zunächst nur im 
Medium der Zeichnung realisiert. 

87 Das bedeutet natürlich nicht, daß es nicht schon vorher gute und sehr gute Drucktech- 
niken zur Reproduktion von Photographien gibt. Aber die sogenannten »Edeldruckver- 
fahren« wie z.B. der Brom-Öldruck bleiben Nischentechnologien (vgl. z.B. Koschatzky 
1989). 

88 Versuche in diese Richtung gibt es allerdings schon früher. So zeigt eine Photographie 
von 1931 eine Hand, die in die langen Haare einer Angorakatze greift, um das taktile 
Produktversprechen sichtbar zu machen (»So weich soll Ihre Wäsche sein«, Juvena, BIZ 
1931, 45). Aufgrund der schlechten Abbildungsqualität wird dieses Ziel jedoch besten- 
falls als Anstoß von Assoziationen realisiert (vgl. Abb. 32). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |141 


chen Motive wie das des frisch gezapften Bieres auf, wobei die Wiedergabetreue der 
Photographie so hoch ist, daß der Rezipient (fast) den Eindruck gewinnt, das drei- 
dimensionale Objekt stünde vor seinen Augen (vgl. Abb. 33-35).8 Doch nicht nur 
für die Darstellung des (Image-)Positiven, sondern auch für das Zeigen des (Image-) 
Negativen ist die Photographie fortan folgenreich — denn das Defizitäre läßt sich nun 
in neuer Schärfe als »tatsächliches« Stigma präparieren. Ein einfaches Beispiel geben 
die bekannten realistischen Abbildungen in Werbungen für Schlankmacher, die die 
Inkarnationen der Positiv- und Negativwerte im Vorher-Nachher-Schema gegenüber- 
stellen. 

Neben und mit den technischen Mängeln ist für die Entfaltung photographischer 
Inszenierungsstile zunächst das Fehlen von Gestaltungstechniken bestimmend, die das 
Kommunikationsmedium im Dienste der Image-Kommunikation zu nutzen wissen. Die 
ersten Werbungsphotographien erwecken aus heutiger Perspektive den Eindruck unver- 
stellten Dilettantentums und sind von den hochprofessionellen Produktionen der Gegen- 
wart sehr weit entfernt. Ein grundsätzlicher Lernprozeß besteht darin, daß die Auswahl 
aller im Bild sichtbar gemachten Objekte — ja aller Sichtbarkeiten überhaupt — im Blick 
auf die konkreten Erscheinungsformen bzw. Oberflächen zu treffen ist. Der Amateur- 
charakter der frühen Werbephotographie beruht nicht selten auf einer unzureichenden 
Berücksichtigung dieses Sachverhalts. Die Aufnahmen wirken oftmals so, als hätten sich 
die Werbungsproduzenten bzw. -photographen im Vertrauen auf die Abbildungstreue 
der Photographie mit einer inhaltlichen Darstellung eines Motivs begnügt. Als konkrete 
Erscheinungsformen wirken die Objekte der frühen Werbungsphotographie tendenziell 
kontingent — fast so, als handle es sich nur um symbolische Platzhalter und nicht um 
Objekte, deren individuelle Beschaffenheit in Passung zu den anderen Elementen und 
(damit) zu einem angestrebten Image ausgesucht sind.? Die neu entstehende (Image-) 
Rationalität und (Image-)Reflektiertheit läßt sich z.B. am Einsatz solcher Darsteller be- 
obachten, deren körperliches Erscheinungsbild in ähnlicher Weise wie bei den bereits 
erwähnten gezeichneten Image-Trägern alltagstheoretischen Persönlichkeitstypologi- 
en und/oder gängigen Attraktivitätsbeurteilungen Rechnung trägt.?! Zudem setzt sich 


89 Auffällig ist auch das Auftauchen des Motivs Wasser in dieser Zeit. Attraktiv in Sze- 
ne gesetzte Wasserformen (Tropfen, Fontänen usw.) können jetzt zur Konstruktion von 
Image-Attributen wie Jugendlichkeit, Frische, Reinheit genutzt werden. 

90 Auch wenn die heutige Werbung mit ihren Inszenierungen keineswegs das Ziel sicher- 
stellen kann, daß die Art der Positivbewertung bei den Rezipienten Gefallen findet, so 
ist doch nicht zu übersehen, daß die sichtbaren Erscheinungsformen restlos bis in das 
allerkleinste Detail Resultat eines hochselektiven Vorgangs sind, mit dem ein bestimmter 
Eindruck eines Objektes erzeugt werden soll. 

91 Daß gerade auch die Erscheinungsform des menschlichen Körpers von zentraler Bedeu- 
tung ist, verdeutlicht nicht zuletzt die Tatsache, daß sich für die Lösung entsprechender 
Selektionsprobleme eine eigene Unternehmensform ausbilden konnte und mußte: näm- 
lich die der Model-Agentur. 


142 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


in dem Bilder-Rahmen der Photographie ein Ausdrucksmanagement durch, das neben 
Gestik und Mimik das Mikro-Blickverhalten der Darsteller und kleinste requisitorische 
Details steuert. Ein frühes Beispiel ist eine Reklame für ein Mittel gegen Haarausfall, 
das im Unterschied zu seinen Vorläufern und zeitgenössischen Konkurrenten weit über 
die schematische Darstellung von Gegenständen hinausgeht: Der Mann, der als Kenner 
und Nutzer des Produktes dargestellt wird, ist größer als sein Interaktionspartner, ver- 
fügt im Unterschied zu diesem über volles Haar und ist eleganter gekleidet. Als Image- 
Träger verkörpert der gutaussehende Produktanwender Erfolg, Sympathie, Glaubwür- 
digkeit usw. und weil er diese Attribute als Erscheinungsbild veräußert, erübrigt sich 
hier weitgehend ein schriftliches Selbstlob (vgl. Abb. 36 u. 37). 

Die zunehmende Selektivität der Werbephotographie beschränkt sich dabei keines- 
wegs auf die Auswahl lebenswirklich vorgefundener Formen. Vielmehr muß im Kom- 
munikationsmedium Photographie eine eigene Technik des Verständlichmachens und der 
Pointierung entwickelt werden, um die abgebildeten Objekte in ein bestimmtes (Image-) 
Licht zu rücken. Das Licht im wörtlichen Sinne spielt dabei eine besondere Rolle. Im 
Rückgriff auf bestimmte Materialien (Lampen, Blitze, Reflektoren) entsteht eine varian- 
tenreiche Lichtdramaturgie, die räumliche Eindrücke definiert, Körper modelliert (oder 
abflacht), Tages- oder Nachtzeiten simuliert, Szenen eine bestimmte Dramatik verleiht 
oder diese in einem nüchternen (Tages-)Licht erscheinen läßt. Andere wichtige Gestal- 
tungsmittel sind der Bildausschnitt und die Perspektive. Mit einer entsprechenden Kame- 
raposition kann z.B. die relative Größe von Elementen symbolisch derart betont werden, 
daß sie als Größe in einem wertbezogenen Sinne hervortritt. Ausschnitte pointieren vor al- 
lem die Sinnhaftigkeit der Zeichen und Symbole, die im Inneren des Rahmens erscheinen. 
Dies gilt vor allem in symbolisch komprimierten Arrangements, die etwa durch Entkon- 
textualisierungen zustande kommen können. So zeigt eine Anzeige von 1964 drei Flug- 
kapitänsmützen neben einer Zigarettenpackung, um für sich (das beworbene Objekt) den 
»Duft der großen weiten Welt« in Anspruch zu nehmen (Peter Stuyvesant, ST 1964, 10). 
Die photographische Bildsprache wird auch dahin gehend komplexer, als sie die lebens- 
weltlich vorgefundene »Wirklichkeit« metaphorisch, d.h. als Ressource von Bedeutungs- 
übertragungen, interpretiert und nutzt. So illustriert eine Photographie das Thema Nervo- 
sität über die Abbildung eines Strommastes und einer Vielzahl von Stromkabeln (Kaffee 
Hag, BIZ 1930, 40), und eine Anzeige für Haarwasser bringt mit dem Bild eines blattlosen 
Baumgerippes die tiefere Bedeutung von »Kahlheit« zum Ausdruck (»Kahle Bäume - sie 
leben nicht für uns, sind tot, sind traurig«, Trilysin, BIZ 1931, 45). Die Brennweite”? des 


92 So kann z.B. durch ein ausschnitthaftes Photographieren von Gesichtern mit einer län- 
geren Brennweite der optische Eindruck bestehender Raumdistanzen verringert und da- 
durch eine Vertraulichkeit der Akteure zum Ausdruck gebracht werden. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |143 


Objektivs, die Blende” sowie die Belichtungszeit”* sind Gestaltungselemente, die zuneh- 
mend auf die Image-Kommunikation ein- und umgestellt werden. Auch die Manipulation 
der (rechteckigen) Gesamtform? und die Steuerung der Abbildungsgröße” spezifizieren 
die photographische Bildsprache. 

Neben und mit der zunehmenden Reflexivität auf gestalterische Mittel kommt es 
im Verlauf der Entwicklung zu einer allgemeinen Ent-Distanzierung photographier- 
ter Objekte. Die Kamera wandelt sich — metaphorisch gesprochen — von einer Do- 
kumentationsapparatur zu einem teilnehmenden Beobachter, der mitten im Gesche- 
hen stecht. H! Symptomatisch dafür ist vor allem die Darstellung von Details, das dem 
Bildbetrachter den Überblick über die Gesamtgestalt der Objekte verwehrt, ihm also 
keinen Gegenstand gegenüberstellt, sondern ihn gleichsam in die Inszenierung ein- 
schließt.?® Obwohl derartige distanzlose Photos inzwischen längst üblich sind, stellen 
z.B. stark partialisierende Frauenportraits um 1960 noch seltene Ausnahmefälle dar. 


93 Eine geringe Tiefenschärfe pointiert in besonderem Maße das fokussierte Objekt und iso- 
liert dieses (mit semantischen Folgen) von seiner Umgebung. Eine große Tiefenschärfe 
neutralisiert hingegen tendenziell die Beobachterperspektive (der Kamera) und rückt die 
Szene in ein neutraleres, distanzierendes Licht. 

94 Bewegungen, die durch Unschärfen als solche kenntlich gemacht werden, können z.B. 
die Dynamik eines Objektes unterstreichen, während etwa das »Einfrieren< von Bewe- 
gungen genutzt werden kann, um Ruhe, Instrospektion usw. zum Ausdruck zu bringen. 

95 In einer Werbung für eine Seife ist das Photo z.B. wellenförmig zugeschnitten, so daß die 
Außenform auf das Motiv (Frau in Meeresbrandung«) wie auf das ebenfalls abgebildete 
Produkt (Seife) mit seiner wellenförmigen Schriftmarke Bezug nimmt (Fa, ST 1959, 40). 

96 Kleinere Objekte werden z.B. im Abbildungsmaßstab 1:1 gezeigt, um einen besonderen 
»Naturalismus-Effekt< zu erzeugen. Wenn eine Packung »Mon Cheri« inmitten eines Kran- 
zes von Geburtstagskerzen auf einer Doppelseite abgebildet wird (ST 1970, 38) oder wenn 
eine Krawatte in Originalgröße gezeigt wird, um die Abmessungen der neuen Spitze zu 
verdeutlichen (Alpi, ST 1970, 38), ist das ein solcher Fall. Die Werbung steigert dadurch 
den Realismus der Photographie und die Faszinationskraft der Oberflächenperfektion. 

97 Der Film vermittelt dann prinzipiell und in vertiefter Weise (sieht man von der Möglich- 
keit ab, mit feststehender Kameraposition unbewegte Objekte zu filmen) durch den per- 
manenten Wechsel seiner Perspektiven (auch auf ein und dasselbe Motiv) den Eindruck, 
im Geschehen zu sein, weil sich die Kamera gleichsam analog zur bloßen visuellen Wahr- 
nehmung durch den Raum bewegt. In der damit verbundenden Flüchtigkeit, Fragilität und 
Dynamik des Bildlichen kann man die Faszinationskraft des bewegten Bildes begründet 
sehen: »Die Zerstreuung der Bilder wie der Zuschauer, die Walter Benjamin so unange- 
nehm auffiel, weil sie einen Verlust der Aura des stillstehenden Bildes indiziert, ist daher 
in Wahrheit der Adelstitel des bewegten Bildes. Es risikiert sich in der Zerstreuung und es 
feiert, daß es sich trotz allem nicht verlieren kann.« (Baecker 2007, 185) 

98 Diese Möglichkeit ist wiederum an die Abbildungsqualität des medialen Substrats ge- 
bunden. So ist es kein Zufall, daß das Auftauchen solcher Partialdarstellungen in die 
Zeit der 1960er Jahre fällt, in der die gedruckte Photographie nahezu an das ungedruckte 
Photo herankommt. 


144 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Für die Entfaltung der Image-Kommunikation ist weiterhin die Kombination 
mehrerer Bilder relevant. Die Sequenzierung ermöglicht, in Anlehnung an die lineare 
Erzählstruktur der Sprache, eine auf die Zeitdimension bezogene Grammatik der Er- 
scheinungsformen (z.B. Spannungs- und Pointenaufbau) und damit einen erheblichen 
Zugewinn an Tiefe und Komplexität der zu konstruierenden Images.” Es liegt auf der 
Hand, daß die Entwicklung des Films und des Fernsehens hier entscheidend ist. Diese 
Techniken sprengen nicht nur den Bilder-Rahmen des Einzelbildes, sondern machen 
auch gesprochene Sprache, Geräusche und Musik auf die jeweiligen Images bezieh- 
bar. In der gedruckten Werbung entfaltet sich die Bildkombination als eine Collage- 
technik, der eine bestimmte Assoziationsmechanik zugrunde liegt. Ein frühes Beispiel 
geben Anzeigen für einen Hersteller von Milchprodukten seit den 1930er Jahren. In 
diesen werden Motive gezeigt, die als Partialobjekte des Natürlichen zu lesen sind 
(z.B. Berggipfel, Blumen, Kühe, melkende Hände). Die Simultaneität der collagier- 
ten Perspektiven realisiert eine Oberflächenvergrößerung des Sujets bei gleichzeitiger 
Vertiefung: Die Bergwelt wird, dem Film vergleichbar, als ein Erlebnisraum entwor- 
fen, der durch die Komplexitätssteigerung des Bildraumes zustande kommt. Denn 
im Unterschied zum Einzelbild legt das In-Beziehung-Setzen des Gezeigten dem Be- 
trachter die Imagination weiterer Bilder nahe.!® 


Man wird die Schönheit Ihrer 
ausdrucksvollen Hände bewundern! 


28: Nivea; BIZ 1935, 10 
29: Cutex; BIZ 1933, 1 


99 ІШ дер erhobenen Daten der BIZ sind die wenigen Beispiele fast ausnahmslos auf »di- 
daktische« Vorführungen von Produktanwendungsprozessen beschränkt. Die Bilder 
werden in einer Reihe so arrangiert, daß der Eindruck einer zeitlichen und (daher) 
kausalen Beziehung der Einzelbilder entsteht — so z.B. in einer Photo-Sequenz, die 
über sieben Bilder darstellt, wie man sich die Haare wäscht (Pixavon, BIZ 1909, 18). 
Systematisch genutzt wird diese Darstellungsform von der Firma »Dr. Oetker« zur 
Veranschaulichung der Umsetzung von Backrezepten. 

100 Will man z.B. die Außenansicht der Landschaft mit der ebenfalls gezeigten Innenan- 
sicht eines Bauernhauses in einen bruchlosen Zusammenhang bringen, ist das Zurück- 
legen eines assoziativen »Weges« in der Vorstellung erforderlich. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 145 


аве 
4 Së üfe 


Geh eegend Sth mal, Kleinen, ich bin ja schen länger im Beruf als Du. Um Erfolg zu haben, muß man 
erer 

Schu nicht nur réie eg: arbeiten, das int sicher. Aber wir sollen außerdem gut эшме, Das verlangt man ganz 
мем, sondern außerdem EE RRA RE 

auıgezeichnen раб, ferner selbstvertandiih von uns, wollen сет! Evsstöchter 
pt aaro phang TB: sind. Merke Dir, hin und wieder in den Arbeitspausen Hände und Gesicht mit Eukutol а 
LIBELLE-SCHUH Hautereme gepflegt, das erhält die Haut wunderbar jung. Man fühlt sich frischer und 
ind diese vielen Vorteie wirkt auch so! Du glaubst nicht, wie wichtig das ist, Diese biologische Schönheitscreme 
ee erhältst Du in Kleinen und großen Tuben in jedem guten Fachgeichaft. 


du gearbeitet und pre зле" 


So weich 
soll Ihre 
Wäsche sein... 


Je weicher die Wäsche am Körper, 
desto wohler fühlt man sich! Weiche, 
mollige Wäsche tut dreimal so gut als 
feste, glatte Wäsche! Solhe weiche, 
mollige Wäsche ist Juvenawäsce — 
liegt wundervoll weich am Körper. 
Wollen Sie Ihrem Körper diese Wohl- 
tat gönnen, verlangen Sie die weiche 
Juvenawäsche in den Waren- und Kduf- 
häusemn und großen Spezialgeschäften. 
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vom Hersteller Max 
Franck, Chemnitz 1, 
Herbertstraße 4/10. 


Wäsche 


30: Libelle; BIZ 1942, 13 
31: Eukutol; BIZ 1941, 36 
32: Juvena; BIZ 1931, 45 
33: Poly; ST 1967, 23 


146 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Einer der schönsten 
Momente des Tages 

Die Sekunde vor 
dem ersten Schluck 

Beck's Bier“ 


Martini-Gleitscher. 


Feuriges Ев. 


Ich war kahl 


Dise Ankndigung Ist für jrärrmann, Damen жай Herren, à 
Le Fe w 


` Neuwuchs des Haares. 


Warte ebe, Leipeie. T 


Probe-D 


жэй stets ab 


ar, 


se gratis. 


John Craven-Burlei 
BERLIN SW. 179, Leipziger Strasse 


un der Hanrausfall Zë a, 
gh. die Haare wachsen wider! 


34: Beck’s; ST 1967, 23 
35: Martini; ST 1970, 38 
36: Burleigh; BIZ 1902, 40 
37: Trilysin; BIZ 1929, 36 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 147 


3.2.5 Die Anzeigenseite als Bilder-Rahmen 


Nicht zuletzt weist der diachron variierende Umgang mit dem Gesamtformat der Zei- 
tungsseiten auf einen Wandel in Richtung Image hin. Mitte der 1920er Jahre eliminieren 
seitenfüllende Anzeigen erstmals die nachbarschaftliche Konkurrenz und steigern über 
ihre räumliche Ausdehnung die bildlichen Darstellungsmöglichkeiten erheblich.!0! Be- 
zeichnenderweise bleibt aber längere Zeit um die Bilder eine (meist weiße) Fläche ste- 
hen, die die Seite als einen Bilder-Rahmen erscheinen läßt, wobei nicht selten eine oder 
mehrere Linien diesen Rahmen hervorheben (vgl. Abb. 38 u. 39). Dieser Rahmen, der 
die Grenze der Anzeige nicht mit den Grenzen der Zeitungsseite zusammenfallen läßt, 
verdeutlicht, daß die eingefügten Bilder hier noch nicht als hinreichende Eigenwerte 
interpretiert werden, die man sich selbst überlassen kann. Die Anzeige ist vielmehr als 
Einheit der Unterscheidung von Bild und Rahmen konzipiert und bedeutet als diese Ein- 
heit anderes als ein rahmenloses Bild. Während das rahmenlose Bild die Unterscheidung 
von Signifikant und Signifikat eher invisibilisiert,'” betont das gerahmte Bild diese 
Unterscheidung. Obwohl die großformatigen Bilder z.T. schon stark ihren Nachläufern 
entsprechen, zeigen sich hier also noch Reste eines illustrativen Umgangs mit Bildern, 
eines Vorführens von Bildern als solchen. Der illustrative Charakter wird oftmals vom 
Text verstärkt, da dieser durch seine typographische Anordnung jenseits des Bildes als 
eine Art Bildtitel oder -erklärung erscheint. 103 

Die Distanztechnik des Rahmens wird dann in den 1960er Jahren erstmals aufge- 
geben. Jetzt gibt es Anzeigen, deren Abbildungen (vorwiegend Photos) über die ganze 
Seite gedruckt werden, wobei eine Steigerung dieser Gestaltungsform mit der doppel- 
seitigen Anzeige hergestellt wird, die im Untersuchungsmaterial 1967 zum ersten Mal 
vorkommt.!0* Und erst mit diesem Formgewinn erlangt die Anzeige einen restlosen 


101 In einer Übergangszeit bedeutet der Zuwachs an Größe eine Steigerung des bereits 
erwähnten Prinzips der relativen Größe, denn weniger große Anzeigen erscheinen jetzt 
um so mehr als geringzuschätzende »Kleinanzeigen«. 

102 Insbesondere ganzseitige (rahmenlose) Photographien, die in der Werbung inzwischen 
längst üblich sind, fungieren als ein Fenster. durch das der Blick scheinbar unmittel- 
bar auf die Sache selbst schweifen kann. Mit der Metapher von den »Fenstern zur Welt« 
bringt z.B. Freund (1979) den Realitätsstatus von Photos im alltäglichen Gebrauch zum 
Ausdruck. 

103 Vgl. Palmolive, ST 1967, 23. Einen Sonderfall stellen die wenigen ganzseitigen An- 
zeigen dar, die Objekte auf einem monochrom-weißen Grund arrangieren. Obwohl sie 
sich in der Plazierung der Elemente an den traditionellen Rahmen halten, tritt der Rah- 
men ins (fast) Unsichtbare zurück, da zwischen der Innenfläche der Illustration und 
der Rahmenfläche nicht unterschieden werden kann. Und eben deshalb wirken diese 
Anzeigen aus heutiger Perspektive eigentümlich modern. 

104 Eine analoge Entwicklung zeigt sich im Bereich der Titelbildgestaltung von Zeitschrif- 
ten wie z.B. auch der »Berliner Illustrierten Zeitung«. Nachdem jahrzehntelang ein 
gleichbleibender Rahmen (Weiße Fläche, Linien, Schrift) um das Titelbild gelegt wur- 


148 | Image. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Bildstatus. Indem das Bild die gesamte Seite einnimmt, etabliert es eine geschlossene 
Fläche, die Hintergrund wie Vordergrund zugleich ist und so das Lesen der Anzeige 
ganz vom Bild ausgehend anleitet und den Schrifttext zu einem integrierten Bildele- 
ment macht.!0 Infolgedessen muß die Selektion der Bilder und der Bildsprache noch- 
mals gestrafft und präzisiert werden, da das Bild noch deutlicher als bisher klarstellen 
muß, worum es — überhaupt und speziell in Sachen Image — geht. Es ist daher nicht 
erstaunlich, daß gerade seitenfüllende Bilder früh mit besonders kristallinen Images 
von Natürlichkeit, Erotik, hohem Status usw. operieren. 


г =, 
Diefe neue 4 Pfg-FZigarette 
Ge 


bat bei 


38: Apotheken; BIZ 1935, 10 
39: Güldenring; BIZ 1935, 10 


de, erscheint 1929 eine Gestaltung, die den Satzspiegel und das rechteckige Photofor- 
mat bricht und sogar den Schriftzug »Berliner Illustrierte Zeitung« teilweise überdeckt 
(vgl. BIZ 1929, 21. Juli). Zur Titelbildgestaltung gegenwärtiger Zeitschriften kann man 
feststellen, daß im Bereich der Unterhaltungs- und Lifestyle-Formate die Titelbilder/ 
Umschlagseiten durchaus in ihrer Gesamtheit als Bilder angelegt werden, während die 
Zeitschriften, die zumindest auch als Medien der informierenden Berichterstattung 
konzipiert sind (z.B. »Der Spiegel«, »Focus«, »Stern«), die Titelbilder nach wie vor 
und trotz aller Sensationsorientierung in einen Rahmen einspannen, der die Bedeutung 
des Bildes heruntermoduliert und die »Sachlichkeit< bzw. »Neutralität« des Medienfor- 
mates betonen soll. 

105 Textbasierte Werbungen und solche mit Bilder-Rahmen kommen bis heute vor, doch 
sind sie nun Alternativen, die mit Image-Folgen gewählt werden können und müssen. 


3. Die ENTWICKLUNG von IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 149 


3.2.6 Namen 


Ein besonderes Entwicklungsfeld der Konstruktion von Images sind Namen und Slo- 
gans. Beide Elemente sind noch um 1900 in eine diffuse Gesamtstruktur der Anzeigen 
eingebettet, die häufig unklar läßt, ob der Händler in erster Linie für sich selbst oder für 
ein Produkt wirbt, mit dem er handelt. In nicht wenigen Fällen ist eine Zuordnung der 
Namen (Händler oder Produkt) gar nicht möglich bzw. bleibt unentscheidbar, ob der 
Händler zugleich Produkthersteller ist oder nicht. Die Intransparenz der Gestaltung kor- 
respondiert dabei mit einem weitgehend unreflektierten Einsatz semantischer (Image-) 
Implikationen der Namen. Die Händler bzw. Hersteller werben gewöhnlicherweise mit 
ihrem faktischen Familiennamen, und die Produkte werden, wenn überhaupt, nur durch 
eine Kopplung dieser Namen mit der Produktkategorie spezifiziert. Beworben wird 
nicht Mehl, sondern »Schmidt’s Mehl«, nicht Fahrräder, sondern »Ilse-Räder«, nicht 
Möbel, sondern »Hermann-Möbel«. Diese Etikettierung ist zum einen der einfachen 
Informationsabsicht des Absenders geschuldet: Er muß die Rezipienten über seinen Na- 
men und die dazugehörige Adresse informieren, um Anschlußhandeln zu ermöglichen. 
Die Form der Namensgebung ist daher auch ein Hinweis auf eine traditionelle Wirt- 
schaftsform, in der noch die Händler (und nicht die Produkthersteller) die Nachfrage 
organisieren. Das gilt auch insofern, als sich die Werbung wie bereits erwähnt zu dieser 
Zeit noch offenkundig an einer nicht-anonymisierten Alltagswirklichkeit orientiert, in 
der personale Adressen als glaubwürdige und nicht weiter klärungsbedürftige Gütesi- 
egel fungieren.!% Und weil die Informationsfunktion und die Logik des echten, guten 
Namens noch im Vordergrund stehen, sind Namensgebungen wie »Sarg’s Glycerin« 
(feste und flüssige Seife macht die Haut weiß und zart«, Sarg 5 Glycerin, BIZ 1904, 49) 
oder »Haargenerator Aug. Schweingruber« (Schweingruber, BIZ 1907, 9) möglich, die 
unter den Bedingungen späterer Image-Werbung völlig undenkbar wären. 

Schon bald erfolgt im Zuge der Verbildlichung der Werbung eine funktionale Dif- 
ferenzierung der Namen im Blick auf die zu bewerbenden (Image-)Objekte. Die Na- 
men der Händler und Hersteller werden hingegen zunehmend kleiner gedruckt, aus 
dem Text herausgenommen oder an den Anzeigenrand gestellt. Sie kommen zwar wei- 
ter vor, erfüllen aber nur noch eine Informationsfunktion im Hintergrund. Während in 
den Anfängen dieser Entwicklung Namensgebungen des öfteren in Anlehnung an Pro- 
duktleistungen erfolgen (eine Creme zur Haarentfernung wird z.B. »Haar-Feind« ge- 


106 Der gute: Name, etwa eines Herstellers, spielt zwar noch bis in die Gegenwart eine ge- 
wisse Rolle, tritt aber im Rahmen semantisch programmierter Images in Erscheinung 
bzw. wird der gute Name: durch die jeweiligen Erscheinungsbilder »verlebendigt«, 
so z.B. wenn erfolgreiche Firmengründer wie »Hipp«, »Rodenstock« oder »Wirth« 
die Güte ihres Namens durch Bilder unter Beweis stellen, die die »Natürlichkeit«, die 
(technische) Modert: oder die »Kultiviertheit« des Unternehmens symbolisch kom- 
primiert vor die Augen des Werbungsbetrachters führen. 


150 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


nannt!0”, BIZ 1905, 1), tauchen schon wenig später Namen auf, deren metaphorische 
Bildlichkeit am Image partizipiert. Die beworbenen Objekte heißen jetzt »Glücks- 
klee« (Kondensmilch, BIZ 1929, 36), »Gloria Extrakt« (Kräuterlikör, BIZ 1929, 36), 
»Rama« (Margarine, BIZ 1929, 36), »Elfenhaut« (Büstenhalter, BIZ 1937, 18) oder 
»Biomalz« (Malzbier, BIZ 1931, 45). 

Während negativ konnotierte Namen im symbolischen Universum der Werbung 
inzwischen nicht mehr vorkommen, sind neutrale Namen bis in die Gegenwart häufig. 
Das ist insofern nicht erstaunlich, als Wörter, die keine konkreten Assoziationen evo- 
zieren, die Funktion eines image-identifikatorischen Kürzels durchaus gut überneh- 
men können: Die jeweilige Bildsprache muß dann die Bildlichkeit des Namens nicht 
berücksichtigen. Dies ist um so entscheidender, als Namen variierende Erscheinungs- 
bilder als kontinuierendes Erkennungszeichen integrieren können müssen. IR In jedem 
Fall wird auch der neutrale Name unter den Bedingungen moderner Werbung über die 
Konstruktion bestimmter Images zu einer guten Adresse, wie sich z.B. an traditions- 
reichen Namen wie »BASF«, »BMW«, »Maggi« oder »Porsche« erkennen läßt. Das 
(Bild-)Image bildet den gratifizierenden Sinnhorizont, in den der Name gestellt wird, 
so daß er dann als solitäre Form stellvertretend für das Image stehen kann. 


3.2.7 Die Thematisierung der Marke 


Um 1900 kommt das Wort Marke deutlich häufiger in den Anzeigen vor als in allen 
späteren Zeitabschnitten bis in die Gegenwart. Obwohl die Marke im Laufe des 20. 
Jahrhunderts zu einem »Megathema« (Hellmann 2003) avanciert,!® nimmt die expli- 
zite Markierung von Objekten als Marken in der Werbung also ab. Eine Erklärung für 
diesen nur scheinbar widersprüchlichen Zusammenhang bietet die Analyse der Ent- 


107 Diese Namensschöpfungen halten sich eine gewisse Zeit, werden aber insofern opti- 
miert, als die positiven Qualitäten deutlicher herausgestellt werden, so wenn ein Bo- 
denputzmittel »Selbstglanz« (ST 1961, 49), eine Möbelpolitur »Seiblank« (ST 1961, 
49) oder eine Baby-Pflegeserie »Babyfein« (ST 1963, 6) genannt wird. 

108 Diesem Sachverhalt trägt eine Anzeige Rechnung, die zur Feier eines hundertjährigen 
Firmenbestehens Schriftzüge des Namens (»BASF«) aus verschiedenen Abschnitten 
der Unternehmensgeschichte zeigt, um zu verdeutlichen, daß das Unternehmen im 
Wandel der Zeiten (vorgestellt durch die typographischen Erscheinungsformen) eine 
stabile, inhaltsorientierte Identität besitzt, für die der Name, gleichsam hinter den Ober- 
flächenformen und deren Wandel steht: »100 Jahre im Dienste des Lebens« (BASE ST 
1965, 15). Überhaupt werden Produktnamen, ebenso wie viele Slogans, in der Regel 
über Jahrzehnte beibehalten. Formulierungen wie »Persil — da weiß man, was man 
hat«, »Der weiße Riese — keiner wäscht weißer«, »Rennie räumt den Magen auf« oder 
»Esso — Pack den Tiger in den Tank« sind Beispiele dafür. 

109 Zu einer Rekonstruktion wesentlicher Begriffsentwicklungen des Markenwesens vgl. 
Hellmann 2003, 40-62 und Wadle 1997. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 151 


wicklung von Image als einer Spezialsprache der Werbung, mit deren Entfaltung sich 
ein fundamentaler Wandel des Markenverständnisses der Werbung vollzieht: 

Um 1900 orientiert sich der Einsatz des Wortes Marke in der Werbung noch stark an 
der Tradition des Markenwesens, dessen Ausbildung mit Beginn des Mittelalters einsetzt. 
Zwar führt die werbliche Thematisierung der Marke über die Zunftmarke hinaus, indem 
sie Herstellermarken und Markenartikel als Bezugsrahmen ansteuert.'! Die Marke ent- 
spricht aber noch insofern ganz ihrem historischen Vorläufer, als sie auf der schriftlichen 
und emblematischen Kennzeichnung eines Objekts als Marke basiert, d.h. auf dem guten 
Ruf, der mit diesem (Marken-)Namen in Verbindung gebracht werden soll. In Anlehnung 
an die Zunft- und Meistermarke, deren Inanspruchnahme an voraus liegende Qualitäts- 
kontrollen und -tests gekoppelt war,!!! fungieren Markenkennzeichnungen als Gütesie- 
gel (vgl. Abb. 40 u. 41). Und nur vor dem Hintergrund der Annahme einer exklusiven 
Vergabepraxis von Markennamen, die nur gute Produkte inkludiert, machen Werbungen 
Sinn, die sich darauf beschränken, die jeweiligen Produkte als Marken auszuweisen: »Das 
Kennzeichen der qualitativ besten und dabei sehr billigen Kakaos, Schokoladen, Kaffees 
[...] ist die Marke »Reichardt«.« (Reichardt, BIZ 1902, 40) Die Einführung bzw. Stärkung 
eines Gesetzes zum Schutz der Warenbezeichnungen im Jahre 1894 kommt diesem Mar- 
kenverständnis entgegen, da Namen jetzt auch als »Schutzmarken« offeriert werden kön- 
nen, so als stehe die Marke, etwa technischen Patenten vergleichbar, für bestimmte, einem 
Erfinder zurechenbare Errungenschaften, die exklusive Herstellungs- und/oder Verkaufs- 
rechte begründen. Auf der Basis solcher Annahmen dramatisieren Anzeigen der Berliner 
Illustrierten Zeitung Produkte noch längere Zeit, indem sie z.B. den Kampf gegen angeb- 
liche »Nachahmer« und den Kampf um die Urheberrechte der Schutzmarke zum Thema 
der Werbung machen, !!? oder indem sie potentielle Konsumenten davor warnen, sich nicht 
von schlechten und (daher) illegitimen Imitationen täuschen zu lassen: »Bestehen Sie auf 
das Original«; »Ich bitte, auf die Schutzmarke zu achten« (Zwilling, BIZ 1901, 35). 

Diese Werbungen sind noch vormodern, weil sie die Marke nur als eine Qualitäts- 
unterstellung in die Kommunikation einführen, in dieser selbst aber keinen Beitrag 
zur Konstruktion der Marke liefern. Wenn Produkteigenschaften überhaupt ein Thema 
der Markenwerbung sind, dann nur im Sinne einer allgemeinen Selbstattestierung ho- 
her Qualität und (daher) hoher Akzeptanz bzw. Verbreitung: »Javol. Nicht der Name 


110 »Wir liefern jede Markenkamera« (Photo-Porst, BIZ 1929, 36). Herstellermarken und 
Markenartikel etablieren sich zur Mitte des 19. Jahrhunderts (vgl. Hellmann a.a.O.). 

111 Zu weiteren Funktionen traditioneller Handelsmarken vgl. Hellmann а.а.О. 

112 Die Texte üben nicht selten Kritik am »unlauteren Wettbewerb« (Kräuterlikör, BIZ 
1905, І). Selbst das Androhen von Gerichtsprozessen kann im Rahmen dieses Marken- 
verständnisses zur Werbung werden. Einer Anzeige des Herstellers »Fahnen-Hoffman« 
ist noch 1935 zu entnehmen: »Warnung! Wir verfolgen gerichtlich jede Nachahmung 
unserer ges. gesch. Autowimpel und Flaggen, deren Flaggentuch mit durchsichtigen 
Cell.-Platten abgedeckt und eingefaßt sind.« (Fahnen-Hoffman, BIZ 1935, 10) 


152 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


für irgendwas, sondern das Merkmal von Qualität!« (Javol, BIZ 1920, 49).''? Auch 
die Miniatur-Embleme entsprechender Reklamen leisten keine Produktqualifizierung 
bzw. Identifizierung, sondern sind im wesentlichen auf die Funktion des (Wieder-) 
Erkennungszeichens eingeschränkt. 114 

Moderne Marken bilden sich in der Werbung bzw. über die Werbung erst mit deren 
Umstellung auf Image-Kommunikation aus, die den Objekten in der Kommunikation 
selbst Eigenschaften zuschreibt. Einen ersten Schritt in diese Richtung kann man in der 
Anzeige eines Herstellers erkennen, der eine Nähmaschine, eine Schreibmaschine und 
ein Fahrrad als »3 Symbole deutschen Gewerbefleißes« bezeichnet, indem er sie bild- 
lich in einem Bienenstock positioniert (Seidel&Naumann, BIZ 1909, 18). Neben und 
mit dem Markennamen qualifiziert die allegorische Darstellung die beworbenen Objek- 
te, wenngleich das schriftlich fixierte Selbstlob noch stark im Vordergrund steht und das 
Bild im Sinne eines Images kaum zu überzeugen vermag (vgl. Abb. 42 u. 43). Image- 
orientierte Markenarbeit leistet hingegen eine Anzeige von 1927 schon viel mehr, indem 
sie eine »feine Gesellschaft, bei einer Feier zeigt, bei der offensichtlich Sekt getrunken 
wird. Der Text empfiehlt das beworbene Produkt als passende »Marke« in Situationen 
wie der dargestellten (»Söhnlein Rheingold. Seit 1865 die universale Sektmarke für 
besondere Feierlichkeiten.« Söhnlein, BIZ 1927, 27). Die Inszenierung von hohem Sta- 
tus wird so zum sinnstiftenden Hintergrund, zum Identitätsgenerator des (Marken-)Na- 
mens. In den 1930er Jahren tauchen dann Wortschöpfungen auf, die die Konsumenten 
als Markennutzer benennen — so werden beispielsweise Männer, die eine Rasiercreme 
namens »Peri« benutzen als »Perianer« bezeichnet (»Jeder Perianer bestätigt es Ihnen«; 
Peri, BIZ 1933, Г). Und das macht deshalb Sinn, weil dem »Perianer« in der Werbung 
selbst ein bestimmtes Image zugewiesen wird, nämlich das des dynamischen, gut ge- 
launten und »gut< aussehenden Mannes (»fang froh den Tag mit Peri an!«). 

Im Laufe der Zeit wird dann immer deutlicher, daß und inwiefern, d.h. mit welchen 
semantischen Programmen (vgl. 3.4.1-3.4.10) die Werbung Marken konstruiert, indem 
sie bestimmte, kontinuierende /mages auf einen Namen beziehbar macht. Obwohl das 
traditionelle Markenwesen in der Werbung bis heute eine Rolle spielt — man denke nur 
z.B. an den Reklameeinsatz zahlreicher Warentest-Gütesiegel!!5 —, kondensiert die mo- 


113 »Qualitätsmarke« (Bemberg, BIZ 1926, 23) oder »Adler, erste Marke in Fahrrädern. 
Höchste Auszeichnungen — größte Verbreitung« (Adler, BIZ 1899, 27) lauten vergleich- 
bare Formulierungen. 

114 In der Regel stellen die Bildmarken lediglich eine symbolische Verknüpfung zum be- 
worbenen Produkt (dessen Namen) her. So wirbt die Firma »Zwilling« (bis heute) mit 
einer entsprechenden Doppel-Figur (Zwilling, BIZ 1901, 35), das Pflanzenfett namens 
Palmin wird mit einer stilisierten Palme beworben (BIZ 1905, I) und ein Handwerks- 
unternehmen bringt eine Miniaturzeichnung zweier Zimmermannsleute zum Einsatz 
(Lohmann, BIZ 1928, 32). 

115 Auch die Strategie, den (Marken-)Namen als selbsterklärendes Gütesiegel einzufüh- 
ren, wird bis in die Gegenwart tradiert. Eine Formulierung von 1934, »Nur echt mit 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 153 


derne Identität der Marke primär im symbolisch generalisierten Kommunikationsmedium 
Image. Neben der empirischen Analyse der Werbung selbst gibt das die Ratgeberliteratur 
zu erkennen, die den Markenkonstrukteuren unterschiedlicher professioneller Provenienz 
mit handlungspraktischen Tips zur Seite stehen will: Der Image-Begriff ist hier (wenn auch 
weitgehend nur in Anbindung an den alltäglichen, diffusen Sprachgebrauch) von zentraler 
Bedeutung, weil mit ihm — und nicht mit dem Begriff der Marke selbst — erklärt werden 
kann, womit Marken gemacht werden.!!® Die werbliche Arbeit an der Marke erfolgt in der 
Arbeit am Image, d.h. in einer semantischen Programmierung des jeweiligen Objekts im 
Rahmen bestimmter Formen symbolischer Generalisierung, wobei, ganz im Unterschied 
zur Marke des alten Typs, das beworbene Objekt keineswegs Ausgangspunkt und Bezugs- 
rahmen der Herstellung des (Marken-)Images sein muß. Die zunehmende Formstrenge 
der Markenlogos!!7 weg von figurativen Darstellungen wird so funktional erklärbar. Denn 
je abstrakter ein Logo ist, desto weniger muß die Image-Arbeit auf den semantischen Ge- 
halt desselben Rücksicht nehmen und desto besser können Logos die Semantik der durch 
die Werbung programmierten Bildwelt in sich aufnehmen und, wie die bereits erwähnten 
Namen, als symbolische Stellvertreter im Falle der Abwesenheit von Bildern fungieren. 
Verständlich ist entsprechend, daß der Wandel einzelner Logos geradezu als Tilgungspro- 
zeß ihres naturalistischen Abbildungscharakters verläuft. 118 

Im Zuge dieser Entwicklungen kann die Werbung zunehmend auf den schriftlichen 
Hinweis »Marke« verzichten. Und je mehr Images die Identität der Objekte definieren 
und diese voneinander unterscheiden, desto zweckloser, ja geradezu kontraproduktiv 
werden derartige Selbstbescheinigungen. Der Rezipient kann und soll die Marke dann 


dem Namen Vorwerk« (Vorwerk, BIZ 1934, 5), ließe sich ebenso unauffällig in die ge- 
genwärtige Werbung einsetzen wie folgende Texte der 1950er und 1960er Jahre: »Ein 
Fingerzeig beim Uhrenkauf: Steht Kienzle drauf?« (Kienzle, ST 1958, 36); »Gute Uh- 
ren tragen gute Namen« (Uhrenfachgeschäfte, ST 1960, 45); »Gut gefallen hat er mir 
auf den ersten Blick. Aber entscheidend war die Marke Besmer!« (Besmer, ST 1965, 
15); »Qualität schuf diese Marke« (Doornkat, ST 1966, 18). 

116 Empirische Studien belegen dementsprechend, daß die »Markenloyalität« der Konsu- 
menten von den /mages abhängt, die insbesondere von der Werbung gebildet werden 
(vgl. z.B. Baldinger/Rubinson 1997). 

117 Die Literatur verwendet für die verschiedenen Signets verschiedene Marken-Begriffe. 
Unterschieden wird etwa zwischen »Bildmarken« (symbolisches Bild, z.B. ein stilisier- 
ter Baum), »Wortmarken« (typographische Ausgestaltung des Namens), »Buchstaben- 
marken« (typographische Ausgestaltung einzelner Buchstaben), »Formmarken« (abs- 
trakte Zeichen/Symbole), »Kkombinierten Marken« (Kombination der zuvor genannten 
Varianten) und den »Systemmarken« (komplexer strukturiertes Zeichen auf der Basis 
verschiedener Gestaltungselemente), vgl. Birkigt/Stadler/Funk 2002, 196-199. 

118 Ein deutliches Beispiel gibt eine naturalistisch gezeichnete Muschel, mit der die Firma 
Shell noch 1902 wirbt — sie wird nach einigen Überarbeitungsschritten zu einer Form, 
die kaum noch an ihren Ursprung erinnert. Zu ähnlichen Beispielen vgl. zahlreiche 
Abbildungen in Birkigt/Stadler/Funk 2002. 


154 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


vielmehr am Image identifizieren, und dieses muß die Akzeptanzwahrscheinlichkeit 


ѕќеірегп.!!9 So kann erklärt werden, daß in der heutigen Werbung der Markenbegriff 


stark in den Hintergrund getreten ist und dort nur noch eine Zusatzfunktion zur Stabi- 


lisierung etablierter Images übernimmt. 120 
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40: Adler; BIZ 1899, 27 

41: Verband deutsche Wertarbeit; BIZ 1938, 22 
42: Seidel & Naumann; BIZ 1907, 9 

43: Westfalia; BIZ 1907, 9 


119 Man könnte auch sagen: Das Image definiert die »Produktphysiognomie« (vgl. Gries 
2006, 13). 

120 Dazu paßt, daß gerade die Anbieter, die sich teure Werbung nicht leisten können (z.B. 
Nahrungsmittelhersteller im Discountwettbewerb), jenseits der Werbung das besagte 
traditionelle Markenverständnis reproduzieren (müssen). So weist sich z.B. der Her- 
steller eines billigen, nur regional vertriebenen und nicht beworbenen Bieres auf dem 
Flaschenetikett als »Markenbier« aus. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 155 


3.2.8 Die Beziehung von Text und Bild 


Die Analyse zeigt, daß die Werbetexte nicht nur typographisch, sondern auch inhalt- 
lich und sprachstilistisch auf die Konstruktion von Images eingestellt werden (7 
Schon zu der Zeit, als Bilder noch keine Rolle spielen, will die Werbesprache ge- 
legentlich mehr leisten als die Vermittlung bloßer Produktinformationen. Zwei Stil- 
formen sind neben einfachen Qualitätsunterstellungen (vgl. z.B. Abb. 5, 9, 10, 44, 
45) in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts bemerkenswert. Die eine besteht 
in einer feinen Sprache, die Höflichkeit, Manieren, gutes Benehmen und damit die 
gute Herkunft des Absenders unter Beweis stellen soll. Formulierungen wie »Ich bitte 
Sie ergebenst, die Güte meiner wohlfeilen Artikel einer Prüfung zu unterziehen« sind 
durchaus zeittypisch. Die andere wird über die Reimform gebildet. Sie kommt nicht 
allzu häufig vor und prägt in den meisten Fällen nicht den ganzen Werbetext, sondern 
einen eröffnenden!?? oder abschließenden Satz.!?3 Als einfacher Paarreim, der sich in 
der Wahrnehmung als prägnante Form durchsetzt, dient er vor allem der Steigerung 
von Aufmerksamkeits- und Erinnerungsleistungen bei den Rezipienten und nimmt 
insofern eine Funktion des sich später entwickelnden Slogans vorweg. Mit Reimen 
kann — vor allem in der Form des längeren Gedichts — das schlichte Selbstlob der 
Texte dynamischer und eloquenter zum Ausdruck gebracht werden. !?* 

Trotz eines gewissen Mehrwerts leisten aber weder die feine Sprache noch 
der Reim eine gezielte Arbeit am Image — es geht mit diesen Sprachformen viel- 
mehr um die Einhaltung allgemeiner Konventionen (Höflichkeit) und um eine 
Ausschmückung der Sprache, die, ähnlich wie das (typo-)graphische Ornament, 


121 Eine andere Funktion der Texte, die im Zuge der Entwicklung von Image-Kommuni- 
kation ebenfalls Kontur gewinnt, besteht in der Erhöhung von Aufmerksamkeits- und 
Erinnerungsleistungen auf der Rezipientenseite. Auffällige (da unkorrekte) Formulie- 
rungen wie »Rama im Blauband doppelt so gut« (BIZ 1929, 36) sind erst in den 1920er 
Jahren zu finden und werden in den späteren Jahrzehnten zu einem breiten Feld origi- 
neller Wortschöpfungen und Formulierungen ausgebaut, so z.B. »Tasse Gesundheit« 
(Kathreiner, BIZ 1935, 10); »Schnellweg zur glatten Rasur« (Remington, ST 1960, 45); 
»Stromform heißt Sparform« (Taunus, ST 1960, 45); »Gut gefleuropt ist halb geküßt. 
Fleuropen Sie mal!« (Fleurop, ST 1968, 27), »Mehrwertstreuer« (Hostalen, ST 1970, 
38). 

122 »Das Herrchen hat Geburtstag heut, wir bringen was ihn hoch erfreut« (Austria/Ziga- 
retten, BIZ 1930, 40). 

123 »Überblickst Du die Systeme schärfer, wählst Du bestimmt die Blickensderfer« (Bli- 
ckensderfer, BIZ 1907, 9), »Reise glücklich und froh — mit dem Reisebüro!« (Reisebü- 
ro, BIZ 1937, 18), »Es spricht sich rund von Mund zu Mund/Diplona macht das Haar 
gesund.« (Diplona, ST 1951, 5) 

124 »Ob »Vollmilch«, »Bitter< oder »Nuß«...Waldbaur Vollmilch stets ein herrlicher Genuß« 
(Waldbaur, ST 1951, 5), »Modisch und bequem dazu ist der Dorndorf Herrenschuh« 
(Dorndorf, ST 1959, 40). 


156 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


nicht zur Charakterisierung der jeweils beworbenen Objekte genutzt wird, son- 
dern die nüchternen Informationen durch Reim und Rhythmus in ein gefälligeres 
Leseschema bringt. 

Verschiedene Entwicklungen gehen nun darüber hinaus und stellen den Text in 
unterschiedlicher Weise auf den Image-Wert der Bilder ein. Einer der ersten Schritte 
besteht darin, daß Überschriften und größer gedruckte Schriftelemente weder für eine 
»interaktive<« Kundenansprache (»Interessieren Sie sich...?«) noch für die Mitteilung 
einer Produktinformation (»Kostengünstige Fahrräder!«), sondern für einen Kom- 
munikationseinstieg< in Bezug auf die Bilder und deren (Image-)Atmosphäre genutzt 
werden. Wenn das Motiv »Mutter und Kind in Blumenwiese<« mit den Worten kom- 
mentiert wird: »Sommerblumen und Sommerkleider sind fast in gleicher Weise der 
wunderbare Ausdruck der wunderbaren Farbenfülle der Natur« (Zux, BIZ 1927, 27; 
vgl. Abb. 46), ist das ein solcher Fall, der sich in seiner Zeit noch deutlich von anderen 
Werbungen unterscheidet. Der Text spielt hier auf die gezeigte Idylle an, markiert die 
Darstellung als Ausgangspunkt der Mitteilung und rückt die Attribute (Natürlichkeit, 
Frische usw.) als Identitätswerte des Objektes in den Mittelpunkt der Betrachtung. 125 
Sichtbar wird dabei eine zunehmende Umkehrung der Leserichtung. Sie setzt voraus, 
daß die Bilder zuerst rezipiert werden und als zentraler Bezugsrahmen der Kommu- 
nikation fungieren. Anzeigen wie diejenige, die 1935 das Photo einer verregneten 
Straße mit dem Text überschreibt: »Jetzt Leokrem mit Sonnen-Vitamin! ...damit die 
Haut nicht rauh und rissig wird! (Leokrem, BIZ 1935, 10; vgl. Abb. 47), stehen inso- 
fern für einen völlig neuartigen Umgang mit der Beziehung von Bild und Schrift. Daß 
diese Beziehung neu strukturiert werden muß, zeigt sich an einer neuen Unübersicht- 
lichkeit solcher Werbungsanzeigen, die während einer Übergangszeit die eindeutige 
Steuerung der Leserichtung vermissen lassen und dadurch das schnelle Verstehen der 
Anzeigen verunmöglichen. 

Ein weiteres Symptom dieses Wandels ist die vorübergehende Funktionalisierung des 
Textes als Instrument der Bildbeschreibung und -erklärung. Während das Verstehen der 
jeweiligen Bildmotive in späteren Anzeigen vorausgesetzt wird, versehen die frühen Wer- 
bungstexte selbst einfach zu lesende Darstellungen häufig mit deskriptiven und/oder inter- 
pretativen Verstehensanweisungen, so als müsse der Sujetcharakter des Bildes schriftlich 
fixiert werden. Bezeichnenderweise kommen vor allem am Anfang der Entwicklung, aber 
auch noch bis in die 1950er Jahre, neben überdeutlichen Körperausdrücken der Darsteller 
solche Hinweise im Text vor, die den kausalen Hintergrund derselben erläutern. Die Wer- 


125 Eine ähnliche, bildbezogene Eröffnung konstruiert ein Werbetext zu einem Bild, das 
eine Frau und ein Kind am Strand zeigt: »Sonne, Wasser, weicher Strand... Sie haben 
den Wunsch, sich am Strande zu bewegen, gnädige Frau. Sie wollen sich an Ballspielen 
und ähnlichen Vergnügungen der Badegäste beteiligen und einen ungetrübten ästheti- 
schen Eindruck bieten. Haben Sie schon daran gedacht, wie sehr überflüssige Härchen 
an den Armen und Beinen Ihre Anmut beeinträchtigen? Verlassen Sie sich auf Dulmin« 
(Dulmin, BIZ 1927, 27). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 157 


bung muß also erst lernen, eine präzise symbolische Verweisungsstruktur in den Mitteilun- 
gen herzustellen, und sie muß das Vertrauen in das rezeptive Funktionieren dieser Struktur 
erst ausbilden. Symptomatisch hierfür sind Inszenierungen, die sich bemühen, die Gestik 
und Mimik der Darsteller als eine kausale Folge der Produktqualität erscheinen zu lassen, 
indem sie diese Beziehung betont stilisieren und durch entsprechende Kommentare des 
Textes absichern. Ja nicht nur die konsumtive Kausalbeziehung zum Glück, sondern auch 
der mimische Ausdruck selbst muß offenkundig schriftlich definiert werden. Werbungen 
wie diejenige für den »Kasseler-Hafer-Kakao«, die das Bild einer lächelnden Mutter mit 
ihrem Kleinkind mit der überflüssigen Verstehensanweisung »Zwei Glückliche« komplet- 
tiert, sind in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchaus üblich (BZZ 1935, 10; vgl. 
Abb. 48). Auch komplexere Darstellungen werden von Bildbeschreibungen kommentiert, 
die das offenkundig Sichtbare verschriftlichen: »Ein Akrobat probt in der Zirkuskuppel 
seine neue waghalsige Nummer. Unwillkürlich greift der gespannt zusehende Kollege 
nach seiner Ova, um seine Nervosität zu dämpfen. Gerade dann zeigt sich der beruhigende 
Wert der milden, reinen Orienttabake einer guten Zigarette.« (Ova, BIZ 1933, 1) Hier wie 
in anderen Fällen bemüht sich der Text zudem um die Erklärung von Kausalzusammen- 
hängen im Kontext der Produktnutzung. Während spätere Texte das Verstehen derselben 
unterstellen und sich von dort aus auf die Inszenierungen beziehen, heißt es z.B. zu dem 
Photo einer lächelnden Frau noch: »Ich heiße Katinka, und alle mögen mich gern, weil ich 
immer gut gelaunt bin. Das liegt an meiner Ausgeglichenheit, denn ich fühle mich frisch 
und froh, seit ich morgens Andrews trinke.« (Andrews, ST 1956, 27; vgl. zu einer ähnli- 
chen Anzeige Abb. 49) Aufschlußreich sind in diesem Zusammenhang auch die ersten 
Kampagnen einer inzwischen auf Dauer gestellten (Image-)Strategie, die darin besteht, 
weibliche Filmstars und deren gutes Image in der Kosmetikreklame einzusetzen. Der Vor- 
bildcharakter der Stars wird hier nämlich noch als solcher betont bzw. erklärt. Zu einem 
entsprechenden Portrait heißt es: »Diesen Rat gibt Ihnen ein bewunderter Filmstar — eine 
schöne Frau, die Luxor als Grundlage ihrer Schönheitspflege benutzt. Zum Reinigen Ihrer 
Haut – zur Pflege Ihres Teints sollten auch Sie täglich die reine, weiße Luxor Toiletteseife 
verwenden, so wie Bruni Löbel es tut.« (Luxor, ST 1951, 5) Nicht nur die Tatsache, daß der 
Star »bewundert« wird, sondern auch die Nachahmungsmöglichkeit des Rezipienten wird 
also im Text expliziert (»so wie Bruni Löbel es tut«). 

Die wohl wichtigste und bis in die Gegenwart anhaltende Anpassungsleistung des 
Textes an die Image-Kommunikationen der Werbung besteht darin, die Sprache über 
den Stil und die Themenfokussierung auf die jeweiligen Bilder und deren Image-Sinn 
einzustellen. Das läßt sich schon an den Inszenierungen von hohem Status beobach- 
ten, die einen thematischen Schwerpunkt der frühen Image-Werbung bilden und als 
Bild-Text-Kombinationen über die erwähnte Feinheit der Sprache hinausreichen, in- 
dem sie Exklusivität als bildlich konkretisierte Eigenschaft erscheinen lassen. Daß in 
Bezugnahme auf Bilder eines vornehmen, gehobenen Lebensstils der bislang latent 
gehaltene Distinktionswert der feinen Sprache in präzisierter Weise in den Vorder- 
grund gestellt werden kann, verdeutlicht exemplarisch der Werbetext einer Anzeige, 
der sich auf ein Bild einstellt, das eine feine, modisch elegant gekleidete Kosmopo- 


158 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


litin zeigt. Im Gleichklang zur Darstellung eines feinen Lebensstils formuliert der 
Text: »Die Schattenseite des Reisens wird mit Licht überstrahlt, wenn das belebende, 
köstlich-erfrischende »Kölnisch Wasser Lavendel-Orangen« in letzter Vollkommen- 
heit zum Begleiter erwählt ist.« (Jünger& Gebhardt; BIZ 1920, 49; vgl. Abb. 75)!26 

Im Zuge der Bildorientierung der Sprache entwickelt sich zudem eine Reklame- 
Poesie, die, ähnlich wie zuvor die moderne Lyrik, nicht mehr durch den Reim, sondern 
von einer offeneren Struktur bestimmt wird, die Wörter, Wortfolgen und Sätze assozia- 
tiv ordnet, wobei (im Unterschied zur Kunstform der Lyrik) die Assoziationsmechanik 
auf die (Bild-)Images bezogen ist, auf diese angewiesen bleibt und für diese spezifiziert 
wird.!?7 So stellt ein Werbetext dem Photo eines Rücken an Rücken stehenden Paares 
(sie mit Küchenschürze, er mit zwei Aperitif-Gläsern in der Hand) Stichwörter für ein 
assoziierbares Skript zur Seite, das das bildlich dargestellte Image weiter ausmalen soll: 
»so gefällt uns das Leben // delikate Gerichte // pikant gewürzt // mit Liebe gekocht // 
nach Rezepten aus aller Welt // und vorher Cinzano // diesmal Cinzano Dry // am besten 
pur // eisgekühlt // trocken, herbe, anregend // wohl bekomm’s // a votre santé // cin- 
cin!« (Cinzano, ST 1962, 1). Derartige Texte, in denen die Grammatik, die Interpunktion 
oder auch der Sinn der Wörter der Bildhaftigkeit, dem Rhythmus und dem Klang der 
Sprache untergeordnet sind, werden in den 1960er Jahren gewöhnlich. !?8 

Neben und mit der Poesie stellt sich die Sprache auf die (Bild-)Images ein, indem 
sie die Persönlichkeit der beworbenen Objekte mit Formen der Ironie, des Humors, der 
Nüchternheit usw. stützt. Auch (image-Jadäquate Soziolekte bzw. gruppenspezifische 
Vokabularien werden auf die Image-Arbeit eingestellt. Mit den verschiedenen stilisti- 
schen Mitteln kann der Text eine Tiefe ins Spiel bringen, die am Bild-Image ansetzt und 
dieses um passende Facetten ergänzt. Dazu gehört die Option, die Oberflächlichkeit der 
Bilder im Text kritisierend zu durchstoßen und so ein Gesamtimage für das Objekt zu 


126 Einige Jahre später bedient sich ein konkurrierender Hersteller einer ganz ähnlichen 
Strategie. Indem das Bild einen enen: »Mohren« im Gespräch mit einer »feinen 
Dame: abbildet, tritt zu dem Image-Wert »hoher Stats, der der Exotik hinzu. Der Text 
bemüht sich folgendermaßen um einen »kultivierten« Stil: »So habe ich die ganze Welt 
durchstreifet und immer den train de vie des grands seigneurs geführet. Sehet diese 
Truhen, sie beherberget mancherley Kostbarkeit, als denn mögen meine Diener sie 
euer Gnaden präsentieren, damit Ihr aus den Schätzen der großen Städte nach Gefal- 
len wählet. Aber das Herrlichste, so ein wohlbereister Mann erkiset, bringe ich selber, 
schönste Fraue, Euch heute dar. Hier nehmet das erfrischend und belebend Wässerlein 
aus Köllen, destillieret beym trefflichen Herrn Johann Marina Farina.« (Johannes Ma- 
rina Farina, BIZ 1927, 27) 

127 Man stelle sich zur Verdeutlichung der fehlenden Textautonomie den im folgenden 
zitierten Werbetext als einzigen Anzeigeninhalt vor. 

128 Synästhetische Formulierungen wie die für einen Schnaps, »Schmeckt nach Sommer, 
Sonne und Urlaub« (Dornkaat, ST 1968, 27) oder die für einen Orangensaft »In Cappy 
geht die Sonne auf« (Cappy, ST 1970, 38), sind Beispiele einer neuartigen Bildhaftig- 
keit der Sprache, die sich der Mißachtung sprachlicher Konventionen verdankt. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 159 


konstituieren, das aus der Einheit von Text-Image und Bild-Image besteht. So zeigt z.B. 
eine Anzeige für ein Schlankheitsmittel auf einem Fünftel der Fläche die Photographie 
einer schlanken Frau im Bikini und bedruckt den Großteil der Anzeige mit schlicht 
gestalteten Textblöcken, in denen Schlankheit ausschließlich als Bedingung und Garan- 
tie von Gesundheit thematisiert wird. Während das Bild unmißverständlich (Körper-) 
Schönheit und Jugendlichkeit als Positivwerte auf das Produkt und dessen Image be- 
zieht, bringt der Inhalt des Textes und dessen Erscheinungsbild (sachliche Typographie) 
Werte wie Seriosität und Rationalität ins Spiel.!?? 


Schönbeit ым 
zartes, reines Geficht, Мепдепд jihöner ass 1С 


Teint, rofiges jugendfriiches Ausjehen 
z f, md ke ` bo, Age H d ateit d Gautausidhlä: mi 
fammetweide Haut, weige Hände, in furzer тар һа: Жо (аде ie Mi 


ейт A КИБ ЕШ 
Sn бтётпе Benzoë. ZC 


eier, Finnen, Gefichtspicel, Башга, Ein ма. 
а көе fiede, Das "мнен" АУ Haarausjall 
сэ 


Steckenpferd- „Teerschwetel- Seite 


bar RR Sommerjproiien 

Hein echt mit der Schutimarke „Stectenpferd# 
gelbe Dant unzeln, x Hautureinige won йиз Zei, Va A DES 50р18. ета en, 
teiten, Dofe ME. 2,— (fr. 2,50) пер wijjenz 
Ichaftlich. 


маце Die Schönbeitspflege. 


Tanjende Anerfennungen. Erfolg garant. 


0 t to Rei h е Gg Ce 


Sommerblumen 
und Sommerkleider 
Auer: 


es sich zur Gewehnbeit, Ihre 
Weider Sech nach dem Tragen zu waschen, 
wei der Schweiß den Geweben гше und 
sie есд macht. 
Normal- Paket zu 50 Pig. 
Doppelzreßies Paket zu 90 Pig. 


SEIFENFLOCKEN 


` Sunlicht Gesellschaft AC Mannheim-Rheinou 


44: Reichel; BIZ 1902, 40 
45: Steckenpferd; BIZ 1909, 18 
46: Lux; BIZ 1927, 27 


129 Vgl. Vitolan, ST 1956, 27. 


160 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


ені Leokrem mit Sonnen- Vitamin г | 


. damit die Haut nicht rauh und 


Zwei Glückliche! 
Erhalten auch Sie fich fo gefund 
Durch täglichen Genuß von 


Kasseler Safer akao 


Er bildet Blut, ftärkt Muskeln und Knochenbau! 


Nur echt in blauen Schachteln зи 90 Pfennig, niemals lofet cine echte Player’s 


47: Leokrem; BIZ 1935, 10 
48: Kasseler Hafer-Kakao; BIZ 1935, 10 
49: Player’s; ST 1954, 18 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |161 


3.3 Werbung und das System der Massenmedien 


Die empirische Analyse der Anzeigengestaltung verdeutlicht, daß die Werbung bis 
zum Ende der 1950er Jahre auf die Kommunikation von Bildern umstellt und dabei 
ein komplexes Instrumentarium der spezifischen Beschreibung und Qualifizierung 
sozialer Objekte gewinnt.!3 Mit der Erschließung der Bildlichkeit wechselt die Wer- 
bung also nicht einfach ihre Darstellungsformen. Der Wandel des Wie des Werbens 
geht vielmehr mit einem Wandel des Was des Beworbenen und einem Wandel des 
Wozu der Werbung einher. Die Arbeit an ihren Formen ist also eine Arbeit an Inhal- 
ten. Anschaulich wird dieser Sachverhalt im Blick auf die semantisch differenzierten 
Identitäten, die in den spezifischen Bildlichkeiten der Werbung als Images kondensie- 
ren. Vor deren Beschreibung (vgl. 3.4) kann jedoch bereits die Frage erörtert werden, 
inwiefern sich der Strukturwandel in Richtung Bildlichkeit und die damit einherge- 
hende Regelgeleitetheit der Werbungskommunikation systemtheoretisch genauer fas- 
sen lassen. 

Diesbezügliche Überlegungen setzen sinnvollerweise mit dem Hinweis auf sol- 
che empirische Sachverhalte ein, die der These von der Werbung als Bereich eines 
Funktionssystems auf den ersten Blick zu widersprechen scheinen. Denn obgleich 
die (Bild-)Kommunikationen der Werbung höchst eigensinnige Gebilde darstellen, 
die sich z.B. von anderen Bildgattungen mühelos unterscheiden lassen, 3! ist an- 
dererseits nicht zu übersehen, daß der in diesen Gebilden (re-)produzierte Sinn im 
wesentlichen keine Erfindung der Werbung ist. Untersucht man die Werbungsinsze- 
nierungen z.B. mit einem wissenssoziologischen Instrumentarium (wie z.B. der 
Goffman’schen Rahmenanalyse), lassen sich vielmehr verschiedene Wissenstypen 
(u.a. Ritual-, Stil- und Symbolwissen) klassifizieren und zueinander in Beziehung 
setzen, die als Alltagswissen jede Inszenierung fundieren und als solches dem Re- 
zipienten verständlich machen, was in der jeweiligen Werbung vor sich geht. Von 
grundlegender Bedeutung ist z.B. ein Rahmenwissen, das alltägliche Vorstellungen 
von Kausalität!3? von Zeitlichkeit oder solche Vorstellungen beinhaltet, die die un- 


130 Daß sich in der US-amerikanischen Werbung im selben Zeitraum ein analoger Struk- 
turwandel in Richtung Bildlichkeit vollzieht, kann man den zahlreichen Bildbeispielen 
entnehmen, die sich in Goodrum/Dalryple 1990 finden. 

131 Daß bereits Kinder in jungen Jahren über eine Urteilskraft verfügen, mit der sie Wer- 
bung als solche identifizieren (d.h. unterscheiden) können, zeigen verschiedene empi- 
rische Studien (vgl. z.B. Kommer 1996; Aufenanger 1997; Baacke/Sander/Vollbrecht/ 
Kommer 1999). 

132 Solche Vorstellungen kommen insbesondere in Skripts zur Geltung, also dann, wenn 
(wie z.B. in Spots) ein Ereignis seinen Sinn nur über die Einbezugnahme des jeweils 
fortlaufenden Geschehens gewinnen kann. Das Vorhandensein eines entsprechenden 
Zuordnungsvermögens auf der Rezipientenseite wird in solchen Fällen immer voraus- 
gesetzt. 


162 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


belebte (physikalische) Natur von den Lebewesen (insbesondere den Menschen) 
unterscheiden und jeweils spezifizieren. Basales Alltagswissen ist zudem relevant, 
wenn Vorstellungen vom Menschsein, von Menschen und Menschlichkeit impliziert 
sind — und das ist in den meisten Werbungen offenkundig der Fall. Die (Stereo-)Ty- 
pisierungen der Altersklassen, der Geschlechter, der Ethnien, der Landsmannschaf- 
ten, der Erotik usw. sind prägnante Beispiele, die auf entsprechende Alltagstheorien 
hinweisen. Auch Thematisierungen von Religion, (Schicht-)Status, Natur und Na- 
türlichkeit, Technik oder von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erfolgen in 
starker Anlehnung an Sinnbestände, die die Werbung der sie umgebenden Kultur 
entnimmt.'33 Nicht zuletzt gilt dies für die neuesten Trends, die jüngsten Moden 
und den jeweils aktuellen Wertewandel. 

Die Werbung ist also vielfältig kosmologisch fundiert und tendiert zur Zeleb- 
rierung existierender symbolischer (Grund-)Ordnungen, die sie als Unterbau und 
bewegenden Inhalt ihrer Inszenierungen benötigt und verarbeitet. Das zeigt sich 
nicht zuletzt in diachroner Perspektive: Bei allem Wandel läßt sich ein Kontinu- 
ieren von Themen — haben sie erst einmal das Licht der Werbungswelt erblickt — 
nicht übersehen. Gerade im Bereich der besagten Kosmologie ist ein Tradieren von 
Rahmen, Ritualen, Zeremonien und Stilisierungen neben einer Feindifferenzierung 
der Gestaltung zu Zwecken der Adressierung unterschiedlicher Zielgruppen fest- 
zustellen.!3* Die Kultur der Werbung ist fraglos weitgehend Publikumskultur. Eine 
Formulierung Luhmanns, die die Diagnose eines autonomen Funktionssystems der 
Massenmedien bezweifelt, läßt sich daher auch und gerade auf den Systembereich 
der Werbung beziehen: 


Gegen die Annahme eines eigenständigen Funktionssystems könnte sprechen, daß die Mas- 
senmedien dicht mit der Kommunikation ihrer gesellschaftlichen Umwelt verbunden sind; 
und mehr noch: daß gerade darin ihre gesellschaftliche Funktion liegt. Sie rechnen damit, daß 
im Anschluß an die Veröffentlichung auch außerhalb der Medien über die entsprechenden 
Themen kommuniziert wird; ja daß diese Möglichkeit zur Teilnahme an der Medienkommu- 
nikation geradezu zwingt und damit die Gesellschaft der Selbstbeobachtung durch Medien 
aussetzt. Und auch auf der Inputseite ist die Vernetzung dicht und unentbehrlich; denn wie 


133 Zu einer ausführlichen Analyse zentraler Identitätstypen und Themen im Blick auf die 
Jüngere Werbung vgl. Willems/Kautt 2003. 

134 Dies zeigt sich auch an der Werbung für Jugendliche, die bekanntermaßen besonders 
kritisch zur Werbung eingestellt sind. Hier versucht die Werbung schon länger, die 
Verschiedenheit subkultureller Stile (Sprache, Mode usw.) und Werthaltungen zu be- 
rücksichtigen und in ihren Inszenierungen gleichsam mimetisch nachzubilden — und 
das setzt eine Analyse der Kultur lebenswirklicher Jugendlicher (z.B. durch »Trends- 
couts«) voraus. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |163 


sollten die Medien für ihre Berichte Glaubwürdigkeit und Authentizität gewinnen können, 
wenn sie die Information nicht aus der gesellschaftlichen Kommunikation bezögen — mögen 
dies recherchierte Sachverhalte, Indiskretionen, offizielle Pressemitteilungen oder was sonst 
noch sein. (Luhmann 1997, 1103)135 


Auch für die Werbung ist eine dichte wechselseitige »Vernetzung« von System und 
Umwelt entscheidend: Während sie sich z.B. an den (Sub-)Kulturen der Publika 
orientiert, beobachten letztere ihrerseits die diversen und massenhaft verbreiteten 
Aufführungen der Werbung und eben dies kann bei der Herstellung weiterer Image- 
Kommunikationen vorausgesetzt werden. Man kann die Werbung insofern als ein 
»kulturelles Forum« (Newcomb/Hirsch 1986) verstehen, das sich in wechselseitiger 
Beeinflussung von Produktion und Rezeption entwickelt.!36 


135 Hier wie auch an anderen Textstellen geht Luhmann von der Publikumsorientiertheit 
als einer zentralen Eigenschaft der Massenmedien aus und stellt z.B. fest, daß man 
in allen Bereichen der Massenmedien eine »rekursive Vernetzung mit dem feststellen 
(kann), was als moralische Überzeugung und als typische Präferenzen des Publikums 
unterstellt wird.« (1997, 52) Daß Luhmann die empirische Tatsache dieser »Vernet- 
zung« sehr klar im Blick hat, sieht man u.a. daran, daß er bereits den Buchdruck — und 
nicht etwa erst die modernen (elektronischen) Verbreitungsmedien — für ein entschei- 
dendes Moment der Entstehung einer rezipientenorientierten Produktion des Systems 
der Massenmedien hält (vgl. 1997, 292). 

136 Das gilt um so mehr, als dieses Konzept nicht von einer direkten Kopie gesellschaft- 
licher Verhältnisse durch das kulturelle Forum, sondern von einer gewissen Eigenge- 
setzlichkeit desselben ausgeht. Newcomb/Hirsch beschreiben die Massenmedien als 
»eine Art Niemandsland«, »in dem man sich weder ganz außerhalb der Gesellschaft 
noch wirklich innerhalb ihrer Grenzen befindet, einen Freiraum, in dem Regeln strapa- 
ziert oder gar gebrochen werden können, in dem sich Rollen umkehren und Kategorien 
umstoßen lassen.« (Newcomb/Hirsch 1986, 180) Die Massenmedien werden dabei als 
Bühnen von (Gegenwarts-)Kultur interpretiert, auf denen Freiräume genutzt werden, 
um Wiederholungen des Bekannten ebenso wie Variationen, Modulationen und Grenz- 
überschreitungen von Kultur in der Kultur anzubieten und um zu testen, was »geht« 
und was »nicht geht: Entsprechend will das Konzept des kulturellen Forums nicht nur 
herausarbeiten, »wie die herrschenden Werte unterstützt« werden, sondern auch, wie 
die Massenmedien »zum Wandel beitragen« (ebd., 189). In ganz ähnlicher Weise inter- 
pretiert Luhmann das System der Massenmedien, wenn er feststellt, daß die Produktion 
der Massenmedien »nicht auf einer quasi-feudalen Klassenstruktur, sondern auf einer 
Rollenkomplementarität von Arrangeuren und sektorial interessierten Mitgliedern des 
Publikums« beruht (Luhmann 1996, 128). Daß mit der Rollenkomplementarität von 
Anbietern und Publikum bereits im 19. Jahrhundert eine »Fraktionierung der Suggesti- 
оп von Bedeutung« einsetzt, die die »Illusion einer durchgehenden Überlegenheit bzw. 
Unterlegenheit von Teilen der Bevölkerung« zerstört (ebd.), zeichnet sich im Bereich 
der visuellen Kultur wie geschildert bereits mit der kommerziellen Photographie des 
19. Jahrhunderts ab (vgl. 2.2.1). 


164 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Die Feststellung einer dezidierten Publikumsorientierung ist jedoch kein Gegen- 
argument zur These einer sehr spezifischen Operationsweise der Werbung. Eher ist es 
umgekehrt: Wie schon die empirische Analyse zeigt, gewinnt die Werbung erst mit 
ihrer spezifischen Selektivität eine weitreichende Freiheit in Sachen Themenwahl und 
Darstellungsformen, so daß es zu einer vielfältigen Kultur: der Werbung kommt, die 
sich auf die (Alltags-)Kultur beziehen wie zugleich eine eigene, für sie charakteristi- 
sche symbolische Ordnung herstellen kann. !?7 Angesichts der Eigenständigkeit dieser 
Ordnung und den damit zusammenhängenden Bezugsproblemen stellt sich die Frage, 
ob man die Werbung überhaupt als ein Bereich des Systems der Massenmedien ver- 
stehen kann oder ob man in ihr nicht eher ein eigenes Funktionssystem sehen sollte. 
Ähnliches gilt offenkundig für die Unterhaltung und die Nachrichten. Es erstaunt je- 
denfalls nicht, daß Luhmann bemerkt, daß es nicht leicht falle, »die These der Einheit 
eines Systems der Massenmedien zu akzeptieren, das auf drei so verschiedenen Säu- 
len beruht, wie es Nachrichten/Berichte, Werbung und Unterhaltung sind.« (Luhmann 
1996, 119) Die Möglichkeit, die einzelnen Bereiche des Systems als eigenständige 
Funktionssysteme aufzufassen, wird von Luhmann entsprechend etwas zurückhaltend 
abgewiesen: »Wir können wohl ausschließen, daß die genannten Programmbereiche 
jeweils eigene, operativ geschlossene (!) Funktionssysteme bilden.« (1996, 126) Mit 
welchen Argumenten dieser Ausschluß erfolgt, wird dabei nur indirekt gezeigt, näm- 
lich über diejenigen Argumente, die für die Beschreibung eines Systems optieren, das 
die genannten Bereiche einschließt. Das zentrale Argument besteht darin, daß es mit 
den Verbreitungsmedien in der Gesellschaft zur Ausdifferenzierung eines Bereichs 
kommt, dem die Herstellung stabiler Objekte nicht nur für die eigenen Anschlußkom- 
munikationen dient,!3® sondern dessen Funktion darin besteht, der Gesellschaft einen 
Horizont solcher Objekte dauerhaft verfügbar zu machen: 


Insgesamt dürfte aber der Beitrag aller drei Formen massenmedialer Kommunikation [...] 
darin liegen, und darin kommen sie dann überein, Voraussetzungen für weitere Kommunika- 
tion zu schaffen, die nicht eigens mitkommuniziert werden müssen. |...] Die gesellschaftliche 
Funktion der Massenmedien findet man deshalb nicht in der Gesamtheit der jeweils aktua- 
lisierten Informationen (also nicht auf der positiv bewerteten Seite ihres Codes), sondern in 
dem dadurch erzeugten Gedächtnis. (Luhmann 1996, 120) 


137 Man denke nur an die seit etwa dem Ende der 1980er Jahre üblich gewordene The- 
matisierung gesellschaftsrelevanter Probleme (Krieg, Krankheit, soziale Ungleichheit 
usw.), die keineswegs nur bei der Reklame für Objekte eine Rolle spielt, die diese The- 
men nahelegen — also nicht nur bei der Imagekonstruktion für Kirchen, Wohlfahrtsver- 
bände oder politische Parteien, sondern auch für Textil-, Nahrungsmittel- oder Sportar- 
tikelhersteller. 

138 Jedes System bzw. jeder symbolisch generalisierte Kommunikationszusammenhang 
muß stabile Objekte und ein darauf bezogenes (System-)Gedächtnis entwickeln, um 
Kommunikationen reproduzieren zu können. 


3. Die ENTWICKLUNG von IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 165 


Eine Darstellung, die in Bezug auf die Kommunikations- und Verbreitungsmedien 
die Ausdifferenzierung je eigener Systeme für die Bereiche Unterhaltung, Werbung 
und Nachrichten bzw. Berichte beschriebe, ließe — wie deren Zuordnung zu anderen 
Systemen — »die Eigendynamik« und den »»konstruktivistischen Effekt«« (ebd., 127) 
der Massenmedien unberücksichtigt, der eben in der Herstellung eines Gedächtnisses 
im Sinne einer »Hintergrundrealität« besteht, die in den verschiedensten Kontexten 
der Gesellschaft zur Verfügung steht und als solche auf die Selektivität des Systems 
und seiner Bereiche zurückwirkt.!3° 

Wie läßt sich nun die Operationsweise der Werbung systemtheoretisch genauer fassen, 
wenn man sie als ein Bereich des Systems der Massenmedien versteht? Im Anschluß an 
und in Übereinstimmung mit Luhmanns Konzept der Massenmedien kann man zunächst 
feststellen, daß auch die Werbung mit Informationen arbeitet. Auch im Falle der Werbung 
geht es um die Konstruktion von Eigenwerten (Objekten), die die Herstellung von Neu- 
heit (Information) ebenso ermöglicht wie die Reproduktion des Bekannten (Redundanz, 
Nichtinformation). Die oben dargestellten Bezugsprobleme der Image-Kommunikation 
sind insofern Spezifikationen des weitreichenden Problems der Anonymisierung sozialer 
Redundanz unter den Bedingungen der Verbreitungsmedien, auf welches das System der 
Massenmedien eingestellt ist. Dessen Selektionstypik wirkt auf einer allgemeinen Ebene 
der Wahrscheinlichkeit entgegen, daß die jeweiligen Mitteilungen als Nichtinformatio- 
nen behandelt werden. Die systematische Bearbeitung dieses Problems durch ein eigenes 
Funktionssystem ist um so dringlicher, als mit den technischen Bildmedien die anonymen 
Kommunikationsräume erheblich expandieren und in eben diesen Räumen die verschie- 
densten sichtbaren Objekte kondensieren, die unter dem Gesichtspunkt ihres Informati- 
onswertes angenommen oder abgelehnt werden können. 

Dieser Ausgangspunkt macht die Beschreibung der Werbung als einen Bereich 
der Massenmedien unter anderen plausibel. Damit stellt sich aber die Frage, inwie- 
fern die Werbung als ein Teilbereich des Systems in spezifischer Weise Information/ 
Nichtinformation unterscheidet und anhand welcher Kriterien die Zuordnung der 
beiden Codewerte erfolgt. Die Luhmann’sche Beschreibung von Präferenzen der 
Werbung für bestimmte Themen und Darstellungsformen liefert hierfür lediglich 
Anhaltspunkte. In Bezug auf die Darstellungsformen geht Luhmann davon aus, daß 
die Werbung »mit psychologisch komplexer eingreifenden Mitteln« (ebd., 86)1* 


139 Einem Hinweis Dirk Baeckers auf diesen Sachverhalt verdanke ich die Entscheidung, 
die genealogische Beschreibung von Image-Kommunikation trotz ihrer grundlegenden 
Bezugnahme auf Folgeeffekte der technischen Bildmedien als Kommunikations- und 
Verbreitungsmedien nicht in die Beschreibung eines eigenen Funktionssystems (Wer- 
bung), sondern in eine Spezifikation des Luhmann’schen Konzepts der Massenmedien 
münden zu lassen. 

140 Insofern knüpft Luhmann (allerdings ohne derartige Bezüge selbst herzustellen) an die 
Tradition der Rede von der Werbung als den »geheimen Verführern« (»Hidden Persu- 
aders«, vgl. Packard 1954) an: »Mehr und mehr Werbung beruht heute darauf, daß die 


166 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


wirbt, worunter er neben der Strategie der »Vereinnahmung des Gegenmotivs«'!®! 


insbesondere das Prinzip der »schönen Form« und der »Opakisierung« faßt: »Gute 
Form vernichtet Information. Sie erscheint als durch sich selbst determiniert, als 
nicht weiter klärungsbedürftig, als unmittelbar einleuchtend.« (Ebd., 87) Die Mög- 
lichkeit des Verzichts auf Information im Sinne sprachbasierter Aussagen - also die 
Möglichkeit, die »zur Kritik neigende kognitive Sphäre« zu umgehen, wird dem- 
nach wesentlich über »Ästhetisierung«, über »schöne Formen« hergestellt. Diese 
Überlegung ist hilfreich, um auf folgenreiche strukturelle Unterschiede zwischen 
Bild und Text hinzuweisen,!*? kann aber darüber hinaus kaum als Klammer der 
Beschreibung der Werbungsinszenierungen fungieren. Es ist schon im Blick auf 
die Vielfalt der angebotenen Designs kaum zu übersehen, daß völlig unterschied- 
liche »Formen« existieren, die jeweils in völlig unterschiedlicher Weise für sich in 
Anspruch nehmen, schön zu sein. Die Verschiedenheit dessen, was sich als schön 
inszeniert, vernichtet also nicht nur Information, sondern generiert vor allem Infor- 
mation. »Opakisierend« können nicht nur die »schönen Formen« der Werbung sein, 
sondern auch Luhmanns Argument, das auf der Unterstellung gründet, das Schöne 
werde einheitlich als ebensolches definiert und rezipiert.!#? Überhaupt ist der Be- 
griff des Schönen nicht zur Bezeichnung der Fülle der Eigenschaften geeignet, die 
in der Werbung visualisiert werden, um die jeweiligen Objekte zu identifizieren und 
zu qualifizieren. Wie hier noch zu zeigen ist, baut die Werbung eine Vielzahl von Se- 
mantiken in sichtbare Erscheinungsbilder ein — das Prinzip der »schönen Form« im 
Sinne einer (mehr oder weniger) semantikfreien, »reinen« Ästhetik ist also lediglich 
eine Möglichkeit der Image-Konstruktion unter anderen und als solche unter Image- 
Gesichtspunkten spezifisch informativ. Und nicht nur das: Auch wenn die Werbung 
Objekte nur über »Ästhetik< qualifiziert, existieren unverkennbar ganz verschiedene 
Konzepte der »schönen Form«, die miteinander konkurrieren. 


Motive des Umworbenen unkenntlich gemacht werden. Er wird dann erkennen, daß 
es sich um Werbung handelt, aber nicht: wie er beeinflußt wird.« (Luhmann 1996, 86) 
Luhmann zufolge geht es um eine offene »Deklarierung von Motiven« einerseits und 
um »Raffinierung« und Kuvrierung der Mittel andererseits. 

141 Dieses Merkmal konkretisiert Luhmann im Hinweis auf Werbetexte, die industrielle 
Massenprodukte als »rustikal« empfehlen oder behaupten, man könne durch Geldaus- 
geben »sparen« usw. (vgl. 1996, 86). 

142 Vgl. zu einigen basalen Unterschieden zwischen Schrift und Bild Gozich 1991. 

143 Man kann ein Problem auch darin sehen, daß Luhmann mit der Feststellung »gute 
Form vernichtet Information« von einem Informationsbegriff ausgeht, der bestimmte 
Zusatzkriterien impliziert, die sich weniger auf Werbung, um so mehr aber auf Pro- 
grammbereiche wie den der Nachrichten beziehen lassen — oder allgemeiner gesagt: 
Luhmann scheint hier von einem Informationsbegriff auszugehen, der hauptsächlich 
auf sprachlich vermittelte Inhalte abstellt. Demgegenüber ist die bekannte Definition 
von Bateson aber durchaus geeignet, Design (Ästhetik) als Information aufzufassen, 
nämlich als »a difference that makes a difference«. 


3. Die ENTWICKLUNG von IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 167 


Insofern Luhmann in der Ästhetik der Werbung nicht nur eine Darstellungsform 
(»Prinzip der schönen Form«), sondern auch den Ausdruck einer Funktion erkennt, 
spricht er von »Geschmack«!**: 


Zu den wichtigsten latenten (aber als solche dann strategisch genutzten) Funktionen der Wer- 
bung gehört es, Leute ohne Geschmack mit Geschmack zu versorgen. Nachdem es sich als 
unmöglich erwiesen hat, Geld in Bildung umzusetzen, hat die umgekehrte Möglichkeit, Geld 
als Bildung erscheinen zu lassen, immerhin gewisse Chancen [...]. Diese Funktion bezieht 
sich auf die symbolische Qualität von Produkten, die in ihrem Preis auch, aber nicht hinrei- 
chend ausgedrückt ist. Mit ihrer Hilfe kann man sich sowohl optisch als auch verbal in Berei- 
chen, in denen man über keine eigenen Kriterien verfügt, mit Selektionssicherheit versorgen 
lassen. [...] Diese Geschmack substituierende Funktion ist um so wichtiger, als der alte, im 
18. Jahrhundert noch vorausgesetzte Zusammenhang von Schichtung und Geschmack heute 
aufgelöst ist und bei raschem Aufstieg und unregulierter Heiratspraxis gerade in den Ober- 
schichten ein Nachrüstungsbedarf besteht. (Luhmann 1996, 89)!45 


Diese Textstelle ist für die hier entfaltete Argumentation von Image als dem The- 
ma der Werbung besonders aufschlußreich. Zunächst einmal wird deutlich, daß auch 
Luhmann eine Funktion der (Alltags-)Ästhetik darin sieht, Möglichkeiten bereit- 
zustellen, mit denen sich Individuen in der Gesellschaft verschieden positionieren 
können.!*6 Und Luhmann sieht in Übereinstimmung mit anderen Autoren, daß der 
»Zusammenhang von Schichtung von Geschmack heute aufgelöst ist« (ebd.) bzw. 
daß soziale Schichtung, wenngleich immer noch vorhanden, nur noch begrenzt einen 
verbindlichen Rahmen für den Umgang mit symbolischen Qualitäten verschiedenster 
Gegenstände bereitstellt. Das begriffliche Nachfolgemodell von Geschmack bleibt 
im Rahmen dieser Überlegungen jedoch aus. Diese Leerstelle wird schon durch das 
Festhalten an einem Begriff deutlich, der ja im Blick auf den offensichtlichen Struk- 
tur- und Funktionswandel — den Luhmann selbst diagnostiziert — substituiert werden 


144 Neben der Herstellung von Geschmack hält Luhmann wie viele andere Autoren das 
Erzeugen von Aufmerksamkeit für eine zentrale Funktion der Werbung. Schon das 
Herstellen von Aufmerksamkeit könne als Erfolg verbucht werden, »denn wahrschein- 
licher ist ja zunächst, daß der Geist sich nicht mit seiner Küche, sondern mit etwas 
anderem beschäftigt.« (Ebd., 88) 

145 Die Tatsache, daß sich diese Bestimmung der Funktion der Werbung in nahezu iden- 
tischer Formulierung in Luhmanns Arbeit »Die Gesellschaft der Gesellschaft« (vgl. 
1997, 1105) findet, kann vielleicht als Hinweis darauf gelesen werden, daß Luhmann 
hierin die entscheidende Funktion sieht, während in seiner Arbeit »Die Realität der 
Massenmedien« verschiedene Funktionen genannt werden. 

146 So allgemein betrachtet geht es um eine traditionsreiche Überlegung die schon bei den 
soziologischen Klassikern des 20. Jahrhunderts mit unterschiedlichen Begriffen for- 
muliert wurde. Man denke nur an das Konzept der »Lebensführung« (Weber) oder die 
»Philosophie der Mode« (Simmel). 


168 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


müßte (siehe Zitat). Erkennbar ist hingegen, daß Luhmann — vermutlich im Blick 
auf bestimmte (Oberschicht-)Inszenierungen der Werbung – den altbekannten Zusam- 
menhang von Geld und Bildung wiederbelebt und einen besonderen »Nachrüstungs- 
bedarf« der Oberschichten in der Versorgung mit Geschmacks-Selektionssicherheit 
konstatiert. Damit wird unterstellt, daß sich die »symbolische Qualität von Produkten« 
ebenso wie der darauf bezogene Bedarf bei den Rezipienten immer noch im wesent- 
lichen an einer schichtorientierten Statussymbolik mit dem Zielpunkt »Oberschicht« 
orientiert.!#’ Die empirische Analyse zeigt hingegen, daß Inszenierungen feiner Mi- 
lieus, die nicht nur materielles Haben, sondern auch kulturell verfeinertes Sein als 
Positivwerte erscheinen lassen, zwar unübersehbar immer noch eine Rolle spielen. !*® 
Das Entscheidende ist jedoch: Sowohl Bildung als auch (damit zusammenhängend) 
Oberschicht ist in der Werbung kein übergreifender, durchgängig Geltung erlangen- 
der Maßstab.!*” Im Rahmen ihrer Inszenierungen stellt die Werbung verschiedenste 
Gratifikationen mit verschiedensten Legitimationsgrundlagen in Aussicht. Das basale 
Differenzierungsprinzip der Werbung besteht in der Differenzierung von Images, wo- 


147 Und das, obwohl Luhmann selbst feststellt, daß es »keine überzeugende Oberschicht 
mehr gibt, an der man ablesen könnte was ›реһі‹ und was »nicht geht«. Eher ist es 
umgekehrt: daß die Oberschicht sich selbst in dem, was sie begehrt und für vorzei- 
genswürdig hält, nach dem Geschmacksdiktat der Werbung richtet; nicht zuletzt auch 
deshalb, weil der Markt gar nichts anderes anbietet, sondern allenfalls nach Preisen 
differenziert.« (Luhmann 1996, 90) 

148 Zu einer ausführlichen Darstellung entsprechender Inszenierungsmuster vgl. Willems/ 
Kautt 2003, 499-522 und den hier vorgestellten Image-Komplex unter 3.4.1. 

149 Das gilt insbesondere für die zeitgenössische Werbung. Schon in den ersten Jahrzehn- 
ten des 20. Jahrhunderts zeichnet sich jedoch ab, daß zu den traditionellen (schichtbe- 
zogenen) Statussymbolen andere Image-Werte hinzutreten. Daß mit dem Begriff des 
Geschmacks kaum das durchgängige Thema bzw. die Funktion der Werbung beschrie- 
ben werden kann, wird vor allem dann deutlich, wenn man die Werbung für Objekte 
jenseits der Wirtschaft fokussiert: In der Werbung für Sportvereine, politische Parteien, 
Kirchen usw. geht es keineswegs darum, Rezipienten mit »Selektionssicherheit« (Luh- 
mann) in Sachen Geschmack auszustatten. Aber auch in der Werbung für Wirtschafts- 
güter ist die Strukturierung von Geschmack über differenzierte Ästhetiken (Designs) 
nur ein Thema unter vielen anderen (Image-)Themen. Im übrigen kann man vermu- 
ten, daß der Nachrüstungsbedarf von Oberschichten in Sachen distinktivem Konsum 
— den es sicherlich gibt, weil sich diese Schichten, insofern sie sich selbst als solche 
darstellen wollen bzw. müssen, auf das Fortbestehen der traditionellen Logik des Ge- 
schmacks angewiesen sind — gerade nicht von der Werbung und deren symbolischen 
Qualifizierungen über Image-Kommunikation gedeckt werden kann. Gerade weil sich 
die Werbung mit ihren Image-Kommunikationen auf die verschiedensten Publika ein- 
stellt und insofern in Bezug auf das alte Verständnis von Geschmack systematisch nicht 
exlusiv ist, besteht ein wesentlicher Mechanismus der an Oberschichten adressierten 
Konsumofferten nicht nur in der Differenzierung von Preisen (vgl. Luhmann 1996), 
sondern vor allem darin, daß Werbung systematisch vermieden wird. 


3. Die ENTWICKLUNG von IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 169 


mit eine Zuteilung von Positivwerten möglich wird, die die an Vorstellungen einer 
stratifizierten Gesellschaft gebundene Geschmacksordnung prinzipiell unterläuft. 

Ein weiteres Problem der Luhmann’schen Überlegungen besteht in der unklar 
bleibenden Zuordnung der Werbung zu den Systemen Wirtschaft und Massenmedien. 
Obwohl Luhmann die Werbung als einen Bereich der Massenmedien versteht, bezie- 
hen sich seine Beschreibungen werbespezifischer Operationen und Funktionen weit- 
gehend auf die Wirtschaftswerbung und treffen auch nur für diesen Anwendungsbe- 
zug der Werbung zu. So hält Luhmann die »Differenz von Werbung und Markterfolg« 
und die (wirtschaftsbezogene) »Möglichkeit, etwas nach erfahrungsbewährten Regeln 
der Werbung tun zu können, ohne zu wissen, ob es sich lohnen wird«, für entschei- 
dend (ebd., 91). Zwar konstatiert er eine zunehmende Abnahme der Beziehungen zum 
System der Wirtschaft und einen Gewinn ästhetischer Freiheiten — doch das zeigt um 
so mehr, daß die Werbung dann als Subsystem der Wirtschaft gedacht wird, das sich 
als solches über die Massenmedien zunehmend von der Wirtschaft emanzipiert. 150 

Um so mehr kommt es auf die Überlegung an, daß die geschilderten Problemla- 
gen, die mit den technischen Bildmedien Einzug in die Gesellschaft halten und die im 
System der Massenmedien an Bedeutung gewinnen, die entscheidende Spezifikation 
des allgemeinen Bezugsproblems des Überzeugen-Müssens anderer darstellen. Das 
Thema der Werbung ist die Herstellung von Images im Sinne »guter< Erscheinungs- 
bilder und eben diese Fokussierung bildet den Kriterienkomplex, mit dem im Bereich 
der Werbung die Codewerte Information/Nichtinformation unterschieden werden. 
Die Werbung zielt darauf ab, soziale Objekte über Bildoberflächen so zu identifizie- 
ren, daß die Wahrscheinlichkeit der Positivbewertung der jeweiligen Objekte unter 
anonymisierten Kommunikationsverhältnissen gesteigert werden kann. Vergleichbare 
Spezifikationen des allgemeinen Systemproblems, daß Mitteilungen nicht als Infor- 
mationen wirksam werden (d.h. als Unterschiede, die Unterschiede machen), liegen 
auch in den anderen Bereichen des Systems vor. So spielt im Bereich der Nachrichten/ 
Berichte der Wahrheitsgehalt des Berichteten eine zentrale Rolle.!5! Die Unterschei- 
dung von wahr/falsch ist — wenngleich unter erheblich anderen Vorzeichen als im 
System der Wissenschaft — gewissermaßen eine Leitdifferenz, die die Produktion und 
rezeptive Bewertung von Informationen in diesem Systembereich orientiert. Im Be- 
reich der Unterhaltung könnte man hingegen in Anlehnung an eine Beschreibung des 
»Literatursystems« die Unterscheidung interessant/uninteressant als eine Perspektive 
ansehen, über die Informationswerte ermittelt werden.!>? 


150 Die Ausführungen zu aktuellen Trends dieser Emanzipation beziehen sich allerdings 
wiederum auf Formen der Wirtschaftswerbung, z.B. über die Feststellung, daß die von 
der Werbung angebotenen Produkte inzwischen integraler Bestandteil der Genese von 
Jugendkulturen (Szenen) sind. 

151 Vgl. zu dieser Ausrichtung mit Hinweisen auf neuere Journalismustheorien Luhmann 
1996, 55 ff. und Beiträge in Altmeppen (Hg.) 2007. 

152 Vgl. Werber 1992. 


170 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Die Ausdifferenzierung des funktional spezifizierten Systembereichs der Werbung 
wird nötig, weil sich die verschiedensten Sinnanbieter der Gesellschaft (auch: die 
Massenmedien selbst) in den Kommunikationsräumen technischer Bildmedien eben 
dieser Medien bedienen müssen, sich zugleich aber nicht darauf verlassen können, 
daß die Rezipienten über die sichtbaren Oberflächen selbst zu positiven Einschät- 
zungen der jeweils offerierten Identitäten kommen. Die Kommunikation von Images 
muß also nicht nur mehr leisten als Verstehen anzuweisen oder über die sichtbaren 
Formen der jeweiligen Erscheinungsbilder als solche zu informieren. Die Werbung 
muß vielmehr darauf abzielen, daß die jeweils kKommunizierten Objekte in einem wei- 
terreichenden Sinne akzeptiert werden. Das System der Massenmedien muß über eine 
Spezialsprache verfügen, über die die Wahrscheinlichkeit gesteigert werden kann, daß 
man in Bezugnahme auf Erscheinungsbilder z.B. Filmstars sympathisch findet, Poli- 
tiker wählt, Non-Profit-Organisationen unterstützt, bestimmte Medienformate präfe- 
riert oder Produkte kauft. 


3.3.1 Symbolische Generalisierung, Codierung und Programmierung 


Die erhebliche Spezifikation der Werbung im Umgang mit dem Medium 
Information, !53 ihre Bezugsprobleme und die hierauf eingestellten Lösungsver- 
suche legen es nahe, die Regelgeleitetheit ihrer Kommunikationen im Anschluß an 
die Luhmann’sche Theorie der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien 
zu beschreiben (vgl. 1.5). Wie erwähnt stellen sich diese Medien darauf ein, daß 
die »Übernahme der Selektion als Prämisse weiteren Erlebens und Handelns« fun- 
giert (Luhmann 1974, 239). Der beschriebene Strukturwandel der Werbungskom- 
munikationen in Richtung Bildlichkeit ist, indem er eine spezifische Vertiefung der 
Kommunikationen der Bilder ermöglicht, eine hierfür notwendige, nicht aber hin- 
reichende Bedingung. Denn auch im Falle der Kommunikation von Images müssen 
die »Annahmembotive in die Selektivität selbst verlagert werden« (Luhmann 1974, 
242).15 Die Kommunikation muß gegen die individuelle Willkür und gegen indivi- 
duelle Motivlagen der Kommunikationsteilnehmer abgeschirmt werden, so daß das 


153 Wenn Luhmann feststellt, daß alle Bereiche den Code des Systems verwenden würden, 
»wenngleich in sehr verschiedenen Ausführungen« (1996, 51), deutet er auf eine The- 
menorientierung der Systembereiche hin, die über die Verschiedenheit der Kriterien 
der Zuteilung der Codewerte (Programme) hinausreicht und eben deshalb einer Erwäh- 
nung bedarf. 

154 Im Unterschied zu Parsons geht Luhmann davon aus, daß »die konsensuelle Legitimati- 
on und psychische Internalisierung von Wertsymbolen allein die erforderlichen Motive 
kaum erzeugen kann. [...] Die Selektion muß gerade durch ihre Kontingenz sich durch- 
setzen und verbreiten können, sie muß als Selektionsweise motivieren können.« (Ebd.) 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 171 


Medium als ein soziales »Übertragungs<-Medium fungieren kann. 177 Für ein erfolg- 
reiches, medienimmanentes Motivierungsverfahren zu diesem Zweck hält Luhmann 
die Regelgeleitetheit der Kommunikation, die die Kommunizierenden in bestimmte 
Bahnen lenkt: »Man kann eine Kommunikation annehmen, wenn man weiß, daß ihre 
Auswahl bestimmten Bedingungen gehorcht; und zugleich kann derjenige, der eine 
Zumutung mitteilt, durch Beachtung dieser Bedingungen die Annahmewahrschein- 
lichkeit erhöhen und sich selbst damit zur Kommunikation ermutigen« (Luhmann 
1997, 321). Wie die anderen Kommunikationsmedien steigert die Kommunikation 
der Erscheinungsbilder die Wahrscheinlichkeit ihrer Akzeptanz über symbolische 
Generalisierung einerseits und über binäre Schematisierung andererseits.!° Die 
Pointe des Luhmann’schen Verständnisses symbolischer Generalisierung liegt in der 
Annahme, daß der spezifische Zeichengebrauch des jeweiligen Mediums nicht nur 
als Hinweis auf das Bezeichnete, sondern als Vergegenwärtigung des Bezeichneten 
fungiert.!?7 Die spezifische Bildlichkeit der Werbung realisiert das Erscheinungsbild 
und stattet es qua ihrer eigentümlichen symbolischen Generalisierung mit einer Fas- 
zinationskraft aus, die über das bloße Hinweisen auf etwas hinausreicht. Die image- 
bezogene Verwendung von Symbolen stellt einen Rahmen her, der kenntlich macht, 
daß die Kommunikation ein Objekt konstituiert, das über die jeweiligen Sichtbar- 


155 »Im Verhältnis zu psychischen Systemen hängen alle Kommunikationsmedien davon 
ab, daß Selektionsmotive nicht kurzschlüssig allein im psychischen System, sondern 
über den Umweg über soziale Kommunikation zustande kommen (wie immer sie dann 
zur Annahme oder zur Ablehnung von Selektionsofferten disponieren).« (Luhmann 
1974, 247) 

156 Das nicht zufällige Entstehen dieser Mechanismen erklärt Luhmann damit, daß mit 
ihnen die Chancen der Annahmewahrscheinlichkeit gesteigert werden können und daß 
eben dies in den Systemen als Erfolg registriert werden kann, weshalb es zu einer ver- 
stärkten »Selbstselektion« der Kommunikationen in Richtung symbolische Generali- 
sierung und binäre Schematisierung komme (1974, 243). 

157 Unter Symbol versteht Luhmann entsprechend einen bestimmten Typ von Zeichen, 
nämlich den, »daß ein Zeichen die eigene Funktion mitbezeichnet, also reflexiv wird. 
Die eigene Funktion, das heißt: die Darstellung der Einheit von Bezeichnendem und 
Bezeichnetem. Durch Symbolisierung wird also zum Ausdruck gebracht und dadurch 
kommunikativ behandelbar gemacht, daß in der Differenz eine Einheit liegt und das 
Getrennte zusammengehört, so daß man das Bezeichnende als stellvertretend für das 
Bezeichnete (und nicht nur: als Hinweis auf das Bezeichnete) benutzen kann [...]. Im 
Kontext des Begriffs symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien« ist demnach 
mit »symbolisch« (wie bei Parsons) gemeint, daß diese Medien eine Differenz überbrü- 
cken und Kommunikation mit Annahmechancen ausstatten. Sie begnügen sich nicht, 
wie Sprache, damit, unter hochkomplexen Bedingungen und einer erst ad hoc gewähl- 
ten Kommunikation hinreichendes Verstehen sicherzustellen. Das setzen sie voraus.« 
(Luhmann 1997, 319) 


172 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


keiten identifiziert und zugleich (positiv) qualifiziert werden soll, (29 Stilbildend ist 
neben und mit den oben skizzierten Bildlichkeiten ein homologer Verweisungsbezug 
der Zeichen und Symbole, so daß das gesamte Arrangement als Ausdruck von be- 
stimmten (guten) Eigenschaften gelesen werden kann. 

Binär schematisiert ist Image-Kommunikation durch die Unterscheidung von 
Imagepositiv/Imagenegativ, die sich im Zuge der Entfaltung der Bildlichkeit zu einer 
Leitunterscheidung der Werbung entwickelt und in etwa seit dem Ende der 1950er 
Jahre deren Operationsweise bestimmt. 15° Mit dieser Unterscheidung werden (Nicht-) 
Informationen identifiziert und zur Konstruktion von (Image-)Objekten genutzt, wo- 
bei die Orientierung an den sichtbaren Erscheinungsformen und deren Sortierung 
nach qualifizierenden Gesichtspunkten entscheidend ist. Die Leitunterscheidung setzt 
demnach nicht nur die produktive und rezeptive Identifizierung von Objekten über 
das Schema von Oberfläche und Tiefe voraus, sondern sie amalgamiert dieses Schema 
mit dem der Zuteilung von Achtung bzw. Mißachtung. Die Werbung setzt entspre- 
chend den Menschen nicht nur »als ein seinen Nutzen kalkulierendes« (Luhmann 
1996, 132), sondern als ein moralisches Wesen voraus. Im Unterschied zum Medium 
der moralischen Kommunikation im Luhmann’schen Sinne!60 wird im Rahmen von 
Image-Kommunikation die Unterscheidung Achtung/Mißachtung prinzipiell an der 
Unterscheidung Oberfläche/Tiefe orientiert bzw. erstere durch letztere spezifisch ein- 
geschränkt.!°! Über diese, gleichsam zweistufige Selektion reproduziert die Werbung 


158  Feststellbar ist wie im Kontext anderer symbolisch generalisierter Kommunikations- 
medien eine Reflexivität der Symbole, »die sich nicht ohne weiteres verknüpfen lassen 
und insofern zunächst als eine lose gekoppelte Menge von Elementen gegeben sind 
— Selektionen von Informationen, Mitteilungen und Verstehensinhalten. Sie erreichen 
eine strikte Kopplung nur durch die für das jeweilige Medium spezifische Form — etwa 
Theorien, Liebesbeweise, Rechtsgesetze, Preise.« (Luhmann 1997, 320) 

159 Manche Zeitgenossen, wie z.B. Wilhelm Vershofen, Gründer der Nürnberger Gesell- 
schaft für Konsumforschung, stellen jetzt fest, daß die »symbolischen Obertöne« der 
Werbung entscheidend seien und den »Hauptnutzen« eines Produktes ausmachen könn- 
ten (vgl. Vershofen 1959, zit. n. Gries 2006, 25). 

160 »Das spezifische, aber zugleich universale Medium der Moral wird durch die codier- 
te Unterscheidung von Achtung und Mißachtung bereitgestellt. Dessen Elemente be- 
stehen aus Kommunikationen, die zum Ausdruck bringen, ob bestimmte Personen zu 
achten oder zu mißachten sind.« (Luhmann 1997, 400) Zur Beschreibung der Entste- 
hungsbedingungen und der Entwicklung von moralischer Kommunikation als einem 
symbolisch generalisierten Kommunikationsmedium vgl. ausführlich Luhmann 1997, 
396-405. 

161 Auch Luhmann erkennt die werbliche Relevanz der Oberflächensteuerung, wenngleich 
deren Stellenwert als (historisches) Thema der Reklame unthematisiert bleibt: »Das 
wohl wichtigste Schema der Werbung liegt aber im Verhältnis von Oberfläche und 
Tiefe. Wie einst die Divinationstechniken der Weisheit benutzt sie die Lineaturen der 
Oberfläche, um Tiefe erraten zu lassen. Sie gleicht insofern auch der Kunst des Orna- 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |173 


Image-Kommunikation als mediales Substrat und Images als Formen, die sich in die- 
sem Medium abzeichnen. 

Wie das Erscheinungsbilder konstituierende Schema Oberfläche/Tiefe wird auch 
die Leitunterscheidung der Image-Kommunikation nur in Beteiligung eines Beobach- 
ters, und d.h. auch: über die Beteiligung eines Kommunikation ermöglichenden Be- 
wußtseins vollzogen und reproduziert.! Anders formuliert: Auch die als Werbungs- 
bilder vorliegenden Informationen müssen nicht als Images gelesen werden, wenn- 
gleich die selektive Behandlung der bildlich gespeicherten Formen dies nahelegt. Die 
»Digitalisierung« verschiedenster Weltsachverhalte vollzieht sich vielmehr erst mit 
dem Gebrauch des Mediums, d.h. nur dann, wenn die Unterscheidung Imagepositiv/ 
Imagenegativ zur Abtastung vorliegender Informationen genutzt wird.!6 Die nur me- 
dienimmanent gegebene Alternativlosigkeit der Informationsverarbeitung in Bezug 
auf einen Code illustriert Luhmann am Beispiel des Mediums Wahrheit, das sich in 
seiner zugespitzten, codierten Form von allgemeineren (Un-)Wahrheitsvorstellungen 
unterscheidet: »Diese Konsequenz ergibt sich nur im Kommunikationsmedium selbst, 
d.h. unter Bedingungen, die der Code erst herstellt — denn in der Welt an ach, bedeu- 
tet das Nichtvorhandensein von Unwahrheit (Wahrheit) keineswegs Wahrheit (Un- 
wahrheit).« (Luhmann 1974, 245) 

Auch der Code der Image-Kommunikation ist durch einen Positiv- und einen Ne- 
gativwert gekennzeichnet, wobei die eindeutige Markierung des »Präferenzwerts« 
(Luhmann) Imagepositiv das Schließen auf den Negativwert erleichtert: »Die Beson- 
derheit der Codes, verglichen mit anderen Unterscheidungen, besteht darin, daß der 
Übergang von der einen zur anderen Seite, also das Kreuzen der Grenze, erleichtert 
wird. Wenn ein Positivwert, z. B. wahr, angenommen wird, bereitet es keine Schwie- 
rigkeiten, mit einer weiteren Operation zu bestimmen, was folglich unwahr wäre, 
nämlich die gegenteilige Aussage.« (Luhmann 1997, 361) Die Markierung des Präfe- 
renzwertes ist in der Werbung in der Regel so deutlich, daß auf eine bildliche Kontras- 
tierung durch den Gegenwert verzichtet werden kann: Bilder kultivierten Reichtums 
und von hohem (z.B. Berufs-)Status werden nicht durch Bilder von Armut komplet- 
tiert, Images, die auf Jugendlichkeit setzen, kontrastieren diesen Positivwert nicht mit 


ments. Aber Tiefe, das ist jetzt nicht das Schicksal, sondern die Unverbindlichkeit der 
Werbung. Die Werbung kann nicht bestimmen, was ihre Adressaten denken, fühlen, 
begehren. Sie mag ihre Erfolgsaussichten kalkulieren und sich dafür bezahlen lassen. 
Insofern kalkuliert sie wirtschaftlich. Im System der Massenmedien folgt sie anderen 
Gesetzen. Sie okkupiert die Oberfläche ihres designs und verweist von da aus auf eine 
Tiefe, die für sie selbst unzugänglich bleibt.« (Luhmann 1996, 92) 

162 Inwiefern Bewußtsein als Umwelt von Kommunikation ein Apriori derselben ist, be- 
schreibt ausführlich Luhmann 1988a. 

163 Auch hier gilt also: »Codes fungieren, wie andere Unterscheidungen auch, als Zwei- 
Seiten-Formen, die ein Beobachter benutzen oder nicht benutzen kann.« (Luhmann 
1997, 360) 


174 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Altheit, und Modernität wird gewöhnlicherweise nicht durch die Inszenierung von 
Rückschrittlichkeit zum Ausdruck gebracht. Der Negativwert bleibt latent, ja er muß in 
vielen Fällen verdeckt bleiben, damit der Positivwert unirritiert zur Geltung kommen 
kann. Die imagekommunikative Bildsprache vorausgesetzt, kann die Inszenierung des 
Positivwertes hinreichend verdeutlichen, daß die Absenz der jeweiligen Zutrittsbedin- 
gungen zum »Guten« ein negatives Image zur Folge hätte. Die Oberflächenpräparati- 
on von Positivwerten wie Körperperfektion, Natürlichkeit, Kultiviertheit, Reichtum 
oder Jugendlichkeit macht den Wert Imagenegativ also leicht bestimmbar. Zudem 
wird in einzelnen Inszenierungen das Kreuzen der Grenze zwischen Imagenegativ/ 
Imagepositiv plastisch vorgeführt, indem die sozialen Folgen thematisiert werden, 
die ein Nichtverfügen über die jeweiligen Positivattribute mit sich bringt. In jedem 
Fall symbolisiert der Positivwert die »Anschlußfähigkeit für die medienspezifischen 
Operationen«, während der Negativwert die »Kontingenz der Bedingungen der An- 
schlußfähigkeit« symbolisiert (Luhmann 1997, 363). Über den Negativwert werden 
also alternative Bedingungen der Zuteilung des Positivwertes reflektiert. Je mehr die 
Werbung im Rahmen ihrer historischen Entwicklung Objekte als Images konstituiert, 
desto mehr übernimmt die Sprache bzw. die Schrift eine Aktivierungsfunktion des 
Negativwertes als »Reflexionswert« (Luhmann) des Mediums. Der Text weist dann 
z.B. aufandere mögliche Positivattribute hin oder geht sogar zu den gezeigten kritisch 
auf Distanz — z.B., indem er diese als Resultat eines oberflächlichen Prestigestrebens 
darstellt. 

Wie die Codes der anderen symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien 
macht sich die Unterscheidung Imagepositiv/Imagenegativ nicht durch eine Begrün- 
dung ihrer Selektion attraktiv (die Unterscheidung enthält kein Argument), sondern 
— man könnte fast sagen umgekehrt — dadurch beliebt, daß sie es ermöglicht, ohne 
Argumente »unbestimmte in bestimmte und reduzierte Kontingenz zu überführen« 
(Luhmann 1974, 250). Die Attraktivität des Codes besteht in der Komplexitätsreduk- 
tion bzw. der durch sie überschaubarer gemachten Kommunikationsverhältnisse: Der 
Positivwert (hier Imagepositiv) fungiert, so Luhmann, nicht nur als »Symbol für An- 
schlußfähigkeit«, sondern »zugleich als Legitimation für den Gebrauch des Codes 
selbst.« (1997, 365) Der Code selbst bietet jedoch keine Kriterien für die Zuordnung 
von Erscheinungsformen zu der einen oder anderen Seite der Unterscheidung Image- 
positiv/Imagenegativ. Die Kriterienkomplexe, die diese Zuordnungsfunktion für die 
verschiedenen Mediencodes der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien 
übernehmen, nennt Luhmann »Programme«: 


In dem Maße, in dem der Übergang zum anderen Wert erleichtert wird, entsteht Kontextfrei- 
heit der Operation und damit zuviel Spielraum, der dann wieder eingeschränkt werden muß. 
Deshalb bildet sich im Zuge der Evolution von Codierungen eine Zusatzsemantik von Kri- 
terien, die festlegen, unter welchen Bedingungen die Zuteilung des positiven bzw. negativen 
Wertes richtig erfolgt. Wir werden diese Konditionierungen Programme: nennen. Sie hängen 
sich wie ein riesiger semantischer Apparat an die jeweiligen Codes; und während die Codes 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |175 


Einfachheit und Invarianz erreichen, wird ihr Programmbereich, gleichsam als Supplement 
dazu, mit Komplexität und Veränderlichkeit aufgeladen. Die jeweiligen semantischen »Be- 
stände« des Rechts zum Beispiel oder der Wissenschaft bestehen in diesem Sinne aus Pro- 
grammen. (Luhmann 1997, 362) 


Die Programmierung der Image-Kommunikation erfolgt in der Werbung durch die 
verschiedenen Bildsemantiken, die in den Inszenierungen als mehr oder weniger the- 
matisch fokussierte Kriterienkomplexe die Zuteilung des Positiv- bzw. Negativwertes 
anleiten. Im Rahmen der inszenatorischen Betonung der jeweiligen Themen, Wer- 
te und Attribute wird vorgeführt, worin das Positive des Images besteht. Während 
der Code Imagepositiv/Imagenegativ in der Werbung kontinuiert, leisten die Pro- 
gramme die Anpassung an die in der jeweiligen Zeit vorherrschenden Vorstellungen 
(Geschmack, Mode, Werte, Normen usw.), d.h. die Anpassung an die verschiedenen 
Publikumskulturen (zur Darstellung einiger Programmressourcen vgl. 3.4). Das ist 
auch möglich, weil auf der Programmebene alles, was der Code ausschließt, wie- 
der eingeschlossen werden kann. So können die Einschränkungen des Codes in der 
Image-Kommunikation als Problem thematisiert und kritisiert werden. Die Strategie, 
in Anzeigen oder Spots völlig auf Bilder zu verzichten, um den Eindruck echter, nicht 
an Image-Bildung orientierter Seriosität zu erwecken, ist ein solcher Fall. 

Wie die empirische Analyse zeigt, bilden sich der Code und die Programme in Be- 
ziehung zueinander im Laufe weniger Jahrzehnte aus: Die Grundlegung von Bildlich- 
keit als dem zentralen Sinngenerator und die daran anschließende Vertiefung des sym- 
bolischen Sinns geht einher mit einer zunehmenden Einteilung von gut und schlecht in 
Bezug auf die Erscheinungsformen. Etwa am Ende der 1950er Jahre existieren (fast) 
keine Werbungen mehr, die ihre Objekte nicht maßgeblich visuell qualifizieren und da- 
bei Sondersemantiken zum Einsatz bringen, die bildlich plausibel machen sollen, warum 
das jeweilige Objekt imagepositiv ist und das jeweilige Image als solches zu achten ist. 
In dieser codierten und programmierten Form kommt Image-Kommunikation nur in der 
Werbung und nicht etwa auch in den anderen Bereichen des Systems vor. Aufschluß- 
reich ist ein Vergleich mit dem Bereich der Unterhaltung, denn gerade hier spielt die 
Schematisierung und Qualifizierung verschiedenster Objekte über die Unterscheidung 
Oberfläche/Tiefe eine große Rolle. Während die semantische Programmierung der Wer- 
be-Images jedoch auf die Herstellung klarer Zuordnungskriterien für die positive bzw. 
negative Bewertung von Images eingestellt, also auf den Code Imagepositiv/Image- 
negativ bezogen ist, trifft dies für die Unterhaltungsinszenierungen nicht zu: So trivial 
die Skripts, Settings, Rollen usw. der verschiedenen Serien, Gewinnspiele, Talk- und 
Koch-Shows, Reality-Soaps usw. konstruiert sein mögen — sie reichern die jeweiligen 
Sendungen immer mit so viel Sinn an, daß auf die einzelnen Objekte (z.B. die Rollenträ- 
ger der Seifenopern) unterschiedliche Perspektiven mit dem Resultat unterschiedlicher 
Beurteilungen angelegt werden können. Wie Luhmann zeigt, spricht daher vieles dafür, 
die Unterhaltung als ein Nachfolgemodell des Romans mit der Funktion zu verstehen, 
Kommunikationsüberschüsse zu erzeugen, deren Analyse, Diskussion und Beurteilung 


176 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


eine Arbeit an der je eigenen Identität ermöglicht, indem man dieselbe zu der darge- 
stellten Realität der Massenmedien in Beziehung setzt. Ip) Demgegenüber ist im Blick 
auf die Werbung nicht zu übersehen, daß einzelne Images jeweils einen (Design-)Stil, 
eine Wertorientierung und einen Themenkomplex besonders in den Vordergrund rücken 
und daß sie die entsprechend zentrierte Semantik auf ein Objekt beziehen, nämlich auf 
das, das in der jeweiligen Werbung als Image identifiziert werden soll. Zwar ist kaum 
zu übersehen, daß die reflexive Moderne längst in die Werbung Einzug gehalten hat: 
Images spielen mit verschiedenen Wissensbeständen und setzen dabei z.T. ein mehr 
oder weniger hochgezüchtetes Expertenwissen voraus. Auch nimmt die Komplexität 
einzelner Images unverkennbar zu. Doch geht es auch dann, wenn die Werbungsinsze- 
nierungen durch Unübersichtlichkeit, Widersprüchlichkeit und Kompliziertheit ge- 
kennzeichnet sind, nicht um offene Kommunikationsüberschüsse zur Erzeugung von 
Interpretationsspielräumen, sondern um die Vorführung von Komplexität als solcher, 
und zwar im Rahmen von /mages, die Komplexität als Positivwert stilisieren. Beispiele 
dafür geben Images für moderne Technologien (z.B. Computer), mit denen demonstriert 
werden soll, daß die beworbene Technik so komplex ist wie die modernen Problemla- 
gen, die mit ihnen beherrscht werden müssen (globale Logistik, situationsunabhängige 
Erreichbarkeit usw.). Mit komplizierten Kameraführungen, verwirrenden Schnittfolgen 
und Zitieren aktueller Moden aus der Musik, der Typographie usw. wird dann Komple- 
xität als Positiv-Image ausgestaltet.!65 


164 Vgl. dazu ausführlich Luhmann 1996, 96-117. Auch Newcomb/Hirsch betonen, daß die 
Massenmedien den jeweiligen Themenkomplex gerade nicht im Rahmen eines Deutungs- 
musters anbieten, sondern immer mehrere Perspektiven zur Wahl stellen und daß gerade 
in der Vorführung von Alternativen in Bezug auf die verschiedensten Themen die Funkti- 
on der Unterhaltung besteht. »Manchmal stoßen wir zwar auf eindeutige Positionen und 
Parteinahmen für einen ganz bestimmten Standpunkt, der dann als der einzig richtige 
hingestellt wird. Aber normalerweise verbleibt die Rhetorik des Fernsehens im Duktus 
offener Diskussion. [...] Wir meinen [...], daß eine der Hauptfunktionen des Fernsehens 
als Forum der Populärkultur darin besteht, die Effektivität und die Form von Pluralis- 
mus immer wieder zu testen und zutage treten zu lassen. Das Fernsehen ist vermutlich 
das einzige Forum, das diese Funktion wahrnimmt.« (Newcomb/Hirsch 1986, 183) Wie 
Newcomb/Hirsch in ihrem Aufsatz »Fernsehen als kulturelles Forum« abschließend fest- 
stellen, hängt die Funktion der Multiperspektivierung mit der Komplexität der modernen 
Gesellschaft zusammen: »Unser Modell beruht auf der Annahme und Beobachtung, daß 
in einer komplexen Gesellschaft nur ein sehr reichhaltiges Material ein Massenpublikum 
finden kann. Das Forum-Konzept entspricht in seiner Vielschichtigkeit der gelebten Er- 
fahrung in unserer Kultur: Es ist auf deren Widersprüchlichkeit und Heterogenität ebenso 
abgestimmt wie auf deren Offenheit.« (1986, 190) 

165 Auch wenn z.B. traditionelle und progressive Vorstellungen von Weiblichkeit und 
Männlichkeit in ein und dasselbe Image integriert werden, geht es nicht um Re- 
flexionshilfen im Stile der Unterhaltung, sondern um die Image-Kommunikation einer 
bestimmten Weiblichkeit bzw. Männlichkeit. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |177 


Frühe Beispiele, die die Differenzierung der Code- und Programmebene im Bereich 
der Werbung deutlich machen, geben die Zigaretten-, Kosmetik- und Kakao-Reklame. 
Daß sich der Ein- und Umstieg auf eine facettenreiche Image-Kommunikation gerade in 
Bezug auf diese Produkte abzeichnet, hat sicherlich verschiedene Gründe. Neben dem 
Sachverhalt, daß diese Gegenstände als Erscheinungsformen nur schwer in attraktive Mo- 
tive zu übersetzen sind (sieht man von der Verpackung und deren Design ab) und daß hier 
ein Mangel an positiv dramatisierbaren Produktinformationen besteht, ist vermutlich die 
sachlich eingeschränkte Differenzierbarkeit des Produktes ein wichtiger Grund: Weil sich 
die Produkte der miteinander konkurrierenden Hersteller in diesen Fällen besonders stark 
und offensichtlich entsprechen, liegt eine Differenzierung der Gegenstände über Image- 
Kommunikation besonders nahe, denn mit dieser kann den (weitgehend) invarianten Ob- 
jekten ein unverwechselbarer Charakter zugeschrieben werden. Entsprechend werden ge- 
rade in der Zigarettenreklame früh Images entworfen, die den Präferenzwert (Imageposi- 
tiv) über verschiedene Programme ansteuern: Ein Image bezieht sich z.B. auf die Herkunft 
des Tabaks und setzt die Exotik fremder Länder und Regionen ins Bild,!66 während andere 
Anzeigen die »schöne Heimat« Deutschland beschwören.!67 Weitere Hersteller setzen auf 
Aspekte von Männlichkeit (im Sinne von Härte, Entschiedenheit und Kompromißlosig- 
kel. Experten- und Weltbürgertum!69), während wiederum andere Reklamen Eindrü- 
cke von Freizeit, Erlebnis!70 oder Natürlichkeit!7! zu einem Image zusammenstellen. Und 


166 Am Anfang beschränkt sich dieses Image noch auf die Gestaltung von Namen und ara- 
bischen Schriftzeichen, die »Orient< assoziierbar machen sollen (z.B. in Reklamen für 
die Zigarette namens »Matrapas«, BIZ 1904, 49). Für »Ova« (»im Araberformat«) von 
Reemtsma werden Eigenschaften wie Ursprünglichkeit und Exotik schon recht früh 
über Bilder fremder Menschen und Länder ins Spiel gebracht. In ähnlicher Weise setzt 
die Marke Nil auf den »Stil ägyptischer Tabakkultur«, indem sie Bilder ägyptischer 
Archaik in ihren Anzeigen verwendet (Nil, ST 1958, 36). 

167 So z.B. eine längerfristige Kampagne für »Atikah Auslese«, die »Das schöne Deutsch- 
land« in Illustrationen vorführt und im Text auf »Tradition und Qualität« abhebt (Ari- 
kah Auslese, BIZ 1928, 32; vgl. Abb. 51). 

168 Eine Reklame zeigt auf verschiedenen Bildern einen Aktenkoffer, eine Pistole und ei- 
nen Fußball in Zuordnung zu den beworbenen Produkten: »Bruns rauchen große Män- 
ner, harte Männer, junge Männer« (Bruns, ST 1966, 18). 

169 Auf einer Zeichnung sieht man zwei rauchende Kosmopoliten, die, offenkundig »phi- 
losophierend«, um einen Schreibtisch sitzen: »Männer von Format sind mit den guten 
Markenerzeugnissen von Weltklasse vertraut. Überall in der Welt rauchen Männer aus 
Industrie, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Simon Arzt, die ägyptische Zigarette 
von Weltformat.« (Simon Arzt, ST 1953, 9) 

170  »Zigarettenpause« untertitelt eine Reklame ein Bild, das einen Mann rauchend neben 
einem Motorroller stehend zeigt, während die Frau ein »Sträußchen duftiger Feldblu- 
men« pflückt (Supra, ST 1956, 27). 

171 Typisch werden schnell Werbungen wie jene, die ein Paar auf einer Wiese unter einem 
großen Baum vor einer Seenlandschaft zeigt und dazu schreibt: »Ein Morgen am Seeufer... 


178 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


nicht zuletzt kontrastieren Images von hohem Status!7? mit solchen, die das Produkt als 
Durchschnittszigarette für Durchschnittsbürger!’? darstellen. Während sich alle Images 
an der Leitdifferenz Imagepositiv/Imagenegativ und dem Schema Oberfläche/Tiefe ori- 
entieren, wird der Positivwert doch über den Einsatz höchst unterschiedlicher Programme 
angesteuert. Die Abbildungen am Ende dieses Abschnitts zeigen einige Zigarettenrekla- 
men, die auf der Basis der skizzierten Gestaltungsmerkmale ein klar konturiertes Image 
realisieren und damit zur Avantgarde des hier untersuchten Materials gehören (vgl. Abb. 
50-57).174 

Die Beziehung der Code- und Programmebene zeigt sich auch an dem Image- 
Wandel, den einzelne Objekte durchlaufen können, also an der »Biographie« der Image- 
Identitäten. Obwohl die Werbung mit zahlreichen Rekursionen im Dienste der (Image-) 
Identitätsherstellung operiert und Redundanzen gezielt herbeiführt, bleibt die Image- 
Arbeit über die Programme flexibel und kann die Zuteilung des Positivwertes an immer 
neue Kriterien binden. Entsprechend lassen sich in der empirischen Analyse semanti- 
sche Feinanpassungen ebenso beobachten wie radikale Image-Wechsel. Für die Marke 
»Marlboro« wird z.B. bis in die 1970er Jahre nicht mit Bildern von Cowboys und dem 
»wilden Westen: geworben, in denen Werte und Attribute wie Natürlichkeit, Abenteuer 
und Tradition eine große Rolle spielen, sondern mit Inszenierungen feiner Leute, die 
als »Lohn für ihren Einsatz und ihren Erfolg« die Marlboro rauchen (»zu solchen Men- 
schen gehört die Marlboro«, Marlboro, ST 1966, 18; vgl. Abb. 81). Und die Marke »At- 
tika«, die zunächst mit Bildern des traditionsreichen Deutschland wirbt, setzt später auf 
die Erlebnis- und Spaßgesellschaft, indem sie z.B. gesellige Runden beim Sekttrinken 


Sonnenlicht glitzert auf den Wellen...eine leichte, erfrischende Brise weht vom See herü- 
ber...diese Stimmung, eingefangen in einer Zigarette, das ist Reyno.« (Reyno, ST 1962, 1) 

172 Dazu gehören Images der Marke Astor, die z.B. mit der Zeichnung eines Paars vor einer 
exklusiven Hotelanlage beworben wird: »Rendezvous der Prominenz. Club-Hotel des 
Fürsten Hohenlohe, Marbella, Spanien« (Astor, ST 1966, 18). Sämtliche Status-Klischees 
sind hier vertreten: »Der Geschäftsführer ein Graf, der Hausherr ein Fürst — Fürst Hohen- 
lohe — die Gäste fast eine Familie, Europas Hochadel, Finanziers und Politiker dazu. Die 
Loggien flacher Appartmenthäuser [...] um den weiten Patio; jenseits des Haupttraktes 
ein [...] Paradiesgarten mit Bungalows darin, Swimmingpools, Kiefernhain zum Strand 
hinab. Zimmerbestellungen [...] zwei Jahre im voraus.« Ähnliche Eindrücke vermittelt 
einige Zeit die Image-Welt von HB, die kleine Spaßgesellschaften (Paare oder Klein- 
gruppen) in nobler Umgebung zeigt (Yachten usw., vgl. z.B. HB, ST 1966, 18). 

173 »Die meistgerauchte Deutsche Zigarette« heißt es zu Bildern, die den Jedermann in 
Werbungen für Overstolz zeigen (BIZ 1927, 27). Auch der Zigarettenhersteller Roth- 
Händle setzt mit der Marke »Kurier« auf dieses Image, wenn er den Schreibtisch eines 
Briefmarkensammlers und damit das Bild des genußvollen Feierabends des kleinen 
Mannes ins Bild setzt. 

174 Einen Überblick über die Entwicklung der Zigarettenreklame von 1860-1930 im 
deutschsprachigen Raum gibt mit zahlreichen Abbildungen Weisser 2002; für die USA 
vgl. Schudson 1984, 178-209. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |179 


oder ein Paar beim Einkaufen zeigt (»Einkaufen...entdecken...das Außergewöhnliche 
wählen, um eine echte Freude zu finden«, Attika, ST 1967, 23). 

Zusammenfassend kann man feststellen, daß die Konzeption der Differenzierung 
von Codierung und Programmierung auf etwas anderes abzielt als auf solche Gene- 
ralisierungen, die die Grammatik der Werbungsinszenierungen durch deren Tendenz 
zur Idealisierung und zum schönen Schein bestimmt sehen. Denn solche Diagnosen 
gehen nicht von einer inhaltsoffenen Leitunterscheidung der Werbung, sondern von 
einer inhaltsbezogenen Orientierung an dem aus, was als durchschnittliche (normale, 
gewöhnliche, typische) Vorstellung vom Positiven unterstellt werden kann.!75 Obwohl 
es unverkennbar eine Orientierung der Werbung an einer Kultur der Mitte bzw. an der 
Mehrheitsgesellschaft und den dazugehörigen Vorstellungen vom Guten gibt, kommt es 
zunächst darauf an, zu erkennen, daß es auf der Ebene des (Zweit-)Codes zunächst nur 
darum geht, daß und nicht inwiefern (mit welchen Kriterien) zwischen Imagepositiv 
und Imagenegativ unterschieden wird. Die Unterscheidung von Imagepositiv/Imagene- 
gativ liegt als eine Form der Unterscheidung prinzipiell jeder Werbungskommunikation 
zugrunde und entsprechend ist mit der Beschreibung von Imagepositiv als dem Präfe- 
renzwert der Werbung keineswegs eine Selektionslogik gemeint, die sich an bestimmten 
(z.B. als allgemein gültig unterstellten) Vorstellungen des guten Lebens bzw. an der 
Aussparung dessen orientiert, was allgemein als weniger schön und erstrebenswert gilt. 
Im Rahmen der hier skizzierten Operationslogik der Werbung stellen bestimmte In- 
szenierungen eines good life vielmehr nur eine semantische Programmierung dar, die 
im Blick auf das zu bewerbende Objekt und die jeweilige Zielgruppe realisiert wird. 
Geht man von einer solchen Trennung von (Zweit-)Codierung und Programmierung 
aus, kann man auch die (durchaus nicht seltenen) empirischen Fälle problemlos in die 
Theorie integrieren, die den Präferenzwert Imagepositiv durch solche Attribute zum 
Ausdruck bringen, die den normalen Positivwerten der »Durchschnittskultur« (auch der 
der Werbung) scharf widersprechen: So hat eine Werbeästhetik des nüchternen Rea- 
lismus, ja gar eine Ästhetik des Häßlichen, die sich gegen den schönen Schein (auch: 
anderer Werbe-Images) richtet, durchaus Tradition. Diese und andere Fälle können nicht 
über die »Ausblendungsregel« (Schmidt 1995) oder eine Orientierung am »schönen 
Schein« (Luhmann 1996), um so mehr aber über eine klare Differenzierung von Code 
und Programm erklärt werden, die die Positiv-/Negativbewertung aller Kommunikati- 
onen vorsieht, aber nicht an bestimmte Erfüllungskriterien bindet, sondern die Bereit- 
stellung dieser Kriterien auf eine andere Operationsebene verlagert. Die Tatsache, daß 
in der Werbung bestimmte, besonders populäre Vorstellungen vom Guten und Schönen 
dominieren, ist lediglich auf den Sachverhalt zurückzuführen, daß sich deren Kommu- 
nikationen in vielen Fällen an ein sehr breites Publikum wenden und wenden müssen, 


175 Zu dieser häufig vertretenen Position vgl. exemplarisch Schnierer: »Werbung versucht, 
dem Beworbenen eine ausschließlich positive Bedeutung zu verleihen, und es versteht 
sich von selbst, daß deshalb nur die positiven Seiten von Bedeutungsträgern auf das 
Produkt übertragen werden sollen« (1999, 208). 


180 | Image. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


so daß der Spezifikation zielgruppenspezifischer Images relativ enge Grenzen gesetzt 
sind bzw. die Werbung dazu gezwungen ist, ihre Definition vom Positiven auf der Pro- 
grammebene sehr allgemein zu halten. Dieser Sachverhalt erklärt aber keineswegs die 
alle Inszenierungen übergreifende Grammatik der Imagekonstruktion. Diese gibt sich 
vielmehr im Blick auf die gesamte Breite der empirisch vorliegenden Einzelfälle und 
deren Heterogenität zu erkennen: Während die eine Werbung das Besitzen von teuren 
Statussymbolen als zentralen Image-Generator in den Vordergrund rückt, leitet eine an- 
dere gleichsam umgekehrt gute Images über einen offensiv zur Schau gestellten Anti- 
Materialismus ab. Während die eine Werbung Bilder einer gleichsam restlos techni- 
sierten Lebenswelt als Modernität in einem positiven Sinne zugrunde legt, setzt eine 
andere auf einen Traditionalismus, der Bilder eines ursprünglichen Daseins mit entspre- 
chenden Sichtbarkeiten (bestimmte Landschaften, altes Brauchtum usw.) entfaltet. Und 
während bestimmte Werbungen das Eingebundensein des Einzelnen in Gemeinschaften 
und Gruppen und damit Beziehungsnähe als Image-Faktor positiv dramatisieren, lassen 
andere Werbungen die völlige Autonomie des Subjektes in Distanz zu anderen als er- 
strebenswert erscheinen und stilisieren Individualismus als Image-Ressource. 


‚ RAUCHSITTEN der VÖLKER 


ы lege ыб her Meng nad Tabak d de Anker 


ët Sech акаа ine ët erwechen kan. 


Та ао а еве ње eben 


Мае тыра ко берети wrpußt тавга dr Ta 


këegere ad ta Nasrid Aterteegetesg 


Чынлы und майың, ofensar iu ubertate эбе. 


Wir huden ur аца ven paden den Уй стаде 


NERSTOLZ, SPL. RAVENKLAU PL LOWENBRÜCK At 


manas nn 


50: Haus Neuerburg; BIZ 1926, 23 
51: Atikah; BIZ 1928, 32 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 181 


Das untrügliche Urteil des türkischen 
Tabakhänellers ist unser beste ЯО 


WIE PRÜFT MAN 


CIGARETTEN 


QUALITÄT 


Renee wirt der Er nicht durch de Zunge, 


ме ai ie 
ваљан und Berater. 


Beet han die Nase berg von der Zunge vat genauen 
HE gees ee Gut mer Operette авала 


Om Freen der Озын» un de Suen hingen 
en der нетте Раана 


SIGANETTENFARRIKEN 


REEMTSMA 


AKTIENGESELLSCHAFT 


d 
HAUS 
NEUERBURG 


RM 


„Fit mir leid mein Herr— 
bin selber Raucheritrenge 
* Dienstvorschrift!Ein Auge 
zudrücken?...Aber.die Nase" 
kann ich doch nicht zudrückeı 


а muss man schon gehor ein paarZügen ohne viel Be- 
sam sein!Allerdings,-eine dauern beiseite legt.viel- 
OVERSTOLZ auszulöschen, mehr hat sie den herzhaft 
das ist schon ein Entschluss! nussartigen Geschmack des 
Sie ist eben keine jener fa- Macedonen-Tabaks und ist 
den Zigaretten,die man nach dabei besonders bekömmlich. 


‚Wohl bekomms!” 


52: Reemtsma; BIZ 1926, 23 

53: Ova; BIZ 1928, 32 

54: Ova; BIZ 1930, 40 

55: Haus Neuerburg; BIZ 1929, 36 


182 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


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N 
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La 

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S 
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DIE MEISTGERAUCHTE | 
DEUTSCHE ZIGARETTE ` 
ме 


БЕ[47 АУ АУ АУ АУ АУ АУ АУ ДУ АУ АЎ ДУ ДУ ДУ АУ АА 


56: Overstolz; BIZ 1927, 27 
57: Muratti; BIZ 1930, 40 


3.3.2 Operative Schließung, Reflexivität 
und strukturelle Kopplungen 


Wie für das System der Massenmedien überhaupt schaffen die Verbreitungsmedien 
im Bereich der Werbung entscheidende Voraussetzungen für die Ausbildung einer 
spezifischen Operationsweise. Sie gewährleisten die Abkopplung von Sender: und 
Empfänger, und ermöglichen mit der Herausnahme des Werbens aus den flüchtigen 
Bedingungen der Kommunikation unter Anwesenden Zeitgewinne, die für den Auf- 
bau komplexer(er) Sinnkonstruktionen genutzt werden können.!76 Da es für die Wer- 
bungsrezipienten keine Möglichkeit des direkten Feedbacks gibt, ja die Werbenden 
nicht einmal wissen können, wer die Empfänger der Botschaft sein werden, sind sie 
darauf angewiesen, sich an ihren eigenen Kommunikationen zu orientieren, diese 
prospektiv zu optimieren und Erfolge (d.h. die Akzeptanz beim anonymen Publi- 


176 Demgegenüber kann der Werbende im Rahmen einer sozialen Situation zwar in Ab- 
hängigkeit zu den Reaktionen des Gegenübers seine Performance zu Gunsten eines 
optimierten recipient designs im Fortgang des Geschehens nutzen (z.B. Engagement 
steigern oder verringern). Das Fehlen eines Sinn fixierenden Darstellungs- und Spei- 
chermediums schränkt die Handlungen jedoch auf wenige, ad hoc zu wählende Aus- 
drucksmöglichkeiten (Gestik, Mimik, Intonation) ein und verunmöglicht so Komplexi- 
tätssteigerungen dieses Werbungstyps. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 183 


kum) über indirekte Verfahren retrospektiv zu beurteilen (z.B. über die Meinungs-, 
Markt- und Konsumforschung). Operativ geschlossen ist das System auch im Bereich 
der Werbung also nicht über die technisch abgesicherte Trennung von »Sender« und 
Empfänger: Diese Schließung erfolgt vielmehr über die Spezifizierung der Selek- 
tionstypik des Systems, die die Kommunikationen über bestimmte Beobachtungen 
(Unterscheidungen) aneinanderbindet bzw. Kommunikationen mit diesen Unterschei- 
dungen reproduziert.!7” Indem die Werbung nur mit bestimmten Operationen arbeitet, 
die nicht an beliebige andere, sondern nur an solche gleichen Typs angeschlossen wer- 
den können, kondensiert ein thematisch eingeschränkter Sinnbestand (Gedächtnis), 
der es ihr ermöglicht, sich an der eigenen Unterscheidung von »Selbstreferenz« und 
»Fremdreferenz« zu orientieren. Erst mit der bereichsspezifischen Themenorientie- 
rung und einer darauf eingestellten Selektivität entstehen Images, an die im Fortgang 
des Geschehens angeschlossen werden kann, so daß eine zunehmende Selbstorga- 
nisation der Werbung!7® möglich wird und es schließlich zu einer Reproduktion der 


177 Luhmann geht von einer operativen Schließung der verschiedensten Systemtypen aus: 
»Ebenso wie Kommunikationssysteme sind auch Bewußtseinssysteme (und auf deren 
anderer Seite Gehirne, Zellen usw.) operativ geschlossene Systeme, die keinen Kontakt 
zueinander unterhalten können. Es gibt keine nicht sozial vermittelte Kommunikati- 
on von Bewußtsein zu Bewußtsein, und es gibt keine Kommunikation zwischen Indi- 
viduen und Gesellschaft. Jedes hinreichend präzise Verständnis von Kommunikation 
schließt solche Möglichkeiten aus (ebenso wie die andere Möglichkeit, daß die Gesell- 
schaft als Kollektivgeist denken könne). Nur ein Bewußtsein kann denken (aber eben 
nicht: in ein anderes Bewußtsein hinüberdenken), und nur die Gesellschaft kann kom- 
munizieren. Und in beiden Fällen handelt es sich um Eigenoperationen eines operativ 
geschlossenen, strukturdeterminierten Systems.« (1997, 105) 

178 Als einen besonderen Hinweis auf die mit der Herstellung eigener Objekte (Images) 
gesteigerte Autonomie der Werbung kann man die Situation im Nationalsozialismus 
deuten. So stellt Thoms (1995) fest, daß die Werbung einerseits eine Institution war, 
die der nationalsozialistischen Ideologie unterstellt wurde: Die Verherrlichung des 
bäuerlich-ländlichen Lebens (Trachten, Landschaftsmotive, z.B. in der Persilreklame), 
die Idealisierung der Frau als (enterotisierte) Mutter und die als normal propagierte 
Dreikindfamilie (anstatt der Ein- bis Zweikindfamilie, die die Werbung vorher meis- 
tens darstellte) wurden politisch gefordert. Und auch einzelne Werbungsstrategien, wie 
z.B. das Versprechen, ein bestimmtes Shampoo rette das blonde Haar von Kindern ins 
Erwachsenenalter, sind als direkte Reaktionen der Werbung auf die damals herrschende 
Ideologie zurückzuführen. Andererseits konstatiert Thoms — in Entsprechung zu den 
empirisch-analytischen Ergebnissen vorliegender Untersuchung — daß sich eben diese 
Ideologie in der Zeit des Nationalsozialismus als Werbungsideologie nicht wirklich 
durchsetzen konnte, sondern nur neben anderen (älteren) Inszenierungen Bestand hatte: 
»Vielmehr kam es zu einer eigentümlichen Dichotomie der abgearbeiteten, fest in deut- 
scher Tradition verwurzelten Frau und Mutter und der altgewohnten schlanken Elegan- 
ten, die im übrigen auch die Fachjournale der Werbewirtschaft auszeichnete. Nicht nur 
blieb die geforderte deutsche Mode französischen Vorbildern verhaftet, sondern selbst 


184 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


bereichsspezifischen Elemente (Image-Kommunikationen) im Netzwerk eben dieser 
Elemente kommt: 


Alle Operationen (Kommunikationen) haben mithin eine Doppelfunktion: Sie legen (1) den 
historischen Zustand des Systems fest, von dem dieses System bei den nächsten Operationen 
auszugehen hat. Sie determinieren das System als jeweils so und nicht anders gegeben. Und 
sie bilden (2) Strukturen als Selektionsschemata, die ein Wiedererkennen und Wiederholen 
ermöglichen, also Identitäten (oft sagt man im Anschluß an Piaget auch: Invarianzen) kon- 
densieren und in immer neuen Situationen konfirmieren, also generalisieren. Diese Erinnern 
und Vergessen ermöglichende Strukturbildung ist nicht durch Einwirkung von außen mög- 
lich, und ebendeshalb spricht man von Selbstorganisation. (Luhmann 1997, 94) 


Über die kontinuierende Verkettung gleichartiger Sinnstrukturen ermöglicht Image- 
Kommunikation wie die anderen symbolisch generalisierten Kommunikationsme- 
dien!7? eine auf das Thema eingestellte Differenzierung der Beobachtung erster und 
zweiter Ordnung. Im Modus der Beobachtung zweiter Ordnung werden Images pro- 
duktiv wie rezeptiv nicht nur durch die Unterscheidung Imagepositiv/Imagenegativ 
hergestellt (Beobachtung erster Ordnung), sondern sie werden als solche, d.h. als 
spezifische Unterscheidungen, unterschieden. Indikatoren einer reflexiv werdenden 
Image-Semantik sind für die jüngere Vergangenheit z.B. solche Inszenierungen, die 
das Wissen um Image als einer bestimmten Schematisierung sozialer Objekte vo- 
raussetzen, um sich dann auf diesen Sachverhalt wiederum imagespezifisch zu be- 
ziehen, wie z.B. eine Inszenierung, die einen coolen: Jugendlichen beim Trinken 
zeigt und dazu feststellt: »Image ist nichts. Durst ist alles a (Sprite 1998).!80 Auch 
die Tatsache, daß das Berichten über die hoch selektive Herstellung von Images 
schon früh zum Themenkanon der Werbung gehört,!8! verdeutlicht, daß sich die 


die Frauen von Nazi-Größen trugen nach wie vor Kleider aus Paris. Gerade diejenigen 
unter den Frauenzeitschriften, die der Dekadenz bezichtigt wurden, konnten ihre pu- 
blizistische Arbeit weitgehend ungestört fortsetzen. So propagierte beispielsweise das 
elegante Magazin »Die Dame« weiterhin ein wenig deutsches, international-elegantes 
Bild der Frau, das keinesfalls dem offiziellen entsprach. Aber auch in bodenständigeren 
Zeitschriften, wie etwa »Für’s Haus« fanden sich noch 1940 Anzeigen, die alles ande- 
re als arische, sondern genau die puppenhaft-süßlichen Frauen zeigten, die doch zum 
Feind erklärt worden waren.« (Thoms 1995, 262) 

179 Vgl. Luhmann 1997, 374 f. 

180 Die Kommunikation des Bildes ist auch hier eine Image-Kommunikation, die keinen 
Zweifel daran läßt, daß und inwiefern (d.h. in Bezug auf welche sichtbaren Attribute) 
Image nicht nichts, sondern alles ist. 

181 Eine Parallelentwicklung läßt sich für andere Bereiche des Systems der Massenmedi- 
en diagnostizieren. So veranschaulicht das Magazin »Look« in den USA 1938 unter 
dem Titel »Studio Tricks« die Herstellungsmethoden von »Photogenität«, derer sich 
die Werbungsproduzenten bedienen. Die Aussage, hier ginge es darum, »die glatten 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 185 


Werbeproduzenten zunehmend auf einen Rezeptionsmodus der Beobachtung zwei- 
ter Ordnung bei ihren Publika einstellen. Mit den medienimmanenten Rekursionen 
kommt es zu einer systematisch nutzbaren Selbstbezüglichkeit, zu einer »prozes- 
sualen Reflexivität« (Luhmann 1997, 372 f.) und zu einer zielorientierten Nutzung 
von Reflexionsspielräumen, die durch das Erinnern von (Miß-)Erfolgen einzelner 
Images gewonnen werden. 

Wie im Kontext der Beschreibung von Funktionssystemen allgemein bedeutet 
»operative Schließung« also auch für den Systembereich Werbung keineswegs »Iso- 
lierung, Kontaktlosigkeit oder Abgeschlossenheit« (Luhmann 1997, 68). Vielmehr 
zielt der Begriff auf die umgekehrte Argumentation: Nur weil Systeme Informationen 
in spezifischer Weise verarbeiten, gewinnen sie die Möglichkeit, mit der Umwelt in 
Kontakt zu treten bzw. diese »wahrzunehmen«. Die Zweitcodierung der Werbung, die 
die Unterscheidung Information/Nichtinformation an der von Imagepositiv/Imagene- 
gativ orientiert, sensibilisiert diesen Bereich besonders für bestimmte Ereignisse, so 
z.B. für die Kommunikationen der anderen Bereiche der Massenmedien. Die hier 
generierten Erscheinungsbilder werden über den Code beobachtet und für die eigene 
Operationsweise genutzt. Die Images, die die Werbung auf der Basis der Inszenierung 
prominenter Medienpersönlichkeiten realisiert (Sportler, Filmstars Politiker usw.), 
sind hierfür deutliche Beispiele. 

Man kann nun die Mechanismen, mit denen die Werbung neben und mit dem Zweit- 
code Umweltkontakte organisiert, mit Luhmanns Begriff der »strukturellen Kopplung« 
genauer beschreiben. Wie der Code ermöglichen die strukturellen Kopplungen Umwelt- 
kontakte über selektive Mechanismen, indem sie »den Bereich möglicher Strukturen 
(einschränken), mit denen ein System seine Autopoiesis durchführen kann.« (Luhmann 
1997, 100)182 Derartige Beschränkungen existieren für die Werbung in zahlreicher Art, 
so daß dieser Bereich wie die anderen des Systems eng an seine Umwelt angebunden 


Mythen der modernen Konventionen photogener Werbung zu dekonstruieren« (Stein 
2003, 157), greift jedenfalls zu kurz. Denn derartige Berichte sind keineswegs eine 
Art parasoziologische Aufklärung gegen die Arbeit am Mythos. Sie setzen vielmehr 
ein reflektiertes Publikum voraus, das bereits eine bestimmte Selektionslogik der Wer- 
bung unterstellt und sich deshalb für die konkreten »Studio tricks« interessiert. Folgt 
man diesem Argument, ist auch Boorstins Diagnose fragwürdig, daß sich die »Story 
über die Story« in den Massenmedien einer großen Beliebtheit erfreue, weil selbst mit 
ihr der falsche Schein der »Pseudoereignisse« nicht aufgehoben werden könne (vgl. 
Boorstin 1964, 169). Begründeter ist vermutlich die Annahme, daß die Story über die 
Story deshalb auf Interesse stößt, d.h. deshalb produziert wird, weil sie dem Manipula- 
tionsverdacht und entsprechenden Reflexionen der Rezipienten entgegenkommt. 

182 Zu dem Begriff der strukturellen Kopplung grundlegend Luhmann 1997, 100-120. Hier 
geht es Luhmann vor allem um die für jede Kommunikation unabdingbaren struktu- 
rellen Kopplungen der Wahrnehmung und des Bewußtseins über Sprache (Schrift) und 
»Schemata« (Rahmen, Skripts usw.) und weniger um strukturelle Kopplungen sozialer 
Systeme, die in den jeweiligen Monographien abgehandelt werden. 


186 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


werden Капп.!83 Als eine strukturelle Kopplung fungieren die Auftraggeber der Wer- 
bung: Als politische Parteien, Vereine, Wirtschaftsunternehmen usw. verfügen sie über 
eine eigene Realitätsbasis — d.h.: sie sind nicht selbst Bestandteil des Systems, werden 
aber als selektive Mechanismen in die Operationen des Systems miteinbezogen. Bevor 
die einzelnen Werbungen in den Druck gehen, gefunkt oder gesendet werden, entschei- 
den sich die Auftraggeber im Produktionsprozeß für oder gegen eine Kampagne, für 
oder gegen ein bestimmtes Image. Da Werbung auf dem Markt (konkurrierender Agen- 
turen) gehandelt wird und die jeweiligen Auftraggeber die Produktion der Werbung be- 
zahlen, haben sie in der Regel das letzte Wort. Auch so wird die Ausdifferenzierung des 
Systembereichs in Richtung einer autonomen Ästhetik, die besonders nahe liegt, da sich 
Image-Kommunikation als eine reflexive Behandlung der Kommunikation von Bildern 
vollzieht, wirksam unterbunden. Die Auftraggeber haben immer ihre eigene Identität 
(bzw. die des zu bewerbenden Objekts) und dessen positive Darstellung als Ziel der 
Image-Arbeit im Blick und wählen die Alternativen mit diesem Fokus aus. Mit ihren 
Selektionen reduziert diese Kopplung »Möglichkeitsüberschüsse« (Luhmann), die im 
System erzeugt werden, und sie digitalisiert gleichsam neben und mit dem Zweitcode 
der Werbung die analogen Verhältnisse von (zunächst beliebig möglichen) Erschei- 
nungsformen und -bildern. 

Weitere strukturelle Kopplungen bilden die Meinungs-, Markt- und Konsumen- 
tenforschung, die, wenngleich mit anderen Themenorientierungen, auch in den Sy- 
stembereichen Unterhaltung sowie Nachrichten/Berichte eine Rolle spielen. Indem 
Untersuchungen z.B. den Erfolg von Werbungen vor oder nach deren Publikation 
z.B. über die Messung von Erinnerungs- und Sympathiewerten kontrollieren oder in- 
dem sie dem System Daten zur genaueren Bestimmung der Zielgruppen bereitstellen 
(Alter, Einkommen, Lebensstil, Mediennutzung, Wertorientierung, Konsumgewohn- 
heiten usw.), schließen sie für die Werbung bestimmte Möglichkeiten der Image- 
Konstruktion aus, während sie ihr andere besonders nahe legen. Insofern die Ergebnisse 
der verschiedenen qualitativen und quantitativen Studien überhaupt auf die Produktion 
von Werbung Einfluß nehmen, werden sie also als Einschränkungen wirksam, die das 
System in diesem Bereich spezifisch umweltoffen einrichten. Allerdings verdeutlicht 
die empirische Analyse der Produktionsprozesse, daß Wissenschaft als strukturelle 
Kopplung eher von untergeordneter Bedeutung ist. So äußern Werbungsproduzenten 
in Befragungen immer wieder eine Skepsis gegenüber der beratenden Wissenschaft 
oder bringen gar eine offene antiszientistische Haltung zum Ausdruck. !84 


183 Dennoch gilt auch für die Werbung, daß die Umwelt »nur unter der Bedingung struktu- 
reller Kopplungen und nur im Rahmen von dadurch kanalisierten und gehäuften Mög- 
lichkeiten Einfluß auf die Strukturentwicklung« (ebd., 119) gewinnt. Da sich die Umwelt 
durch die Einwirkung der Gesellschaft, also auch durch die Werbung selbst, verändert, 
kommt es zu einem gegenseitigen »Variationsdruck« von System und Umwelt. 

184 Vgl. Kautt/Willems 2006. 


3. Die ENTWICKLUNG von IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 187 


Nicht zuletzt entwirft die Beschreibung der Arbeitsprozesse durch die Praktiker 
ein wissenschaftsfernes Bild der Profession: Am Anfang stehen das Brainstorming 
(und weniger die Lektüre von Ergebnissen der Markt- oder Konsumentenforschung) 
und die Ausarbeitung von Bildern und Texten von den verschiedenen Rollenträgern, 
die sich in der Praxis die benötigten Kompetenzen angeeignet haben. Die dann vor- 
liegenden Alternativen werden in verschiedenen Gruppen und Gremien'®3 diskutiert, 
wobei die Aussagen der Beteiligten keinen Zweifel daran lassen, daß in diesen Pro- 
zessen die wichtigen Entscheidungen für oder gegen eine Kampagne, für dieses oder 
jene Image fallen. Verbesserungen, die bei Mißerfolgen unerläßlich sind, werden ent- 
sprechend nicht über eine verstärkte Orientierung an wissenschaftlichem Experten- 
wissen, sondern über den Austausch von Personen oder Agenturen eingeleitet. 

Neben und mit den strukturellen Kopplungen, die auf der Organisations- und Un- 
ternehmensebene ausdifferenziert sind (und weiter spezifiziert werden könnten), spielen 
das Wissen und die Erfahrung der an der Konstruktion von Werbung beteiligten Exper- 
ten eine große Rolle, also jener Typus von Kopplung, den Luhmann »operative Kopp- 
lung« nennt (1997, 788).!86 Insbesondere das ап der Schnittstelle zwischen Produktion 
und Rezeption zum Einsatz kommende professionelle Sonderwissen der Praktiker fällt 
ins Gewicht: Wie andere Medienakteure bringen diese neben einer berufspraktisch ge- 
schulten Sensibilität (in Sachen Publikumsverstehen) und Kreativität immer auch und 
primär ihren Jedermannshabitus zum Einsatz. Unter dem alles beherrschenden Zwang 
stehend, dem jeweiligen Publikum zu entsprechen, operieren die Werbungsproduzenten 
gewissermaßen parasoziologisch, um handlungsrelevante Urteile und Erwartungen der 
Rezipienten voraussehen und imagekommunikativ umsetzen zu können. Sie tun dies 
nicht zuletzt intuitiv, d.h. aufder Basis habitueller Dispositionen, die (z.B. Geschmacks-) 
Urteile und Urteilskraft hervorbringen. Die Werber selbst beschreiben entsprechend den 
»gesunden Menschenverstand«, die Kenntnis des »normalen Geschmacks« und die 
Kenntnis der »Grenzen der Schicklichkeit« immer wieder als Kernkompetenzen ihres 
Berufs und betonen — nach dem Vorhandensein einer Selbstzensur gefragt — die Orien- 
tierung an gesellschaftlich gegebenen Werten und Normen. Diese Orientierung bzw. das 
Fungieren des Habitus der Produzenten setzt der Image-Differenzierung Grenzen und 
bindet diese an die (Sub-)Kulturen der jeweiligen Publika. Andererseits ist klar, daß die 
Funktionslogik des Systems hier wie in anderen Systembereichen die Ausbildung eines 
professionellen Sonderwissens verlangt und fördert, das über gängiges Alltags-Image- 
Wissen hinausreicht. So werden die Kreativen sowohl in ihrer Ausbildung als auch in 
ihrer beruflichen Praxis permanent zu spezifisch kompetenzbildenden Selbstreflexionen 


185 Diese konstituieren sich in den Werbeagenturen, bei den Auftraggebern oder werden 
über Dritte organisiert, die dann z.B. auch mehr oder weniger systematisch ausgewähl- 
te Probanden »von der Straße« befragen. 

186 Zu der Vielzahl hochspezialisierter Berufsrollen, die in Werbeagenturen, bei den Auf- 
traggebern oder in Forschungsinstituten arbeitsteilig zusammenwirken vgl. ausführlich 
Schmidt/Spieß 1994. 


188 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


und Selbstevaluationen gezwungen. Sie müssen etwa ihr gestalterisches und konzeptio- 
nelles Vorgehen systematisch reflektieren, Problemlösungen und Alternativen vorschla- 
gen und diskutieren sowie ihre (Vor-)Ergebnisse dem Auftraggeber präsentieren, der 
genaue Auskunft über die vorgeschlagene Konzeption erhalten möchte. Auch vielfältig 
ausdifferenzierte Formen handwerklich-technischen Wissens, die sich hauptsächlich 
auf die Herstellung von Bildern beziehen, sind durchaus relevant, wie man schon an den 
hochgradig spezialisierten Berufsrollen (Stylist, Photograph, Typograph, Texter usw.) 
erkennen kann. Nicht zuletzt ist das professionelle Sonderwissen durch eine reflexiv-in- 
strumentelle Beherrschung eines imagebezogenen Wissens gekennzeichnet, das sich auf 
alltagskulturelle Sinnbestände im breitesten Sinne richtet: Werte, Moden, Geschmack, 
Verhaltensmuster, Designs usw., und deren Wandel müssen von den Werbungsmachern 
gleichermaßen als Produktionsressourcen der Image-Konstruktion reflektiert werden 
können. Entscheidend ist vor allem ein durch Massenmedienbeobachtungen geschultes 
Image-Wissen, das die Akteure in die Lage versetzt, die Passung von Images und Pu- 
blika zu antizipieren, so daß es (das Wissen) als zielführende Einschränkung wirksam 
werden kann. Dies ist um so schwieriger, als die Rekombination und Respezifizierung 
alltagskultureller Sinnbestände unter Image-Gesichtspunkten immer als doppeltes reci- 
pient design funktionieren muß — denn das Image muß die Erwartungen der Auftragge- 
ber ebenso zufriedenstellen wie die der Zielgruppen. 187 

Die verschiedenen Kopplungen ermöglichen eine enge Anbindung der Werbung 
an ihre Publika, indem sie mehr oder weniger scharfe Grenzen des Möglichen zie- 
hen.!88 Daß die Kopplungen als Einschränkungen wirken, sieht man nicht zuletzt an 
den Konflikten, die sie im System erzeugen. So empfinden die Gestalter die Kont- 
rollen, Vorschläge und Entscheidungen der Auftraggeber oftmals als Hemmnis ihrer 
schöpferischen Freiheit. Das, was als Output des Systembereichs über die Verbrei- 
tungsmedien kommuniziert wird, ist, wie man z.B. Interviews mit Werbungsprodu- 
zenten in praxisorientierten Fachzeitschriften entnehmen kann, keineswegs durch- 
gehend das, was sich die Kreativen unter guter Werbung vorstellen. Entsprechend 
gehört das Lamentieren über den Mangel an Risikobereitschaft und an ästhetischem 
Urteilsvermögen der Auftraggeber oder das Monieren der Vorgaben der Markt- und 
Konsumforschung zum Alltag der Werbungsproduzenten. Die Einschränkungen der 


187 Die für die Profession zentrale Fähigkeit, Sinn im Blick auf beide Kunden für eine Wer- 
bung zu präparieren, beschreiben die Produzenten mit Vokabeln wie »Gespür«, »Intui- 
tion«, »Feeling«, »Fingerspitzengefühl«, » Antennen« (vgl. Kautt/Willems 2006). 

188 Daß die Rechtsprechung kaum als Einschränkung fungiert, kann man u.a. daran er- 
kennen, daß der Deutsche Werberat als Instanz freiwilliger Zensur verbotsähnliche 
Empfehlungen (der Unterlassung oder Einstellung bestimmter Werbungen) regelmäßig 
ohne anhängige Rechtsverfahren ausspricht. Die deutliche Reaktanz des Publikums 
(die sich z.B. über Beschwerdebriefe an die Auftraggeber der Werbungen äußert) oder 
kritische (Selbst-)Beobachtungen des Systems genügen also für das In-Gang-Setzen 
der (Selbst-)Zensur. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |189 


strukturellen Kopplung werden für die Kreativen aber immerhin über die Vergabe ver- 
schiedener Preise kompensiert, die als Auszeichnungen von Kreativität (und nicht als 
Auszeichnung faktischer Erfolge im Sinne der Auftraggeber) die Reputation und das 
Image der Agenturen bzw. Professionellen mitbestimmen — der Cannes-Wettbewerb 
ist, nicht zuletzt aufgrund der selbst als Werbung fungierenden Spot-Publikationen 
(»Cannes-Rolle«), hierfür das vermutlich bekannteste Beispiel. 

Diese Überlegungen zusammenfassend kann man feststellen, daß sich die »Au- 
topoiesis« des Systems im Bereich der Werbung neben und mit der Unterscheidung 
Information/Nichtinformation über die Zweitcodierung Imagepositiv/Imagenegativ 
und einer darauf eingestellten Programmierung vollzieht. Mit diesen Operationen 
bestimmt sich der Systembereich selbst (die eigenen Objekte, die eigene Systemge- 
schichte) und seine Umwelt, also »Selbstreferenz« und »Fremdreferenz«. Obwohl die 
Werbung maßgeblich über ihre Zweitcodierung festgelegt ist, gilt es andererseits zu 
beachten, daß sie in ihren Inszenierungen immer auch mehr bzw. anderes als Image- 
Kommunikation betreibt. Wie andere Systeme reproduziert das System der Massen- 
medien (u.a. im Bereich der Werbung) keineswegs nur das »autopoietische Mini- 
mum« (Luhmann 1997, 406). Nicht alle Details einer Inszenierung müssen restlos 
auf Image bezogen sein. So kann die Werbung durchaus imageneutrale Informationen 
zum Einsatz bringen und sie macht faktisch von dieser Möglichkeit häufig Gebrauch. 
Daß ein Kühlschrank weniger Energie verbraucht als vergleichbare Produkte, daß 
eine politische Partei im Unterschied zur Konkurrenz (k)eine Erhöhung der Mehr- 
wertsteuer anstrebt oder daß käufliche Produkte zu bestimmten (hohen oder niederen) 
Preisen zu erwerben sind, mögen Informationen sein, über die die Werbung berichtet. 
Als Werbung fungieren die verschiedensten Informationen jedoch nur, wenn sie auf 
der Basis visueller Kommunikationen als Attribute der beworbenen Objekte identi- 
fiziert werden und zur Qualifizierung derselben beitragen. Wie erwähnt, geht es ihr 
inszenatorisch auch darum, Aufmerksamkeit herzustellen und die Erinnerung ihrer 
Mitteilungen wahrscheinlich zu machen. Und immer wieder (aber keineswegs prin- 
zipiell) muß sie die Glaubwürdigkeit ihrer Botschaften dramaturgisch berücksichti- 
веп.!89 In jedem Fall aber muß die Werbung auch der Herstellung von guten Images 
im skizzierten Sinne Rechnung tragen. Ein empirisches Indiz der Vorrangstellung ih- 
rer Image-Kommunikationen sind z.B. solche Inszenierungen, die die unter modernen 
Medienbedingungen zunehmend knapp werdende Ressource Aufmerksamkeit durch 
extreme Abweichungen vom Erwarteten und Üblichen attrahieren wollen. Die Wer- 
bungsproduzenten stellen diesbezüglich nämlich fest, daß die zur Steigerung von Auf- 


189 So z.B. dann, wenn in der Image-Kommunikation selbst die Glaubwürdigkeit mitge- 
teilter Informationen als ein Kriterium der Positivqualifizierung angesteuert wird (wie 
z.B. in Fällen der Betonung von Seriosität als Identitätswert). Prinzipiell besteht eine 
Leistung der Image-Kommunikation jedoch eher darin, die Akzeptanzwahrscheinlich- 
keit der kommunizierten Objekte weitgehend unabhängig von dem Aspekt der (Nicht-) 
Glaubwürdigkeit kommunizierter Informationen steigern zu Können. 


190 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


merksamkeit eingesetzten Mißachtungen von Normen, Werten oder kosmologischen 
Normalitätsvorstellungen nicht zu einer Verdeckung, Irritation oder gar Beschädigung 
des angestrebten bzw. vorhandenen Images führen dürfen. Hinweise in diese Richtung 
geben weiterhin Werbungen, die scheinbar nur mit Informationen werben, den Objek- 
ten aber gerade damit ein bestimmtes Image zuweisen. So sind z.B. Inszenierungen, 
die bewußt auf Bildlichkeit verzichten, alles andere als imageneutral: Sie imprägnie- 
ren im Umfeld bildbasierter Images vielmehr markant den Eindruck des Seriösen, 
Schlichten, Realistischen usw., und sie vermitteln diesen Eindruck des Imagelosen 
— nur scheinbar paradox — als Image (vgl. Abb. 170-174). Für die Reproduktion der 
Werbungskommunikationen ist die qualifizierende Beschreibung der sichtbaren For- 
men zu Zwecken der Herstellung einer Image-Identität also entscheidend und auf 
dieser Ebene liegt das »autopoietische Minimum«, mit dem das System in diesem 
Bereich (Nicht-)Informationen reproduziert. Und nur auf dieser Ebene, d.h. in Bezug 
auf Images, determiniert sich die Werbung selbst. Während die Strategien und Insze- 
nierungselemente zur Herstellung von Aufmerksamkeit im Zeitverlauf mehr oder we- 
niger beliebig ausgetauscht werden können — solange deren Wechsel das Image nicht 
mit unerwünschten Folgen tangiert —, gilt dies für die Image-Dimension keineswegs, 
denn sie ist der elementare Stoff, mit dem die moderne Werbung wirbt.!90 


3.4 Exemplarische Ressourcen der Image-Programmierung 


Unter Programmierung wird im folgenden die Bereitstellung von Kriterien zur Un- 
terscheidung Imagepositiv/Imagenegativ über eine bildbasierte Semantik verstanden, 
die im Rahmen der werbungsspezifischen symbolischen Generalisierung angeboten 
wird. Die thematisch fokussierten Arrangements von Zeichen und Symbolen machen 
jeweils deutlich, unter welchen Bedingungen das beworbene Objekt Anspruch auf ein 
gutes Image erheben kann (oder nicht). Obwohl die Programmierung in den meisten 
Fällen den Positivwert konkretisiert, also zeigt, inwiefern dem Dargestellten ein po- 
sitives Image zukommt, gibt es auch Werbungen, die vorführen, welche Attribute ein 
schlechtes Image generieren. In beiden Fällen aber ermöglichen die entfalteten Kriterien 
eine sachliche Bestimmung beider Codewerte über die jeweiligen Sichtbarkeiten. In 
Bezug auf den häufigeren ersten Fall bedeutet das: Die Zuweisung eines guten Images 
zeigt zugleich, unter welchen Bedingungen Imageverluste drohen bzw. schlechte Images 
gegeben sind: Je weniger von den positiv dargestellten Eigenschaften zur Verfügung 
stehen, desto niedriger ist das jeweilige Objekt auf einer hierarchischen (Image-)Skala 
zu positionieren. Die intendierte Hierarchie wird also jeweils programmbezogen nicht 
etwa durch werbungsübergreifende Werte hergestellt. Perspektiviert man die Images 


190 Entsprechend sorgsam geht die Werbung mit einmal geschaffenen Image-Identitäten 
um. Drastische Image-Wechsel wie in dem erwähnten Beispiel der Marke »Marlboro« 
lassen sich nur äußerst selten beobachten. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 191 


als Identifikationsangebote für die »psychischen Systeme« (Luhmann) der Rezipienten 
— eine Sichtweise, die insbesondere im Bereich der Konsumgüterwerbung naheliegt -, 
kann man auch sagen, daß die Werbung mit der Rückseite ihrer glänzend erscheinenden 
Medaille (Imagepositiv) die Erfahrung von Mängeln und Mangelhaftigkeit und die da- 
mit verbundenen Gefühle der Scham, der Peinlichkeit, der (Selbst-)Verachtung und der 
Angst instrumentiert. Diese Gefühle nimmt die Werbung nicht nur in Kauf, sondern sie 
strebt sie an und nimmt sie ebenso in Dienst wie jene Gefühle, die mit ihrer positiven 
Imagewelt assoziiert sind und die sie mit dieser Welt assoziiert: Selbstachtung, Selbstsi- 
cherheit, Stolz, Souveränität, Autonomie, Glück. 

Für die folgende Darstellung der imagekommunikativen Programme ist der Hin- 
weis von besonderer Wichtigkeit, daß die Gesamtheit der in einer Werbung zum Einsatz 
gebrachten Sichtbarkeiten in ihrer singulären Ausprägung die Kriterien der Positivbe- 
wertung für das jeweilige Image definieren. Insofern liegen in der Werbung so viele 
Programmvarianten wie Images vor. Daneben kann man aber auch von Programmres- 
sourcen der Werbung sprechen, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist nicht zu 
übersehen, daß die Kriterien der Positivbewertung in verschiedenen Werbungen für ein 
und dasselbe Objekt (eine bestimmte Zigarette, ein bestimmtes Auto usw.) synchron und 
diachron reproduziert werden, so daß ein (wieder-Jerkennbarer Image Kom konden- 
siert. Die Images der in der Öffentlichkeit als Marken etablierten Dinge machen diesen 
Sachverhalt schnell deutlich: Bei aller Varietät der einzelnen Inszenierungen (Anzeigen, 
Spots usw.), auch in ein und derselben Zeit, ist hier ein stabiler Kriterienfundus der 
Zuteilung von Imagepositiv/Imagenegativ zu erkennen. Daß man zu Namen wie Coca- 
Cola, Greenpeace oder Deutsche Bahn Bildkomplexe mit charakteristischen Attributen 
imaginieren kann, bestätigt das Vorhandensein solcher Image-Identitäten. Zum anderen 
verdeutlicht die Analyse eine Präferenz für bestimmte, typologisierbare Themen, die 
in den verschiedenen Images eine Rolle spielen und insofern als Programmressourcen 
der Image-Kommunikation beschrieben werden können. Favorisiert werden z.B. Kri- 
terienkomplexe wie Erotik, Status, Natürlichkeit, Jugendlichkeit, Männlichkeit bzw. 
Weiblichkeit oder Seriosität. Sie treten allein oder kombiniert in Erscheinung, wobei die 
einzelnen Ressourcen unterschiedliche Identitätsrelevanz besitzen können. 

Sowohl die Invarianz einzelnen Image-Kerne wie das Vorhandensein eines The- 
menreservoirs, das verschiedene Einzelimages fundiert, legen eine Systematisierung 
der Programmebene nahe, die nicht auf eine vollständige Beschreibung einzelner 
Images, sondern auf die Beschreibung imagetranszendierender Programmressourcen 
abzielt. Die Zuordnung der aufgeführten Beispiele zu einer bestimmten Ressource er- 
folgt dabei in Bezug auf das jeweils besonders hervorgehobene Thema (Natürlichkeit, 
Erotik, Männlichkeit иѕуу.).!9! 


191 Daß sich diese Darstellungen typologisch stärker differenzieren ließen, wird in den aus- 
führlicher vorgestellten Themenkomplexen Status, Erotik und Realismus ersichtlich. De- 
ren Beschreibung zeigt, daß innerhalb der werblichen Betonung eines bestimmten The- 
mas als zentraler Image-Faktor erhebliche semantische Unterschiede bestehen können. 


192 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Wenngleich für die Konstruktion verschiedener Images immer wieder ähnliche 
Ressourcen in Anspruch genommen werden, muß hier an den bereits erwähnten Sach- 
verhalt erinnert werden, daß die Gesellschaft der Werbung keineswegs durch eine 
symbolische Ordnung integriert ist, die für alle Inszenierungen gleichermaßen gilt. 
Integriert ist die symbolische Ordnung der Werbung vor allem dadurch, daß sich die 
verschiedenen Programme alle an der Leitdifferenz Imagepositiv/Imagenegativ und 
d.h. an einer achtungskommunikativen Spezifikation des Schemas Oberfläche/Tiefe 
orientieren. Die verschiedenen Programme bringen also durchaus unterschiedliche 
Kriterien der Positivbewertung ins Spiel: Erotische Attraktivität oder Modernität kön- 
nen ebenso als Generatoren guter Images fungieren wie Güterbesitz, Traditionalität 
oder ein »realistisches« Weltbild, wobei die Themenkomplexe in sich selbst wiederum 
in verschiedenster Weise zu einem (positiven) Image modelliert werden können (z.B. 
durch unterschiedliche (Körper-)Schönheitsideale, unterschiedliche Modernitätsvor- 
stellungen usw.). Kriterien, die in der einen Werbung ein positives Image fundieren 
(sollen), können daher im Lichte eines anderen Programms als Imagenegativ erschei- 
nen (und umgekehrt), wobei mit den Inhalten zugleich die Darstellungsformen er- 
heblich variieren. Während z.B. Inszenierungen eines feinen Lebensstils mit einer 
kultivierten Ästhetik und hochkulturellen Statussymbolen operieren, stellen andere 
Werbungen den von ihnen als positiv stilisierten Antimaterialismus mit einer Ästhetik 
der Einfachheit zur Schau. Neben und mit der Flexibilität lassen sich weitere Charak- 
teristika der Image-Programmierung feststellen: 


a) Objektpersonifizierung 

Ein wichtiger Grundzug (fast) aller Inszenierungen besteht darin, daß die verschie- 
densten Image-Objekte mit Attributen belegt werden, die analog zu menschlichen 
Eigenschaften konstruiert sind. Produkte wie Waschmittel, Schokoriegel, Versiche- 
rungen oder Autos, aber auch Gegenstände jenseits des Konsumgüterbereichs wie 
politische Parteien oder Non-Profit-Organisationen werden von der Werbung als 
Charaktere modelliert, deren spezifische (Tiefen-)Eigenschaften das Image als eine 
personale Identität entwerfen. Die Empfehlung, die Hans Domizlaff 1939 in seiner 
wirkungsmächtigen Publikation über die »Gewinnung des öffentlichen Vertrauens« 
den Werbungspraktikern ins Stammbuch schrieb — nämlich die, sich die jeweils zu 
bewerbenden Artikel als Persönlichkeiten vorzustellen — kann man inzwischen in sehr 
vielen Werbungen verwirklicht ѕеһеп.!9 Personifizierung ist eine Methode des Zei- 
chengebrauchs, die wie andere Gestaltungsmittel quer steht zu den Kriterienkomple- 
xen, die in den jeweiligen Inszenierungen unter inhaltlichen Gesichtspunkten plausi- 
bel machen sollen, warum das jeweilige Image eut: ist. Das wichtigste (aber nicht 
das einzige) Stilmittel ist das bildliche Vorführen menschlicher Darsteller. Am Bild 


192 Wie man der neueren Ratgeberliteratur für Praktiker entnehmen kann, hat die Vorstel- 
lung von der Marke als einer Persönlichkeit nichts an Aktualität eingebüßt (vgl. Herbst 
2005; Deichsel 2004). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 193 


des Menschen, an seinen konkreten, d.h. jeweils charakteristischen Erscheinungs- 
formen und an dem sichtbar gemachten Verhalten, das (Tiefen-)Eigenschaften veräu- 
Bert, werden Attribute festgemacht, die für das jeweils beworbene Objekt stehen. Ja 
man könnte sagen: Der Mensch ist im Rahmen der Image-Kommunikation das zen- 
trale symbolische Trägermedium der Sache, um die es eigentlich geht — nämlich um 
das jeweilige Objekt-Image und nicht um das Image des Darstellers, der die Image- 
Attribute aufführt.'9 Und weil Menschen als Image Träger fungieren, bezieht sich 
die Darstellung der empirisch-analytischen Ergebnisse im Bereich der Beschreibung 
der Programmressourcen oftmals auf Inszenierungen von Menschen. Denn an der 
entsprechenden Zeichenhaftigkeit (Kleidung, Verhalten, Kontextierung der Darstel- 
ler usw.) ist in vielen Fällen am schnellsten und prägnantesten zu erkennen, welches 
Image in der jeweiligen Werbung angestrebt wird. 

Im Anschluß an Luhmann kann man in der Objektpersonifizierung einen »sym- 
biotischen Mechanismus« mit »symbiotischen Symbolen« sehen, d.h. einen Mecha- 
nismus, der in spezifischer Weise darauf eingestellt ist, daß symbolisch generalisier- 
te Kommunikationsmedien »wie alle Kommunikation in struktureller Kopplung mit 
dem Bewußtsein derjenigen psychischen Systeme (operiert), die sich an der Kommu- 
nikation beteiligen.« (Luhmann 1997, 378) Die Rezipienten können über Personifi- 
zierungen optimiert angesprochen werden, da mit ihnen die von Luhmann gesehene 
»Notwendigkeit, in der Kommunikation auf die Körperlichkeit Rücksicht zu neh- 
men« (ebd.), Rechnung getragen werden kann. Ein direkter Bezug über den Einsatz 
menschlicher Darsteller (in dem man auch einen Mechanismus sozialer Konditio- 
nierung sehen kann) findet auch statt, wenn die Gemeinschaft von Menschen als ein 
»Ort« aufgeführt und dramatisiert wird, an dem die Beurteilung von Imagenegativ/ 
Imagepositiv mit relevanten Folgen für die beteiligten Individuen vollzogen wird. 
Achtungsgewinne und -verluste werden dann nicht nur indirekt über die Erlangung 
der jeweils programmierten Image-Aspekte in Aussicht gestellt, sondern zudem als 
eine Art Spiegelung lebenswirklicher Beurteilungsprozesse ins Bild gesetzt. Ein typi- 
sches Beispiel geben Werbungen, in denen einzelne Darsteller von anderen aufgrund 
bestimmter Image-Attribute bewundert oder stigmatisiert werden. Dadurch wird im 
Kommunikationsmedium symbolisch zum Ausdruck gebracht, daß Image-Kommu- 
nikation als Kommunikationscode zwischen Kommunikationsteilnehmern fungiert, 
daß also die Zuweisung von Achtung ein sozialer Prozeß bzw. eine Währung ist, mit 
der sich Individuen nicht selbst versorgen können. Die Minimalversion dieses sym- 
bolischen Mechanismus, die aber um so häufiger vorkommt, besteht in der Bezie- 


193 Eine gewisse Ausnahme stellen Inszenierungen prominenter Persönlichkeiten dar, denn 
dann setzt die Werbung lebenswirkliche Individuen und deren durch die Massenmedien 
generiertes Image in Szene. Aber auch hier kann sich die Werbung nicht damit begnü- 
gen, daß der (gute) Eindruck von der Person für sich selbst steht, sondern sie muß einen 
Transfer dieses guten Eindrucks auf das beworbene Objekt herstellen, also eine Image- 
Arbeit leisten, die über das Abbilden von Personen hinausgeht. 


194 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


hung, die die Sprache bzw. die Schrift zum Bild einnimmt. In vielen Fällen verhält 
es sich so, als kommentiere die Bildunterschrift, der (gesprochene) Slogan usw. das 
Erscheinungsbild wie ein gleichsam außenstehender Beobachter. Während das Bild 
im Rahmen des jeweiligen Programms die Kriterien der Positivbeurteilung bereitstellt 
(z.B. Natürlichkeit, hoher (Schicht-)Status), bestätigt und/oder spezifiziert der Text 
diesen Eindruck. Schon aufgrund dieser parasozialen Beziehung von Text und Bild 
und deren symbiotischer Verknüpfung spielt der Einsatz von Sprache (Schrift) für die 
Image-Kommunikationen der Werbung eine große Rolle. 


b) Universalismus 

Wenngleich sich die Werbung über die Differenzierung von Codierung und Program- 
mierung prinzipiell von den ästhetischen Urteilen und Wertvorstellungen einer Kul- 
tur der Mitte lösen kann, ja die Struktur der Image-Kommunikationen gerade darauf 
eingestellt ist, den Bedürfnissen der verschiedensten Publika Rechnung zu tragen, ist 
dennoch im gesamten Untersuchungszeitraum eine Bevorzugung bestimmter Motive 
bzw. Sujets nicht zu übersehen. Weil die Mitteilungen unter hochgradig anonymisier- 
ten Bedingungen sehr heterogene Adressatenkreise erreichen müssen, ist die Werbung 
typischerweise darum bemüht, dramaturgische Mittel zu wählen, die soziale Unter- 
schiede, Trennungen und Distanzen unterlaufen oder invisibilisieren. Zwar kann die 
Werbung auch auf (echte oder scheinbare) Distinktion setzen, aber in den meisten Fäl- 
len muß sie mit sozial möglichst weitreichend konsensuellen Attraktoren operieren, 
also z.B. mit allgemein akzeptierten Werten wie Jugendlichkeit oder Natürlichkeit. 
Auch die (Image-)Bearbeitung von Themen wie Alter, Geschlecht, zwischenmensch- 
licher Nähe und Intimität ist diesem Generalisierungszwang geschuldet. Sie transzen- 
dert die (Sub-)Kulturen der Gesellschaft mit Sinnhorizonten, die alle Rezipienten 
prinzipiell tangieren. Der Konformismus der Werbung (zu dem auch die Inszenierung 
des Non-Konformismus gehört) ergibt sich also weniger über einen hegemonialen 
Diskurs einer (z.B. bürgerlichen) Kultur der Mitte, als über die Ansteuerung univer- 
saler Themen des Menschseins. 


c) Die alltagstheoretische Bedeutung der beworbenen Objekte als Bezugsrahmen der 
Image-Programmierung 
Die empirische Analyse verdeutlicht, daß die Selektion der Programme häufig (aber 
keineswegs immer) durch den Sinnhorizont orientiert bzw. eingeschränkt wird, dem 
die jeweils beworbenen Objekte als solche — d.h. gleichsam vor jeder Werbung — 
zugehören. Die alltagstheoretischen Vorstellungen etwa zu Kirchen, Politikern oder 
Konsumgütern legen der Werbung die Wahl unterschiedlicher Programme nahe. Die 
Beziehung von Image und Objekttyp entsteht erst im Rahmen der Image-Kommunika- 
tion und muß in diesem Medium (Image) zielführend gesteuert werden. Ein hervorzu- 
hebender Fall ist die Bewerbung solcher Objekte, die nicht nur für ihre positiven, 
sondern gerade auch für ihre negativen Identitätswerte (ungesund, teuer, riskant, um- 
weltschädlich u. a.) bekannt sind. In diesem Kontext wird häufig eine Strategie ge- 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 195 


wählt, die man im Anschluß an Luhmann als »Vereinnahmung des Gegenmotivs« be- 
zeichnen kann.'?* So werden z.B. in der Zigarettenreklame seit dem Ende der 1950er 
Jahre bei aller Disparität der Images bevorzugt »natürliche< Landschaften ins Bild 
gesetzt, um die Assoziation gesundheitsschädlich möglichst durch entgegengesetzte 
Eindrücke zu unterbinden. 


d) Varietät und Redundanz als Oberflächen-Tiefen-Struktur 

Schon weil die Werbung Rezipientenaufmerksamkeit attrahieren und steuern muß, über- 
nimmt die Variation der sichtbaren Formen eine Funktion, die an der Image-Arbeit pro- 
grammübergreifend beteiligt ist. Die ästhetische Proklamation des Neuen ist gewisser- 
maßen ein Meta-Programm bzw. läuft die Unterscheidung neu/alt als Orientierung des 
Codes fortwährend mit. Dieser im Längsschnitt ersichtliche Befund ist nicht erstaunlich, 
da die mit den Verbreitungsmedien zusammenhängende Anonymisierung sozialer Re- 
dundanz in allen Bereichen des Systems ein Informationsmanagement nahelegt, das von 
dem Bekanntsein aller mitgeteilten Informationen ausgehen muß.!” Wiederholungen 
werden daher im System als Redundanzen antizipiert und in der Regel verhindert. Auch 
die massenhaft verbreitete Werbung unterliegt der Selbstdynamisierung einer modernen 
visuellen Kultur, deren Gedächtnis eine am Neuen orientierte Erwartungshaltung gene- 
riert, die sie fortan bedienen muß (vgl. 2.2.2). Ja gerade die Werbung ist im Bereich der 
Darstellung von Moden und Designs darauf angewiesen, neben und mit der Ausgestal- 
tung der Programmressourcen Oberflächen permanent zu variieren. 

Andererseits ist noch weniger erstaunlich, daß die Werbung für ihre Objekte eine 
stabile (Image-)Identität herstellen muß, die als solche von den Rezipienten (wieder-) 
erkannt werden kann. Die Notwendigkeit der gleichzeitigen Herstellung von Varietät 
und Redundanz bildet in der Tat einen Zielkonflikt der Werbung.!?® Die Lösung, die 
sich in Bezug auf das Dilemma einzupendeln scheint, besteht wiederum in einem 
werbungsspezifischen Umgang mit der Unterscheidung zwischen Oberfläche und 
Tiefe. Während das Neue über die fortlaufende Variation bestimmter Oberflächen- 
merkmale hergestellt wird, kontinuiert die visuelle Gesamtinszenierung den substan- 
tiellen, identitätszentralen Image-Wert (z.B. Natürlichkeit oder Jugendlichkeit) über 
einen konstant bleibenden Formen- und Themenkanon. Besonders deutlich wird das 
an Traditionsmarken wie Nivea, Coca-Cola oder Mercedes, die über Jahrzehnte einen 
stabilen Image-Kern reproduzieren und zugleich über eine jeweils zeitgemäße Fein- 
justierung der Ästhetik immer den Eindruck vermitteln, up to date zu sein.!97 Selbst 


194 Vgl. Luhmann 1996, 87 f. 

195 Vgl. Luhmann 1996, z.B. 28 f. 

196 Vgl. Luhmann 1996, 94. 

197 Bei allem Wandel ist z.B. das übergreifende Marken-Image von Nivea entscheidend 
durch Eigenschaften wie Reinheit und Natürlichkeit geprägt, während Werbungen für 
Coca-Cola tendenziell auf Jugendlichkeit setzen und das Image von Mercedes über die 
Vermittlung von Exklusivität im Sinne eines hohen Schichtstatus definiert wird. 


196 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


traditionalistische Images beschränken sich keineswegs auf das Konservieren alt her- 
gebrachter Darstellungsformen, sondern aktualisieren die gute alte Zeit im Glanz des 
jeweils neueren Designs. Die zielführende Oberflächen-Tiefen-Differenzierung läßt 
sich nicht nur bei einzelnen Werbungskampagnen, sondern in Bezug auf die Behand- 
lung der Image-Programme überhaupt beobachten. Um dies zu verdeutlichen, werden 
in den Bildanhängen immer wieder traditionelle Vorbilder Beispielen aus der aktuel- 
leren Werbung gegenübergestellt. 


e) Komplexitäts- und Reflexivitätssteigerung 
Nicht zuletzt sind Komplexitäts- und Reflexivitätssteigerungen ein allgemeines, 
programmübergreifendes Merkmal der Werbungsinszenierungen. Von einem Kom- 
plexitätszuwachs kann man in einem doppelten Sinne sprechen: Zum einen wird das 
Spektrum der Programmressourcen im Laufe der Entwicklung breiter. Während im 
Längsschnitt der Untersuchung neue Image-Komplexe hinzutreten, läßt sich das Ver- 
schwinden einmal etablierter Themen jedoch nicht beobachten. Frühe Ressourcen, 
die bis heute (wenn auch variiert) genutzt werden, sind z.B. Status, Natürlichkeit und 
Jugendlichkeit. Dabei ist nicht zu übersehen, daß mit der Erschließung neuer The- 
menkomplexe eine Differenzierung derselben einhergeht — so bilden sich z.B. ver- 
schiedene Natürlichkeiten, Jugendlichkeiten, Männlichkeiten/Weiblichkeiten. Zum 
anderen wird im Laufe der Zeit die Komplexität einzelner Inszenierungen gestei- 
gert. Dies geschieht z.B. über Integrationen verschiedener und z.T. divergierender 
Semantiken. Geworben wird dann nicht nur mit Tradition, sondern mit einer »guten« 
Kombination von Tradition und Moderne, nicht nur mit Jugendlichkeit, sondern mit 
einer Kombination von Jugendlichkeit und reifer Persönlichkeit, nicht nur mit For- 
men von traditioneller bzw. progressiver Weiblichkeit oder Männlichkeit, sondern 
mit Images, die traditionelle (Geschlechter-)Rollenverständnisse ebenso reprodu- 
zieren, wie sie diese (z.B. durch Ironie) auf Distanz setzen. Überhaupt nehmen die 
Spielräume der Konstruktion von Image-Identität im Zeitverlauf erheblich zu. Die 
gewöhnlichen Inkonsistenzen personaler Identität (lebenswirklicher Individuen) 
werden zunehmend als Normalität auch von Image-Persönlichkeiten der Werbung 
vorausgesetzt und instrumentalisiert: »You are always and never the same«, heißt es 
programmatisch in einer Parfumreklame (Calvin Klein, ST 2001, 8). Entsprechend 
wird man annehmen können, daß die Adressierung unterschiedlicher Publika (Sub- 
kulturen) über unterschiedliche Images in unterschiedlichen Medienformaten nur 
noch bedingt als Dissonanzproblem der Image-Konstruktion gehandhabt werden 
muß. Ja geradezu umgekehrt können (Image-)Identitätsbalancen als eigene Positiv- 
werte dramatisiert werden. 

Im Folgenden werden nun einige der in der Untersuchung kategorisierten Pro- 
grammressourcen detaillierter dargestellt. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |197 


3.4.1 Schichtorientierter Status 


Die Programmressource Status stellt Kriterien zur Unterscheidung zwischen Image- 
positiv/Imagenegativ bereit, indem sie Vorstellungen einer stratifizierten Gesell- 
schaft zugrunde legt und eine daran orientierte Statushierarchie im Anschluß an 
traditionelle Symboliken in eine werbungsspezifische (Image-)Ordnung der Er- 
scheinungsformen übersetzt. Mit den entsprechenden Inszenierungen geht es der 
Werbung also um ein spezifisches Spiel mit Eindrücken sozialer Überlegenheit über 
die Idealisierung einer bestimmten Sozialwelt. Die Zuteilung des Positiv- bzw. Ne- 
gativwertes erfolgt hier in Abhängigkeit zur Positionierung der Objekte in einem 
Gefüge von Unter-, Mittel- und Oberschicht. Im Rahmen der Images, die vor allem 
auf diese Programmressource setzen, gilt also: Je höher die Schicht, desto besser 
(auch die Leute). Entsprechend sind dann, wenn eine idealisierte Mittelschicht als 
Status-Paradiesmodell zum Einsatz kommt, erkennbar diverse Versatzstücke der 
(werblichen) Oberschichtsmythologie eingearbeitet. Typisch sind z.B. seit langem 
großzügige Wohnungen und Häuser in überdurchschnittlichen Wohnlagen, ebenso 
teure wie stilvolle Einrichtungsgegenstände (Möbel, technische Geräte) oder teure 
Autos. Imagebildend ist hier der Glanz des Neuen und Perfekten, der den Objekten 
— ganz im Unterschied zu Image-Programmierungen, die z.B. auf Natürlichkeit, 
Realismus oder Coolness setzen!?® — eigen ist. 

In den meisten Fällen sollen Statussymbole die Wahrscheinlichkeit der ge- 
wünschten Objektidentifizierung steigern. Das unterstellbare Wissen um den (ho- 
hen) Preis der jeweiligen Gegenstände erfüllt dabei eine wichtige Funktion. Denn 
der Preis ist ein im Alltagsbewußtsein verankertes Knappheitsmaß und ein Knapp- 
heitsgenerator, der Inklusion und Exklusion unmißverständlich reguliert.!% Schon 
am Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Werbung hohen Status noch nicht als Image 
ausmalt, bezieht sich die Rhetorik der Texte gelegentlich auf den Sachverhalt, daß 
billige Produkte als defizitär wahrgenommen werden können: »Ein Wunder ist es 
nicht, daß meine Zigarren viel und gerne gekauft werden, sondern dieses ist ein Be- 
weis, daß meine Fabrikate trotz des sehr billigen Preises gut sind.« (P. Pokora, BIZ 
1907, 9) Ja in manchen Texten klingt der geringe Preis als eine Art Stigma an, das es 
zu kuvrieren gilt, so z.B. in einer Anzeige, die das Photo eines rauchenden Mannes 
zeigt, der nachdenklich auf seine Zigarette blickt: »Warum machen Sie nicht end- 
lich Schluß mit dem alten Vorurteil? Warum soll eine 3 1/3 Pfg.-Zigarette nicht auch 
gesellschaftsfähig sein? Wenn eine Zigarette einen so guten Ruf hat wie die Mokri, 


198 Eindrücke des Ge- und Verbrauchten können dann Momente des Werbungsversuchs 
sein, Authentizität bzw. eine Orientierung am Echten zum Ausdruck zu bringen. 

199  Unmißverständlich heißt: Мар muß (von kriminellen Praktiken abgesehen) tatsächlich 
zahlen, um dieses oder jenes (Status-)Objekt zu erhalten. Gerade im Bereich der Kon- 
sumgüterwerbung ist daher der Preis ein wichtiger Bezugsrahmen der Dramatisierung 
von Exklusivität. 


198 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


kann sie jeder überall getrost sehen lassen. Und daß die Mokri etwas Besonderes ist, 
das wissen wir ja alle a (Mokri, BIZ 1937, 18200 

Die Werbung beginnt dann allerdings schnell, stereotype Statussymbole mit 
anderen distinktionsträchtigen Zeichen- und Symbolkomplexen zu kontextieren, 
also Gesamtszenen zu konstruieren, innerhalb derer sich die symbolischen Be- 
deutungen weit über die Exklusivität des Preises hinaus konkretisieren und spezi- 
fizieren. Ein Statussymbol steht dabei selten für sich allein, sondern in der Regel 
in Beziehung zu für vergleichbar gehaltenen niveauvollen Objekten, die deskrip- 
tiv zusammenspielen. Besonders bestimmte (teure) Kleidung 201 Wohnungen und 


200 Werbungen, die in der Gegenwart mit entsprechenden Problemlagen zu tun haben, ge- 
hen die Lösung imagekommunikativ an — so z.B. eine Werbung für Bier, die das Prole- 
tarier-Image des Objektes auflösen will: Hier wird der Biertrinker in einer Gesellschaft 
von Sekttrinkern bildlich so dargestellt, daß er besser aussieht als die feinen Herren um 
ihn herum (Maisels Weizen, ST 2003, 14). 

201 Als ein in allen Situationen mitgeführtes Requisit der Selbstdarstellung ist Kleidung 
zumindest potentiell ein Medium der Statussymbolisierung. Allerdings wird diese 
Funktion der Kleidung durch historische Entwicklungen relativiert. Von Bedeutung ist 
hier zum einen die Tatsache, daß sich die unteren Schichten bereits im 17. Jahrhundert 
die jeweilige Mode der Oberschicht aneignen (vgl. Schnierer 1999, 150) und sich Mitte 
des 19. Jahrhunderts ein schnell reagierendes »Kopiersystem« etabliert, das die Mode 
der Oberschicht für Mitglieder unterer Schichten massenhaft verfügbar macht und ak- 
tualisiert (vgl. Matthiesen 1988, 423). Mode ist spätestens seitdem ein Prozeß, an dem 
alle Mitglieder der Gesellschaft teilnehmen können (bzw. müssen), und d.h. auch: Das 
System der Mode hat sich sehr früh zumindest partiell von der Funktion der Status- 
symbolisierung gelöst. In der Gegenwart läßt sich dementsprechend nur noch sehr ein- 
geschränkt so etwas wie eine Kleiderordnung der Schichten beobachten — deutlich ist 
eher die Funktion von Kleidung als individuelles »Ichfinish« (Matthiesen 1988) und als 
Ausdruck bestimmter Lifestyles mit einem spezifischen Image (für das z.B. Markenna- 
men stehen). Die Werbung partizipiert mit ihren Programmierungen substantiell an der 
Ausdifferenzierung verschiedener Modesemantiken (während z.B. die eine Werbung 
jeweils Coolness als Attribut der Mode vorführt, projiziert die andere Natürlichkeit auf 
diesen Gegenstand). Nichtsdestoweniger lassen sich einige Merkmale des Kleidungs- 
stils feiner Werbeleute beschreiben: In den allgemeinen Publikumszeitschriften wird 
im Kontext von Oberschichtinszenierungen (Berufselite oder Werbe-Adel) meist ein 
Stil schlichter Eleganz vorgeführt. Charakteristisch ist insofern eine Distanznahme zur 
Mode selbst und deren verspielten (Übergangs-)Formen. Der dezente (dunkelfarbige) 
Anzug des Herrn und das klassische (Abend-)Kleid der Frau sind formstabile Requisi- 
ten, deren Güte in ihrer souveränen Reduziertheit und Konzentration auf die Tradition 
zum Ausdruck kommen soll. Diesem Stil und seinen Anforderungen (Dezenz) ähnlich 
ist die Kleiderordnung der Business Class, die in der Werbung eine wichtige Rolle 
spielt und als solche unmittelbar an ihrer formstabilen (Anzug-)Mode zu erkennen ist. 
Im Rahmen adeliger Milieus tauchen zudem hin und wieder barocke Ballkleider, Pelze 
oder Fräcke (beim Dienstpersonal) auf. In den exklusiveren kulturellen Foren, wie z.B. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 199 


Häuser, Autos und Motorräder, Wohnungseinrichtungen, Schmuck und Uhren, ex- 
klusive Hobbies, Dienstpersonal (Chauffeure), Fernreisen, Yachten (Segelboote) 
sowie einige Berufsbezeichnungen und Bildungstitel fungieren als eindeutige Sta- 
tussymbole. 

Wie die Wertorientierungen der anderen Programmierungen setzt die Werbung 
die Legitimität ihres vertikalen Statussystems beim Publikum voraus. Es bedarf kei- 
ner Erklärung und keiner Rechtfertigung. Das gilt für die positiven (Licht-)Seiten 
ebenso wie für die negativen (Schatten-)Seiten dieses Systems. Letztere sind in die 
Werbewelt bis in die Gegenwart hauptsächlich implizit eingeschlossen, und zwar in 
ebendem Maße, wie die »guten Gesellschaften: der Werbung explizit und dramatisch 
hervortreten. Inferiorität und (Selbst-)Achtungsverlust beim Nichterreichen bestimm- 
ter Zielvorgaben wird (wenn überhaupt) nur angedeutet. Die Werbung beschränkt sich 
z.B. darauf, einen mit dem Lebensalter steigenden Status als normal vorzuführen oder 
den Besitzer des jeweiligen Gegenstandes als einen Menschen darzustellen, der es zu 
etwas gebracht hat, und das heißt: zu etwas mehr als andere 2 Inszenatorisch entfaltet 
wird also hier wie überhaupt vorzugsweise der Wert Imagepositiv, während Imagene- 
gativ als latenter Reflexionswert fungiert. Indem das Streben nach Geltung und Über- 
legenheit hier in Konkurrenzbeziehungen von Schichten eingebettet ist, instrumentiert 
dieser Image-Komplex einen Kampf um Anerkennung, für den Veblens Begriffe des 
»neidvollen Vergleichens« und des »demonstrativen Konsumierens« (noch) beson- 
ders gut passen, eben weil die stratifizierte Gesellschaft hier als Bezugsrahmen des 
Vergleichens angenommen wird. Es ist daher auch kein Zufall, daß hoher (Schicht-) 
Status eines der Themen ist, mit dem sich die Werbung zuerst auf Image-Kommunika- 
tion einstellt. Wie nicht zuletzt Veblens 1899 erschienene »Theorie der feinen Leute« 
verdeutlicht, fungieren am Beginn des 20. Jahrhunderts Schichten noch in stärkerem 
Maße als eine integrierende Struktur sozialer Ungleichheit, die vorgibt, was guter 


der Zeitschrift »Vogue«, sieht man (auch in der Werbung) vor allem Kleiderstile, die 
sich von den werbungsüblichen Oberschichttypisierungen dadurch unterscheiden, daß 
sie die jeweils aktuelle Haute Couture in ihren avantgardistischen Designs vorführen. 

202 Daß man diese Struktur inzwischen als solche — d.h. gleichsam ironisch — vorführen kann, 
ohne den Positivwert ernsthaft zu gefährden, zeigt ein Spot der jüngsten Vergangenheit. 
Er zeigt die zufällige Begegnung zweier etwa vierzigjähriger Männer, die sich als ehema- 
lige Jugendfreunde zu erkennen geben. Nach einer knappen Eröffnungsfloskel legen die 
Akteure nacheinander wie bei einem Kartenspiel Photos verschiedener Statusobjekte auf 
den Tisch, die sie ihr eigen nennen. Diese Objekte stehen gleichsam stellvertretend für 
sie selbst, ihre Präsentation tritt an die Stelle einer längeren Unterhaltung, die den Verlauf 
der zurückliegenden Jahre, deren Sinn und Ertrag vor Augen führen könnte: »Mein Haus, 
mein Auto, mein Boot« kommentieren die Freunde (Kontrahenten) die Vorführung ihrer 
Besitztümer (Sparkasse 1999). Mit diesem ironischen Zynismus (Lebensfhalbzeit)bilanz 
= materielle Bilanz) trägt die Werbung einer potentiellen Kritik am Status- und Ober- 
flächendenken (der Werbung) ebenso Rechnung, wie sie diese Mentalität reproduziert, 
wenngleich letzteres stärker im Vordergrund stehen mag. 


200 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


und schlechter Geschmack ist, d.h. mit welchen den Schichten zugeordneten For- 
men (Ästhetiken) sich Achtungsgewinne erzielen lassen oder nicht. Zudem kann die 
Werbung gerade in diesem Themenbereich auf etablierte Symboliken zurückgreifen, 
während sie für andere Image-Komplexe umfangreichere Vorarbeiten leisten muß. 
Die Entfaltung aussagekräftiger Images erfolgt für diesen Kriterienkomplex daher 
besonders schnell. Während hoher (Schicht-)Status um 1900 noch hauptsächlich im 
Schrifttext als eine Dimension des beworbenen Objektes thematisiert wird, wechselt 
die Werbung bald zu einer statussymbolischen Feinheit der Bildsprache bzw. wer- 
den einfache Attribuierungen im Text (»vornehmste Möbel«, »exklusives Sortiment«, 
»elegant«, »kultiviert«, »qualitätvoll« usw.) zunehmend durch Images ersetzt, die fa- 
cettenreich und in zunehmender Unabhängigkeit von den materialen Eigenschaften 
der beworbenen Produkte vorführen, daß und inwiefern das jeweilige Objekt exklusiv 
ist. So informiert das Bild eine immerhin bereits halbseitige Waschmittelreklame von 
1914, das den Eingangsbereich einer erkennbar exklusiven Modeboutique zeigt, den 
Betrachter vor jeder Lektüre des Schrifttextes, auf welchem Niveau hier von Kleidung 
die Rede ist (vgl. Abb. 62). 

Obwohl die Statusinszenierungen den Positivwert des Codes über die Darstellung 
verschiedener Oberschichtvarianten ansteuern, läßt sich doch eine gewisse Typenbil- 
dung konstatieren und in ihren wichtigsten Ausprägungen skizzieren: 


a) Aristokratische Milieus 

Eine besondere und durch ihre programmimmanente Leitbildfunktion besonders wich- 
tige Variante der Oberschicht wird durch Inszenierungen gebildet, die Formen aristo- 
kratischer Lebensführung als Image-Generator zum Einsatz bringen. Der kristalline 
Typus spielt mit Insignien höfischer Kultur: Die Kleidung der Akteure (z.B. Frack, 
Ballkleider), die architektonische Umgebung (Schlösser, Herrenhäuser), Versatzstücke 
klassischer (höfischer) Hochkultur (Ballett, Oper, Theater, Malerei, Skulptur usw.) 
oder auch das immer wieder gezeigte Dienstpersonal entwerfen gleichermaßen Bilder 
adeliger Noblesse (vgl. Abb. 58-65). Deren Exklusivität basiert offenkundig nicht nur 
auf Reichtum, sondern auch auf guter Herkunft, weshalb die Hervorhebung traditi- 
onsreicher (Familien-)Namen sowie das Zeigen der mit diesen Namen verbundenen 
Embleme (Briefsigel, Wappen) systematisch vorkommen. Eine besondere Rolle spielt 
die visualisierte Nähe zu den Königshäusern. Während sich die textbasierte Reklame 
um 1900 noch auf den realitätsbezogenen Hinweis im Text beschränkt, »königlicher 
Hoflieferant« zu sein, wird die höfische Kultur in den folgenden Jahrzehnten trotz 
ihres faktisch fortschreitenden Autoritätsverlusts detailliert als ein Statusparadiesmo- 
dell entworfen, in das die jeweils beworbenen Objekte integriert sind. Ein charakte- 
ristisches Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit stellen die Werbespots der Firma 
Ferrero dar, die mit nostalgischen Klischees operieren. Hier erscheint die Oberschicht 
als eine Gruppe, die in Schlössern oder schloßartigen Villen (mit diversen Antiqui- 
täten, klassischen Kunstwerken usw.) ebenso üppige und prunkvolle wie zeremoniell 
perfektionierte Feste feiert. Auf ihnen serviert das servile Dienstpersonal Menüs auf 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |201 


Silbertabletts, während die Damen und Herren gepflegte Konversationen führen, vor- 
nehm ihre Sektflöten in der Hand halten und dazu klassische Musik hören.?0? Wei- 
terhin klingt das Ideal der aristokratischen Oberschicht bis in die Gegenwart in For- 
mulierungen an. Man spricht von »fürstlichem« oder »königlichem Genuß«, davon 
»heute ein König« zu sein, sich mit »königlichem Aroma« auf »höchstem Niveau« 
verwöhnen zu lassen, oder man zeigt sich stolz über das »königliche Hemd« und den 
»königlichen Faltenfall« einer Gardine. 


b) Prominenz 

Prominente stellen eine weitere Oberschichtvariante dar. Deren Inszenierung ist zum 
einen strategisch mit der Faszinationskraft der Tatsache verbunden, daß sie zu den 
feinen Leuten im konventionellen Sinne (der Werbung) gehören, also auch einen de- 
monstrativen Konsum praktizieren.?°* Der Reichtum prominenter Persönlichkeiten 
wird jedenfalls immer wieder angedeutet. Zum anderen verkörpern sie als herausra- 
gende Meister und Meisterinnen ihres jeweiligen Fachs ganz besonders die Erwor- 
benheit von hohem (Schicht-)Status. Die jeweiligen individuellen Kompetenzen und 
Leistungen, d.h. Eigenschaften in der Tiefe der Individualität hinter den vorgeführten 
Oberflächen, begründen die qualifikatorischen Images, die den Einsatzbereich der 
Prominenten in der Werbung festlegen.?0 Als Sportler, Schauspieler, Politiker, Musi- 
ker usw. stehen sie in einem spezifischen Sinne ganz oben und sollen in eben diesem 


203 Man sieht z.B. einen Butler, der, von klassischer Musik begleitet, ein silbernes Tablett 
mit einer Pyramide in Goldfolie verpackter Rocher-Kugeln durch eine edle Holztür mit 
goldenen Griffen trägt. Dazu erklingt eine sonore Stimme, die von einem Gefühl des 
Stolzes getragen zu sein scheint, feierlich mit den Worten: »Rocher von Ferrero — eine 
der edelsten Kreationen höchster Schokolatier- und Confisseriekunst« (Ferrero 1996). 
Miterzeugt oder verstärkt werden Eindrücke des Noblen hier wie auch in anderen Fäl- 
len durch film- und computertechnische Gestaltungsmittel. Bemerkenswert sind z.B. 
die getragene Langsamkeit der Schnittfolgen sowie der Einsatz von Weichzeichnern, 
Sepia-Farbtönungen und Filtern, die funkelnde Lichtreflexe erzeugen. 

204 Die Werbung — vor allem der jüngeren Vergangenheit — relativiert aber auch die Ex- 
klusivität von Prominenten, indem sie diese in strategischer Absicht als Privatpersonen 
vorführt. Die ferne Welt einer (Prominenten-)High-Society wird hier als erreichbare 
Welt des Nachbarn von nebenan inszeniert. Der gezeigte Lifestyle des Prominenten 
bleibt dabei zwar deutlich abgehoben von dem des kleinen Mannes, wird aber minde- 
stens insofern als vergleichbar dargestellt, als das beworbene Produkt ein Bestandteil 
des Lebens von jedermann ist oder sein kann. Der Konsument kann offensichtlich an 
denselben (Konsum-)Erfahrungen teilhaben wie die Stars oder zumindest Objekte sein 
eigen nennen, die auch deren Leben bereichern. 

205 Als höherwertig bzw. feiner erscheint der Status des Prominenten auch deshalb, weil 
sein Wohlstand nicht aus einer direkten Arbeit am Reichtum hervorgeht (wie bei dem 
Wirtschaftssubjekt Manager), sondern scheinbar eher als Nebenprodukt einer passio- 
niert ausgeübten Tätigkeit entsteht. 


202 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Sinne die jeweiligen Produkte und die (potentiellen) Konsumenten qualifizieren, so 
z.B. der in den 1920er Jahren prominente Sänger Richard Tauber, mit dessen Photo- 
portrait in einer Anzeige für »die Platte des anspruchsvollen Musikfreundes« gewor- 
ben wird (Odeon Electric, BIZ 1927, 27). 

Da die Bildung und Differenzierung von Prominenten-Images das Vorhandensein 
einer bildbasierten Realität der Massenmedien voraussetzt, kommen Prominenten- 
Images um 1900 noch nicht vor, während seit den 1920er Jahren dann vor allem jener 
Prominententypus genutzt wird, der zuerst in den Massenmedien als Erscheinungsbild 
kondensiert — nämlich der der Filmstars. Insbesondere weibliche Stars fungieren in der 
Kosmetikreklame als Image-Trägerinnen, deren Körperbild nicht nur Schönheit, son- 
dern auch den komplexen Glanz der Filmwelt auf die Images der Werbung transferieren 
5011.206 Im Laufe der Zeit kommt es relativ schnell zum Einsatz weiterer Prominenten- 
klassen, wobei die Werbung das in den anderen Systembereichen hergestellte Image 
voraussetzt und moduliert.?07 Eine besondere Rolle spielen Persönlichkeiten des Hoch- 
kulturbetriebs wie etwa Filmemacher, Künstler, Schauspieler, Theaterregisseure, Tän- 
zer, Komponisten oder Musiker. Sie treten als Verkörperungen des guten Geschmacks, 
als eine Art Geschmacksadel auf, dessen Urteile über jeden Zweifel erhaben sind.208 
Die erwähnte Auflösung der Kopplung von Geschmack und Schicht und ein daraus 
resultierender Orientierungsbedarf wird in diesen Images noch dadurch gelöst, daß eine 
Kulturelite in Szene gesetzt wird, die in ihrem Verzicht auf Modisches signalisiert, daß 
Geschmack in einer allgemeingültigeren Form in Anspruch genommen werden kann, 
wobei die gezeigten Individuen insofern als legitime Repräsentanten einer allgemein 
anerkannten (Geschmacks-)Kultur gelten sollen, als sie diese Kultur nicht nur verkör- 
pern, sondern als Künstler selbst herstellen. Im Anschluß an Weiß (1998) könnte man 
sagen, daß diese Images die Idee einer repräsentativen Kultur und einer dazugehörigen 
personalen Repräsentation reanimieren und über das Prinzip der kulturellen Stellvertre- 
tung hinaus als Zeichen einer allgemein vorbildlichen Geschmackskultur fungieren.” 


206 Einem maßgeblich über die Bildmedien hergestellten Glanz eifert schon »das kunst- 
seidene Mädchen« der 1930er Jahre nach, das Irmgard Keun in ihrem gleichnamigen 
Roman (1932) zur Protagonistin macht. 

207 Hochleistungssportler sind seit längerem eine bevorzugte Prominentenklasse der Wer- 
bung. Dies mag nicht zuletzt daran liegen, daß Ehrgeiz, Disziplin, (Wett-)Kampfgeist 
und harte Arbeit als Erfolgsbedingungen, sowie die unter diesen Bedingungen hervor- 
gebrachten Resultate an diesem Prominententyp am deutlichsten sichtbar sind bzw. 
gemacht werden können, nämlich am Körpereinsatz und am Körper selbst. 

208 Ein neueres Beispiel hierfür sind Werbekampagnen des Stuhlherstellers Vitra (u.a. mit 
John Cage, Spike Lee, Keith Haring, Dennis Hopper, Sonny Rollins, Lou Reed, Roman 
Polanski, Claes Oldenburg, Grace Jones, Hanna Schygulla) und des Kleiderherstel- 
lers Windsor (u.a. mit Marianne Faithful, Jörg Immendorff, André Eisermann, Armin 
Mueller-Stahl, Rosemarie Trockel, Leander Haußmann); vgl. dazu Albus/Kriegeskorte 
1999, 172-183. 

209 Vgl. Weiß 1998, 132 f. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |203 


c) High-Society und/als Skill-Society 

Eine weitere Oberschichtvariante bilden Inszenierungen von Berufseliten, wobei seit 
jeher, d.h. seitdem sich die Werbung auf Image-Kommunikation einstellt, eine deut- 
liche Präferenz für die Gruppe der (Top-)Manager bzw. der Geschäftsmänner (und 
seit längerem der Managerinnen und Geschäftsfrauen) zu bemerken ist. Diese Akteure 
sind auf den ersten Blick an ihrer äußeren Erscheinung zu erkennen: Dunkler Anzug, 
weißes Hemd, Krawatte und Kurzhaarfrisur prägen ihr Outfit. Sie hantieren mit Ob- 
jekten wie Telefonen, Terminplanern, Aktentaschen oder (neuerdings) Notebooks (vgl. 
Abb. 66, 67, 102, 103) und halten sich in architektonischen Umgebungen wie groß- 
zügigen (Bank-)Büroräumen der oberen (Hochhaus-)Etagen, (Luxus-)Hotel-Lobbies, 
Flughäfen oder Börsenräumen auf. Mit dem Image des Geschäftsmannes und des 
(Top-)Managers und seiner Idealisierung folgt die Werbung einem Alltagsklischee. 
Mit Sennett (1985) kann man annehmen, daß das Prestige dieser Elite wesentlich auf 
der Vorstellung basiert, ihr Handeln sei autonom und ihre Autonomie sei das Resultat 
von Kompetenz (eines besonderen Vermögens).?!" Das Werbebild des Managers ent- 
hält entsprechend viele Hinweise auf den souveränen Umgang mit Medien, Menschen 
und Informationen: Der Manager vereinbart am Handy das nächste Geschäftsessen, 
er skizziert auf der Tagungstafel die (positive) Unternehmensentwicklung, verfolgt 
die aktuelle Börsenentwicklung im Internet oder delegiert diverse Aufgaben an seine 
Untergebenen - letzteres vor allem in den Chef-Sekretärinnen-Konstellationen, die 
gerade in den ersten Jahrzehnten genutzt werden, um den hohen Status der männ- 
lichen »Macher< und die dazugehörigen Image-Werte zu verdeutlichen. Eine beson- 
dere dramaturgische Rolle spielt immer wieder ein voller Terminkalender, der photo- 
graphisch herausgestellt wird, so daß der Rezipient Einblicke in die Tiefendimension 
der statusindizierenden Tagesabläufe bekommt. Die High-Society erscheint hier als 
eine »skill society« (Sennett 1985, 104), und die damit verbundenen Statusobjekte 
sind folglich mehr als verweisungslose Zeichen von Reichtum: nämlich Zeichen von 
Reichtum und Unabhängigkeit durch Kompetenz. Ein Kennzeichen derselben ist das 
permanente In-Bewegung-Sein des Managers, worin sinnbildlich persönliche (men- 
tale) Dynamik, Mobilität, Flexibilität und Wichtigkeit der Person (Zeitknappheit) zum 
Ausdruck kommt (vgl. Abb. 66 u. 67). Charakteristisch bzw. charakterisierend ist zu- 
dem ein sich auf der Zeichenebene manifestierender Habitus, der ihn als Entscheider, 


210 Insofern die Werbung unter beruflicher Elite in erster Linie eine Business Class ver- 
steht, d.h. wirtschaftlichen Erfolg und wirtschaftliche Kompetenz als Basis des Elitä- 
ren vorstellt, weicht sie allerdings bezüglich der Positionierung verschiedener Eliten 
von der Alltagswirklichkeit ab. Nach Sennett (bzw. zwei von ihm zitierten Meinungs- 
umfragen zum Prestige verschiedener Berufe) verfügen jedenfalls in den »Vereinigten 
Staaten, Großbritannien und Italien [...] die Berufe des Arztes, des Rechtsanwaltes und 
des Naturwissenschaftlers über das größte Prestige. Die Befragten schreiben diesen 
Berufen einen hohen Status zu, weil deren Inhaber ihrer Meinung nach selbständig und 
nach eigenem Ermessen arbeiten können« (Sennett 1985, 106). 


204 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Macher: und Führungspersönlichkeit qualifiziert. So kann der Manager stets kompe- 
tent urteilen und leiten, und dies auch und gerade dann, wenn um ihn herum Nervosi- 
tät und Unruhe herrschen, etwa während des Börsengeschehens. 

Neben und mit dieser Milieu-Typologie (Aristokratie, Prominente, Berufselite) 
lassen sich Merkmale klassifizieren, die bei allen Oberschichtvarianten eine Rolle spie- 
len. So ist ihnen z.B. eine Praxis des »demonstrativen Müßiggangs« gemein. Veblen 
versteht darunter eine symbolisch-strategische Handlung, die einen elitären Charakter 
hat. Demonstrativer Müßiggang meint also nicht einfach Trägheit oder Passivität. Wo- 
rum es geht, ist vielmehr die »nichtproduktive Verwendung der Zeit. Dies geschieht 
aus zwei Gründen, 1. Aufgrund der Auffassung, daß produktive Arbeit unwürdig sei, 
und 2., um zu beweisen, daß man reich genug ist, um ein untätiges Leben zu führen« 
(Veblen 1997, 58). Am deutlichsten zeigt sich diese Tradition, wenn Freizeitbeschäf- 
tigungen als Tätigkeiten vorgeführt werden, die dem hohen Status der jeweiligen Per- 
sonen insofern entsprechen, als sie sowohl geld- und zeitkostenintensiv sind, wie auch 
(damit zusammenhängend) die Aufnahme in einen Club von Personen vergleichbaren 
Niveaus voraussetzen. Vor allem noble Sportarten wie Reiten, Golf, Tennis (später 
auch Segeln und Fliegen) sind schon früh und bis in die Gegenwartswerbung beliebte 
Formen des Müßiggangs: »Goldina Schokolade beim Golf« empfiehlt eine Anzei- 
ge von 1929 und ist damit eine der ersten Werbungen in der Untersuchungseinheit, 
die ein nichtexklusives Produkt in aller Deutlichkeit in ein Feine-Leute-Image integ- 
riert (vgl. Abb. 72; vgl. auch Abb. 68-71, 73). Eine besondere und besonders häufige 
Variante des demonstrativen Konsums und des demonstrativen Müßiggangs ist der 
stellvertretende Konsum und die stellvertretende Muße durch (Ehe-)Frauen. Sie sind 
vielfach in der Werbung die, die das von ihm verdiente Geld zu seiner Freude und 
Prestigevermehrung in sich selbst (z.B. ihre »Ästhetik« und erotische Attraktivität) in- 
vestieren. Der hier gemeinten Statuslogik entspricht in reinster Form das von Schmerl 
(1992) so bezeichnete »Luxusweibchen«.?!! Bei diesem Typus verschmelzen Leben, 


211 Auf der untersten Stufe praktizieren die als Mittelschichtangehörige vorgeführten 
Hausfrauen in gewisser Weise einen stellvertretenden Müßiggang. Deren alltägliche 
Arbeit (Kochen, Einkaufen, Waschen usw.) wird in der Werbung immer wieder in die 
Nähe von Spaß und Freizeit gerückt, und zwar im Rahmen von Inszenierungen, deren 
Requisiten (z.B. Wohnungsinterieurs) zugleich den Wohlstand vor Augen führen, in 
dem sie ihre Tage verbringt. Für diesen Typ scheint folgende Feststellung Veblens nicht 
unpassend zu sein: »Die Muße der Frau ist [...] natürlich nicht eine bloße Manifesta- 
tion der Faulheit; sie versteckt sich vielmehr fast immer hinter der Maske irgendeiner 
Arbeit, entweder hinter Haushalts- oder gesellschaftlichen Pflichten, die bei genauerem 
Zusehen allerdings keinen oder kaum einen Zweck verfolgen als den, zu beweisen, daß 
die Frau es nicht nötig hat, sich mit irgendeiner gewinnbringenden oder nützlichen Ar- 
beit zu beschäftigen. [...] Das angesehene, präsentable Zubehör des bürgerlichen Haus- 
haltes besteht einerseits aus Stücken des demonstrativen Konsums und andererseits 
aus Einrichtungen, welche die stellvertretende Muße der Hausfrau zur Schau stellen 
sollen« (Veblen 1997, 90 f.). Veblen (ebd., 79-93) deutet die Variante, bei der Frauen 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |205 


Muße und Konsum im Rahmen der Darstellung feiner und feinster Milieus. Bilder 
von müßiggehenden Frauen in luxuriösen Wohnungen und Häusern (häufig auf dem 
Sofa plaziert) oder Bilder von Frauen, die an beiden Händen mehrere Einkaufstaschen 
tragen, gehören seit den 1920er Jahren zum Kernbestand werblicher Statusinszenie- 
rungen und setzen sich mit erstaunlicher Formstabilität bis in die Gegenwart fort (vgl. 
Abb. 74-77). 

Eine andere Gemeinsamkeit gut situierter Werbemilieus ist ihr Weltbürgertum, das 
in verschiedenen Inszenierungen pointiert wird. Insbesondere der Geschäftsmann tritt 
als globaler Akteur einer (Wirtschafts-)Weltgesellschaft in Erscheinung, z.B. wenn man 
ihn als Vielflieger in der Business-Class oder als Besitzer eines Privatjets sieht, den er 
mit dem Aktenkoffer in der Hand verläßt, um schnellen Schrittes zum nächsten Mee- 
ting zu eilen, in dem ein wichtiger Geschäftsabschluß mit Partnern anderer Kontinente 
ausgehandelt werden muß. Aber auch jenseits des Geschäftslebens spielt die Verbildli- 
chung der Vorstellung eine gewisse Rolle, daß die Größe des Aktionsradius von Perso- 
nen (bzw. die Verbreitung von Produkten) Größe im wertbezogenen Sinne bedeutet.?!? 
Dementsprechend läßt die Werbung ihre Protagonisten früh auf einem internationalen 
Parkett erscheinen: Eine Anzeige von 1920 zeigt eine feine Kosmopolitin im Zugabteil 
vor dem Hintergrund einer Weltstadtkulisse und stellt dazu fest: »Die Schattenseite des 
Reisens wird mit Licht überstrahlt, wenn das belebende, köstlich-erfrischende »Köl- 
nisch Wasser Lavendel-Orangen« in letzter Vollkommenheit, zum Begleiter erwählt ist.« 
(Jünger&Gebhardt, BIZ 1920, 49; vgl. Abb. 75) Wenig später findet man regelmäßig 
Inszenierungen einer High-Society, deren Mitglieder eine weltumspannende exklusive 
Gemeinschaft ausbilden. Am Ende der 1950er Jahre zeichnet sich in der Werbung zu- 
dem ein Jet-Set-Milieu ab, so z.B. in einer Anzeige, die Frau »Steffi Stroux« (»Immer 
gut gelaunt«) im Flugzeug »Senator« der Lufthansa in 5000 Metern Höhe mit dem Hin- 
weis zeigt, daß ihr dort der »Martini on the rocks besonders gut schmeckt« (Martini, ST 
1959, 40; vgl. Abb. 82). Die beworbenen Konsumgüter werden als integrale Elemente 
des kosmopolitischen Lebensstils vorgestellt und z.T. als dessen Erkennungszeichen 
stilisiert. Zu einer Darstellung feiner Leute in der internationalen Anzug- und Kostüm- 


(und nicht z.B. Dienstpersonal) den stellvertretenden Konsum praktizieren, bekannt- 
lich überhaupt als eine Praxis der Mittelschicht der modernen Industriegesellschaften: 
Die Möglichkeit zu permanentem Müßiggang und Konsum als Privileg einer exklusi- 
ven (adeligen) Oberschicht erscheint demnach in der neu entstehenden Mittelschicht 
als eine reduzierte Modulation, bei der lediglich einer der (Ehe-)Partner von der Arbeit 
freigestellt werden kann, um Überfluß bzw. die Möglichkeit der Verschwendung dar- 
zustellen. 

212 In Bezug auf Produkte wird zunächst lediglich die weite Verbreitung des Produkts als 
impliziter Beweis von guter Qualität ins Spiel gebracht (»Dr. Werner Janssens Tee wird 
in 12 Ländern getrunken.«, Dr. Werner Janssens Tee, BIZ 1936, 14). Später werden sol- 
che Hinweise Teil bildlich präzisierter Images, z.B. wenn es heißt: »Das macht Player’s 
Cigaretten so weltberühmt: ihr internationales Geschmacksniveau; die erlesensten Ta- 
bake aus aller Welt.« (Player 5, ST 1960, 45) 


206 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


mode heißt es: »Sie tanzten nach der Musik von Cole Porter. Der Herr aus Los Angeles, 
die Dame aus Rom. Beide liebten diesen swingenden Rhythmus. Und noch eines hatten 
sie gemeinsam: An der Ваг tranken sie ihren »Bisquit«. [...] Denn unter Kennern heißt 
Cognac Bisquit.« (Bisquit, ST 1964, 107°"? 

Nicht zuletzt sind die verschiedenen Oberschichtmilieus durch eine Kultiviertheit 
gekennzeichnet, die die Akteure und Gruppen und damit das spezifische Image neben 
und mit dem Reichtum distinguiert. Zunächst wird Kultiviertheit nur auf der sprach- 
lichen Ebene als Wert postuliert. So spricht eine Reklame der 1920er Jahre davon, 
daß der Gebrauch eines Lavendel-Wassers bedeute, »voll Kultur zu sein« (Lohse, BIZ 
1929, 36). Analoge Qualifizierungen bringen Wortschöpfungen wie z.B. »kultivierte 
Seife«, »kultivierte Gepflegtheit« oder »verfeinerte Rauchkultur« ins Spiel. Schon 
bald entfaltet die Werbung diese Eigenschaft dann über bekannte hochkulturelle Zei- 
chen- und Symbolarrangements. Neben den Formen vergangener (Kunst-)Epochen 
(beliebt ist die griechische Antike und die italienische Renaissance) wird im Lauf 
der Zeit zunehmend die klassische Moderne (z.B. des Bauhauses) beliebt. In jedem 
Fall bedient sich die Werbung kultureller Bestände, die historische Selektionsprozes- 
se durchlaufen haben und in der Kultur selbst als gesicherte Hochkultur beschrieben 
werden. Als solche verweisen sie nicht nur auf (guten) Geschmack, sondern zugleich 
auf Bildung.?!* Den Distinktionswert der Kulturinszenierungen verdeutlicht eine 
zwölfteilige Kampagne für »Bemberg-Seide«, die das Thema Kleidung bereits 1928 
kulturhistorisch und mit künstlerischem Anspruch aufarbeitet, indem sie Photos von 
Kleidern verschiedener Epochen gegenüberstellt: »Unsere jetzt erscheinende Insera- 
tenserie »Vom Linnen zur Bembergseide<« hat in Nummer 29 dieser Zeitung begonnen 
und endet in Nummer 40. Gegen Einsendung dieser 12 Anzeigenausschnitte versen- 
den wir eine künstlerisch ausgeführte Mappe, welche diese Anzeigen in vierfarbigem 
Kunstdruck enthält.« (Bemberg, BIZ 1928, 32) Hier wie in anderen Fällen operiert die 
(Hoch-)Kultur der Werbung mit dem »Prinzip der Verschwendung« (Veblen 1997) 
— denn Ästhetik ist etwas, was man sich leisten können muß, und zwar um so mehr, 
desto weniger sich die Objekte zugleich für andere Zwecke nutzen lassen. Die In- 
vestition des Werbenden in Ȋsthetische< Werbung entspricht insofern funktional der 
Investition von Konsumenten in »gutes< Design, denn auch dieses ist als Mehrwert 
oftmals mit erheblichen Mehrkosten verbunden, so daß mit dem Konsum dieser Ob- 


213 Ein vergleichbares Image entwirft eine Zigarettenreklame, die das Photo einer feinen 
Dame und eines feinen Herrn folgendermaßen kommentiert: »Teheran — Tübingen... 
einig im guten Geschmack. Überall in der Welt gibt es Leute mit gutem Geschmack. 
Sie können unterscheiden.« (Winston, ST 1964, 10) 

214 Allerdings kann man feststellen, daß Bildung über feines Benehmen und feinen Kultur- 
sinn hinaus in der Werbung kaum als Bildung im engeren Sinne von (voraussetzungs- 
vollerem) Wissen dramatisiert wird. Dementsprechend kommen (Berufs-)Titel, die auf 
Bildung verweisen, fast nur dann zum Einsatz, wenn Expertentum als Ausdrucksmedi- 
um von Seriosität und Glaubwürdigkeit eine Rolle spielt. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 207 


jekte ein hohes Zahlungsvermögen sichtbar gemacht werden kann bzw. soll. Zugleich 
wird mit kultivierten Produkten gerade nicht ihr Geldwert (und die Fähigkeit, Geld zu 
ver(sch)wenden), sondern ein Wissen um kulturelle Bedeutungen und eine kulturbe- 
zogene Kompetenz?! in Sachen Geschmack demonstriert. Dem Vorführen von Kunst 
kommt dabei eine besondere Rolle zu: Sie steht in einmaliger Weise für den Eigen- 
Sinn der Ästhetik und das dazugehörige kulturelle (Experten-)Wissen. Kunst erhält 
im Rahmen der Werbung also den Status einer spezifischen Image-Ressource und 
wird als solche Teil des jeweiligen Images. Über die konsumierende Partizipation an 
dem Sinnuniversum der (Hoch-)Kultur soll der Rezipient dabei Eigenschaften seines 
Selbst zur Schau stellen können. 

Zu dem Image-Komplex (Hoch-)Kultur gehört weiterhin eine Feinheit der Bildäs- 
thetik, die die habituelle Feinheit der Akteure, d.h. Tiefenaspekte der Persönlichkeit, an 
der Oberfläche zur Erscheinung bringt (vgl. Abb. 78-81). Ausdrucksebenen wie Gestik, 
Mimik, Intonation, Haltung und Kleidung sind ebenso spezifiziert wie das Verhalten der 
Protagonisten in Passung zu sozialen Anlässen und Situationen, die als solche ebenso sou- 
verän beherrscht werden wie ihr Wechsel beherrscht wird.?! Dezenz ist hier ein zentrales 
Charakteristikum der Bildgestaltung. Im Verzicht auf Modisches, d.h. im Kontinuieren 
traditioneller, klassischer Formen, in der Reduktion von Farbigkeit und Verzierung usw., 
soll die wahre Größe des Charakters bzw. eine Orientierung am Wesentlichen sichtbar 
gemacht werden. Das Prinzip der »schönen Form« vernichtet also auch hier nicht Infor- 
mation, wie Luhmann vermutet (1996, 87), sondern generiert eine spezifische Mitteilung, 
nämlich die der besonderen Wertigkeit und Exklusivität des Vorgeführten. Der Formen- 
kanon feiner Dezenz, der sich im Umfeld der bunten, modischen Bildwelt anderer Images 
immer deutlicher abhebt, bleibt im Zeitverlauf sehr stabil (vgl. Abb. 13, 71, 78-81). 

Weiterhin arbeiten Dramatisierungen von Bescheidenheit an diesem Image-Kom- 
plex.?17 Die Demonstration von Bescheidenheit fungiert als eine besonders elitäre 


215 Im Rahmen der entsprechenden Images sieht man die Protagonisten gelegentlich auch 
selbst Hochkultur (re-)produzieren: z.B. durch das Spielen klassischer Musikinstru- 
mente (wie Klavier, Querflöte, Violine) oder durch das Herstellen von Kunstwerken 
(vor allem Gemälden). 

216 Ein Moment und Medium des Vornehmen ist auch die Sprache, deren Konstruktion — mit 
einem gewünschten Auffälligkeitseffekt — der Primitivsprache anderer Images gegen- 
übersteht (»super!«, »geil!« usw.). Im Gegensatz zu dieser zeichnet sich der vornehme 
Werbediskurs durch eine relativ geschmeidige, wohlgesetzte und komplexe Artikulation 
aus, die Form und Inhalt gleichermaßen umfaßt. Eine besondere Rolle spielen in diesem 
Zusammenhang Fremdsprachen. Vor allem die französische Sprache gilt (bis in die Ge- 
genwart) als Ausdruck von besonderer Bildung und besonders gutem Geschmack. 

217 Veblen registriert schon Ende des 19. Jahrhunderts, daß das Bürgertum, das sich an 
Reichtum in Permanenz gewöhnt, dem Natürlichen, Einfachen und Schlichten huldigt. 
Dies interpretiert er jedoch nicht als neues Schema der Distinktion, sondern als eine 
Rückbesinnung des Menschen auf seinen »Werksinn«, der mit einem garantierten Maß 
an Luxus reaktiviert werde (vgl. Veblen 1997, 137). 


208 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Rahmung des demonstrativen Konsumierens, wenn sehr teure und (daher) exklusive 
Objekte beworben werden. Gezeigt wird ein Verständnis wahrer Vornehmheit, die von 
jedem Statusdenken frei ist. Beliebt ist das Muster der Bescheidenheitsparadoxie, das 
Girtler wie folgt beschreibt: »Es gewinnt der an Ansehen, der sich in Bescheidenheit 
übt und anderen, »gewöhnlichen« Individuen demütig begegnet. Seine Vornehmheit 
erhält dadurch eine Steigerung« (Girtler 1994, 13). In diesem Rahmen, der vor allem 
in der neueren Werbung der Wohlstandsgesellschaft z.T. als Selbstdarstellungsstrate- 
gie empfohlen wird, heißt es z.B.: »Man trägt keine Piaget, um sie zu zeigen« (Piaget, 
ST 1988, 35), »Wer es sich leisten kann, kauft sich kein Status-Symbol« (Saab, ST 
1990, 4), oder: »Wie man seinen Erfolg unauffällig genießt. Zurückhaltung ist eine 
Qualität, die besonders herausragenden Persönlichkeiten zugesprochen wird. Dies gilt 
auch für das Automobil. Der neue BMW М 5 beweist es. [...] Für Persönlichkeiten, 
die ihre Individualität bewußt mit der feinen Art des Understatements verbinden. [...] 
Denn vordergründige Leistungsdemonstration ist ihm völlig fremd« (BMW, ST 1989, 
17). Hier wie in vergleichbaren Anzeigen wird ein Image der noblen Bescheidenheit 
und Zurückhaltung als Ausdruck von substantieller Überlegenheit vorgeführt und als 
sichtbarer Stil kultiviert, in dem der hohe Status gleichsam durchscheint. Im Untersu- 
chungszeitraum läßt sich tendenziell eine zunehmende Sublimierung des demonstra- 
tiven Konsums konstatieren. Werbungsanzeigen wie diejenige, die einen Mann zeigt, 
der mit seinem Schirm auf ein Auto zeigt um (s)einer Frau mit der Mitteilung »Das ist 
meiner« zu imponieren (BMW, ST 1959, 40), sind heute kaum noch vorstellbar, es sei 
denn im Rahmen auf Humor setzender Images. Ähnliches gilt für eine Reklame der 
1950er Jahre, die eine Uhr als »ein deutlich sichtbares Zeichen Ihres Geschmacks und 
Ihres Wohlstands« anpreist (Dugena, ST 1959, 40). 

Die Analyse zeigt also, daß die Programmressource hoher (Schicht-)Status von 
einer bivalenten Struktur geprägt ist: Auf der einen Seite verweisen die Sichtbarkei- 
ten, mit denen die verschiedenen Oberschichtmilieus identifiziert werden, immer auf 
Reichtum, d.h. auf ein materielles Haben, das sich an den präsentierten Oberflächen 
ablesen läßt. Auf der anderen Seite weisen die Zeichen und Symbole immer auch, ja 
in vielen Fällen in erster Linie, auf eine besondere Güte, Qualität und Distinguiertheit 
in der Tiefe der jeweiligen Objekte und Akteure, d.h. auf ein exklusives Sein hinter 
dem Haben, hin. Mit der Berufselite, den Prominenten und dem alten Adel werden 
Begründungsfaktoren von hohem Status ins Spiel gebracht, die in der Persönlichkeit 
der Akteure liegen.?!8 Es geht in allen Oberschichtmilieus um die Vermittlung und 


218 Von eigener Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Eindruck habitueller Wohl- 
anständigkeit. Er wird in dem Modernisierungsprozeß — den schon Veblen z.B. als 
Anonymisierung des öffentlichen Lebens im Auge hat — generell wichtiger, und zwar 
mit Implikationen für die dramaturgische Selbstausstattung und Selbstkontrolle. Die 
Statusdimensionen sind dabei spezifisch imagerelevant, und zwar im Sinne der Glei- 
chung: Die feineren Leute sind auch die besseren Leute, d.h. diejenigen, von denen am 
wenigsten Gefahr im Sinne von Unzivilisiertheit droht. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |209 


Instrumentierung von kulturellem Kapital als einem Image-Faktor, also um den syste- 
matischen Einsatz derjenigen Kapitalsorte, die Bourdieu zufolge die Vorrangstellung 
begüterter Klassen herstellen soll.?!? Dieses Kapital ist der Werbung vermutlich be- 
sonders dienlich, weil die Verwendung und Spezifikation des Schemas Oberfläche/ 
Tiefe zwangsläufig auf eine (Über-JBetonung von Oberflächen als Identitätsgenera- 
toren hinausläuft bzw. auf eine Oberflächenästhetik, die als oberflächlich rezipiert 
und kritisiert werden kann. Mit den beschriebenen Inszenierungstypen beziehen sich 
die Statusprogrammierungen also — wenn auch in ganz anderer Weise als andere 
Image-Ressourcen — auf das Problem des Tiefenverlusts, wobei die Kompensation 
wiederum nur über Zeichen und Symbole, d.h. über sichtbare Oberflächen, erfolgt. 
Zugleich kann man annehmen, daß die Werbung mit diesen Images den heute bereits 
klassischen Wertewandel bedient. Denn ihre gute Gesellschaft entfaltet ein Werte- 
set, das »postmaterialistischen Werten« (Inglehart 1977) durchaus nicht unähnlich 
ist. Auch wenn mit feinen Milieus nicht die Selbstverwirklichung von Individuen im 
Rahmen individualisierter Lebensstile inszeniert wird, spielen hier doch Individua- 
lität, Authentizität und Autonomie als Positivwerte eine wesentliche Rolle, während 
Gelddistanziertheit bei gleichzeitiger Betonung eines Sinns für feine Unterschiede 
in Sachen Kultur ein identifizierendes Charakteristikum ist. Da die (hoch-)kulturel- 
len Verfeinerungen dieser Images keine Hinwendung zu den postmaterialistischen 
Werten vollzogen, sondern lediglich eine an diese Werte anschließbare Semantik 
entwickelt haben, können sie gleichzeitig dem jüngsten »Wandel des Wertewandels« 
(Hradil 2002) entsprechen. Denn die seit den 1990er Jahren wieder (jedoch in neuer 
Weise)??? an Bedeutung gewinnenden Werte der Gemeinschaft (Orientierung an kon- 
stanten Freundschafts-, Familien- und Paar-Beziehungen), des Berufs, des materiel- 
len Status sowie (mit diesen Werten zusammenhängend) der Sicherheit sind ohnehin 
in die feine Werbegesellschaft integriert. Mit den höchst generalisierten Klischees 
von der guten Gesellschaft kann sozial distinktive Knappheit (hoher Status) zudem 
sozial inklusiver und kommunikationstechnisch effizienter (schneller, einfacher, ein- 
deutiger) zum Ausdruck gebracht werden als mit Inszenierungen der flüchtigeren und 


219 Zu diesem Sachverhalt paßt, daß voraussetzungsloser Reichtum, z.B. durch Lottoge- 
winne, auch in der Gesellschaft der Werbung nicht als Generator von hohem Status 
fungieren kann. Die in der Lottowerbung gezeigten Gewinner bleiben einfache, wenn 
auch sorgenfreie Menschen (vgl. Willems/Kautt 2003, 528). Schon eine Werbung von 
1941 spricht die Problematik der Voraussetzungslosigkeit des Lotto-Reichtums an, in- 
dem sie potentielle Gewinner als durchaus arbeits- und leistungswillige Gesellschafts- 
mitglieder anspricht: »Der Sinn des Ganzen ist: Sich bei aller eigenen Leistung die 
Möglichkeit des großen Glücksfalles offenzuhalten.« (Deutsche Reichslotterie, BIZ 
1941, 36) 

220 Hradil (vgl. 2002, 44 f.) interpretiert den »Wandel des Wertewandels« vor dem Hin- 
tergrund empirischer Studien nicht als eine Orientierung an der Tradition, sondern als 
eine spezifische Amalgamierung traditioneller Gemeinschafts- und Sicherheitswerte 
mit den Selbstentfaltungswerten des Wertewandels. 


210 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


insgesamt diversifizierteren »Lifestyles«.??! Insbesondere die obere Oberschicht (Be- 
rufselite und feine Leute bzw. Adel) dient der Werbung als ein Formulierungsmuster 
und schnell lesbares Modell, das auch dann zum Einsatz kommt, wenn die Werbung 
gar nicht die Oberschicht als solche konkret idealisieren will, sondern soziales Besser- 
Sein überhaupt allegorisch zu kommunizieren trachtet. Auf der Basis des kollektiven 
Oberschicht-Klischeewissens kann sich die Werbung effektiv verständlich machen 
und zugleich eine der stärksten Motivgruppen des Publikums mobilisieren: das Stre- 
ben nach sozialer Geltung und Überlegenheit. 


(оГ 
GESUNDHEIT 


Schaffensfreude und Wohlbefin- 
den durch das ti igliche Bad, das a 


den Prospekt über G as- 
He »iBwasser- Zu kostenlos. 


LA 
EE 7 OH. VAILLANT -REMSCHEID 


( % 2 > Mberflüssige } Kätchen, 
| A gnäd ige Frau, 


m AAPUNGS 
CREME MER 


DULMIN “ 


58: Vaillant; BIZ 1929, 36 
59: Cinque; Max 1998, 4 

60: Dulmin; BIZ 1928, 32 
61: Versace; Max 2001, 21 


221 Diesen Begriff verwendet Hölscher, um die werbungsspezifische Transformation von 
Lebensstilen zu markieren. Zu der Unterscheidung zwischen Lebensstil und Lifestyle 
vgl. Hölscher 1998, 171-174. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |211 


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>” тигин LEE G.m.b.H, Rheinau- Mannheim. 


Vive 
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difference! 
Vive 


Cognac 
Martelli 


62: Lux; BIZ 1914, 23 

63: Kölnisch Wasser; BIZ 1926, 23 
64: Martell; ST 1970, 38 

65: Wüstenrot; ST 1987, 24 


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©». 
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wüstenrot 


212 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


„RS 


Günstiger können Sie keine Geschäfte 
machen: jetzt tagsüber für 49 Pf/Min* 
mobil telefonieren. 


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КОРЕЕ к=н е 


Was haben Fonds mit Ihrer 
Lebenspl 


MICHEL 


_ HERBELIN 


"Аз — 


66: Telecom; ST 1998, 16 
67: Activest; ST 2000, 36 
68: Herbelin; ST 1999, 42 
69: Porsche; ST 2001, 14 


Porsche 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |213 


JACOUES BRITTE 


Æ] UM DEN UNWIDERSTEHLICHEN "A1 mn 


7 FINER SCHÖNEN HAUT ZU BEWAHREN 


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\ k ep) 
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Ё * UREANMS 
ie u! „зс. 


70: Champagne Strub; BIZ 1909, 18 
71: Jacques Britt; Max 2001, 22 

72: Goldina; BIZ 1929, 36 

73: Pond’s; BIZ 1930, 40 


214 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


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Kölnisches RASSE 


Lavendel Or angen 


ADLER KOFFER 


x um 
кые нар е агу a VIS 


оо eis 


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Die Schattenseite der Reise 
wird mit Licht überstrahlt, 


„т=з 2 


Kiem: 


MORITZ УУЛБУ Segen E 

155 У › d 

PERERUFS) Arie BERIN W HAMBURG Lentz KÖL кдм мз Kötnisches Wewe [avendel-Orangen 
GK раче verstraße G 


in letzter Vollkommenheit hergestellt, 
zum Begleiter erwählt ist, 


D Ke E. | 

N ‚Jünger Gebhardt | 

d EE 
Lavendel Orangen Belle =: som ertischensen Osh von 


„Kölnisches Wasser Lavendel-Orangen“ 


VERSTECKTE EFFEKTE. 


ROLF 
BENZ 


74: Mädler; BIZ 1920, 49 
75: Gebhardt; BIZ 1926, 23 
76: Trevira; ST 1965, 15 
77: Rolf Benz; ST 1999, 19 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |215 


BIS ZUMABSCHIED 


KUPFERBERG GOLD 


DIEGUTELAUNE SELBST/ 


D ж. = + - 
KUPFERBERG 
GOLD \ vw’ m 


Е < /, т л, 
See} ChrAdı.Kupferberg a (9 degt 1851 


A HL o 
lonio maar want up EN Ihm Haar mehr Geet mehr Reiz, mehr Leben 


78: Kupferberg Gold; BIZ 1928, 32 
79: Kupferberg Gold; ST 1949, 49 
80: Schwarzkopf, ST 1954, 1 

81: Marlboro; ST 1966, 18 


216 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


MARTIN | ЕШ 


EDLE LINIE 


DIE KLARE LINIENFÜHRUNG 


bewundern jeder an den Werken klassischer Kunse, aber nich 
don allein. »DIE ZEIT, v 


ARABELLA 


Ein neuer Wagen der Borgward-Gruppe - aus de 


m Hause LLOYD 


82: Martini; ST 1959, 40 
83: Gilles; ST 2001, 21 
84: Lloyd; ST 1959, 40 
85: Die Zeit; ST 1950, 1 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |217 


Der Chrysier 300M. Design, das bewegt. 


CHRYSLER 
—|— 


86: Chrysler; ST 1999, 41 


3.4.2 Weiblichkeit und Männlichkeit 


Das Geschlecht ist eine Kategorie der sozialen Grundordnung, die die verschiedensten 
Erfahrungswirklichkeiten und Handlungsfelder des Menschen transzendiert. Durch ent- 
sprechende Sozialisationsprozesse »lagert sich eine geschlechtsklassenspezifische Wei- 
se der äußeren Erscheinung, des Handelns und Fühlens subjektiv über das biologische 
Muster [...]. Jede Gesellschaft bildet auf diese Weise Geschlechtsklassen aus, wenn auch 
jede auf ihre eigene Weise« (Goffman 1994, 109; vgl. auch 1981, 19). Das materielle 
Geschlecht bildet dabei die »Grundlage eines zentralen Codes, demgemäß soziale In- 
teraktionen und soziale Strukturen aufgebaut sind; ein Code, der auch die Vorstellungen 
der Einzelnen von ihrer grundlegenden menschlichen Natur entscheidend prägt« (ders. 
1994, 104). Demzufolge ist das soziale Geschlecht zentrales Moment des im Alltagsle- 
ben wirksam werdenden Habitusrepertoires, das jedermann und jedefrau nicht nur dazu 
befähigt, sondern auch und vor allem dazu zwingt, ein symbolisches Spiel zu spielen. 
Es liegt daher auf der Hand, daß sich die Werbung auf die Realitäten der lebens- 
wirklichen Geschlechterordnung bezieht. Dies gilt um so mehr, als sie sich im Zuge 
der Entwicklung von Image-Kommunikation zunehmend der Darstellung menschli- 
cher Körper bedient. In seiner bis heute wirkungsmächtigen Studie »Geschlecht und 
Werbung« beschreibt Goffman (1981) verschiedene Ritualinszenierungen, deren Auf- 
führungspraxis er durch ein Prinzip der Übersteigerung der hierarchischen Ordnung 


218 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


der Geschlechter charakterisiert sieht.??? Man kann nun feststellen, daß die von Goff- 
man am Ende der 1970er Jahre beschriebenen »Hyperritualisierungen« sowie ein seit- 
dem erheblich differenziertes Repertoire von (Hyper-)Stilisierungen der Geschlechter 
in den verschiedensten Programmressourcen eine Rolle spielen.”?? Von Weiblichkeit 
bzw. Männlichkeit als einer Image-Ressource zu sprechen meint jedoch Spezifische- 
res als den breiten Zusammenhang von »Geschlecht und Werbung«. Als Image fun- 
gieren die Geschlechter nämlich nur dann, wenn deren Eigenschaften als die zentralen 
Positivwerte der jeweils beworbenen Objekte markiert werden, d.h. die Identität des 
Images definieren. 

Bemerkenswert ist zunächst eine weitgehende Orientierung an traditionellen Vor- 
stellungen.?”* Bis in die Gegenwart sind wesentliche Attribute des Werbeweiblichen: 
Zartheit, Weichheit, Einfühlsamkeit, Reinheit, Emotionalität, Expressivität, Selbst- 
losigkeit/Hingabe/Passivität, Spontaneität, körperliche Attraktivität, Schönheit. Das 
Bild der Kleinkinder liebkosenden Mutter ist neben der sich selbst zärtlich berüh- 
renden Frau ein frühes Motiv, das einige der genannten Eigenschaften in sich verei- 
nigt (vgl. Abb. 48, 106-108). Nicht zu übersehen ist auch, daß Weiblichkeit früh an 
die Thematisierung weiblicher Körperschönheit gekoppelt ist. Schon in den 1920er 
Jahren sieht man Mädchen, die wie ihre erwachsenen Geschlechtsgenossinnen mit 
ihrer äußeren Erscheinung beschäftigt sind (»Матті und ich verdanken unser volles 
Haar nur Teer-Seife« (Schering, BIZ 1926, 23). Weiblichkeit wird dabei interpretiert 
als ein Verfügen über sichtbare Körperwerte sowie das performative Vermögen, die- 
se als Reize erscheinen zu Іаѕѕеп.225 Männlichkeit hingegen stellen die Bildoberflä- 
chen als Schnelligkeit, Intellektualität, Rationalität, Durchsetzungsvermögen, Härte, 
Entschlossenheit, Autonomie, Erfolgsorientiertheit vor. Entlang dieser Alltagsanthro- 
pologie (re-)produziert die Werbung ihre Weiblichkeits- bzw. Männlichkeitsimages, 
wie man sehr deutlich an den unterschiedlichen Images für solche Produkte erkennen 


222 Die symbolische Hierarchie konstituiert sich Goffman zufolge jenseits und diesseits 
der Werbung in Anlehnung an den »Eltern-Kind-Komplex«. Gemeint ist damit eine 
Orientierung des Geschlechterverhaltens an stereotypisierten Vorstellungen von Eigen- 
schaften und Verhaltensweisen von Eltern und Kindern, bei der tendenziell Männer die 
Eltern- und Frauen die Kindrolle übernehmen. 

223 Zu einer Aktualisierung und Ergänzung der Goffman’schen Typologie im Blick auf die 
jüngere Werbung vgl. Willems/Kautt 2003, 330-342. 

224 Eine Konservierung traditioneller Geschlechterstereotypen läßt sich auch für die große 
US-amerikanischen Zeitschriften »Look« und »Life« konstatieren (vgl. Stein 2003, 
168). Da gerade in der jüngeren Vergangenheit progressivere Image-Definitionen des 
Männlichen und Weiblichen Einzug in die Werbung halten, werden einige dieser Kon- 
struktionen abschließend behandelt. 

225 Ein Blick in die Anzeigen der bis heute auflagenstarken Frauenzeitschrift »Brigitte« 
bestätigt schnell diesen Befund: Das Weibliche erscheint hier fast ausnahmslos als eine 
Orientierung am Körperschönen und das Verfügen über letzteres wird als Substanz von 
Weiblichkeit stilisiert. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 219 


kann, deren Objekteigenschaften unter funktionalen Gesichtspunkten für beide Ge- 
schlechter identisch sind. Ein traditionsreiches Beispiel ist die Reklame für Uhren. 
Während Männeruhren als Instrumente zur Bewältigung eines anforderungsreichen 
Berufsalltags dramatisiert werden, die sich über Attribute wie Robustheit, Präzision 
oder Zuverlässigkeit herausragenden Könnern empfehlen und deren Kompetenzen 
wie ›Тітіпе‹, Übersicht, Entschlossenheit usw. zuarbeiten (»bewährt im Staub afri- 
kanischer Wüstenpisten und im Eis am Nanga Parbat«, Dugena ST 1965, 15), wer- 
den Damenuhren typischerweise als schmückende Steigerungen weiblicher Schönheit 
vorgestellt (vgl. Abb. 87-90). 

Wie im Falle anderer Images kommt es hier im Laufe der Entwicklung zu einer 
bildlichen Spezifizierung von Qualitäten, mit der die Konstruktion latent gehaltener 
Negativwerte einhergeht. Dies geschieht z.B. in der Anzeige für eine »kräftige« Zahn- 
pasta, die mit dem Photo eines Mannsbilds auf Männlichkeit setzt: »Mit den süßlichen 
Zahnpasten, die nicht mehr sein wollen als ein Kosmetikum, kann uns nicht gedient 
sein. Wir brauchen die stark aromatische und anregende Zahnpasta Pecebo, herb kräf- 
tig schmeckend.« (Pecebo, BIZ 1928, 32) Hier wie generell spielt die photographische 
Oberflächenoptimierung (Schärfe, Farbigkeit, Auflösung) eine bedeutende Rolle. So 
erscheint Reinheit in zunehmend dramatischer Weise als substantielle Eigenschaft des 
Weiblichen, je mehr die photographische Darstellungstechnik Oberflächen, z.B. im 
Rahmen von partialisierenden Nahaufnahmen des Körpers, präzise fixiert. Die Rede 
von »porentiefer Reinheit« bringt diesen Wandel formelhaft auf den Punkt. Mit der 
Perfektion der Bildoberflächen geht gewissermaßen eine Verschärfung des (vor al- 
lem auf Frauen bezogenen) Problemzusammenhangs von »Reinheit und Gefährdung« 
(Douglas) einher. 

In diachroner Perspektive ist zu erkennen, daß sich diese Image-Ressource vor 
allem in jenen Zusammenhängen entwickelt, in denen eines der Geschlechter adres- 
siert wird. Dazu paßt eine tendenzielle Vermeidung des Kriterienkomplex in Fällen, 
in denen das jeweilige Image Männer wie Frauen gleichermaßen ansprechen soll. Der 
Werbeproduzent Ogilvy hat durchaus Recht, wenn er im Blick auf den Image-Wechsel 
der Zigarettenmarke »Marlboro« in den 1960er Jahren weg von Inszenierungen feiner 
Milieus hin zu Bildern einer von Männlichkeitsattributen bestimmten Lebenswelt der 
Cowboys22® feststellt: 


226 Wichtig sind für die Imagewelt dieser Marke vermutlich aber auch die (Image-)Identi- 
tätswerte Natürlichkeit und Tradition; und eben deshalb, also aufgrund dieser spezifi- 
schen Mischung von Image-Attributen, ist die Marke vermutlich international nicht nur 
bei Männern erfolgreich. Zu einer Interpretation, die den Cowboy in treffender Weise 
als einen »rebellischen Spießer« bezeichnet, dessen Lebenswelt gerade nicht nur von 
Freiheit und Abenteuer (so die gängige Deutung der Marlboro-Bildwelt), sondern von 
der Bewältigung von Freiheit und Abenteuer (Zähmen der Pferde, Lagerfeuerbesinn- 
lichkeit, Einzäunen des Landes usw.) gekennzeichnet ist, vgl. Horx 1995. 


220 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Sie (die Werbemacher) gingen ein Risiko ein, zu dem nur wenige Werbeleute bereit wären. 
Sie scheinen zu dem Schluß gekommen zu sein, daß Marlboro einen rein männlichen Cha- 
rakter bekommen sollte. Was für ein kühner Entschluß. Ich habe den Eindruck, daß viele 
Produzenten nur widerwillig eine solche Einengung des Images und des Charakters des Pro- 
dukts zu akzeptieren bereit sind. Sie wollen alles sein — für alle. Sie wollen, daß ihr Produkt 
Anziehungskraft auf Männer wie auf Frauen ausübt. Auf die Oberschicht und die Plebejer. 
(Ogilvy 1988, 96) 


Naheliegenderweise beginnt die Entwicklung im Kontext der Bewerbung solcher 
Objekte, die den menschlichen Körper unmittelbar tangieren (Körperpflegeprodukte, 
Kleidung, Schmuck, Uhren, Brillen). Obwohl aus sachlich-funktionalen Gründen 
eine »Genderisierung« des biologischen Geschlechts keineswegs erforderlich ist, 
können Image-Differenzierungen hier leicht an lebenswirkliche Konstruktionen von 
Weiblichkeit und Männlichkeit anschließen. Die Nutzung der Sichtbarkeit diverser 
Materialien nach Maßgabe des rituellen Geschlechtercodes gewinnt dabei verschie- 
dene Ausdrucksmöglichkeiten zur Herstellung des Weiblichen oder Männlichen. Die 
Inszenierung von Gegenständen als weiblich oder männlich kann z.B. ebenso eine 
Rolle spielen wie die geschlechtsspezifische Verdinglichung des Akteurs durch die 
jeweilige Darstellung, wobei in nicht wenigen Fällen beide Aspekte vorkommen und 
in Beziehung zueinander stehen. Zu diesen Fällen gehören etwa Werbungen, in de- 
nen bestimmte ästhetische Ähnlichkeiten von Produkt- und Menschkörper inszena- 
torisch konstruiert bzw. hervorgehoben werden. Wenn ein Parfumflakon weibliche 
Linien nachahmt (und umgekehrt) oder wenn zarte Pastelltöne die Zartheit weiblicher 
Eleganz vor Augen führen, handelt es sich um symbolische Analogiebildungen von 
Produkt- und (Frauen-)Körper, die auf beiden Ebenen ansetzen und diese in eine spe- 
zifische (vergleichende) Beziehung bringen (vgl. Abb. 91-93). 

Eine geschlechtsspezifische (Kosmo-)Logik zeigt sich auch bei der Attribuierung 
von Objekten (Produkten) als männlich und weiblich. Wenn z.B. durch entsprechende 
Bildmontagen die Technik eines Autos (des Motors, der Elektronik, der Optik usw.) 
als wesensverwandt mit der Rationalität des Mannes dargestellt wird, während gleich- 
zeitig die schönen Formen des Designs in Analogie zu ihr (ihrem Körper) erscheinen, 
dann werden beide Wertkomplexe in ein Produktimage vereint, ohne daß diese Inte- 
gration von Geschlechtsattributen die soziale Geschlechtsdifferenz nivelliert. Es han- 
delt sich hier vielmehr um die Integration eines Unterschiedenen als Unterschiedenes, 
wobei die Differenz dadurch aufrechterhalten wird, daß die geschlechtsspezifischen 
Stilelemente eine Art Arbeitsteilung praktizieren, die in einem Oberflächen-Tiefen- 
Verhältnis organisiert wird: Das Männliche tritt als funktionale, strukturelle, unsicht- 
bare Tiefe und das Weibliche als weiche, elegante, verspielte und in erster Linie schö- 
ne Oberfläche auf. 

Neben und mit dem Körper fungieren Kleider als wichtige Ausdrucksmedien des 
Männlichen bzw. Weiblichen. Ebenso wie Frisuren, Körperbemalungen und Schmuck 
stellen sie neben und mit den Möglichkeiten des bloßen Körperausdrucks symbo- 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |221 


lische Ressourcen dar, die werbungsdramaturgisch relevant werden. Vor allem die 
Kleidung ist als zentraler Teil der »persönlichen Fassade« und als »Ausdruck, den 
man selber ausstrahlt« (Goffman 1969, 25), mehr als nur ein unterstützendes Medium 
der Selbstdarstellung. Sie ist eine Inszenierungsform, die in verschiedenen Hinsichten 
als eine Art (Selbst-)Beschreibung von personalen und sozialen Systemen (Organi- 
sationen) fungiert.”?’ Die in der Werbung (re-)präsentierten Kleidungsstile steigern 
und verdichten die geschlechtsspezifische Kleiderordnung des Alltagslebens, die eine 
kosmologische Differenz der Identitäten sichtbar macht. Während die vergleichswei- 
se schlichte Mode der Werbemänner auf eine Sach-, Erfolgs- und Zweckorientierung 
hinweist (z.B. Anzug als Berufskleidung, Sport- und Outdoor-Bekleidung in der Frei- 
zeit, vgl. Abb. 100, 101, 113) und somit die Vorstellungen von Männlichkeit im Sinne 
von Autonomie, Kompetenz und Rationalität unterstreicht, bringt die Frauenmode in 
erster Linie Weiblichkeit im Sinne von Verspieltheit, Emotionalität und erotisch-kor- 
poraler Attraktivität zum Ausdruck. Wie der weibliche Körper selbst ist auch seine 
Verpackung in der Werbung vor allem als ästhetisches Zeichen und Inszenierungsin- 
strument kenntlich gemacht, wie man schon an der Modewerbung um 1900 erkennen 
kann. Körperbemalungen wie das Schminken der Lippen oder das Lackieren der Fin- 
gernägel gewinnen im Laufe der Zeit an Bedeutung und entwerfen Weiblichkeit als 
korporale Attraktivität. 

Analoge Eigenschaften erscheinen als Substanz des Weiblichen oder Männlichen, 
wenn die Werbung ihre jeweiligen Protagonisten in professionelle Handlungsfelder 
einbettet. Im Falle der Weiblichkeitsinszenierungen reduziert sich das Berufsbild bis in 
die 1970er Jahre hinein im wesentlichen auf das der Hausfrau oder Sekretärin. Selbst- 
losigkeit, Hilfsbereitschaft, Fürsorglichkeit und Herzlichkeit sind sodann die Attribu- 
te, die ein Image von Weiblichkeit fundieren. Diese Eigenschaften treten hier um so 
mehr hervor, als Visualisierungsstrategien von Schönheit und erotischer Attraktivität 
zurücktreten. Typischerweise stehen Frauen ihren offenkundig berufstätigen Männern 
dienend und verwöhnend zur Seite, wobei die sichtbar gemachte Emotionalität und 
Wärme mit den beworbenen Objekten assoziiert werden soll. Bilder von Frauen, die 
ihrem Mann stolz das frische Hemd präsentieren, das Frühstück servieren (während 
er die Zeitung liest) oder freundlich lächelnd am »Heimbügler« sitzen, gehören zu 
diesem Bereich (vgl. Abb. 94-97). Die Ernsthaftigkeit und Identitätsrelevanz des so 
interpretierten Weiblichen kann dabei durch eine visualisierte Psychologisierung zum 


227 Als Moment einer eher unpersönlichen persönlichen Fassade spielt die Kleidung für 
Organisationen und in Organisationen eine wichtige Rolle. Man denke hier an identi- 
fizierende Berufskleidung wie die von Schaffnern, Verkäufern, Pflegern, Pfarrern usw. 
oder an den Kleidungsstil als Ausdruckselement der Corporate Identity. In diesen Fäl- 
len fungiert Kleidung als Erkennungszeichensystem, das im Sinne der Geschlechterdif- 
ferenz »parallel organisiert« (Goffman) ist. Darüber hinaus differenziert die Kleidung 
natürlich auf zahlreichen sozialen Identitätsebenen. Man erkennt (sich) in puncto Sta- 
tus, Nationalität, Landsmannschaft, Szene usw. 


222 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Ausdruck kommen: Das eigene Spiegelbild (Dor Glasreiniger), die Zwillingsschwe- 
ster (Jacobs Kaffee) oder die Übermutter »Clementine« (Ariel Waschmittel) veran- 
schaulichen den generalisierten Anderen und die dazugehörigen Erwartungen an das 
Weibliche. 

Ganz andere Positivwerte bestimmen Männlichkeit in Berufskontexten. Sach- 
kompetenz und Rationalität sind hier die wesentlichen Attribute. Schon früh tritt er 
z.B. als Chefkoch in Erscheinung oder erläutert nüchtern wie der Persil-Mann die 
Vorzüge eines Produktes. Auch später entstehende Phantasiehelden wie der »Meister 
Propper« oder der »weiße Riese« visualisieren entsprechende Männlichkeitswer- 
te. Dramatisch anschaulich gemacht werden Eigenschaften wie Entschlossenheit, 
Kampfgeist, Ausdauer, Zuverlässigkeit, Wagemut oder Zielstrebigkeit weiterhin 
in bildlichen Vorführungen exotischer Ausnahme-Berufsrollen wie Pilot, Kapitän, 
Künstler, Musiker, Dirigent, Cowboy oder Stuntman. Auch der Manager ist diesen 
Profis in vielen Punkten des Charakters durchaus ähnlich. Im kumulativen Gebrauch 
von Handy, Notebook oder Terminplaner (vgl. Abb. 66, 67, 102, 103) erscheinen 
sie keineswegs als angepaßte Durchschnittsmenschen, sondern vielfach als souve- 
räne, weitsichtige und effektive Strategen, die permanent Entscheidungen treffen 
und etwas zu sagen haben. Als Männer der Tat handeln und delegieren sie, ohne 
viele Worte zu machen oder sie richten ihr Wort, z.B. in der stilisierten Figur einer 
wichtigen Medienpersönlichkeit, an ein breites Publikum (vgl. Abb. 101). Belohnt 
werden diese Helden, die ihre Erfolge ganz offensichtlich ihrem Können und ihrer 
Leistung verdanken, nicht nur mit Geld, Prestige und Statussymbolen, sondern (in 
Konsequenz) auch mit erotischen Chancen, die sich darin zeigen, daß ihnen Frauen 
»nachlaufen und ihnen buchstäblich zu Füßen liegen« (Blumschein 1986, 124). Die 
Imageressourcen Männlichkeit, Erotik und schichtorientierter Status werden in die- 
sen Fällen zu einem Gesamtbild arrangiert. 

Männlichkeit und Weiblichkeit als Image zu präparieren bedeutet zudem das 
Sichtbarmachen innerer Engagements, Gefühle und Gedanken. Insbesondere das 
Gesicht als die wichtigste und differenzierteste »Ausdrucksmaschine« (Goffman) 
des Menschen muß die geschlechtsspezifischen Binnenzustände und damit das We- 
sen des Weiblichen bzw. Männlichen zum Ausdruck bringen. In Bezug auf Frauen- 
darstellungen lernt die Werbung im Laufe der Jahrzehnte, symbolisch bedeutsame 
Impressionen der Affektivität ins Bild zu setzen. Zum Repertoire gehören mit der 
Zeit euphorische, schüchterne, verlegene, träumende oder wütende Frauen, die wie 
die Kinder nicht nur permanent Gefühle haben, sondern diese auch ganz unverhüllt 
zeigen können, seien sie positiver oder negativer Art (vgl. Abb. 107-109). Geleb- 
te Emotionalität wird auch in Bezug auf die Beziehungen von Frauen zueinander 
veranschaulicht. Schon in den 1920er Jahren sieht man Freundinnen, die ihre Stim- 
mungen in einer unter Werbemännern ausgeschlossenen Weise miteinander teilen, 
wobei die Beziehungsnähe in Formen intimer Berührung oder Unterschreitungen 
gewöhnlicher Körperdistanzen zum Ausdruck kommen soll. Das werbliche Männ- 
lichkeitssujet zeichnet sich dagegen tendenziell durch emotionale Gedämpftheit, 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |223 


Zurückhaltung, Selbstkontrolle, Stabilität und gedanklichen Tiefgang aus (vgl. Abb. 
98 u. 99). Insbesondere der Ausdruck von negativen Gefühlen bleibt auf wenige so- 
ziale Ernstkontexte bezogen. Aggression, Wut oder schlechte Laune beziehen sich 
als legitime Emotionen des Mannes z.B. auf sportliche Niederlagen, Unfälle oder 
beruflichen Streß. 

Eine weitere Möglichkeit der bildlichen Charakterisierung von Weiblichkeit und 
Männlichkeit findet die Werbung in Darstellungen der Natur bzw. des Natürlichen. 
Die Bühnen und Kulissen fungieren dann als eine Art Geschlechteranthropologie 
bzw. als allegorischer Hintergrund im Dienste der Beschreibung des unterschied- 
lichen Naturells der Geschlechter. So stehen zerklüftete Canyons, (Eis-)Wüsten, 
Ozeane, reißende Wildbäche, Urwälder und andere riskante oder anforderungsrei- 
che Landschaften natürlich für die Natur des Mannes bzw. für eine Männlichkeit, 
die das Abenteuer sucht, findet und meistert (vgl. Abb. 112 u. 113). Zudem gibt der 
Naturbursche (zuerst zu finden in der Werbung für Alkoholika und Zigaretten) sei- 
nen Körper als Naturprodukt zu erkennen: Zivilisatorische Ressourcen der Selbst- 
darstellung und Selbststilisierung, wie z.B. Frisur und Kleidung, sind diesen herben 
Mannsbildern fremd. Wie die Kleidung erscheint ihr muskulöser Körper als funk- 
tionale Basis des (Über-)Lebens in der Natur und ist ebenso wie die gegerbte Haut 
und das vom Naturleben geprägte Gesicht Zeichen authentisch-autonomer Männ- 
lichkeit. Diese ist nicht nur selbst natürlich, sondern nutzt und unterwirft die Natur 
zugleich. Diesem Image steht die Natur des Weiblichen gegenüber, die nichts ist als 
schöne Oberfläche. Frauen befinden sich meist in sanft und harmlos anmutenden 
Landschaften, die den weiblichen Körper vor keine größeren Herausforderungen 
stellen. Idyllische Szenerien wie Frühlingswiesen, Gärten oder Sandstrände, die als 
Sinnbilder von Zartheit, Weichheit, Schönheit und Genußorientierung zu lesen sind, 
werden vorzugsweise als ihr natürlicher Lebensraum ins Bild gesetzt (vgl. Abb. 
46). Vor allem potenziert die Naturkontextierung ihren Status als Bild, als Anblick. 
Deutlich wird dies insbesondere in den Anzeigen, die Frauenkörper als hyperästhe- 
tische Naturobjekte (z.B. Katzen, Blumen) darstellen und zugleich in der Logik des 
Eltern-Kind-Komplexes entsubjektivieren. Frauen sind dann mit anderen Worten 
Natur im Sinne kindlicher Unzivilisiertheit und ästhetischer Effekte (vgl. Abb. 110 
u. 111), die oftmals auf erotische "Natur: verweisen. Symptomatisch für die Identi- 
fizierung des Weiblichen im Sinne des (Natur-)Schönen sind zudem florale Muster 
und Ornamente, die sich, vorzugsweise im Bereich der Kleidung (Unterwäsche) 
über Jahrzehnte hinweg einer konstanten Beliebtheit erfreuen. 

Auch Darstellungen von Freizeit werden genutzt, um Weiblichkeit und Männlich- 
keit als Image zu profilieren. Exemplarisch genannt seien hier nur die Betätigungsfel- 
der Sport und Geselligkeit. Sportliche Betätigungen identifizieren Werbefrauen über 
Eigenschaften wie Zartheit und Beweglichkeit und betonen zudem körperliche Schön- 
heit und erotische Attraktivität als Substanz des Weiblichen. Nicht selten weisen die 
Visualisierungen sanfter Sportarten wie Schwimmen oder Joggen ebenso wie die Tex- 
te auf eine Zweckorientierung des Sports hin, die eben darin besteht, als Steigerungs- 


224 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


medium des so verstandenen Weiblichen zu fungieren.??® Auf der Zeichenebene wird 
das vor allem deutlich, wenn enge und freizügig ausgeschnittene Sportbekleidung 
den Erotikkörper der Frauen betont und deren Sportlichkeit als erotische Attraktivität 
rahmt. Signifikant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß sich die sporttrei- 
benden Werbefrauen anscheinend weniger körperlich anstrengen und (daher) weniger 
schwitzen als sporttreibende Werbemänner. Männlichkeit drückt sich dagegen typi- 
scherweise in Sportarten aus, die Herausforderung, Kampf und Abenteuer bedeuten 
und die den männlichen »Sportskanonen< demgemäße Fähigkeiten und Einstellungen 
abverlangen: Aggressivität, Härte, Erfolgsstreben, Kampfgeist, Ausdauer, Geschick- 
lichkeit usw. (vgl. Abb. 104 u. 105).229 

Weiterhin dient die Inszenierung von Geselligkeitsanlässen und -formen der Her- 
stellung von Geschlechterattributen. Ein inzwischen als klassisch zu bezeichnender 
Typus ist der Klatsch zweier Freundinnen, ein anderer das sich mit mehreren Teil- 
nehmerinnen konstituierende Kaffeekränzchen. Hier wie dort steht Emotionalität, 
Expressivität, Spontaneität und Beziehungsorientierung stark im Vordergrund weibli- 
chen Seins. In einem positiven Sinne erscheint die Pflege von sozialen Beziehungen 
hingegen nur unter stark eingeschränkten Bedingungen als Zeichen guter Männlich- 
keit: Der Ruhestand, der Feierabend oder das Wochenende sind solche limitierten 
Kontexte, wobei über das Vorführen entsprechender Akteure (Rentner) und Settings 
(die Kneipe, das Stadion) der Eindruck erweckt werden soll, daß sich hier Leistungs- 
träger unter Kollegen in entspannender Atmosphäre nach getaner Arbeit erholen wol- 
len. Männliche Geselligkeit wird als eine Gegenwelt entworfen, in der man(n) zur 
Kompensation seiner öffentlichen und beruflichen Existenz ganz Mensch sein kann. 
Die Stammtischrunde ist — vor allem in Werbungen für Alkohol- und Tabakprodukte 
— ein frühes Sujet dieser Form von Männlichkeit. 


228 In diesem Sinne ist Fitneß als weiblicher Positivwert nicht neu: »Wie besonders die 
Abbildungen von Frauen in der Fahrradreklame seit den 1890er Jahren zeigen, wird 
Sport allmählich für die Frauen akzeptabel und ein immer wichtigerer Bestandteil auch 
des weiblichen modernen Lebensstils. Er erlangte im Hinblick auf die schlanke Linie 
für die Frau schließlich eine ganz besondere Rolle und erreichte seinen Höhepunkt in 
den zwanziger und dreißiger Jahren« (Thoms 1995, 250). Thoms zitiert hierzu einen 
Text aus einer Frauenzeitschrift (»Korpulenz und Formschönheit«, in: »Die Hausfrau« 
1896, Nr. 35, 139 Ё). Dieser nimmt auf eine entsprechende Werbeanzeige Bezug und 
empfiehlt das Jonglieren mit Bällen, das einen so »gesteigerten Verbrauch von Nähr- 
stoffen zur Folge hat, daß deren Verwendung zur Fettbildung vollständig verhindert 
wird. Die Wirkung dieser Übungen macht sich bald bemerkbar; zunächst durch ein 
augenfälliges Schwinden der Fettmassen am Unterleib, dann aber durch eine vollstän- 
dig veränderte Haltung, indem der ganze Körper an Elastizität und Geschmeidigkeit 
gewinnt.« 

229 Daher werden Bilder sporttreibender Männer auch als Allegorien für »Höchstleistun- 
gen« aller Art (z.B. für die von Banken und Versicherungen) eingesetzt (Diba, ST 2001, 
43; vgl. Abb. 156). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |225 


Abschließend sei noch auf einige Images der jüngeren Vergangenheit hingewie- 
sen, die sich dezidiert als Formen emanzipierter Weiblichkeit und Männlichkeit stili- 
sieren. Gerade Werberexte proklamieren seit den 1990er Jahren eine neue Weiblich- 
keit. Frauen werden z.B. aufgefordert, ihren eigenen Weg zu gehen (o Your way«, She 
1994), sich selbst zu fühlen (»Feel you«, Deyk 1995) und sie selbst zu sein (Selbst ist 
die Frau«, Betty Barclay 1995).”?° Frauen vermitteln auf Plakaten und in Printanzei- 
gen »The Power of Now« (West Lights 1997) und leben nach der Devise »Ich bin so 
frei« (Nescafé 1989; »Die Freiheit nehm ich mir«, Visa 1997). Als gleichberechtigte 
Wesen konsumieren Frauen wie Männer (z.B. Zigarren) und fällen Kauf- und Kon- 
sumentscheidungen, die einst den Männern vorbehalten waren. Sie agieren auch auf 
sich selbst gestellt in Bereichen, die traditionell nahezu ausschließlich mit männlichen 
Akteuren verbunden wurden. Man findet nun Managerinnen, die zugleich die (frü- 
her Männern vorbehaltene) Aufgabe der finanziellen Zukunftssicherung der Familie 
übernehmen, ebenso wie die junge und innovationsfreudige Forscherin oder die harte 
Unternehmerin.?3! Konsequenterweise ist es nun auch öfter sie, die aus ernst zu neh- 
menden Gründen zu angeblich leistungssteigernden Präparaten greift oder im Sport 
den Körper zu neuen Limits bewegt. Neben der modernisierten Frau trifft man in der 
neueren Werbung immer häufiger auf neue Männer bzw. Aspekte neuer Männlich- 
keit.232 Schönheit, Gepflegtheit, Wohlgeruch, Mode und Schmuck werden, wenn auch 
(noch) zurückhaltend und mit deutlicher Kumulation in den entsprechenden Produkt- 
bereichen, zunehmend zu männlichen Identitätsthemen. Jetzt kann es auch heißen: 
»Ein idealer Mann ist sanft, einfühlsam und sensibel« (Guhl, ST 1995, 6). Mit dieser 
Feminisierung geht häufig eine Erotisierung einher. Man denke hier z. B. an die, wenn 
auch zögerliche Einführung männlicher Erotikkörper als Eyecatcher. Selbst narzißti- 
sche Posen und Attitüden, die einst ausschließlich auf der Seite der Frauen zu finden 
waren, dringen in die Männerwelt ein. Auch sind in der neueren Werbung auffallend 
viele Männer mit ihren Klein- und Kleinstkindern in der Rolle des fürsorglichen und 
liebevollen Vaters zu sehen, der seine Kinder im Arm hält, füttert und mit ihnen spielt. 
Fast könnte man den Eindruck gewinnen, dieses Motiv sei derzeit sogar populärer als 
das der Mutter im Kreise ihrer Lieben. 

Bemerkenswerterweise stehen die meisten neueren Imagekonstruktionen mit der 
Tradition (der Werbung) jedoch in engerer Verbindung, als es auf den ersten Blick 
scheint. Daß und inwiefern dies der Fall ist, soll im folgenden in Bezug auf drei The- 
menkontexte gezeigt werden. Zu erwähnen sind zunächst die beruflichen Autonomie- 


230 Die Akzeptanz und Attraktivität der selbstbewußten (Werbe-)Frau unterstellend, kann 
die Werbung diesen Typus modulieren, z.B. indem sie feststellt: »Starke Frauen haben 
auch ihre schwachen Seiten.« (Hestia Relax, ST 1996, 13) 

231 Мап kann also längst nicht mehr, wie noch Wartella (1980, 103) vor knapp dreißig 
Jahren, von einer »symbolischen Nichtexistenz« weiblicher Berufstätigkeit in der Wer- 
bung sprechen. 

232 Vgl. Borstnar 2002. 


226 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


gewinne der Werbefrau. Einerseits ist nicht zu übersehen, daß die Hausfrau, die noch 
bis in die 1970er Jahre eine Schlüsselfigur für die Inszenierung des (Berufs-)Weibli- 
chen war, heute eher und zunehmend eine Randfigur darstellt.??3 Andererseits gibt die 
Analyse emanzipierter Images durchaus semantische Ambivalenzen zwischen Mo- 
dernismus und Traditionalismus zu erkennen. Stilbildend sind z.B. Ausblendungen 
solcher Kontexte, die eindeutige Image-Festlegungen auf einen der beiden Pole tra- 
ditionell oder modern ermöglichen. Dies gilt z.B. für Inszenierungen, die Frauen mit 
Haushaltsprodukten in Verbindung bringen, ohne Assoziationen zur Berufsrolle der 
Hausfrau wachzurufen: Wenn Frauenaugen durch ein (sauberes) Weinglas blicken, 
oder wenn Frauenhände Staubsauger umfassen und dabei keinerlei Kontext (wie z. В. 
die Küche), sondern nur ein weißer Hintergrund als (Nicht-)Bühne dient, ist das der 
Fall. Einen ähnlich selektiven Umgang mit Kontexten kann man in Bildern sehen, 
die moderne Karrierefrauen zeigen und dabei — ganz im Unterschied zur Darstellung 
männlicher ›Масһег‹ — auf Vorführungen professioneller Handlungsfelder verzich- 
ten. Das Fehlen eines sich agierend präsentierenden Expertentums pasteurisiert dann 
Professionalität als Identitätsaspekt des Weiblichen. Bemerkenswert ist auch, daß die 
Karrierefrau äußerst selten in Situationen gezeigt wird, in denen sie als statushöhe- 
re Berufsrolleninhaberin neben statusniederen Männern erscheint. Während der hohe 
Status männlicher : Macher: immer wieder und gerade durch statusniedere Mitarbeiter 
und Mitarbeiterinnen unterstrichen wird, vermeidet auch die neuere Werbung eine 
derart konkretisierte Umkehrung ihrer gewöhnlichen rituellen Ordnung. Statt dessen 
zeigt sie Karrierefrauen immer wieder allein oder unter Kolleginnen (vgl. Abb. 188). 
Eine analoge Methode der Verknüpfung von Tradition und Moderne besteht in der 
Integration divergierender Bildsemantiken. Ein solcher Fall ist die Frau, die im Haus- 
halt gerade nicht als Heimchen am Herd, sondern als Managerin dargestellt wird. Die 
Verschränkung der symbolischen Sphären läßt dann die Frage offen, ob es sich um die 
Darstellung einer berufstätigen Frau handelt, die nebenbei den Haushalt тапарї,234 
oder (nur) um eine Aufwertung der mit einem Negativimage besetzten Hausfrauenrol- 
le, also um die Konstruktion eines neuen Images für eine alte Rolle. Auch wenn eine 
Frau als Straßenbauarbeiterin auftritt, die hinter einem Preßlufthammer ihren Mann 
steht, bedeutet dies trotz bestimmter Zeichen (breitbeinige Standhaltung, abschätzi- 
ger Blick, in die Hüfte gestemmte Arme) kaum den Versuch der Konstruktion eines 
neuen Weiblichkeitsimages (West, Max 1998, 4). Vielmehr geht es hier neben und mit 
der Erzeugung von Aufmerksamkeit durch die Irritation habitueller Wahrnehmungs- 
muster um die spezifische Präparation eines durchaus werbegewöhnlichen Weiblich- 


233 Unvorstellbar sind inzwischen nicht nur bildliche Darstellungen dienender Hausfrauen 
(vgl. Abb. 94-97), sondern auch Texte, die Frauen als Hausfrauen ansprechen, wie z.B. 
in einer durchaus gewöhnlichen Anzeige der 1950er Jahre, in der die Frage gestellt 
wird: »Kann die Hausfrau zeitlos kochen?« (Junghans, ST 1953, 9). 

234 Und wäre dies die intendierte Botschaft, bliebe dennoch zu fragen, warum Männer in 
dieser Doppelrolle nicht erscheinen. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 227 


keitsgenerators — nämlich den der erotischen Attraktivität. Ähnlich doppelwertig sind 
Darstellungen von Männern in familialen Kontexten dann, wenn ihre Berufsrolle so 
thematisiert wird, daß unklar bleibt, ob die Rolle des erziehenden Vaters oder die des 
Ernährers gemeint ist. Ein Beispiel hierfür gibt eine Anzeige, die mit der veranschau- 
lichten Vater-Kind-Idylle und der Feststellung »Erfolgreiche Manager gucken jeden 
Tag Sandmännchen« sowohl den erfolgreichen Haushaltsmanager wie den Part-time- 
Papa idealisiert, der nach getaner Erwerbsarbeit den Abend mit dem Sohn vor dem 
Fernseher ausklingen läßt (Pro-Tel-D1, ST 1997, 14). 

In den Zusammenhang einer nur sehr bedingt antitraditionalistischen Konstruktion 
von Weiblichkeit bzw. Männlichkeit kann man weiterhin die von Wilk (2002) für die 
1990er Jahre diagnostizierte »Genderisierung« des Körpers einordnen. Diese läßt sich 
Wilk zufolge vor allem an dem Verhältnis von Mode und Körper erkennen: »Heute ist 
es weder die Kleidung noch die Mode, die den Körper ins mythische Kleid einer tra- 
dierten Geschlechterrolle Һа. »Körper machen Leute«, lautet das modische Paradig- 
ma der 90er Jahre, das der Mode den Code raubt, mit dem sie einst Geschlechtsattribute 
zugeschrieben hat.« (Wilk 2002, 50) Obwohl diese Feststellung insofern unzutreffend 
ist, als Kleidung bzw. Mode in den meisten Werbungen der 1990er Jahre durchaus als 
wichtiger Generator von Weiblichkeit bzw. Männlichkeit fungiert, faßt sie dennoch 
ein Charakteristikum neuerer Images, in denen systematische Ausblendungen sozialer 
Kontexte mit Betonungen des Körpers als dem eigentlichen Bedeutungsträger des Ge- 
schlechts einhergehen. Dabei fällt auf, daß die Attraktivität des Männerkörpers häufig 
nicht nur als ästhetischer Eigenwert, sondern auch als Resultat einer instrumentellen 
Handhabung des Körpers erscheint (z.B. im Sport). Überhaupt signalisiert der häufig 
vorkommende Typ des Modellathleten nicht nur Schönheit, sondern auch Kraft und 
(damit) Autonomie und Überlegenheit (vgl. Abb. 157). Die Nacktheit dieses Man- 
nes ist »in den meisten Fällen (..) das einzige Tabuthema, das gebrochen wird. Denn 
die Art des männlichen Auftretens (Körperhaltung, Gestik und Mimik) und die sze- 
nische Ausleuchtung zeigen das klassische Schema vom bestimmenden Geschlecht 
und bestätigen insofern das traditionelle sexuelle Rollenverhältnis« (Krohne 1995, 
148). Dazu paßt, daß Männer immer wieder so abgebildet werden, daß ihre Körper 
einen skulpturalen Charakter bekommen und damit an kulturgeschichtlich gerahm- 
te Vorbilder erinnern, z.B. an die Helden Adonis oder Herkules.?5 Die klassizisti- 
sche Anmutung rührt dabei nicht nur von (athletischen) Körperformen, sondern auch 
von pathetischen Gesten, entsprechenden Staffagen (Säulen, fallende Stoffe usw.), 
(Produkt-)Namensgebungen und einer systematischen Ausblendung lebensweltlicher 
Bezüge her. Werbung leistet hier in einem spezifischen Sinn Arbeit am Mythos.” 
Im Zitat der Antike findet sie eine Methode, die Nacktheit und nackte Schönheit der 
Geschlechter differentiell zu behandeln. Indem sie den Schleier (kunst-)historischer 


235 Vgl. Borstnar 2002, 700 ff. 
236 Für Borstnar semantisieren derartige Darstellungen »den Mann selbst als göttlich und 
kunstvoll« (2002, 700). 


228 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Motive über den Mannskörper legt, hebt sie dessen bloße Nacktheit auf. Eine analoge 
Rahmung liegt vor, wenn das männliche Bewußtsein eigener Schönheit in die Rolle 
des Narziß gekleidet wird. Vergleichbare Bewußtseinslagen der Frau werden dagegen 
in der Regel als profane Eitelkeiten inszeniert, z.B. in der Form des endlos wieder- 
kehrenden Motivs »Frau mit Spiegek. Die weibliche Nacktheit steht auch meist in 
realistischeren Kontexten, die nicht von dem Nimbus des Zeitentrückten, sondern von 
gegenwärtigem Sexappeal geprägt sind. Neben und mit einer zunehmenden Erotisie- 
rung bzw. Sexualisierung geht es mit den »gendered bodies« also auch auch um den 
Versuch, Weiblichkeit und Männlichkeit als Image-Werte zu erschließen, ohne auf 
die lebensweltlichen Kontexte der sozialen Codierung von Geschlecht referieren zu 
müssen, die in der Gegenwart umstrittener sind denn je. 

Abschließend sei auf neuere Images hingewiesen, die Vorstellungen von Männ- 
lichkeit und Weiblichkeit integrieren und als Affirmation eines postmodernen Um- 
gangs mit dem sozialen Geschlecht anbieten. Bemerkenswert sind vor allem Entwürfe 
für und mit Jugendliche(n), in denen die Geschlechtsidentität der agierenden Dar- 
steller nicht eindeutig erkennbar ist. Dieses Vexierspiel ist besonders eindrücklich, 
wenn erotische oder sexuelle Handlungen die Frage nach der Geschlechtsrollenbeset- 
zung der Szene auf den Plan rufen. Zu einer Hybridisierung der Geschlechter kommt 
es dabei speziell durch den Einsatz bestimmter Formen symbolischer Interaktion 
und Materialität. Ein wichtiges Element ist die Entdifferenzierung der Kleiderord- 
nung: Die Werbung zielt dann, wie das Modedesign selbst, auf die Herstellung von 
Erscheinungsgleichheit im Sinne eines geschlechtsneutralen Partnerlooks. Auch das 
Fehlen geschlechtsspezifischer Ritualisierungen (des Berührens, der Hierarchie, des 
emotionalen Ausdrucks usw.) vermittelt und verstärkt den Eindruck, die dargestell- 
ten Individuen verbinde nicht eine wechselseitig auf den jeweils anderen bezogene 
Unterschiedlichkeit, sondern eine Wesensgleichheit, die die Welten der Geschlechter 
transzendiert. Eine andere Erscheinungsform des Androgynen besteht darin, daß die 
geschlechtsspezifischen (Differenz-)Kennzeichen als solche erkennbar am jeweils an- 
deren Geschlechterkörper festgemacht werden. Die Werbung führt dann feminisierte 
(geschminkte, kostümierte, langhaarige) junge Männer und/oder betont maskulin er- 
scheinende junge Frauen vor, wobei neben einem Umgang mit modischen Zeichen die 
Auswahl der Körper sowie das Ausdrucksverhalten eine Rolle spielen. Vor allem Ab- 
bildungen junger Männer zeigen Übersteigerungen dieser Inversionen mit travestie- 
ähnlichem Charakter: Die Kleidung signalisiert dann, ähnlich wie bei der typischen 
(Hyper-)Kostümierung von Frauen, ??7 einen gewissen Unernst der Identität. Seit den 
1990er Jahren bezieht sich die Stilisierung des Androgynen auf den Markt der soge- 
nannten Uni-Sex-Produkte: »One« heißt ein entsprechendes Produkt, das das Image 
der Geschlechtertranszendenz bereits im Namen führt (Calvin Klein) und die Einheit 
des Verschiedenen (der Geschlechter) über Bilder des fragilen Menschseins entfaltet. 


237 Vgl. Goffman 1981, 200. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |229 


Draufgänger: 
Mil ins Wasser... mit zum Sport... mit zur Arbeit. 
Eine Wanderuhr? Nein. Eine von Millionen Timex 


Ten — die Uhr din niemals мум 
тен! em mm өл шїн Da өт pi en 
Fan a Kenn өтет Terme ле a Ter 


DI 


ОС ОАРВАМА 


Tu 


MADONNA UND IHRE BELUGA 


87: Timex; ST 1966, 18 

88: Breitling; Max 2001, 19 
89: D&G; Max 2007, 5 

90: Ebel; BG 1996, 7 


230 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


/ 


GIVENCÄHY 
и | 


GUCH WEIBLICH" 


` Edizione Esclusiva A 


91: Moschino; Max 1996, 12 
92: Givenchy; BG 1997, 25 
93: Alfa Romeo; Max 2001, 22 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 231 


„Für Dich 
wasch’ ich perfekt” 


in dieser Woche! 


Sein viertes Hemd | 
| 


Wipp-perfekt wäscht perfekt 


94: Wipp; ST 1958, 36 
95: Sunil; ST 1963, 6 

96: Wipp; ST 1957, 31 
97: Siemens; ST 1964, 10 


Bügeln im Sitzen 
mit dem 


Heimbügler 


SIEMENS 


232 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KoMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


THE MORE YOU KNOW. 


BOSS 


ELEGANT 
BEQUEM 
WIRTSCHAFTLICH 


ÖBERALL ERHÄLTLICH NGEN SIE PROSPEKT! 
FABRIKANTEN: BRODER BERG, WIEN-BERUN N54 


98: Lord; ST 1959, 40 

99: Davidoff; ST 1997, 1 
100: Eterna; BIZ 1927, 27 
101: Boss; ST 2000, 32 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |233 


Glo A 


УУ ine) 


` pe 


beim männlichen Sport - 


a а 227 ы КЕКИ 


РКТЪЫЛСТКІС SHAVE 
LOTION 


Ватт 


Оро «== Ss 


102: Bergmann; ST 1962, 1 
103: Ballantines; ST 1963, 6 
104: Old Spice; ST 1960, 45 
105: Casio; Max 2003, 1 


234 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


ман 
тне а Танн 


Fenjal Creme Oelbad 
Jungbrunnen 
trockene Haut 


кечә! mit ми кыа hems Oel 
Veure unter den Creme (enker 


Tannsten EE EE nenn | 


ERIB A 


106: Fewa; ST 1958, 36 

107: Fenjal; BT 1999, 22 

108: Perlon; ST 1966, 18 

109: Nonchalance; BG 2001, 24 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 235 


ee (NEUEN аң 
lütengelst P 


N 


Rose, Flieder, Maiglöckchen 
gibt den Duft der 8 in 
ungeahnter Natur 


Dauerhaft Feuchtigkeit. Dauerhaft frischer Teint 


&Marlboro Country е7 Ж 


De EG dengem Rauchen дебе de Окен. Der Rauch arer Zigarette 
дезе Marko веба 0.9 mg Nikotin und 12 eng Kondensat (Teer). (Оливера nach EO) 


110: Zephyr; BIZ 1909, 18 
111: Ellen Betrix; BG 1999, 32 
112: Ballantines; ST 1964, 10 
113: Marlboro; ST 2002, 27 


236 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


3.4.3 Gute Form 


Die Qualität der Gestaltung kann zu einem zentralen Bezugsrahmen der Zuteilung 
der Codewerte Imagepositiv/Imagenegativ werden. Neben und mit dem Design 
einzelner Objekte realisiert dann die Ästhetik der gesamten Inszenierung entspre- 
chende Image-Eigenwerte. Sind gute Formen als zentrale Eigenschaften des Images 
aktiviert, kann schlechtes Design als Defizit und Stigma erscheinen.??® Erste An- 
sëtze einer Betonung von »Ästhetik« zeigen sich bereits um 1900. Wenngleich die 
Zeichnung in dieser Zeit nur die Erkennbarkeit des Gegenstandes sicherstellen kann 
und soll (vgl. Abb. 115), gibt es einige (wenige) Darstellungen, die das Design 
der beworbenen Produkte akzentuieren — so z.B. die einer Anzeige, die als ein- 
zige dieser Zeitungsausgabe mit einem schwarzen Hintergrund operiert, so daß der 
formatfüllend abgebildete Gegenstand und dessen Ausschmückungen deutlich zu 
sehen sind (vgl. Abb. 114). Zugleich zeigt dieses Beispiel jedoch, daß die »guten 
Formen: um 1900 noch stark an der Kunst und am gebrauchsgraphischen Ornament 
der Zeit orientiert sind, wobei der Einfluß des Jugendstils in der Untersuchungsein- 
heit offenkundig eine besondere Rolle spielt.’ Der längeren Undifferenziertheit 
des Formenangebots entspricht das weitgehende Fehlen der Thematisierung von 
Gestalt und Schönheit im Test. 220 Erst in den 1950er Jahren werden schöne For- 
men als Zentralwerte reflektiert, wenn man einmal von den bereits vorher üblichen 
oberschichtorientierten Geschmackshinweisen absieht. So heißt es zu der Abbil- 
dung eines »schönen« Kühlschranks von 1955 dann immerhin: »Schön muß er sein! 
Hausfrauen denken praktisch, Hausfrauen haben aber auch ein Auge auf all die 
Dinge, mit denen sie tagtäglich zu tun haben.« (AEG, ST 1955, 23) 

Gerade mit der Photographie läßt sich die Werbung verstärkt auf den Versuch ein, 
Objekte als gut gestaltete Formen zu präsentieren und gute Form als Eigenwert durch- 
zusetzen. Seit dem Ende der 1920er Jahre lassen sich zunehmend Anzeigen finden, die 
mit Photographien die Sachen selbst, sprechen lassen, wenn diese durch pute: For- 
men gekennzeichnet sind (Hess, BIZ 1929, 36, vgl. Abb. 118). Wenngleich Photogra- 
phien in dieser Zeit noch des öfteren manuell überarbeitet werden, so als könne sich 
gute Gestaltung nur in Anlehnung an die traditionellen Formen der Kunst vollziehen, 


238 Es liegt nahe, daß diese Programmierung vor allem dann gewählt wird, wenn die guten 
Formen käuflich sind, also im Bereich der Konsumgüterwerbung. Aber auch in anderen 
Fällen kann gute Gestaltung als zentraler Image-Faktor fungieren, so z.B. in Werbungen 
für Kunstausstellungen. Das gute Design (z.B. von werbenden Ausstellungsplakaten) 
repräsentiert dann die spezifischen und in jedem Fall hohen Ansprüche an »Ästhetik«, 
die mit dem beworbenen Objekt in Verbindung gebracht werden. 

239 Auch Borscheid stellt für diese Zeit fest, daß die Gestaltung »auf das Schöne nach dem 
zeitgenössischen Verständnis, auf das Ornament und das Dekorative« beschränkt ist 
(Borscheid 1995, 27). 

240 Im Unterschied zur körperlichen Schönheit — sie ist schon um 1900 durchaus ein Thema. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 237 


kommt es recht schnell zu einer photographischen Bildsprache, die darauf abzielt, die 
Form und nicht zuletzt deren Oberfläche zu einem werbungsspezifischen Argument der 
Zuweisung eines positiven Images zu machen. Da diese Optionen unmittelbar an die 
Präzision der Darstellungstechnik gebunden sind, expandiert dieser Kriterienkomplex 
jedoch erst in den 1950er Jahren, weil in dieser Zeit die Qualität des Massendrucks 
nochmals eine deutliche Steigerung erfährt und Bilder ermöglicht, deren Abbildungs- 
treue (Schärfe, Kontrast, Auflösung usw.) sich von photographischen Originalabzügen 
kaum noch unterscheiden läßt. Entsprechend gibt es jetzt zunehmend Bilder, die auf 
die Perfektion von Oberflächen nicht nur symbolisch hinweisen, sondern diese in den 
Bildern selbst demonstrieren. Das Prinzip der guten Form gewinnt seinen Positivwert 
dann auch über die Faszinationkraft des »Realen«, der ein neuer Hyperrealismus der 
professionellen Studiophotographie zuarbeitet. Die seit den 1960er Jahren üblichen 
Photos voller Getränkegläser, die den Eindruck erwecken, sie stünden unmittelbar 
greifbar vor dem Bildbetrachter, sind dafür ein Beispiel. Die gute Form rührt hier ganz 
von der Perfektion der Darstellung der Oberfläche und dem durch sie hergestellten, 
geradezu haptischen Bilderlebnis, auf das sich die Texte beziehen können: »Einer der 
schönsten Momente des Tages: Die Sekunde vor dem ersten Schluck Beck’s Bier.« 
(Beck’s Bier, ST 1967, 23) Bedeutsam sind hier die Möglichkeiten der Farbphotogra- 
phie, die sich im »Stern« in den 1960er Jahren durchsetzt.?*! 

Inzwischen ist nicht zu übersehen, daß es völlig verschiedenartige Formkonzepte 
gibt, die jeweils für sich in Anspruch nehmen, »schön« zu sein. Die Verschiedenheit 
der Designs ergibt sich nicht zuletzt durch die jeweilige Kontextierung gut: gestal- 
teter Objekte. Über Bühnen und Kulissen können Images den Wert Modernität eben- 
so ins Spiel bringen wie den der Natürlichkeit usw. Bei den frühen Varianten dieser 
Programmierung sind Kontextierungen dominant, die die Güte »guter< Formen mit 
Eindrücken von hohem (Schicht-)Status kombinieren, z.B. dadurch, daß das ange- 
priesene Design in die Tradition des Adels, der Aristokratie und der Hochkultur der 
(schönen) Künste gestellt wird (vgl. Abb. 84 u. 85). Wenn eine Werbung für Deutsch- 
lands renommierte Wochenzeitung »Die Zeit« zu der schlichten Abbildung dreier 
griechischer Säulen auf einem weißen Hintergrund erklärt, inwiefern die klassische 
Gestaltung (und die griechische Klassik als Symbol) mit der inhaltlich redaktionellen 
Tiefe des Blattes korrespondiert, ist das ein solcher Fall: »Die klare Linienführung 
bewundert jeder an den Werken der klassischen Kunst, aber nicht dort allein. »Die 
Zeit: verdankt ihr Ansehen als führende deutsche Wochenzeitung ihrer eindeutigen, 
sauberen und geraden Haltung, ihrem Eintreten für Wahrheit und Recht.« (Die Zeit, 
ST 1950, 1; vgl. Abb. 85). 


241 Die Wahl der Farbigkeit ist spätestens seitdem ein wichtiges Element der Image-Pro- 
grammierung. So fallen z.B. schwarz-weiß gestaltete Anzeigen in einer bunten Rekla- 
mewelt durch Zurückhaltung auf – ein Sachverhalt, der immer wieder zur Konstruktion 
bestimmter Images genutzt wird, z.B. dann, wenn Dezenz, Bescheidenheit oder Sach- 
lichkeit als Image-Wert erschlossen werden soll. 


238 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Auch die Lichtführung, die Perspektive und das räumliche Arrangement der Ob- 
jekte unter Gestaltungsgesichtspunkten gehören zum Inventar bildsprachlicher Mittel, 
die dem Zweck unterstellt werden können, gute Formen und Oberflächen als Image- 
Eigenwerte zu präparieren (vgl. Abb. 120 u. 121). Ein Bild, das den Scherkopf eines 
Elektrorasierers gleichsam als Skulptur modelliert und dazu eine ganze Doppelseite 
in Anspruch nimmt, unterscheidet sich selbst in den 1970er Jahren noch deutlich von 
anderen Produktpräsentationen dieser Zeit (Philips, ST 1970, 38; vgl. Abb. 124). Hier 
wie in vergleichbaren Reklamen geht es um mehr als um ein Ins-Bild-Setzen gut 
gestalteter Objekte — nämlich um die umfassende Beherrschung der Bildästhetik, die 
sich vom Objektdesign zunehmend emanzipiert. Wenngleich das Programm der guten 
Form vorzugsweise bei der Bewerbung »gut« gestalteter Objekte zum Einsatz kommt, 
ist es also keineswegs prinzipiell auf deren Vorhandensein angewiesen. Indikator des 
Emanzipationsprozesses ist die Ausnutzung des Gesamtformats der Anzeige (der 
ganzen Zeitschriftenseite) und das Herstellen anspruchsvoll gestalteter Gesamtkom- 
positionen. Ausschnitte, Collagen usw. werden dann so arrangiert, daß gute: Bilder 
entstehen, deren hochwertige Ästhetik die Qualität der Images bestimmen soll (vgl. 
Abb. 122-125). Prägnante Beispiele, die zeigen, daß gestalterische »Kreativität< und 
Originalität als Image-Eigenwerte fungieren, finden sich vermehrt seit den 1960er 
Jahren (vgl. Abb. 123; zu einer frühen Anlehnung an die Avantgarde der Kunst vgl. 
Abb. 117).242 Später kommt es dann sogar zu einem sehr freien und geradezu experi- 
mentellen Umgang mit Formen und Farben, der bisweilen an die Resultate der Kunst 
erinnert (vgl. Abb. 235 u. 244).243 

Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, daß manche Beobachter spätes- 
tens seit den 1980er Jahren die Diagnose stellen: »Werbung ist Kunst« (Schirner 1991). 
Doch diese Diagnose übersieht (mindestens) einen entscheidenden Sachverhalt: Das 
freie Spiel mit Formen ist keineswegs ein durchgängiges Charakteristikum der Wer- 
bungsoperationen bzw. ist Gestaltung keineswegs in allen Image-Kommunikationen 
das entscheidende Kriterium zur Qualifizierung der Objekte. Man kann also die Frage 
stellen: Warum ist die Werbung nur gelegentlich »künstlerisch«? Die Antwort lautet: 
Weil Kunst im Rahmen der Werbung nur eine Image-Ressource ist, und zwar eine un- 
ter anderen. Auch im (Programm-)Bereich der freien Werbungsästhetik, die sich schon 


242 Auch hier gibt es Ausnahmen, die die Regel bestätigen — so gibt es bereits in den 
1920er Jahren »künstlerisch< gestaltete Schwarz-Weiß-Kurzfilme (z.T. koloriert), die 
hauptsächlich auf Ästhetik setzen. Im Rückblick wird man dies als Effekt der Beschäf- 
tigung von Künstlern interpretieren können, die in der Werbung deshalb eine Anstel- 
lung finden, weil die gesteigerte Relevanz von Ästhetik und Design registriert wird, es 
aber zugleich noch an einer werbungsspezifischen Formensprache fehlt. 

243 Dabei ist klar, daß entsprechende Vorbilder in der Kunst längst vorliegen (man denke 
nur an die (Photo-)Arbeiten von Man Ray, Marcel Duchamp und Raoul Hausmann 
oder an den russischen Konstruktivismus) und in der Werbung umgesetzt werden — so 
z.B. in einer Reklame für »Leibniz-Keks« von 1926 (vgl. Abb. 116). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |239 


länger nicht mehr nur darauf beschränkt, Kunst zu zitieren oder zu imitieren, sondern 
auch einen eigenständigen Formenschatz hervorgebracht hat — wie nicht zuletzt die Mo- 
dulationen dieser Sprache in der Pop Art deutlich gemacht haben —, erfüllt die Werbung 
eine Funktion, die mit ihrem spezifischen, symbolisch generalisierten Kommunikati- 
onsmedium in Verbindung steht. Bei allen Vergleichbarkeiten und Intertextualitäten un- 
terscheiden sich die (symbolisch generalisierten) Medien von Kunst und Werbung doch 
erheblich: Die Werbung muß nie nur als reine Ästhetik gefallen, sondern sie muß eine 
(Image-)Identität für den Auftraggeber der Werbung (dessen Objekte) generieren. Der 
ästhetische Auftrag ist erheblich spezifiziert, indem er den Sinnhorizont zu dem das be- 
worbene Objekt gehört, immer mitberücksichtigen muß.?** Selbst in den avanciertesten 
Ästhetisierungen verschwindet die Bedeutung von Image-Kommunikation also keines- 
wegs. Im Gegenteil! Je mehr die Werbung sich von einem offensichtlichen Werben für 
und mit Objekte(n) entfernt, je mehr sie eine reine Ästhetik proklamiert, desto sicht- 
barer wird ihre Funktion der Image-Erzeugung für die jeweiligen Objekte. »Gut< bzw. 
»künstlerisch« gestaltete Werbungen implizieren Expertentum in Sachen Ästhetik, sie 
demonstrieren Kreativität und Phantasie und adressieren im Rahmen unterschiedlicher 
Formensprachen das ästhetische Urteilsvermögen unterschiedlicher Zielgruppen. Die 
Autonomie der Gestaltung unterscheidet sich in allen Fällen von der Eigenwertigkeit 
der Ästhetik im Kunstsystem, die funktional ganz auf die Lösung von Formproblemen 
abgestellt 181.225 Wie anspruchsvoll die Werbegestaltung im Einzelnen sein mag — sie 
bezieht ihre Ästhetik immer auch als (Positiv-)Wert auf das beworbene Objekt, das nicht 
restlos in der Ästhetik aufgeht. Das wird gerade dann sichtbar, wenn das beworbene 
Objekt in der Werbung nicht vorkommt. Indem die Werbung die Objektreferenz nur 
noch über den Namen einführt, so als sei derselbe gleichsam funktional äquivalent zur 
Signatur des Künstlers, kann sie den Glanz der reinen Ästhetik um so besser zur Geltung 
bringen und als Image-Wert auf das beworbene Objekt transferieren. Es wäre daher 
völlig falsch, in der Autonomisierung der Ästhetik ein allgemeines Charakteristikum 
moderner Werbung zu sehen. Vielmehr ist sie eine Variante der Image-Logik, die die 
Kommunikationen der Werbung leitet. 


244 Neben der funktional spezifizierten Operationsweise und den dazugehörigen strukturel- 
len Kopplungen kann man die höchst unterschiedlichen Formen der Selbstreflexion der 
Kunst einerseits und der Werbung andererseits als Hinweis auf die Medienunterschiede 
lesen. So liegt es durchaus in der (spätestens romantischen) Tradition der Kunst, die 
historisch vorfindbaren Zeichen- und Symbolsysteme miteinander zu vergleichen und 
die Reflexion auf Gestaltung selbst zum Bestandteil der Kunst zu machen (sei es als 
schriftbasierter Diskurs, sei es als Bildkonzept der Malerei). Eine solche dezidiert ver- 
gleichende Reflexivität fehlt hingegen im Bereich der Werbung. Symptomatisch hierfür 
ist der Sachverhalt, daß das Verhältnis bzw. die Intertextualität von Kunst und Werbung 
im System der Kunst (und nicht in der Werbung) reflektiert wird, wie u.a. themenorien- 
tierte Kunstausstellungen wie »Arts meets Ads« verdeutlichen (vgl. Harten 1992). 

245 Vgl. hierzu die Luhmann’schen Ausführungen zum Ornament als einem Medium der 
Kunst (Luhmann 1995, 346-360). 


240 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KoMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


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114: Eau de Cologne; BIZ 1899, 27 
115: Bial; BIZ 1905, 1 

116: Leibniz; BIZ 1926, 23 

117: R 6; BIZ 1936, 14 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 241 


Daß er schön ist, ist nicht das Schönste an diesem Wagen. 


ДООР! 


118: Hess; BIZ 1929, 36 
119: VW; ST 1967, 23 
120: Gucci; ST 1998, 8 
121: Joop; Max 1999, 6 


242 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


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122: Compliment; ST 1965, 15 
123: Falke; ST 1970, 35 

124: Philips; ST 1957, 31 

125: Bogner; Max 1999, 11 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |243 


3.4.4 Modernität 


Im Kontrast zum Werbungstraditionalismus basiert der Image-Komplex Modernität 
auf der Annahme, daß das Moderne das Neue ist und daß das Neue als das Gute gilt. 
Dem Modernen muß man sich demzufolge laut Werbung — ähnlich wie der Mode 
— anpassen. In einer Reklame für »Die Schreibmaschine für jedermann« heißt es: 
»Richtig — man muß auf der Höhe bleiben! Nun haben Sie sich also eine Filia gekauft. 
Sie sagten sich: wer mit der Zeit Schritt halten will, braucht eine Schreibmaschine. 
[...] Wer sie schreibt, zeigt, daß er auf der Höhe ist« (Olympia, BIZ 1937, 18). Daß 
Neuheit als ein Positivwert vorausgesetzt wird, der keiner weiteren Erläuterung be- 
darf, bringt der nach wie vor gängige und sich selbst genügende Hinweis »Neu!« 
prägnant zum Ausdruck.”* Bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts ist das Moderne 
eine sprachlich identifizierte Qualität. »Fortschritt« ist z.B. eine Vokabel, die mit Fort- 
schreiten offenkundig Besserwerden verbindet (»Fortschritt-Schuhe«, BIZ 1909, 18; 
vgl. Abb. 126-128). Vor allem die Reklame für technische Produkte setzt auf die Dra- 
matisierung des Modernen - z.B. dann, wenn das Objekt unter Statusgesichtspunkten 
als imagedefizitär wahrgenommen werden könnte: »Das DKW-Auto ist nicht etwa 
ein Kleinwagen im schlechten Sinne des Wortes, sondern ein Automobil, gebaut nach 
den modernsten Grundsätzen der Technik.« (DKW, BIZ 1928, 32)24" Wie der »Fort- 
schritt« im allgemeinen gelten neue Technologien ebenso wie die (Natur-)Wissen- 
schaft zunächst prinzipiell als geeignete Vermittler guter Image-Attribute (vgl. Abb. 
136). Eine Reklame für ein Motoröl von 1936, die das Bild zweier Zeppelin-Modelle 
mit dem Satz kommentiert: »Beide Веһеггѕсһег der Lüfte verwenden es ausschließ- 
lich« (Veedol, BIZ 1936, 14; vgl. Abb. 137), entspricht insofern — sieht man von den 
patriotischen Konnotationen des Textes ab — ganz den gegenwärtigen Kampagnen für 
dieses und vergleichbare Produkte, die z.B. mit Bildern von Formel-1-Rennwagen 
beworben werden. 

Das entscheidende Indiz der Ausarbeitung von Modernität zu einem Image- 
Komplex ist eine Form der Neuheit, die als Neuheit der Gestaltung auf sich auf- 
merksam macht. Modern ist dann das, was modern (neu) aussieht, wobei die Zei- 
chenhaftigkeit auf den Wert des Modernen spezifisch eingestellt ist. Stilbildend und 


246 Der Hinweis »Alt!« ist hingegen nirgendwo zu finden. Daß sich der Werbungstradi- 
tionalismus nicht auf eine solche Kurzformel bringen läßt, liegt vermutlich auch dar- 
an, daß die faktische Abgeschlossenheit der Vergangenheit eine stärkere Selektion des 
Guten im Vergangenen erforderlich macht, während das Neue in die offene Zukunft 
hineinragt, also noch keiner Bewertung unterzogen werden konnte. 

247 Bis in die jüngere und jüngste Vergangenheit werden Eigenschaften wie Intelligenz 
und Innovationsgeist in Kombination mit der Darstellung von High-Tech als Image- 
Attribute von Kleinwagen modelliert — so z.B. in einer Werbung für den »Austin« 
(»Die neue Formel: großartig КІеіп«, Austin, ST 1970, 38) oder in Kampagnen für den 
»V W-Lupo« (»Man muß nicht groß sein um groß zu sein«, VW, ST 2001, 43). 


244 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


typisch für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ist dabei vor allem die Ausge- 
staltung von Modernität im Sinne von Rationalität und Funktionalität. Diese Tie- 
fenwerte werden durch eine klare, aufs Wesentliche reduzierte Bildsprache zum 
Ausdruck gebracht, die oftmals mit der Einfachheit der Erscheinungsform, d.h. der 
sichtbar gemachten Funktionsorientierung der beworbenen Objekte korrespondiert. 
Die Karriere solcher Images beginnt in den 1920er Jahren im Anschluß an die Neue 
Sachlichkeit, deren Design als eine Art Ethik gegen die ornamentale Warenästhetik 
und den schönen Schein des 19. Jahrhunderts in Anschlag gebracht wird. Mit den 
Worten von Norbert Bolz auf eine Formel gebracht: »Dasselbe seien Schein und 
Sein — das ist das Ideal der Sachlichkeit: ästhetische Sichselbstgleichheit.« (Bolz 
1989, 220)248 Zur Anwendung kommt diese Philosophie: z.B. in Bezug auf neuere 
Produkte der industriellen Produktion, die das Leben erleichtern oder neuartige Ge- 
nußerlebnisse verschaffen sollen. Praktikabilität (»praktisch«) und niedrige Preise 
lassen die Güter zudem als rationale Wahl erscheinen. Daß und inwiefern die Sach- 
lichkeit der Gestaltungen einer unterstellten (Konsum-)Rationalität des Rezipienten 
zuarbeitet, verdeutlicht folgendes Beispiel: Unter der Überschrift »Die Stahlküche« 
wird ein Stahlschrank gezeigt, dessen Design an funktionale Büro- oder Archivmö- 
bel erinnert, wobei die geöffneten Türen den Blick auf einen wohlgeordneten Innen- 
raum freigeben. Der Text unterstreicht den Bildsinn: »Die Stahlküche entspricht den 
neuzeitlichen Bestrebungen, ist ganz auf den bequemen Arbeitsgang der Hausfrau 
eingestellt. Unverwüstliche Lackierung, größte Stabilität bei billigstem Preis. Neu- 
artige, gesch. Lebensmittelbehälter, staubdicht gearbeitet, praktischer als die bisher 
gebräuchlichen.« (Beratungsstelle für Stahlverwendung, BIZ 1929, 36; vgl. Abb. 
129) Auffällig ist bei den früheren Ausarbeitungen dieses Image-Komplexes die 
Positivbewertung der modernen Massenproduktion, die sich z.B. in Hinweisen auf 
die Produktion größerer Stückzahlen zu erkennen gibt 237 Numerische Superlative 
kommen hier noch als Demonstration von Größe im übertragenen Sinne zum Ein- 
satz, während der Aspekt der Massenhaftigkeit in späteren Werbungen eher kuvriert 
wird, und zwar vermutlich deshalb, weil durch ihn die (Image-)Ansprüche in Rich- 
tung Exklusivität und Individualität blockiert werden. 

Obwohl ein Verständnis von (Design-)Modernität als Sachlichkeit, Rationalität 
und praktische Funktionalität lange dominiert (vgl. Abb. 129-133) und bis heute in 
der Werbung vorkommt, spielt diese Variante seit den 1960er Jahren eine geringere 
Rolle. Gewöhnlich werden vielmehr Bilder, die den ästhetischen Funktionalismus mit 


248 Daß und inwiefern dies ein paradoxes Unterfangen ist, »sofern Sachlichkeit abstrakte 
Rationalität und formale Aufrichtigkeit als Selbstzweck propagiert und sie (die Sach- 
lichkeit) selbst unmittelbar zum Ornamentersatz« wird, ist in Darstellung zeitgenössi- 
scher Diskurse (Loos, Benjamin, Jünger u.a.) näher nachzulesen bei Bolz 1989. 

249 »Jährliche Produktion 186 Millionen« (Matrapas, BIZ 1902, 40); »Größte Uhrenfabrik 
der Welt. Tägliche Produktion 15000 Uhren« (Junghans, BIZ 1915, 27), »Ca. 130 eige- 
ne Verkaufsstellen, 4000 Arbeiter und Beamte« (Schuhgeschäft Tack, BIZ 1929, 36). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |245 


einer guten (Bild-JÄsthetik (vgl. Abb. 134 u. 135) und mit einem spezifischen Ge- 
schmack gut situierter Bürger assoziieren. Prototypische Inszenierungen schließen an 
bestimmte Formkonzepte des Bauhauses aus den Bereichen Architektur und (Objekt-) 
Design an, die deutlich erkennbar als Hochkultur und als Element des Lebensstils fei- 
ner Leute inszeniert werden (vgl. Abb. 83 u. 86). Die jeweiligen Images kombinieren 
also Eindrücke eines schichtorientierten hohen Status mit einer sichtbaren Orientie- 
rung an der klassischen Moderne. Der symbolische Funktionalismus bringt hier we- 
niger die Praktikabilität von Gebrauchsgegenständen als vielmehr eine umfassende, 
modernistische Lebens- wie Design-Philosophie zum Ausdruck. O’Sullivans Credo 
»form follows function« kommentiert entsprechend immer wieder die in den Bildern 
zur Schau gestellte Eigentlichkeit der Objekte und damit zugleich die am Substantiel- 
len orientierte Mentalität feiner Leute, die als Image ausgestaltet werden soll. 

Eine andere, recht früh zu beobachtende Variante dieses Image-Komplexes bilden 
Inszenierungen, die das Moderne als das international Etablierte erscheinen lassen 
(vgl. Abb. 138 u. 139). Zum einen soll die internationale Verbreitung von Produkten 
als Gütesigel der besonderen Art fungieren: Weil das Produkt gut ist, so die Unterstel- 
lung oder das explizite Argument, ist es in aller Welt verbreitet.?5? Zum anderen geht 
es um die Verbildlichung von Internationalität im Sinne einer Staats- und Kulturgren- 
zen transzendierenden Weltkultur, die als solche die moderne Moderne repräsentiert. 
So feiert sich eine Firma 1951 als Motor globaler Motorisierung und Dynamisierung, 
indem sie mit einer gezeichneten Weltkugel und dem Photo eines staunenden Män- 
nerpublikums an den o Automobil Salon in Paris 1902« und die dort vorgestellte »Pi- 
oniertat der Boschzündung« erinnert (Bosch, ST 1951, 5). Nicht zuletzt ist Modernität 
ein Fokus im Bereich der seit den 1970er Jahren expandierenden Images, die, vor- 
zugsweise in der Zigarettenreklame (man denke nur an die Werbungen für die Marke 
Steywesant, die hier vermutlich eine Vorreiterrolle übernimmt), junge Kosmopoli- 
ten zeigen, die auf allen Bühnen der Welt erfolgreich zu Hause sind. Erfolg basiert 
hier nicht auf einer stratifizierten Statushierarchie, sondern auf einem globalen »way 
of life«, der verschiedene Barrieren sozialer Ungleichheit überwindet und den part- 
nerschaftlichen Dialog der Kulturen und Ethnien als Selbstverständlichkeit vorführt. 
Dieses Weltbürgertum steht also in einem ganz anderen Image-Zusammenhang als die 
erwähnten Oberschichtskosmopoliten. 

Weiterhin ist erkennbar, daß die Reflexivität der Moderne seit den 1960er Jahren 
verstärkt zu einem Bezugsrahmen der Herstellung von Modernität als Image-Wert 
wird. Die vielfach gerühmten Kampagnen der 1960er und 1970er Jahre für die Marke 
Volkswagen exemplifizieren dies über eine subtile (Selbst-)Ironie der Texte und eine 


250 Hinweise auf die (hohe) Stellung im internationalen Wettbewerb übernehmen eine ent- 
sprechende Rolle: »Im internationalen Wettbewerb wurde die Serie 1952-53 der Metz- 
Rundfunkgeräte mit der Goldmedaille der Foire de Luxembourg für Form, Klang und 
Leistung ausgezeichnet. Das ist das sichtbare Zeichen eines ungewöhnlichen Erfol- 
ges.« (Metz, ST 1953, 9) 


246 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


dazugehörige funktionalistische (schlichte) Gestaltung, die die Marke als Avantgarde 
markieren sollen (vgl. Abb. 140 u. 141).25! Eine wichtige Entwicklung in diesem 
Kontext besteht darin, daß die Reflexion auf Modernsierungsprobleme als Ausdruck 
guter Modernität gedeutet wird. Kardinalthemen derartiger Reflexionen sind Umwelt- 
schutz und Gesundheit. Innovative Technik wird z.B. als Komponente einer guten 
Moderne stilisiert, die es gegen die Option einer schlechten Moderne auszubauen gilt, 
und gerade diese reflexive Thematisierung des Modernen wird als modern stilisiert. 


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ModerneWellung 


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3. derzeitbei 
ofen, Haar 
sowie be: tertig, Frisur anwendbar 
durch verdess. „‚Stab’s S Ibstondu- 
и ©, отр. M, 5.—, Eriolg каг. 
Stab’s Rstormhaus, Dresdun-K.otzsche3 


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126: Fortschritt Schuhe; BIZ 1914, 23 
127: Stab’s Reformhaus; BIZ 1919, 44 


251 »Ist Ihr Wagen so modern wie dieser? [...] Sie haben einen solchen Wagen? Dann ist er 
sinnvoll, praktisch, vernünftig. Und bestimmt ein Volkswagen.« (VW, ST 1964, 10; vgl. 
Abb. 140) 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 247 


Die Stahlküc 


entspricht den forde neuzeitlicher Bestrebungen 
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: atungsstelle für Stahlverwendung, Düsseldorf -Stat 
Schuhfabrik &duard Hammer А-6. Dresdena t0 | de 


Neuer Fortschritt: 
Semiautomatic 


128: Hammer; BIZ 1926, 23 

129: Beratung für Stahlverwendung; BIZ 1929, 36 
130: Nivea; ST 1950, 1 

131: Scharpf; ST 1958, 36 


248 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Transita automatic | 


Der „Große” unter den Tranaistorkoftern 
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тиа Bereet VER млн und Lange 


TE EEN 


zc Transita automatic - ein Gerät mit allem 
Wünschen 


= Komtort, ganz nach Ihren 


жеу See 


leben mit LURAN 


132: Nordmende; ST 1964, 10 
133: Olympia; ST 1959, 40 
134: Progress; ST 1960, 45 
135: Luran; ST 1963, 6 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |249 


PALMOLIVE-RASIERSEIER, 


mit ihr gemeinsgm hat. 


Die Wissenschaft 


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DACAPO DM 287. 
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PEA HESE NIE. WwW L TOM A R К. B 


136: Palmolive; BIZ 1935, 10 
137: Veedol; BIZ 1936, 14 
138: Telefunken; BIZ 1929, 36 
139: Telefunken; ST 1953, 9 


250 | IMAGE. Zur GENEALOGIE EINES KoMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


An die wenigen, die den VW nie gefahren haben 


lund die vielen, die nicht genau wissen, worum er gut ist) 


Ist Ihr Wagen so modern wie dieser? 


"түтүгү 


140: VW; ST 1963, 6 
141: VW; ST 1964, 10 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 251 


3.4.5 Tradition 


Das Programm Tradition instrumentiert positive Einschätzungen des Vergangenen. 
Wie in anderen Themenbereichen führt am Beginn der Entwicklung die schriftliche 
Mitteilung den Positivwert ein: »Schon die Großmutter kannte die Vorzüge von Ne- 
grin« (vgl. Abb. 142). Die späteren Inszenierungen geben dann zu erkennen, daß die 
Qualität der Tradition in einer Selektionslogik gründet, die nur bestimmte, für gut ge- 
haltene Aspekte der Vergangenheit tradiert. Diese also selektierte gute alte Zeit wird 
in traditionalistischen Images entworfen. Das gute alte Brauchtum, gute alte Sitten, 
traditionelle Formen der Geselligkeit oder ursprünglichere und daher bessere Lebens- 
formen sind z.B. Themen solcher Inszenierungen (vgl. Abb. 144-147, 150, 151). Auch 
die Güte klassischer Hochkultur kann — in Anlehnung an den skizzierten Statuskom- 
plex — zum Bezugsrahmen der Programmierung von Tradition werden. Eine Reklame, 
die das Photo eines berühmten historischen Kunstwerks dem des beworbenen Radios 
gegenüberstellt, ist ein frühes Beispiel einer später üblich werdenden Traditionalisie- 
rungsmethode: »Handwerkliche Feinarbeit schuf den Kulturwert der Aachener Kai- 
serschätze. Der Aachen-Super setzt diese Tradition fort.« (Philips, BIZ 1935, 10; vgl. 
Abb. 148) 

Die symbolische Generalisierung der Image-Kommunikation bedient sich hier 
wie in anderen Fällen semantisch imprägnierter Sichtbarkeiten: Möbel voraus lie- 
gender Epochen, historische Bauwerke, traditionsreiche Kulturlandschaften oder 
Vorführungen alten Handwerks bestimmen typischerweise das Bild. Nicht selten 
wird eine altertümliche Lebensführung entworfen, indem die verschiedensten Zei- 
chen und Symbole gleichermaßen auf gute: Traditionen hinweisen. So führt ein 
Spot der jüngeren Werbung filmisch vor, was in älteren Werbungen noch mittels 
einzelner Bilder gezeigt werden muß, nämlich Szenen eines idyllisch-vorindustri- 
ellen (Land-)Lebens (Pferdegespann, historischer Bauernhof), geprägt von der har- 
monischen Gemeinschaft der bäuerlichen Großfamilie und der »natürlichen« Land- 
wirtschaft. 

Obwohl Alter(n) in der Werbung nicht selten als Stigma thematisiert wird, 2°? 
fungieren alte Menschen im Rahmen traditionalistischer Inszenierungen als wich- 
tige Image-Träger (vgl. Abb. 143-147). Sie symbolisieren qua korporaler Zeichen- 
haftigkeit das Potential des Erinnerns der Vergangenheit und werden in diesem 
Sinne als Repräsentanten und sichtbare Beweise immer noch lebendiger Traditi- 
onen eingesetzt, als aktive Reproduzenten des guten Brauchtums, der guten alten 
Sitten und des guten alten Handwerks. Gerade in Bezug auf die Herstellung und 
den Konsum von Nahrungsmitteln verkörpern die Alten die Kontinuität der guten 


252 Dies gilt um so mehr, als Alter(n) als Thema auch dann eingeschlossen sein kann, 
wenn es auf der Bildebene systematisch ausgeschlossen wird — so z.B. in den Jugend- 
lichkeitsdramatisierungen der Kosmetikreklame, vgl. dazu ausführlich Willems/Kautt 
2003, 266-276. 


252 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


alten Zeit. So gibt sich eine Oma im Kreise ihrer Lieben als treue Konsumentin zu 
erkennen, wobei das gute Altern mit dem stabilen Qualitätsniveau des beworbe- 
nen Produktes in Verbindung gebracht wird: »Die ersten von vielen, vielen Jaffa- 
Orangen habe ich gegessen, als ich noch so klein war wie meine Enkelchen... und 
die sollen doch auch mal so jung und frisch bleiben wie ich« (Jaffa, ST 1982, 17). 
Eigenschaften wie Ruhe, Besonnenheit und Muße scheinen sich zudem am Kör- 
perbild alter Menschen besonders gut symbolisch verankern zu lassen. Während 
Photos Ruhe durch eine besondere Statik der stillen Bilder zum Ausdruck bringen 
sollen, wird die Botschaft filmisch durch eine Dramaturgie der Langsamkeit un- 
terstrichen, die in Slow-Motion-Bildern die reduzierten und ruhigen Bewegungen 
alter Menschen (z.B. von Käse- oder Kellermeistern) betont. Deutlich wird so, 
daß zu der »Güte« alter Zeiten eine Bedächtigkeit des Erlebens und Handelns ge- 
hört, die in der hektischen Gegenwartskultur zu Verschwinden droht (vgl. Abb. 
145-147). Überhaupt nimmt die Werbung mit traditionalistischen Images implizit 
eine Kritik in sich auf, die die moderne Gesellschaft als überzivilisiert, unnatür- 
lich, krank und entfremdet beschreibt (vgl. Abb. 152 u. 153). Sie stellt sich damit 
Ablehnungen entgegen, denen potentiell solche Images ausgesetzt sind, die mit 
Modernität als Zentralwert operieren. Im Unterschied zu Entwürfen einer refle- 
xiven, (selbst-)kritischen modernen Moderne malt sie hier jedoch nicht eine op- 
timierbare zukünftige Gegenwart, sondern Bilder der guten Vergangenheit aus. 
Hergestellt wird eine Opposition gegen Neuheitsbeschwörungen anderer Images 
in der Annahme, daß in einer sehr dynamischen Umwelt — nicht zuletzt einer Zeit 
sich permanent wandelnder Produkte, Designs und Moden — das Konservieren des 
Altbekannten als Positivwert durchgesetzt werden kann: »In unserer wechselvol- 
len Zeit wieder zu sich selber finden«, formuliert ein Anzeigentext programma- 
tisch (Bols, ST 1965, 15; vgl. Abb. 150).253 


253 Die von Luhmann sogenannte »Vereinnahmung des Gegenmotivs« (Luhmann 1996) 
scheint gerade bei dieser Image-Ressource eine wichtige Rolle zu spielen — denn fak- 
tisch sind die beworbenen Objekte keineswegs durch die inszenierten Image-Aspekte 
gekennzeichnet. So werden z.B. industriell hergestellte Fertiggerichte schon seit lan- 
gem mit Bildern einer traditionellen Ernährungs- und Kochkultur assoziiert (Gemüse 
und Kräuter aus dem eigenen Garten, Eier vom Bauern, eine manuelle und liebevolle 
Zubereitung der Speisen usw.). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |253 


Schon die Großmutter №2015 schmackhaft 


2 
- 
se. wf 


erfannte Me Vorzüge von 
Dr. Geniner's Del sageicberpuh 


N 1 g . 
Tieffhwarzser Glans. Nicht abfärbend. Alfeiniaer 
Serileller: Karl Сепіпег, Of pinaen(Würtiin.) 


e \ ЭЩ 
MenschenunsererZeit 


sind ständig der Unrast ausgesetzt: 
nervöse Beschwerden von Herz und 
Magen - sowie schlechter Schlaf - sind 
häufige Folgen. Wie wohl tt da der 
echte Klosterfrau Melissengeist: durch 
seine ausgleichende, beruhigende Wir- 
kung auf das vegetative Nervensystem 
ist er wie geschaffen für die gehetztem, 
stropazierten Menschen umserer Zeit! 


= 


м 
ШТ 


Sogut” во mild” во reit ЖШ шшш ШЙ 


Klolterfrau 


fengeift 


weii? 


142: Nigrin; BIZ 1919, 44 
143: Libby’s; ST 1958, 36 
144: Klosterfrau; ST 1959, 40 
145: Chantre; ST 1960, 45 


254 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


146: Gallo; ST 2000, 9 

147: 12 Ouzo; ST 2002, 13 
148: Philips; BIZ 1935, 10 
149: Scharlachberg; ST 1951, 5 


3. De ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG 


| 255 


Ist die 
Isolierung 
auch nur an 


einer Stelle 
schadhaft, 


50... 


med da Lamung реа, und dan genee “андаа. рои а чече En pihon Wundenseh 
ener im unserem Кёре. As һә диын gohan unge Сенди. Leer 
Ма. = Alben өөө бш die Soch венд kregen. ФЙ der 


e rte de ии „Nerven чч Dohi” haben und onen Topes Si imanmenbechen 
Man har sid Дода über de Менада einen ago sinden Am нандан bendha 
mar sh vor Schaden, mern man men den beren und wg зондо Kal Hat van 


Sicherheit zuerst, darum Kaffee Hag! 


150: Bols; ST 1965, 15 

151: Asbach Uralt; ST 1961, 49 

152: Kaffee Hag; BIZ 1930, 40 

153: Dr. Buers Lecithin; BIZ 1937, 18 


Das Hasten und Treiben des heut емдеп lebens, 
Aigen die Beruf und Sport mit sich bringen, SE 
größere Anlorderungen an unsere Nerven. Das bedeutet Ver- 
brauch der Nervengrundsubstanz LZ, Es ist daher ein 
Gebot der Vernunft, für starke Nerven durch reichliche Ernährung 
zu Пее, Pr Sie bei Nervenschwäche, 


bs Suen Kopi- Horz-u.Magenschmerzen, 
подо ре ке VW allen nervösen Beschwerden 


Dr. Buer’s Reinlecithin 


256 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


3.4.6 Jugendlichkeit 


Schon Friedrich Tenbruck (1965) hielt die Inszenierungen der Werbung neben ande- 
ren Manifestationen der (Alltags-)Kultur für eine Bestätigung der Diagnose, daß Ju- 
gendlichkeit zu einem zentralen Leitwert der Gesellschaft des 20. Jahrhunderts avan- 
ciert.”°* Nach wie vor bezeugen nicht wenige Werbebilder, daß die viel beschworene 
Rede von einem Jugendkult der Werbung durchaus berechtigt ist.?°° Das gilt zumin- 
dest dann, wenn man unter Jugendlichkeit weniger Eigenschaften einer bestimmten 
Altersphase als einen allgemeinen Positivwert bzw. ein Ideal versteht, an dem sich 
alle Altersphasen und -identitäten (jenseits der Kindheit) orientieren (kënnen) 279 Ju- 
gendlichkeit in diesem allgemeinen Sinne, der sich im wesentlichen über (Körper-) 
Attribute wie Flexibilität, Dynamik, Glätte, Straffheit oder Spontaneität auszeich- 
net, ist im folgenden als ein Kriterienkomplex zur Orientierung der Unterscheidung 
Imagepositiv/Imagenegativ gemeint. Hiervon zu unterscheiden wäre Jugendlichkeit 
als ein Spektrum von Identitätswerten, über das Jugendliche als Individuen einer 


254 Die Entwicklung des gesellschaftlichen Jugendlichkeitskomplexes, auf den die Wer- 
bung referiert, hat mit grundlegenden sozialstrukturellen und kulturellen (Trans-)For- 
mationen zu tun, die zunächst unter dem Generaltitel Modernisierung gefaßt werden 
können. Nicht zuletzt ist dabei an die Auflösung traditionaler Semantiken und sozialer 
Verankerungen zu denken. Vor allem der Verlust der religiösen Sinngebung spielt in 
diesem Zusammenhang sicher eine zentrale Rolle (vgl. Hahn 1974). Nach ihm bleibt 
eigentlich nur diesseitige »Transzendenz«< bzw. Selbstverwirklichung und mit dem ver- 
schärften Bewußtsein knapper Lebenszeit das eigene (Erlebnis-)Leben und (d.h.) der 
eigene Körper, von dem gewünscht werden muß, er möge für immer jung bleiben. In 
der jüngeren Vergangenheit (den letzten Jahrzehnten) hat sich dieser Wunsch und der 
Jugendlichkeitskomplex überhaupt offenbar noch verstärkt und sowohl sozial als auch 
lebensperspektivisch generalisiert. 

255 Zu einer inhaltsanalytischen Untersuchung zum »Werbeelement Jugendlichkeit«, die 
sich auf Anzeigen des Stern (1966-1996) bezieht und weniger eine Zunahme als ein 
»kontinuierliches Auf und Ab« der verschiedenen Jugendlichkeitssemantiken im Be- 
obachtungszeitraum konstatiert, vgl. Kochhan 1999, insbesondere 155 f. 

256 Hölscher spricht in Bezug auf die Gegenwartsgesellschaft von dem »sozialwelttypisch 
vorherrschenden, alltagsästhetischen Empfinden, jugendliche Attribute als »attraktiv<, 
»schön«, »erstrebenswert« zu beurteilen« (Hölscher 1998, 290). In ähnlicher Weise äu- 
Bert sich Ferchhoff, wenn er Jugendlichkeit als »kulturelles Placebo für alle Alters- 
gruppen« bezeichnet, dessen sich weite Kreise der Bevölkerung gewohnheitsmäßig 
bedienen: »Die von vielen hoch geschätzte Jugendlichkeit, der von anderen wieder- 
um beklagte Jugendlichkeitswahn ist inzwischen keine Frage des Alters mehr, sondern 
schon eher eine Lebenshaltung, ein Habitus, wie er zumeist medial und jugendkulturell 
ausbuchstabiert und allmählich, die Grenzen der Altersklassen aufweichend, auch von 
den älteren Generationen übernommen wird« (Ferchhoff 2002, 385 f.). Zu einem Kom- 
pendium gegenwartskultureller Jugendlichkeitsvorstellungen vgl. Bellebaum 2006. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 257 


Altersphase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter charakterisiert werden.”°’ Es 
geht dann nicht um die Bebilderung des allgemeinen Jugendlichkeitsideals, sondern 
um die Illustration von Eigenschaften, mit denen angehende Erwachsene identifiziert 
werden (wollen), so z.B. Authentizität und Coolness.?>8 

Wie aber entwickelt sich nun das allgemeine Ideal des Juvenilen zu einer Image- 
Ressource? Zunächst ist deutlich, daß bereits die Werbung um 1900 Jugendlichkeit 
als einen etablierten Positivwert voraussetzen kann, der sich auch und gerade auf be- 
stimmte Körpereigenschaften bezieht. Jedenfalls lassen die Anzeigen keinen Zweifel 
daran, daß die Beweggründe für das Jugendliche selbst nicht begründet werden müs- 
sen. Bemerkenswert ist vielmehr die Schärfe, mit der Jugendlichkeit als Körperwert 
bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts – und nicht etwa erst an dessen Ende, wie des 
öfteren vermutet — als soziales Kapital konturiert wird. In einer Anzeige von 1906 
heißt es zur Zeichnung eines lächelnden Männermundes schon ganz im Sinne der 
Bourdieu’schen (Wirtschafts-)Kapital-Metaphorik und den dazugehörigen Kapital- 
Transfer-Vorstellungen: »Die Zähne sind gleichsam die Firma unserer Persönlichkeit. 
Eine Reihe blendender Zähne ist der beste Empfehlungsbrief, die wirksamste Rekla- 
me der Individualität, die uns Vertrauen schafft und gesellschaftlichen Kredit. Dabei 
beruht das ganze Geschäftsgeheimnis nur in zwei großen Kleinigkeiten — sie heißen 
Zahnbürste und »Odol<!« (BIZ 1906, 5)25° Bemerkenswert ist weiterhin die Stabilität 
derjenigen Elemente, die sich im Längsschnitt als unverzichtbare Komponenten des 
jugendlichen Perfektkörpers zu erkennen geben. Hierzu gehören dichtes, gepflegtes 


257 Jon Savage (2007, XV) stellt fest, daß das Marketing in den USA mit der Erfindung 
des Begriffs »Teenager« im Jahre 1944 zunehmend sichtbar werdenden Konturen einer 
Jugendkultur Rechnung trug und zugleich die Zielgruppe der Adoleszierenden erst- 
mals als eine Subkultur mit eigenen Ritualen, Rechten und Bedürfnissen ansprach. 
In der deutschen Printwerbung setzt diese Entwicklung etwas verzögert ein. Zu einer 
Vorgeschichte des (Nachkriegs-)»Teenagers« entlang einer detaillierten Beschreibung 
ausgewählter Jugend(sub)kulturen ab 1875 vgl. Savage 2007. 

258 Diese Jugendlichkeit müßte in einer Analyse, die stärker als vorliegende auf eine voll- 
ständige Typologie bestehender Imagekomplexe abzielt, als eine eigene Programm- 
ressource gefaßt werden. Zu einigen Stilisierungsformen des Jugendlichen in diesem 
Themenbereich vgl. Willlems/Kautt 2003, 198-216. 

259 Auch folgendes Beispiel verdeutlicht die Prägnanz des Jugendkults: »Im Kampf um 
das Dasein, um das Glück ist Schönheit, ist jugendlich gepflegtes Aussehen ein sicheres 
Mittel, um vorwärts zu kommen. Wer will demnach einen Menschen verurteilen, wenn 
er eine wirklich vernünftige Schönheitspflege betreibt? Nur Unbesonnene können hier 
von Eitelkeit sprechen [...]. Jungbleiben, sein Äußeres pflegen, dem Alter vorbeugen 
und vorhandene Fehler beseitigen, ist das Bestreben jedes Einzelnen, der im Leben 
erfolgreich sein und bleiben will.« (Marylan, BIZ 1937, 18) 


258 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Нааг,260 makellose und gebräunte”®! Haut, gepflegte Nägel, gute: (schlanke)? Figur, 
weiße Zähne? sowie ein »frischer« Erhaltungszustand geschlechtsspezifischer Kör- 
permerkmale (straffe Brüste?6* bei den Frauen, Muskeln bei den Männern). Während 
der Körper demnach als Ausdrucksmedium des Jugendlichen fungiert, ist Jugendlich- 
keit zugleich die Konstruktionsbasis des Körperschönen und damit das wichtigste 
Attribut im Themenbereich der Erotik. Die Thematisierung von Körperschönheit und 
gutem, jugendlichen Aussehen in Bezug auf Männer ist dabei keineswegs eine Trend- 
wende der 1980er Jahre, die z.B. Soltau (1987) mit Formulierungen wie »Feminisie- 
rung« und »Ästhetisierung« des Mannes faßt (vgl. Abb. 165). Bereits in den 1910er 
Jahren werden Produkte wie der »Nasenformer Zello« (»für alle Nasenfehler geeig- 


260 Schon in den 1930er Jahren unterstreicht eine Slice-of-Life-Konstruktion die Relevanz 
dieser Körperlichkeit: »In den Pausen, wenn es im Kino hell wird, blicken unzählige 
Menschen von allen Seiten auf Ihr Haar – Unbekannte und vielleicht auch Bekannte. 
Sorgen Sie dafür, daß Ihr Haar auch im Kino tadellos gewaschen aussieht.« (Elida, BIZ 
1930, 40) 

261 Derbis in die 1920er Jahre hinein vorzufindende Leitwert weißer Haut (»Schöne weis- 
se Hände zu haben, samten wie Pfirsich, welche Frau hätte diesen Wunsch nicht?«; 
Scherk Cold Cream, BIZ 1920, 49) verschwindet in den 1930er Jahren. 1937 findet 
sich die erste Werbung für eine Bräunungscreme, in der Bräune dann schon als gesell- 
schaftsweites Ideal behauptet wird: »Ein schönes, frisches und gebräuntes Aussehen 
wünschen sich nicht nur die Damen, sondern auch die Herren. Aber wenn man genü- 
gend Zeit hat, sich in die Sonne zu legen, dann scheint sie gerade nicht, und wenn sie 
scheint, dann hat man wieder keine Zeit.« Mit dem entsprechenden Produkt gilt: »Sie 
sparen Zeit und sehen trotzdem gut aus.« (Kukirol, BIZ 1937, 18) 

262 Die bis in die 1930er Jahre vorkommenden Werbungen, die eine gewisse Körperfülle 
als ästhetisches Ideal propagieren, sind weniger als Hinweis auf das (Noch-)Vorhan- 
densein eines anderen Schönheitsideals, denn als Hinweis auf ein unzureichendes Nah- 
rungsangebot und eine dadurch verursachte Magerkeit zu lesen. Entsprechend werben 
Darstellungen schlanker (und nicht fülliger) Frauen für diese Produkte, die der Pro- 
blemlage entsprechend als »Nahrungsergänzung« beworben werden. »Magerkeit ist 
das größte Hindernis der Schönheit« heißt es in einer Anzeige für einen Nährstoff- 
Nektar, der verspricht, eine »üppige, fesche Figur« zu erreichen (Ambrosia, BIZ 1901, 
35). Zur Kontinuität der schlanken Körpersilhouette als Schönheitsideal der Werbung 
1850-1950 vgl. Thoms 1995. 

263 Texte wie folgende sind keine Seltenheit, sondern gehören schon in der ersten Hälfte 
des 20. Jahrhunderts zum Kanon: »zum Bleichen missfarbener Zähne« (Chlorodont, 
BIZ 1919, 44), »Biox-Ultra macht die Zähne blendend weiß« (Biox, BIZ 1929, 1537); 
»Klar-Zahnpasta ist antiseptisch, zahnsteinlösend, erfrischend, und vor allem: Sie ver- 
leiht bei regelmäßigem Gebrauch den Zähnen jenen unvergleichlichen perlenweißen 
Schimmer, der Menschen so anziehend für ihre Umgebung macht.« (Donto-Klar, BIZ 
1937, 644) 

264 »Formschöne Figur. Ideale straffe Brüste auch bei starker Erschlaffung oder spärl. Ent- 
wicklung« (Hygiena Institut, BIZ 1937, 18). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |259 


net«; Zello, BIZ 1915, 27) oder auch ein »Nasenbad« gegen »unschöne rote Nasen« 
mit Darstellungen von Männern für Männer empfohlen (Laboratorium Eta, BIZ 1919, 
44, vgl. Abb. 164).265 Überhaupt wird Jugendlichkeit – und nicht etwa »Reife« — 
schon in den ersten Jahrzehnten des Untersuchungszeitraums als wichtige Eigenschaft 
männlicher Schönheit stilisiert: »Das Geheimnis des eleganten Sportsmannes, des- 
sen jugendliches glattes Gesicht stets auffällt, liegt in seinem Allegro-Klingenschleif- 
apparat« (BIZ 1928, 32).?60 Selbst männliche Eitelkeit ist früh Thema. Eine Werbung 
von 1926 zeigt einen Mann vor dem Frisierspiegel mit Haarbürste und Parfumfla- 
kon, offenkundig einem im Hintergrund positionierten Geschlechtsgenossen ratend: 
»Mein glänzendes Seidenhaar? Danke ich mir selbst!« (4711 Portugal, BIZ 1926, 23; 
vgl. Abb. 162 u. 163)?67 Sichtbare Körperlichkeiten wie graue Haare und Glatze, ab- 
stehende Ohren oder krumme Nasen werden gerade am Beginn des 20. Jahrhunderts 
offensiv als Stigmata dargestellt, die dem Leitbild des jugendlich-vitalen Körpers ent- 
gegenstehen. Selbst die Bereitschaft, den Körper operativ zu optimieren, treibt bereits 
am Beginn des 20. Jahrhunderts seine Blüten. Beispiele wie die genannten bestärken 
die Vermutung, daß die Werbung in Sachen Jugendlichkeit (wie in anderen Zusam- 
menhängen) weniger Erfinderin, wohl aber eine Instanz der Verbreitung, Unterstüt- 
zung, Steigerung und Transformation eines Wert- und Symbolgefüges ist. Zu diesem 
Gefüge gehört traditionell, daß der Positivwert Jugendlichkeit dem Negativwert Alter 
gegenübergestellt wird bzw. diese Werte aneinander ihre Form gewinnen. Folgt man 
Göckenjahn, reicht die Alt-Jung-Polarisierung bis in die Antike zurück, erfährt dann 
aber als ein Bezugsrahmen der Beschreibung von Alter(n) in den letzten Jahrhunder- 
ten eine Zuspitzung hin zu der Vorstellung, daß Alter(n) im wesentlichen nur noch 
als Nicht-mehr-jugendlich-Sein bzw. als Grad der Abweichung von Jugendlichkeit 
verstanden wird und sich in diesem Sinne um 1900 als ein »Hauptmotiv« der Diskurse 
etabliert.268 Alter und Altern sind also schon lange durch den Wert der Jugendlichkeit 


265 Es scheint, als versuche die Werbung zyklisch Männer als Kosmetikkonsumenten an- 
zusprechen, z.B. in den 1950er Jahren mit dem Photo eines Mannes, der mit einem 
lippenstiftartigen Utensil einen Pickel retouchiert (»Pickel sofort unsichtbar«; Pixor, 
ST 1959, 60). 

266 Ein wichtiges Element des Körperschönen ist bis in die 1920er Jahre hinein ein gut 
entwickelter, dichter Schnurrbart: »Wenn Sie bartlos sind und sich in kürzester Zeit 
einen schneidigen Schnurrbart wünschen, so kann ich Ihnen einen Versuch mit meinem 
weltberühmten Bartwuchsmittel Cavalier nur angelegentlichst empfehlen.« (Cavalier, 
BIZ 1904, 49) 

267 Auf einer ähnlichen Anzeige der selben Kampagne sieht man einen Mann, der sich 
mit Hilfe eines Schminkspiegels auf einer Gartenparty die Haare kämmt, während ihm 
eine Frau dabei zusieht — eine in der gegenwärtigen Mainstreamwerbung allgemeiner 
Publikumszeitschriften undenkbare Szene (4711 Portugal, BIZ 1928, 32). 

268 Vgl. Göckenjahn 2000, 33 f. Wurde noch im 19. Jahrhundert nicht nur das Alter stär- 
ker gewürdigt, sondern auch Jugend deutlicher mit negativen Qualifizierungen belegt 
(Dummheit, Unreife usw., vgl. Amann 1989, 25), so hat sich seit jener Zeit eine Ten- 


260 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


definiert (Defizitmodell). Umgekehrt kann man feststellen, daß Jugendlichkeit über 
Vorstellungen von Alter(n) konstruiert wird — als Abwesenheit derjenigen physischen, 
psychischen und sozialen Merkmale, die mit Alter(n) wesentlich assoziiert werden, 
z.B. Gebrechlichkeit, Krankheit, Verschlossenheit, Ängstlichkeit, Einsamkeit und 
Ausgeschlossenheit. Wie im Falle anderer Imageressourcen reicht es jedoch aus, den 
Negativwert latent mitzuführen und darauf zu setzen, daß die Dramatisierung des Po- 
sitivwertes die Folgen der Abweichung von diesem hinreichend deutlich macht. 

Es liegt auf der Hand, daß mit diesem Imagekomplex im gesamten Untersu- 
chungszeitraum vorzugsweise die Zielgruppen der Erwachsenen mittleren und fort- 
geschrittenen Alters angesprochen werden, also jene Gruppen, denen es an jugend- 
lichen Attributen zunehmend mangelt. Vor allem in der Werbung für Produkte wie 
Anti-Faltencremes, Haarwuchsmittel, Zahnprothesenreiniger, Diäten oder »Aufbau-« 
und »Ergänzungsnahrung« geht es um die Dramatisierung von Jugendlichkeit als 
einem generellen »Komplex< und »als einem Bild, das sich diejenigen für sich ma- 
chen, die nicht mehr jung sind« (Ziehe 1998, 136). Images von Jugendlichkeit stehen 
dann explizit im Kontext einer strategischen Berücksichtigung oder Verwendung des 
als Identitätsproblem gerahmten Alter(n)s. 

Da die Werbung in Sachen Jugendlichkeit an einen etablierten Wertkomplex an- 
schließen kann, stellt sich hier um so mehr die Frage, inwiefern sie über eine spezifische 
Ästhetik Jugendlichkeit als Erscheinungsform herstellt und auf verschiedene Objekte 
projizierbar macht. Es geht, anders formuliert, um die Frage nach der Ausarbeitung 
eines Jugendkultes im Sinne eines Bilderkultes bzw. darum, inwiefern (Bild-)Oberflä- 
chen Jugendlichkeit als Identitätswerte präparieren und instrumentieren. 

Die Analyse der Anzeigen macht folgende Entwicklungsschritte erkennbar: 

Schon um 1900 kommen Anzeigen vor, die Jugendlichkeit schriftlich als Qualität 
postulieren und mit Schönheit oder Gesundheit assoziieren. Insbesondere im Kontext 
der Kosmetikreklame, also dann, wenn die Schönheit des Körpers aus »produktiven« 
Gründen im Zentrum steht, wird Jugendlichkeit als erstrebenswertes Gut beschworen: 
»Schönheit«, heißt es in einem Text von 1899 lapidar, ist »jugendfrisches Aussehen« 
(Reichel, BIZ 1899, 27).289 Hier wie in vielen anderen Anzeigen bis in die 1930er Jahre 
verläßt man sich auf das gedruckte Wort, um auf das vermeintlich wichtigste Kriteri- 
um für Körperschönheit hinzuweisen (»Wahren Liebreiz zeigt nur ein jugendfrisches 


denzwende vollzogen und bis heute dynamisch verstärkt. Als soziale Identität ist das 
Alter sozusagen immer schwächer geworden. Es hat Eigenwert, Status und Würde ein- 
gebüßt und bedeutet heute vor allem, sozial besonders geschätzte Eigenschaften nicht 
mehr zu besitzen. Die Werbung, so kann man vermuten, trägt neben anderen über die 
Verbreitungsmedien (re-)produzierten Jugendlichkeitsidealisierungen zu dieser Ent- 
wicklung bei. 

269 Sie gehen damit über kriterienlose Unterstellungen von Qualität hinaus, die um 1900 
durchaus üblich sind: »Lohse’s Lilienmilchseife; unvergleichlich zur Pflege der Haut« 
(BIZ 1905, 1); »Kalodont — beste Zahncreme« (BIZ 1909, 18). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 261 


Gesicht«; Lohse, BIZ 1926, 23). Die Werbung leistet dann aber noch keine Arbeit am 
Image, sondern weist nur auf das Vorhandensein eines (Körper-)Wertes hin, den es auf 
der Rezipientenseite herzustellen gilt. Im Zuge ihrer Umstellung auf Bilder macht sie 
dann sichtbar, was Jugendlichkeit ist bzw. sein soll und sie gewinnt mit zunehmender 
Komplexität und Varietät ihrer Darstellungsformen erhebliche Gestaltungsspielräume 
der Entfaltung von Tiefeneigenschaften des Jugendlichen, die sich am Sichtbaren zei- 
gen (sollen). Solche Eigenschaften sind z.B. Sinnlichkeit, Spontaneität, Frische, Leis- 
tungsfähigkeit, Flexibilität, Dynamik, Modernität (vgl. Abb. 154-157). Sie bilden über 
eine Kombinatorik abgestimmter Gestaltungsmittel einen Image-Rahmen für das je- 
weils beworbene Objekt. Das biologische Alter und ein dazugehöriges körperliches 
Ausdrucksmuster (Haut, Haare, Haltung usw.) fungieren dabei (auch) in der Werbung 
als ein Zuordnungsschema. Besonders die Haut spielt als optische Grenze zwischen 
der sichtbaren Oberfläche und der unsichtbaren Tiefe eine besondere Rolle. Sie kann 
als graduelles Zeichen von Jugendlichkeit bzw. Alter permanent und unmittelbar ge- 
lesen werden. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, daß die Indienstnahme des 
Körpers für einen reflexiven Umgang mit dem Schema Oberfläche/Tiefe in der Re- 
klame für Hygiene-, Pflege- und Kosmetikartikel einsetzt und Marken wie Odol oder 
Nivea zu den ersten Produktidentitäten mit einem klar konturierten Image gehören. 
Denn hier steht der Körper qua Produktfunktion notwendigerweise im Mittelpunkt. 
Da dessen (Positiv-)Qualifizierung unter ästhetischen Gesichtspunkten schon längst 
aufs engste mit dem Wert Jugendlichkeit assoziiert ist, muß die Werbung Alter(n) als 
einen dazugehörigen Negativ-Wert voraussetzen und von dort aus die Annahme for- 
cieren, daß die sichtbare Oberfläche die Substanz und Identitätsrelevanz des jewei- 
ligen Alterszustandes zum Ausdruck bringt: »Man ist nur so alt wie man aussieht« 
formulieren Anzeigentexte entsprechend (Exlepäng, ST 1952, 9). Dieser Vorstellung 
folgend wird der Kampf gegen das Altern als einen Kampf gegen bestimmte, sichtbare 
Zeichen ins Bild gesetzt. Schon früh rücken Partial-Darstellungen des Körpers des- 
sen Oberflächenzustand in ein schärferes (Image-)Licht, das den Körper versachlicht: 
Gezeigt wird im Bilder-Rahmen nicht der Körper in seiner Gänze als Träger eines 
Individuums (Subjekts), sondern ein einzelnes Körperteil (Gesicht, Hände, Beine, De- 
kollete), ап dem in objektivierter Weise der jeweilige Jugendlichkeits- bzw. Alterszu- 
stand abgelesen werden kann und abgelesen werden soll. Diese Inszenierungsstrategie 
führt schon bis zu den 1930er Jahren zu einem Repertoire von Motiven, die bis in 
die Gegenwart stark kontinuieren (vgl. Abb. 28, 29, 158-161, 168, 206-211).270 Auch 
der »Gesichtsrahmen« (Goffman), dem bei der Interaktion unter Anwesenden eine al- 
tersspezifizierende Bedeutung zukommt, wird in der Werbung über Partialdarstellun- 
gen operationalisiert. Vor allem eine bestimmte Form der Portraitierung junger Frau- 
en entwickelt sich früh und existiert in verschiedenen Varianten bis in die Gegenwart 


270 In Bezug auf entsprechende Bildfokussierungen kann es dann heißen: »Ihre Hände 
verraten alles! Wein, selbst in Krystal kann trügen. Doch niemals täuschen die Hände 
einer Frau über Kultur und Karakter.« (Elida, BIZ 1926, 23) 


262 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


fort. Gemeint sind Vorführungen, die makellose Jugend in übernatürlicher Perfektion 
modellieren. Realisiert wird dies über eine weitgehende Zurückdrängung der natür- 
lichen Hautstruktur bei gleichzeitiger Betonung der konturierten Gesichtselemente 
(Augen/Augenbrauen, Lippen), wodurch die Gesichter einen skulpturalen Charakter 
bekommen. Jugend erscheint hier als gleichsam zeitlose Maske. Verstärkt wird dieser 
Eindruck oftmals durch die Eliminierung situativer Kontexte, so daß die monochromen 
Hintergründe die Aufmerksamkeit des Betrachters ganz auf das Gesicht lenken (vgl. 
Abb. 160 u. 161). In diesem Abstraktionszusammenhang erweist sich die Zeichnung 
aus medientechnischen Gründen zunächst als überlegener Jugendlichkeitsgenerator: 
Sie muß im Unterschied zur Photographie keine störenden Details zurückdrängen, son- 
dern kann über die frei wählbare Linienführung eben jene skulpturenhaften Körper 
hervorbringen, die dem Jugendlichkeitsideal entsprechen (vgl. Abb. 29, 31, 209). Es 
ist daher kein Zufall, daß sich gerade die Kosmetikreklame bis in die Gegenwart im- 
mer wieder der Zeichnung oder computertechnisch überarbeiteten Photographien be- 
dient. Dennoch ist auch für diesen Imagekomplex die erhebliche Perfektionierung der 
Oberflächendarstellung entscheidend, die die Verbesserung der Photographie und der 
Drucktechniken ermöglicht. Im Unterschied zu früheren Körperzeichnungen sind die 
späteren Photographien in der Lage, die Materialität der Oberflächen, also die sichtbare 
Beschaffenheit von Haut, Haaren, Augen, Nägeln, Zähnen usw. in einem gesteigerten 
»Realismus< abzubilden, der dem Gezeigten bisweilen geradezu haptische Qualitäten 
verleiht. Damit kann nicht nur das Ideal der Jugendlichkeit, sondern auch das Stigma 
Alter(n) schärfer in den Blick genommen und dramatisiert werden. Und erst jetzt, d.h. 
seit den späten 1950er Jahren, ist ein differenziertes Stigmamanagement der Bilder 
möglich, das eine nuancierte Typologie des Erscheinungsalters dem chronologischen 
Alter gegenüberstellt. Mit den bewegten Bildern des Films und des Fernsehens wer- 
den zudem neue Gestaltungsspielräume der Herstellung von Jugendlichkeit gewonnen 
und instrumentalisiert. Attribute wie Spannkraft können jetzt z.B. durch schwungvoll- 
dynamische Bewegungsfolgen der Kamera oder das expressive Verhalten der Akteure 
im Zeitverlauf plastisch vor die Augen des Betrachters geführt werden. 

Wenngleich Jugendlichkeit bis in die Gegenwart hinein in Werbungen für körper- 
bezogene Produkte besonders häufig und prägnant in Erscheinung tritt, ist hier wie 
im Falle anderer Themenbereiche die Emanzipation des Positivwertes von sachlichen 
Objektbezügen ein charakteristisches Merkmal der Entwicklung in Richtung Image- 
Kommunikation. So wird Jugendlichkeit seit den 1950er Jahren zunehmend als Iden- 
titätswert für die verschiedensten Gegenstände ausgestaltet bzw. auf diese bezogen 
(Zigaretten, Möbel, Zeitschriften, Urlaubsziele usw.). Das Darstellungsmedium par 
exellence bleibt zwar trotz dieser Diffusion des Jugendlichen der menschliche Kör- 
per. Der jugendliche Erhaltungszustand ist dann aber nicht mehr nur ein Eigenwert in 
dem Sinne, daß er körperliche Eigenschaften repräsentiert, die als solche Image-Wer- 
te darstellen. Mit ihm sollen vielmehr Tiefenwerte neben und hinter der Oberfläche 
(Sinnlichkeit, Gesundheit, Spontaneität, Frische, Leistungsfähigkeit, Beweglichkeit/ 
Flexibilität) auf die verschiedensten Objekte projiziert werden. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |263 


Auffällig ist die Beteiligung an Vorführungen guter: Erotik. Jugendlichkeit spielt 
hier eine Rolle, insofern körperliche Attribute wie Schlankheit, Glätte, Straffheit, Fit- 
neß, Kraft usw. als natürliche Basis erotischen Erlebens und Handelns dramatisiert 
werden. Der jugendliche Körper tritt in den entsprechenden Images als der eigentlich 
erotische Körper auf. Er erscheint als Voraussetzung und Ausweis von erotischem 
Erfolg und bildet den ästhetischen Kern einer Erotizität, die das Identitätsmerkmal 
nicht weniger Images ist (vgl. Abb. 213, 215, 219, 234, 235). Ein anderes Image-Feld 
bilden Inszenierungen professioneller Könnerschaft. Auch hier geht es um Jugend- 
lichkeit als eine Erfolgsbedingung und eine Eigenschaft, die auf die (Image-)Identi- 
tät des beworbenen Objektes verweist und Dynamik, Schnelligkeit, Flexibilität usw. 
bedeuten soll (z.B. indem fitte Körper von Erfolgsmenschen und deren dynamisches 
Bewegungsverhalten gezeigt werden).?’! Nicht selten wird dann eine professionelle 
High-Society entworfen, in der ökonomisches, kulturelles und korporales Kapital als 
Erscheinungsbild integriert sind. Nicht zuletzt betritt das Jugendliche in den 1960er 
Jahren als ein spezifischer Lebensstil die Werbebühne. Die entsprechenden Images 
konsolidieren sich über eine visuelle Selektionslogik, die, im Anschluß an Schulze 
formuliert, lebenswirkliche Erlebnismilieus und deren alltagsästhetische Schema- 
ta (Mode, Design u.a.) stilisiert. Gezeigt werden seitdem zunehmend verschiedene 
Spaß-Erlebniswelten, in denen Jugendlichkeit für starke emotionale Involviertheit 
steht, wobei das sichtbar gemachte korporale Ausdrucksmuster (Lachen, Gestikulie- 
ren, tanzende Bewegungen u.a.) die Qualifizierung der vorgeführten Erlebnisse als 
Glückszustände und genußvolle Bedürfnisbefriedigungen leistet. In prägnanter Weise 
fungiert eine Paradiesnatur — z.B. die Südsee — als Kulisse des »ewigen Frühlings«, 
für den auch die Idealkörper stehen, die sich in diesen Settings ihrer Expressivität hin- 
geben. Die Bildwelt der Marke »Bacardi« (»Living life an easy way...«) ist hierfür ein 
markantes Beispiel. Ähnlich generalisierte Vorstellungen von Jugendlichkeit kenn- 
zeichnen längst diverse Images für Getränke, Eis, Schokolade und andere Produk- 
te mit relativ altersunspezifischen Zielgruppen. Wenn sich z.B. Kinder, Jugendliche 
sowie Erwachsene mittleren und fortgeschritteneren Alters in Spots gleichermaßen 
tanzend zu betont rhythmischer Popmusik bewegen, erscheint Jugendlichkeit im Sin- 
ne von Lebensfreude, Lebensgenuß, Ausgelassenheit usw. als ein die Altersklassen 
transzendierender Identitätsgenerator. 


271 Von Ausnahmen abgesehen, tragen die beruflichen Erfolgsmenschen — (noch) überwie- 
gend Männer, aber seit den 1970er Jahren auch zunehmend die Karrierefrauen — die 
Körperzeichen der Jugendlichkeit. Sie entsprechen damit offenbar einer Anforderung, 
die das Leben in zunehmendem Maße stellt (vgl. Koppetsch 2002, 360 f.). Ein von 
diesem Schema abweichendes Sujet ist der »reife« Mann, der auf 40 Jahre und älter ge- 
schätzt werden kann und soll. Das Weniger an Jugendlichkeit steht dann für ein Mehr 
an Lebenserfahrung, das den männlichen Könner erst recht zu einem solchen macht. 
Derartige Darsteller sind z.B. in solchen Images zu sehen, die auf Seriosität setzen 
(vgl. 3.4.7). 


264 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Vor dem Hintergrund des hier nur grob skizzierten, faktisch aber inzwischen 
höchst variantenreich vorliegenden Imagekomplexes liegt es nahe, in der Werbung 
eine deutliche Bestätigung der nun schon alten These Tenbrucks zu sehen, daß die 
Gesamtkultur der Gesellschaft von einem »Puerilismus« erfaßt und die Jugend »in 
mancher Hinsicht zur dominanten Teilkultur geworden« ist (1965, 56). Denn für die 
Werbung wie für die Gesamtkultur läßt sich heute in der Tat feststellen, daß »Umgang, 
Vergnügen, Lektüre, Freizeit, Moral, Sprache, Sitte der Erwachsenen [...] zunehmend 
jugendliche Züge« (ebd.) aufweisen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß 
die Expansion des Juvenilen nur sehr bedingt als Prozeß der Durchsetzung einer »ein- 
heitlichen Idealform« (Tenbruck) aufzufassen ist. Zwei Sachverhalte relativieren und 
spezifizieren diese Diagnose: Zum einen ist nicht zu übersehen, daß auch der Image- 
Komplex Jugendlichkeit nur eine Programmressource unter anderen ist. Schon lan- 
ge etabliert sind z.B. Konstruktionen, die in image-kommunikativer Weise das Alter 
würdigen. Man denke nur an die Images, die Brauchtum, Tradition, Erfahrung oder 
Seriosität als zentrales Kriterium der Positivattribuierung in den Vordergrund rücken, 
indem sie z.B. reife Persönlichkeiten im Rahmen einer modedistanzierten Ästhetik 
vorführen (vgl. 3.4.5 und 3.4.7). Zum anderen setzen sich bestimmte Images dezi- 
diert gegen die durchaus nicht seltene Image-Kombination der Eigenschaften jung, 
reich und schön ab, indem sie den unverstellten Blick auf »reale Realitäten« als Gü- 
tesiegel des beworbenen Objekts offerieren — z.B. in solchen Werbungen, die seit 
den 1960er Jahren das Jugendliche der Jugendlichen (im Sinne einer Altersphase) 
als Image ausgestalten wollen 27 Bemerkenswerterweise wird das allgemeine Ideal 
der Jugendlichkeit hier oftmals nicht nur negiert, sondern z.T. sogar systematisch als 
Anti-Ideal deklariert. Dies gilt z.B. für Stilisierungen des Morbiden, Verbrauchten 
und Lebensmüden oder für Ironisierungen gängiger Schönheitsideale (der Werbung). 
Nicht zuletzt stellt sich neuerdings sogar eine Ästhetik des Häßlichen offensiv gegen 
den schönen Schein einer glatten, perfektionierten Jugendlichkeit (z.B. anderer Ima- 
ges; vgl. 3.4.10). 

Die Werbung betreibt also keineswegs einen alle Images transzendierenden 
Jugendlichkeits-Kult. Zudem ist die These von Jugendlichkeit als Ausdruck einer 
»einheitlichen Idealform« innerhalb des Image-Komplexes Jugendlichkeit zu spezi- 


272 In den hier analysierten Materialien taucht erstaunlicherweise erst 1968 eine Anzeige 
auf, die man eindeutig als den Versuch interpretieren kann, die Symbolwelt lebens- 
wirklicher Jugendsubkulturen imagewirksam zu präparieren: »Die Tracht der jungen 
Liebe« kommentiert der Werbetext die Photographie eines Hemdes im Hippie-Stil 
(Blumenmuster, Buttons), in dessen Brusttasche das beworbene Produkt zu sehen ist 
(Sinalco Kola, ST 1968, 27). Auch die Sprache stellt sich erst zu dieser Zeit — wenn 
auch sehr zögerlich — auf die Zielgruppe ein. Zu dem Photo einer Popband heißt es: 
»Life is a hit!« — sagen die Rattles. Wenn sie der Hafer sticht, stechen sie zurück. Ein- 
fach MusiCassette ins Cassettophon, ein Daumendruck, ein heißer Beat — wer beatet 
mehr?« (Philips, ST 1968, 27) 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |265 


fizieren. In diachroner Perspektive wird nämlich deutlich, daß es im Zeitverlauf zu 
einer zunehmenden Differenzierung verschiedener Jugendlichkeiten kommt. Deren 
inszenatorische Separation geht in erster Linie mit der Konstruktion von Images für 
Zielgruppen unterschiedlicher Altersklassen einher. Im Rahmen einer vereinfachen- 
den Typologie kann man sagen, daß neben den besagten Jugendlichkeiten der Jugend- 
lichen die Jugendlichkeiten der Erwachsenen verschiedenen Alters sowie die Jugend- 
lichkeiten der Geschlechter stehen 777 Image-Attribute wie Gemütlichkeit, Traditions- 
bewußtsein oder Erlebnis-, Zeitgeist- und Lifestyleorientierung werden im Laufe der 
Jahrzehnte zur Spezifikation des Juvenilen genutzt. Wenn auch die Thematisierung 
reifer Schönheit keineswegs so neu ist, wie gelegentlich behauptet (vgl. Abb. 166),27 
ist doch nicht zu übersehen, daß seit den 1990er Jahren Bilder in die Kosmetikreklame 
Einzug halten, die die Affirmation des Jugendlichen mit Zeichen vorangeschrittenen 
Alters (graue Haare, Falten) kombinieren und dadurch ein neues Jugendlichkeitsideal 
вепетіегеп.275 Die Verschiebung, die hier stattfindet, besteht darin, daß die Diskrepanz 
zwischen den am Körper festzumachenden Jugendlichkeitszeichen einerseits (weiße 
Zähne, rote Lippen, sportlich-vitale Ausstrahlung) und der am selben Körper sicht- 
bar gemachten Schätzbarkeit des realen Alters andererseits größer wird, ohne (und 
das ist die strategische Absicht) als störende Dissonanz wahrgenommen zu werden 
(vgl. Abb. 167 u. 168). An dieser Reife-Semantik läßt sich zeigen, daß die Werbung 
Jugendlichkeit als (Körper-)Wert gerade für Ältere nicht dekonstruiert, sondern mehr 
oder weniger subtil erschließt (vgl. Abb. 169). Das Ideal der Jugendlichkeit wird gera- 
de in der scheinbaren Annäherung an die Körper-Realität der Älteren zur praktischen 
Forderung und Anforderung. 


273 Daß und inwiefern es in den letzten Jahrzehnten zu einer Image-Differenzierung von 
Jugendlichkeiten und d.h. auch zu der Auflösung von Jugendlichkeit im Sinne einer ein- 
heitlichen Idealform gekommen ist, wird deutlich, wenn man sich die Undifferenziertheit 
einer Anzeige von 1959 vor Augen hält, die als solche in der aktuellen Gegenwartsgesell- 
schaft vermutlich weder bei Jugendlichen noch bei Erwachsenen auf Akzeptanz stoßen 
würde (es sei denn unter humoristischen Image-Vorzeichen). Auf dieser Anzeige für Her- 
renmode posieren drei »junge Männer, die das atemberaubende Tempo des Fortschritts« 
und den »Schwung der Zeit« lieben, in die sie »hineingeboren« sind und dabei »so gut 
aussehende »seetüchtige< Männer sein wollen wie ihr alter Herr: immer sportlich, immer 
modern, immer elegant.« (Dralon von Bayer, ST 1959, 40) 

274 So zeigt schon eine Reklame von 1968 eine ältere Dame im modisch-eleganten Outfit 
mit offenem Lachen (»zwei bildschöne Zahnreihen«) beim Buchlesen mit ihrem Enkel, 
während der Text ausführt, »warum Oma nicht wie eine Oma aussieht«: »Liegt es an 
ihrem Teint, an der Frisur oder dem neuen Kleid?« (Kukident, ST 1968, 74) 

275 Zu Inszenierungen einer altenspezifischen Jugendlichkeit, die im Rückgriff auf Res- 
sourcen wie Mode, Musik, Sprache usw. gebildet wird, vgl. in Bezug auf die neuere 
Werbung Willems/Kautt 2003, 279-282. 


266 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


höchfleiftung: 
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р Dosis AL 


154: Wrigley; BIZ 1927, 27 
155: Muratti; BIZ 1935, 10 
156: DiBa; Max 2001, 20 
157: Motorola; Max 2004, 8 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 267 


11 


Э) аи 
Ca 3 orjina ing 


Glauben Sie mir, 
Sie pflegen Ihre Haut 
am wirksamsten mit Eukutol! 


SIE SIND SO JUNG 
WIE IHRE HANDE 
.. UND MAN SIE HT E 


IN TA S 


REINER TEINT; 


Die tägliche Teintpflege beginnt mit LUN 


Auch Ihr Teint braucht LUX 


158: Eukutol; BIZ 1930, 40 
159: Kaloderma; ST 1963, 6 
160: LUX; ST 1961, 49 

161: Vanderbilt; ST 2003, 23 


268 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Dort lugàl - 
\ 2 


Die < Írisur hal 
ein wenig дееп 


Frei von Pickel! 


Wenn an besonders gefährdeten 
Stellen des Gesichts Hautreisun- 
gen, Pickel, Pustel auftreten, 
mufi sofort Abhilfe geschaffen 
werden, Pitralon befreit durch 

tiefgehende 


Е Einwirkung 

/ von solchen 

KÂ / Hautunrein- 
«ЖЛ heiten. 


Die Ursache für die Entstehung von um diese Erscheinungen zu beseitigen, 
Pickel, Pusteln und anderen Haute Pitralon wirkt in die Tiefe. Es öffnet 


unreinheiten liegt in den tieferen die Poren und Talgılrüsenausgänge 


Hautschichten. SauberkeitanderOber- der Haut, durchdringt die beiden 
liche der Наш allein hilft dagegen Hautschichten und vernichtet die ins 
nicht Esisteineindie Unterhautzellgewebe 
Tiefe dringende Des- 


infektion notwendig, 


D eingedrungenen 


Entzündungserreger 


PITRALON DOLCE «GABBANA 


PARFUM 


beseitigt Haulunreinheiten ` Lingwer-Werke, Dresden 


162: Portugal; BIZ 1928, 32 
163: Portugal; BIZ 1926, 23 
164: Pitralon; BIZ 1942, 13 
165: D&G; Max 2003, 5 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 269 


Warum Oma nicht 
wie eine 
Oma 
aussieht ... 


Amar эн ишт 


A mmer moment 
Suche voii 


DIE DREIFACH WIRKSAME 
INTENSIVPFLEGE FÜR REIFE HAUT: d 


mQ 
TÄGLICH NEUE LEBENSKRAFT FÜR REIFE HAUT. 


ме os keng — geng 
Kukident 


INT OPTIMAL 


Imlanyı 


Trockene Haut braucht 
ganz viel von Wenigem. 


wünsche werden 
wüstenrot 


166: Kukident; ST 1968, 27 
167: Nivea Vital; BG 2000, 22 
168: Imlan; BG 2007, 16 

169: Wüstenrot; ST 2001, 17 


270 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


3.4.7 Seriosität 


Eine erste Spezialisierung auf das Attribut Seriosität geben solche Anzeigen in den 
1930er Jahren zu erkennen, die Bilder zur Dramatisierung von Problemen — und nicht 
von Lösungen - nutzen (vgl. Abb. 170-173). So zeigt eine Anzeige von 1935 das Pho- 
to von einer nächtlichen Straße und berichtet im Text von einem tödlichen Autounfall, 
um vor diesem Hintergrund den Abschluß einer Lebensversicherung als sinnvolles, 
rational begründetes Handeln zu plausibilisieren (vgl. Abb. 172). Hier wie in anderen 
Fällen dient die Präsentation des »Faktischen« nicht nur der Herstellung negativer Ge- 
fühle, deren Beseitigung dann durch die jeweiligen Objekte in Aussicht gestellt wird. 
Bedeutsam ist vielmehr das Dokumentarische, das dem Werbenden einen seriösen 
Charakter vermitteln soll. Dieser wird in einer sachlichen (Bild-)Sprache manifest, die 
die unangenehme Wahrheit nüchtern ins Auge faßt. Überhaupt ist die Gestaltung des 
Seriösen durch einen sachlichen Stil gekennzeichnet. Typisch ist z.B. eine räumliche 
Distanzierung der abgebildeten Objekte, die um so auffälliger ist, als sich Nahaufnah- 
men im Kontext anderer Images zunehmender Beliebtheit erfreuen. Im Unterschied 
zur frühen Reklamephotographie, die ähnliche Darstellungsweisen zur Illustration des 
jeweiligen Angebots nutzt, erscheinen solche Inszenierungen jetzt in einem anderen 
Licht – nämlich in einem Image-Licht. Erkennbar wird nun die gezielte Vermittlung 
von Eindrücken des Einfachen, Sachlichen und dadurch Seriösen. Dies gilt um so 
mehr, als andere Image-Programmierungen im Laufe der Jahrzehnte bunte Bildwelten 
entfalten, die mit solchen gestalterischen Selbstbeschränkungen kontrastieren. Am 
Ende der 1950er Jahre konsolidiert sich ein Anzeigentypus, der sich wie die traditi- 
onellen Zeitungsinserate auf den Text stützt, im Unterschied zu diesen aber jetzt als 
Image lesbar wird (vgl. Abb. 174-177). Selbst textbasierte Anzeigen verdeutlichen 
jetzt als Bild, daß es in den jeweiligen Reklamen (im Unterschied zu anderen) um 
die Mitteilung reiner Informationen geht. Eine Extremvariante dieses Images liegt in 
Anzeigen vor, die das Layout des redaktionellen Umfelds mimetisch imitieren (u.a. 
Satzspiegel, Schriftschnitte; vgl. Abb. 175).276 Im Zuge des Strukturwandels in Rich- 
tung moderner Image-Kommunikation werden die historisch weit zurückreichenden 
Formen sprachlichen Überzeugens also keineswegs obsolet. Im Gegenteil! Sie gewin- 
nen eine besondere Relevanz, und zwar — nur scheinbar paradox - als Bild. 

Neben und mit der nüchternen Gestaltung entfaltet sich die Programmierung des 
Seriösen über die sichtbare Markierung von Rollenträgern und dazugehörigen Kontex- 
ten. Insbesondere die Vorführung professioneller Experten gehört schon früh zu dem 
Repertoire des Versuchs, glaubwürdige und vertrauenerweckende Image-Attribute 


276 Mit einer solchen Inszenierung von Nicht-Inszenierung kann z.B. auch auf prekäre The- 
men reagiert werden, die die Identität der adressierten Rezipienten (Interessenten) proble- 
matisch berührt (z.B. körperliche Gebrechen wie Inkontinenz). Die betonte Nüchternheit 
in der Präsentation soll dann den Eindruck verstärken, daß es sich um ein gewöhnliches 
Problem handelt, das reife Menschen offen ansprechen und angehen können. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |271 


herzustellen. Bilder von Köchen, Ärzten, Ingenieuren oder Professoren sollen die im 
Alltag verankerte Vorstellung von der Seriosität dieser Berufsstände wachrufen, treu 
dem Motto »die müssen es ja wissen« (vgl. Abb. 182-183). Beliebt ist vor allem die 
(Natur-)Wissenschaft als Instanz seriöser Wissensproduktion; sie wird schon seit den 
1930er Jahren z.B. über Bilder von Laboratorien und den dort arbeitenden Forschern 
in Szene gesetzt (vgl. Abb. 178-180). 

Personifiziert, und d.h. immer auch sichtbar gemacht, wird Seriosität weiterhin 
über den Einsatz älterer Darsteller. Vor allem Männer zwischen 45 und 60 Jahren treten 
schon seit langem und bis in die Gegenwart immer wieder als Könner, Experten und 
Leistungsträger auf. Die souveränen Macher, deren Alter an korporalen Alterszeichen 
(graue Haare, Brille, faltige Haut usw.) zu erkennen ist, verfügen nach Auskunft der 
Werbung im Unterschied zu ihren jüngeren Kollegen über eine Lebenserfahrung, Be- 
sonnenheit, Ruhe, Umsicht und Klugheit, die sie in diesem Kontext zu geeigneten 
Image-Generatoren macht 277 Als reife Persönlichkeiten stellen sie eine Distanz zu 
den Problemen der Gegenwart her, die ihnen im Gegensatz zu den Hitzköpfen der 
jüngeren Generation zielorientiertes Handeln auch unter schwierigen Bedingungen 
ermöglicht. Auch ältere Männer statusniedrigerer Berufe (z.B. Handwerker, Verkäu- 
fer) symbolisieren immer wieder besondere Erfahrenheit und Vertrauenswürdigkeit 
und fungieren dementsprechend als Image Träger des Seriösen.?’® 

Eine weitere Variante dieser Programmierung sind die sogenannten Testimonials. 
Sie arbeiten am Eindruck des Echten, Glaubwürdigen und (daher) Seriösen, indem 
sie yechte< Individuen vorführen, die die Objekte positiv beurteilen und sich zu dieser 
Einschätzung öffentlich bekennen. Schon 1930 findet sich im hier zugrunde gelegten 
Datenbestand ein Frauenportrait, dessen Inszenierungsweise den Eindruck erweckt, 
in der Anzeige äußere sich eine lebenswirkliche Konsumentin zu Wort (Biomalz, BIZ 
1930, 40; vgl. Abb. 186; zu ähnlichen Inszenierungen vgl. Abb. 187-189). Bis in die 
Gegenwart werden derartige Bekenntnisse mit sachlichen Bildern vorgeführt und mit 
»echten«, z.B. vergleichsweise weniger gut: aussehenden Darstellern so umgesetzt, 
als zeige die jeweilige Werbung Menschen in ungestellten Alltagssituationen (beim 
Einkaufen im Supermarkt, beim Wäschewaschen, beim Joggen im Park usw.).27? 


277 Diese positiven Eigenschaften des Alter(n)s sehen im Blick auf die aktuellere Werbung 
auch Knegendorf (1989) und Kochhahn/JäckeV/Rick (2002). 

278 Inder jüngeren Werbung sieht man sehr häufig Prominente, deren höheres Alter durch- 
aus zum anvisierten Image paßt: So »managt« der gereifte Uli Hoeneß Wertpapiere 
»bei Deutschlands bestem Online-Broker« (Consors, ST 2000, 13), während der al- 
tersweise Heiner Geißler Werbung mit seinem konstanten Image als CDU-Querdenker 
macht (»Ich schätze Zeitungen, die gern gegen den Strom schwimmen«, Die Woche, 
Max 1997, 12; vgl. Abb. 189). 

279 Im Längsschnitt läßt sich eine Perfektionierung der Gestaltungsmittel feststellen: So wer- 
den z.B. seit einigen Jahren immer wieder Spots gezeigt, die mit verwackelten Videobildern 
arbeiten, so als habe ein Amateur spontan eine Szene in seiner Umgebung festgehalten. 


272 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Wie im Falle anderer Image-Programmierungen steht die Auswahl dieses Krite- 
rienkomplexes oft in einer systematischen Beziehung zu den beworbenen Objekten: 
Mit seriösen Images wird vor allem dann geworben, wenn das Angebot Risiken in 
sich birgt und die Herstellung von Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu einer wichtigen 
Akzeptanzbedingung der Kommunikation wird. Versicherungen, Banken oder Me- 
dikamentenhersteller operieren daher besonders häufig mit diesem Image-Komplex. 
Aber auch dann, wenn Unternehmen eine Imagepflege betreiben, die über die einfache 
Produktwerbung hinausgeht (z.B. Sponsoring), oder wenn Non-Profit-Organisationen 
im Rahmen des Social Marketing Probleme wie Armut, Krieg oder Umweltzerstörung 
thematisieren, ist das Image des Seriösen und gewissermaßen Imagelosen immer wie- 
der beliebt. Nicht zuletzt spielt es eine zentrale Rolle bei der sogenannten Wahlwer- 
bung. Wenngleich für politische Parteien unterschiedliche Images mit verschiedenen 
semantischen Schwerpunktsetzungen konstruiert und reproduziert werden, sodaß man 
durchaus auch von politischen Image-Kulturen in der Werbung und durch die Wer- 
bung sprechen kann, ist nicht zu übersehen, daß die Werbung für diesen Gegenstands- 
bereich bestimmte Programmierungen systematisch unterläßt und parteiübergreifend 
bevorzugt Eindrücke von Seriosität und die damit in Verbindung stehenden Attribute 
(Aufrichtigkeit, Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit, Sachlichkeit, Sachkompetenz) ins Bild 
setzt. Auch die immer wieder festgestellte — und keineswegs neue?° — Personalisie- 
rung politischer Themen in der Wahlwerbung macht dies deutlich: Trotz einer gewis- 
sen Flexibilisierung der Darstellungsformen und trotz einer zunehmenden Freiheit der 
Kontextierung politischer Figuren in den letzten Jahren ist eine bis in die Gegenwart 
anhaltende Gebremstheit der Ausnutzung verschiedener Glanzeffekte zu beobachten, 
die in anderen Images (z.B. der Konsumgüterwerbung) zum Einsatz kommen. Ein 
zentrales, wenn nicht das zentrale Moment vieler Wahlwerbungen besteht nach wie 
vor darin, das menschliche Antlitz prominenter Persönlichkeiten der jeweiligen Par- 
teien in einem tendenziell sachlichen Licht und einem neutralen Setting zu zeigen 
und diese Bilder zum Bezugsrahmen des Ausdrucks von Echtheit, Authentizität und 
Sachlichkeit zu machen. 


280 Das zeigen z.B. Gries u.a. in ihrer Analyse der Werbung zur Bundestagswahl 1957 
(vgl. 1995, 99-103). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |273 


Gerade so geht es 


auch Ihnen ohne 


~ 


тен Modell 2 


Preis 38 Mark 


Capazität: 999,999,999, 


ziert, diridiert, p 
radizlert ete. 


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München 20, Neuhausersir. 9 
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ekrankheiten. Schnupfen. Hasen Неше, gag 
Bogt ‚hin der Zen pi 


en Angri сы die D'Zeen 
oberen Lunwege. — Meiben diese ungeschlig. 
werden die natürlichen Abwehrkrd 
lich doch übertannt, und die 1830 


oa it штел 


Sich vorsehen, genügt nicht, 
Sio müssen sich schützen! 


Eine kröftige Mundspühung mit ODOL überzieht Фе Séien, 
1 Mund- und Kachenhöhle mit einer йм, ш, 
ch wirksamen Schwisschi.ht, die dager Zeit ен 
Tëlee Bakter TO 

мез hindert Spü also mohrmahs am Tape Ae 
Musd mit Ode d belebt außerdem, ам уы 
aen das wohll icherbeit. das Ihre Mag, 
ht асанов der Ansteckungsgeichr aus dat Lah 


behütet Ihre Gesundbeit 


organe 
ausgi 


170: Omega; BIZ 1906, 5 

171: Forman; BIZ 1907, 9 

172: Gem. d. Lebensversicherungen; BIZ 1935, 10 
173: Odol; BIZ 1941, 36 


274 | 


Interessantes aus dem größten 
Hotel der Welt 


In jedem Zimmer 
ein Fernseh-Apparat 


Horre найме um $ Ошде m 
e Той don Naben des д. серанд 
Alte. Ass Manch in ба Роот om. 
19009 Werer ie de ben be 
беднее nhi der be Die 1900 Sen 


beer EE teen 
D fomgreiber mi eren Арты ie 
менан. Uber мй. 


a Dale безет» die Bahnen 
bet дне wunde im Wilde. Aa 


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дуб Kahes reen. Die Ebbe 
S mien Prin, der beer Ee be 
D mob dem Geh beten Одди 


Sprechen diese Zahlen nicht eine deutliche Sprache? = Nw Güte der Wen sad 
; Мида in der Reklame kann Едра заден, wie а Коев Hog in dem 
25 Jahven seines Besichom im der ganzen Wek engen hat 
e Kakoa Hag ей л und owd засва те von бетде Seberner eide Ал, 
rr daher völlig unschädlich E besteht eener, edehten Hodhgenächren, Gesdnsds 
und Arema und abe se baste Diane Узе haben ba de Seege und 
į Anerkennung roe Misean Mendan in Y? Linden der Weh versde 


2 Jede Bohne: Qualität, jeder Tropfen: Genuß, 
jede Tasse: Gesundheit - das ist Kaffee Haat 


Für erstaunlich 
viele Rasuren ... 


Super Silver, 
die Dauerklinge 
von Gillette 


174: 
175: 
176: 
177: 


Kaffee Hag; BIZ 1931, 45 
Kristinus; ST 1954, 18 
Gillette, ST 1968, 27 
Phrix; ST 1968, 27 


IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


pas Leben ist 


wieder lebenswert! 


inter uns liegen Jahre, die uns bente wie 
ук Traum erscheinen. An die Tür eines 
pochte damals die Sorge, wmd mach den 


Ae Leben nicht mehr hoch bewerteten _ 
[ше der Leben seinen Siam verloren! 

Die natürliche Folge war der. Verlen 
der gelinfigsten Wertmahstäbe, nach 
wir most unser Denken und Handeln 
Selbst ein ко alliägliches Bedürfais 
de Ensen hatte für uns einen völlig über: 
‚en Wert bekommen; war doch jeder bis 
Inserste beherrscht von dem Gedanken, 
bet etwas Eühares anfzutreiben. Und 
gierten wir nach Alkohol und Niko. 
Mile und ungrzügelt gaben wir uns 
lebensgenänsen him und dachten kaum 
daß sich dünnen vernunftlose Trriben 
en würde, dah unser Organismus 
1 nicht mehr mitmachen und us 
bhe Rechnung präsentieren Könnte. 

besichen hat sich vieles von Grund auf 
Dis Leben ist wieder Iebenswert, und 
empänden Gesundheit wieder als das 
Gut. Wir haben im Genichen za jener 
kung zurückgefunden, veæderGorthe 
Zb sich in ihr der Meister zeige. Wir 
wicht che, ohar ans Morgen zu denken, 


воет MUNCHEN 


Diese Entwick hung neichnese sich кый aller 
Deutlichkeit auch heim eschen ab. Nach der 
Zeit,in der wir cin Vermögen für eine Stange” 
Zigaretten angegelen haben, kamen die Jahre 
des wilden und maisses Wencke, Ihnen 
folgte die Tendenz nur keichteren Zigarette 
und тип Filter-Rauchen, eine Tendens, die 
immer stärker wird. Und als vor Jahrentrist 


die LORD mit Filter erschien, bewies ihr suber- 
wewühnlicher Erfolg, dab sie einem echten Be- 
Biefeis der heutigen Zeit entspricht. Dies um 
rm mehr, als sie mit einem besonders wirk- 
samen Filter amgerüstet int. 

Der Mikre-Feinfilter, der für die LORD in 
jahrelanger Arbeit von Tabak fachleuten und 
Wissenschaftlern grechaflen wurde, absorbiert 
osent des Nikotins und eben. 
* und der Ware, die im Rauch 
enthalten sind. Dieses Маб an Alsorptien ist 
weit höher als bei irgendeiner anderen Fi 
Versigarette und ergibt eine ungewöhnliche 
Steigerung der Bekömmlichkeit Und trotz 
dieser starken Filterwirkung bietet die LORD 
dem Raucher den Gemuh einer becharcama- 
tischen, wäruigen Zigarette. 

Raahen mit Verstand — dieses Gebot ist 
gültiger denn je. Auch Sie sellen es befolgen. 
Das Leben kann ja so schön sein, wenn man es 
nur richtig, wenn man es mit Verstand рте. 


Das ist eine Anzeige 

des “unbekanntesten” 
Chemiefaser-Herstellers 
in der Bundesrepublik. 


keng Kane? Immerhin haben 


Obschon wir өөй über drei „ahrzehnuen Сме 
meinen Fermeien Lind том Se achiechtenen 
Doch we haten өө ne эл de große Locke perange 
Murktforscher sagen Unbekannthent 
Darm woren mr denen Zustand 
et andern Denn unsere Produate brauchen sch 
wirklich nicht га verstecken. Man kauft sie gern 
Man schätzt Ave Eigenschaften Haben бе Markt 
foracher eren 


TEEN 
reng 
freche Вата Protiemione Frei 


neen Fasern 
und Stede Naschtene 
эле Dessen 

enden Dekorative Устае, Tepora vg 
sere Prodate veger wenn 
ве Namen poder Testitumen ge Моде machen 
Ола dese Namen kennt jeder Ten eter 

Unsere Fanermarken: Redon”, Shs", Perion” 
чол Phris, Phrysn”, Phrilan", Pieter Sr" Reyon 
won Presa 

Unsere Anschrit Pfrin.Werke AG Hanturg 


Pav 


Phrix 


3. De ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG 


| 275 


ROTBART/ MOND-EXTRA 
RASIERKLINGEN 


On diese 
Taschen 


Ee 


178: Rotbart; BIZ 1930, 40 
179: Trilysin; BIZ 1937, 18 
180: R 6; BIZ 1935, 10 
181: Alpecin; BIZ 1934, 5 


Rotn-Büchner A-G. Bessen für Rasierapparate u Ranierkingen. Berlin-Tempelhof 40 


Der nene 
MWirkitoff 


im 
Trilysin: 


Mit offenen Karten 


spielen — dan int ALPECIN-Prinzipl Als 
nichel AgebautesHoorpfiege 
aus seiner Zusommensetzung 


Des 
wë 


уй 


Schuppen und Has 
ousfoll erfolgreich bekömp 
беп und kräftigen Neu 


276 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


| wanderm fett verständlich 
| ae eine: „Verstehe! beim Fang 
Almin ist wirklich das Besk? Essen 
Summe are Ў LEA & 
PERRINS 
SAUCE 


vergessen! 


Auf diese Steine können Sie bauen 


Mund Hitte von aut; sie haben 


ZAHNARZT zx FRISCODENT 


FRISCODENT. 


182: Palmin; BIZ 1909, 18 

183: Lea & Perrins; BIZ 1929, 36 
184: Friscodent; ST 1949, 49 
185: Wüstenrot; ST 1963, 6 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |277 


Iech Philips-Fern2 ber 12 Millionen 


geräte gibt es in aller Welt. Warum?” 


sch 


mag Biomals nicht missen, denn es hilft тїгї 


u |. nimm doch 


FREE H 1 LI 5 
к=) seg P 
Y хет» 


Fernsehen 


Ich schätze Z 


Strom schwimmen. 


Gut zu wissen 


SE nl сй Kein Wischi 


186: Biomalz; BIZ 1930, 40 
187: Philips; ST 1965, 15 

188: n-tv; ST 1997, 15 

189: Die Woche; Max 1997, 12 


278 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


3.4.8 Menschlichkeit 


Bekanntlich wird das symbolische Universum der Werbung nicht selten als ein Reich 
der Abundanz identifiziert, in dem die Unzulänglichkeiten des »wirklichen« Lebens 
getilgt sind. Auch im hier untersuchten Material bilden Images einen Schwerpunkt, 
die eine Welt der Jungen, Schönen und Reichen vor die Augen der Betrachter führen. 
Daß man hieraus jedoch keineswegs eine allgemeine Grammatik der Werbeinszenie- 
rungen ableiten kann, zeigen neben diversen anderen die hier unter der Überschrift 
Menschlichkeit subsummierten Image-Programmierungen. Bemerkenswert sind 
diese um so mehr, als sie — etwa im Unterschied zu Entwürfen von Erlebnis, Erotik 
oder schichtorientiertem Status — nicht auf spektakulären Bildern, sondern auf einer 
Ästhetik des Gewöhnlichen basieren, die leicht übersehen wird. 

Ein frühes und bis heute genutztes Stilmittel der Herstellung von Menschlichkeit ist 
Humor. In humoristischen Werbetexten, die bereits in den textbasierten Anzeigen um 
1900 vorkommen, kann man einen Vorläufer späterer Image-Konstruktionen sehen. Der 
Mehrwert dieser Texte über das rein Informative (Produktpreise, Händlernamen u.a.) 
hinaus besteht darin, daß der Absender den Adressaten nicht als rational agierenden 
Konsumenten, sondern als Wesen mit Emotionen anspricht und sich zudem selbst als 
Persönlichkeit mit Gefühlen zu erkennen gibt. Humor dient demgemäß nicht nur der 
Steigerung von Aufmerksamkeits- und Erinnerungsleistungen,®! sondern zugleich der 
Erzeugung von Identitätswerten, die auf das beworbene Objekt bezogen werden sollen. 
Die zunächst immer wieder eingesetzte Karikatur leistet eben dies nicht und muß durch 
imageorientierte Humorinszenierungen ersetzt werden (vgl. Abb. 190, 191, 193). Bei 
aller Verschiedenheit der Themenkontexte besteht eine wesentliche Gemeinsamkeit der 
sich im Laufe der Zeit entwickelnden Formen darin, daß Menschlichkeit über Hinweise 
auf Unzulänglichkeiten konstruiert wird. Angesprochen werden z.B. die kleinen Schwä- 
chen und die kleinen Macken der Protagonisten, die diese aber gerade nicht als defizitär, 
sondern als menschlich und (daher) liebenswürdig erscheinen lassen. Als Beispiel sei 
eine Anzeige erwähnt, die einen Mann zeigt, dessen froher wie zugleich sorgenvoller 
Gesichtsausdruck (lächelnder Mund und Stirnrunzeln) die Problemlage zum Ausdruck 
bringt, die ihn so menschlich und gewöhnlich macht: »In jedem Mann steckt ein klei- 
ner Mann und der will Beech-Nut [...] ein Kaugummi, der schmeckt« (Beech-Nut, ST 
1965, 15; vgl. Abb. 196). Das Scheitern im ästhetischen Handeln, das z.B. durch offen- 
kundig unpassende Kleiderzusammenstellungen sichtbar gemacht wird, ist ein weiteres 
Beispiel der Herstellung von Sympathiewerten. Auch der dezidierte Verzicht auf gute 
Gestaltung kann analoge Images generieren. So operiert eine Anzeigenkampagne für 
einen Tequila-Hersteller mit dem Charme einer dilettantischen Gestaltung, um den net- 
ten Charakter des Produkts zu veranschaulichen (innen gut, außen mit Hut«; vgl. Abb. 
201; vgl. auch Abb. 200). 


281 Daß und inwiefern Humor ein wichtiges Werbeelement zu diesen Zwecken ist, disku- 
tiert Felser 1997. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |279 


Der Zielrichtung des Lobs des Menschlichen im Menschen entsprechen systemati- 
sche Abweichungen vom Übermenschlichen, das in den hochentwickelten Schönheits- 
standards anderer Imagekomplexe Gestalt annimmt. Durchschnittlich und gewöhnlich 
aussehende Menschen bestimmen das Bild und treten als spezifische Image-Medien 
um so mehr hervor, als die Image-Selektivität der Darsteller unter Gesichtspunkten 
des korporalen Erscheinungsbildes im Laufe der Entwicklung prinzipiell zunimmt. 
Eine Anzeige von 1952 läßt keinen Zweifel mehr daran, daß der abgebildete Mann 
in seiner konkret sichtbaren Erscheinung als gut gelaunter Jedermann in Erscheinung 
treten soll, der sich als solcher gezielt von Images des Jugendlichen, der »guten« Erotik 
oder des exklusiven Status absetzt (vgl. Abb. 192, 194, 195). Evidenterweise fungiert 
hier ein menschlicher Mensch als Sympathie- und d.h. Image-Träger, wobei der Kör- 
per und dessen Ausdruck (Mimik) das Image festlegen, weil sich die Abbildung (fast) 
auf diese beschränkt. Beispiele wie dieses zeigen, daß auch körperästhetische Mängel 
(Korpulenz, Glatze, schiefe Zähne usw.) im Rahmen dieses Image-Komplexes keine 
Seltenheit sind. Ja immer wieder weisen körperliche Defizite gezielt auf eine Mensch- 
lichkeit hin, die im Bedeutungshorizont des beworbenen Objekts als Kriterium der 
Positivbewertung fungiert — so z.B. dann, wenn Körperfülle eine genuß- und freud- 
volle Lebensführung bedeuten soll. 

Vor allem die Darstellung des Gesichtes spielt weiterhin eine große Rolle, wenn 
es der Werbung darum geht, Menschlichkeit als Image-Wert zu entfalten. Deutlich 
wird dies insbesondere an solchen Photographien, die das Antlitz als Spiegel der Seele 
bzw. der »Tiefe< menschlicher Erfahrungen in Szene setzen. In der jüngeren Werbung 
wird das Gesicht darüber hinaus zudem als Ausdrucksmedium essentieller mensch- 
licher Erfahrungen genutzt. Die Enträtselung des Werbetexts »The more you know« 
gelingt mühelos in Kombination mit einer Schwarz-Weiß-Photographie eines älteren, 
rauchenden Mannes, dessen introspektiv-kontemplativer Blick und dessen markante 
Gesichtszüge sich von einem schwarzen Hintergrund abheben. Das Bild will ein tie- 
fes, an substanziellen Erfahrungen reiches Wissen neben und mit dem Attribut Männ- 
lichkeit als Image-Wert erschließen und sich so als adäquate Zigarettenmarke an reife 
Konsumenten empfehlen (vgl. Abb. 99). Ähnliches geschieht mit dem Photo eines 
etwa 60-jährigen Charakterkopfs, der in einer Anzeige für die »Schweizerische Ren- 
tenanstalt« zum Einsatz kommt. Der Bildbetrachter kann die von Falten gezeichnete 
Gesichtslandschaft des Mannes als Ausdruck gelebten Lebens, als eine verkörperte 
Biographie lesen, wobei die Bildunterschrift »Das Lebens ist ein Roman« diese Lesart 
unterstützt. Selbst die »letzten Fragen« des Menschen will der Versicherungsanbie- 
ter zufriedenstellend beantworten, wenn er verspricht, den »Roman des Lebens« mit 
einem Happy End abschließen zu können (»wir sorgen dafür, daß er gut ausgeht«, 
Schweizerische Rentenanstalt, ST 2000, 43; vgl. Abb. 197). Im Bild des reifen Lebe- 
mannes, der dem Betrachter frohgemut in die Augen blickt, verschränken sich nicht 
zuletzt Sterblichkeit und Sterblichkeitswissen als basale Aspekte des Menschseins im 
Rahmen positiver Vorzeichen, die mit dem Image des Werbenden verknüpft werden 
sollen. 


280 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Eine andere Dimension des Menschlichen manifestiert sich in Inszenierungen 
lebensweltlicher Kontexte. Weder die Ausgestaltung der materiellen Sphäre (Klei- 
dung, Möbel, Autos usw.) noch die der sozialen Anlässe zielt dann auf die Herstellung 
von Exklusivitätseindrücken. Gezeigt wird vielmehr die Konsumwelt des »Otto-Nor- 
malverbrauchers< und gängige Alltagssituationen: Das Gespräch zwischen Nachbarn, 
die Arbeitspause unter Kollegen oder das kleine Glück nach Feierabend sind solche 
Slice-of-Life Geschichten. Die Arbeit am Sichtbaren dient hier der Herstellung einer 
Menschlichkeit, die als das Durchschnittliche identifiziert wird. Selbst der Lebensstil 
des kleinen Mannes und der kleinen Frau kann dabei als durchaus erstrebenswert, da 
menschlich vorgeführt werden, wobei die Visualisierung des emotionalen Vermögens, 
sich an den kleinen Dingen im Leben zu freuen (ein nettes Wort, ein Bonbon, eine 
Blume u.a.), eine große Rolle spielt (vgl. Abb. 55, 202). Dazu paßt, daß gerade für 
diesen Imagekomplex Inszenierungen spezifischer Formen sozialer Nähe charakte- 
ristisch sind. Im Unterschied zu Darstellungen erotischer Intimität modellieren die 
Bilder hier eine besondere Tiefe von Freundschaften, wobei die emotionale Nähe und 
Vertrautheit der Akteure meist durch eine räumliche Nähe sowie entsprechende Be- 
rührungsformen zum Ausdruck gebracht wird (vgl. Abb. 203 u. 204). Einen typischen 
Kontext bildet die Darstellung von Familien. Die visualisierte Herzlichkeit und Wär- 
me zwischen den als Eltern und Kindern inszenierten Individuen fungiert oftmals als 
Image-Wert des beworbenen Objekts. Bevorzugt werden solche Images für Süßwa- 
ren, Kindernahrung und Körperpflegeartikel entworfen, also dann, wenn die Produkt- 
nutzung Interaktionen im sozialen Nahraum wahrscheinlich macht. Die seit einigen 
Jahrzehnten weitgehend kontinuierenden Imagewelten der Marken »Mon Cherie« 
und »Merci« (»die Schokolade mit Herz«) sind dafür prägnante Beispiele. Neben 
den Körperarrangements spielt die Verwendung warmer Farben eine wichtige Rolle 
bei der Vermittlung von sozialer Nähe, Geborgenheit und Harmonie. Bemerkenswert 
sind in diesem Zusammenhang TV-Spots, deren Möglichkeiten einen Handlungs- und 
Erlebnisraum entwerfen, dessen Komplexität erheblich über die Printwerbung hinaus- 
geht. Anwendung finden diese Möglichkeiten z.B. in Skripts, bei denen Produkte ein 
gemeinschaftliches (Spaß-)Erleben initiieren, in dem das Menschliche im Menschen 
offenkundig ethnische, subkulturelle und alterklassenbedingte Unterschiede im Medi- 
um sozialer Nähe transzendiert. Auf entsprechende Image-Kommunikationen setzen 
z.B. seit längerem Spots für die Marken »Coca-Cola« oder »Langnese«.232 

Eine Entwicklung der jüngeren Vergangenheit stellen solche Images dar, deren 
Identitätskern über die Stilisierung echter und d.h. hier verletzlicher Menschen gebil- 
det wird. Die Akteure erscheinen dann in einer Aura des Gebrochenen, des Leidenden 
und des (daher) Tiefen und Geheimnisvollen, die in einem irritierenden Kontrast zu 
der glatten Oberflächlichkeit manch anderer Images steht. Ein Beispiel ist das Mo- 


282 Zu einer ausführlichen Analyse, die die Herstellung einer Erlebnisgemeinschaft in die- 
sem Themenkontext mit der Methode der objektiven Hermeneutik rekonstruiert, vgl. 
Englisch 1991. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 281 


tiv der morbiden Kindfrau, deren Wesen als Mischung aus kindlicher Unschuld und 
Naivität einerseits und existentieller Lebens- und Grenzerfahrenheit andererseits in- 
szeniert wird (vgl. Abb. 243). Instrumente der Sichtbarmachung sind z.B. eine harte 
Lichtführung, die kleine Hautfalten hervortreten läßt, sowie eine kosmetische Be- 
handlung des Gesichts, die Hautblässe und Augenringe simuliert. Stilbildend sind 
weiterhin die wiederkehrende Bevorzugung schwarzer Kleidung und Körperbema- 
lungen (Lippenstift, Nagellack), an denen sich Eindrücke von depressiver oder mor- 
bider Düsterkeit festmachen. Körper, die über das gewöhnliche Schlankheitsideal der 
Werbung hinaus dünn sind und fragil oder gar krank wirken, sowie leere, in ein ima- 
ginäres Nichts gerichtete Blicke verstärken zudem den Eindruck, daß die gezeigten 
Personen existentielle (Grenz-)Erfahrungen hinter sich haben und von ihnen berührt 
und geprägt sind. Die abgebildeten Personen werden mit den besagten ästhetischen 
Mitteln auf den Kern einer individuellen Identität reduziert, die in empfindsamer, ver- 
letzlicher und unvollkommener Körperlichkeit verkörpert ist. Im Unterschied zu den 
übernatürlichen Perfektkörpern anderer Images setzen diese Bilder auf die Sichtbar- 
machung echten und authentischen Menschseins. Geradezu programmatisch entfal- 
ten bestimmte Parfumreklamen seit den 1990er Jahren, wie z.B. die Kampagnen für 
Calvin Klein, diesen Körperpurismus. Der Bildaufbau und die Nüchternheit der Licht- 
führung erinnern an die schlichte Ästhetik des Paßbildes und präparieren den Kör- 
per als Ausweis der Person. Selbstberührungen wie die vor der Brust verschränkten 
Arme signalisieren dann nicht wie im Rahmen anderer Images die Wertschätzung des 
eigenen Körpers, sondern vermitteln den Eindruck eines beziehungs- und schutzlosen 
In-die-Welt-geworfen-Seins. Der Betrachter einer solchen Reklame soll nichts als das 
Wesen in der menschlichen Gestalt und im menschlichen Antlitz erblicken — wobei 
im Falle von Calvin Klein der Produktname als unterstützende Verstehensanleitung 
fungiert: »Be« (vgl. Abb. 243). Das inszenierte Sein der Person schrumpft hier darauf 
zusammen, mit dem Körper in der Welt verortet zu sein. Der Körper erscheint als 
Letztelement, dem in einem weiten und haltlosen Raum allein noch Vertrauen gebührt 
und Glauben geschenkt werden kann.?% 


283 Insbesondere die sozialstrukturell und kulturell verschärfte Schwierigkeit, sich selbst 
und den anderen noch als einheitliches und stabiles Selbst zu erfahren, legt es nahe, den 
Körper als Basis von Identität zu betrachten, aufzuwerten und entsprechend zu insze- 
nieren. Seine Materialität signalisiert bei zunehmender Mittelbarkeit, Inkonsistenz, An- 
omie und Fremdheit der (inter-)personalen Beziehungen um so mehr »Unmittelbarkeit, 
permanentes Vorhandensein, Gegenwärtigkeit. An ihm können Wirkungen bewirkt und 
konkrete, selbstinitiierte Kausalketten zumindest in einem mittleren Bereich erfahren 
werden.« (Bette 1987, 607) 


282 | 


Reiten Sie mich! 


Ich gehe zu Grunde, wenn 
mein Rad nicht mit 
New-Departure 
ausgerüstet wird, 


Za beziehen in jedem Fahrrad und durch jede Fahrradhandlung, 
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Echter deutscher Weinbrand 


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190: New Departure; BIZ 1907, 9 
191: Ullstein; BIZ 1919, 44 

192: Egon Braun; BIZ 1920, 49 
193: Tempo; ST 1952, 9 


IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Aufbruch 


„Unsinn, Thu 
brauchs nic 


zur Völkerwanderung 


snelda! 


Ulistein-Schnittm 
nsere Völker 
egste überall unter 


== 


ж verschnupft - sie ist „verschnupft % 
ein Hühnchen wird sogleich gerupft. 
Drum Ehemann, sei still und klug, 
kauf’ dir ein TEMPO-Taschentuch.“ 


* Gemeint sind die millionenfach bewährten TEMPO- Taschentücher, 
die danernde Selbstansteckung vermeiden, die Schw baier 
und das Waschen ersparen, Sie sind hygienisch, billig 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |283 


Хото! белден ой 
avorbernnane 504 1806 
Torden т Delfruesiand 


пей ан + 
Swiss Life + 


Beech-Nut - überall in der Welt beliebt - ein Kaugummi, der schmeckt Dal: ENTER I Бр 


194: Doornkaat; BIZ 1926, 23 

195: Astra; ST 1952, 9 

196: Beech-Nut; ST 1965, 15 

197: Schweizerische Rentenanstalt; ST 2000, 43 


284 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


| ter Weihnachtsmann, 
ar BI icht so böse Lee 
Schenk’ m n or 
ich will auch immer artig 


Ё fitter werden. 


www. fitforfun.msn.de/trainer e 
Sierra Tequila. Innen gut, außen mit Hut. 


wen.vierretegulia.ee 


198: AOL; Max 2003, 12 

199: AOL; Max 2004, 10 

200: msn; Max 2003, 9 

201: Sierra Tequila; Max 2004, 12 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 285 


k e 
E 
König 
R "аме 
Klar und rein, das ist wichtig- А 


Schinkenhäger der ist richtig! 


202: Schinkenhäger; ST 1960, 45 
203: Quelle; BG 2007, 5 
204: DB; ST 2007, 28 


у: 

gl dur: 

der welt 
QUELLE 


AA 


286 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


3.4.9 Erotik 


Die Inszenierung von Erotik spielt in der Werbung bekanntlich eine besonders wich- 
tige Rolle. Erotik geht in der Werbung fast immer mit Abbildungen einher, die (insbe- 
sondere über das Zeigen nackter Körperpartien) Schlüsselreize zur Geltung bringen 
sollen und dies offenbar auch verläßlich tun.”8* Die Werbungsproduzenten hoffen je- 
denfalls auf eine Reaktion beim Rezipienten im Stimulus-Response-Schema. Über 
die Aktivierung von Wahrnehmungen und Affekten hinaus geht es der Werbung je- 
doch immer auch um die sinnhafte Gestaltung von Erotik. Gerade im Bereich der 
Konsumgüterwerbung lassen sich früh solche Images beobachten, die erotische At- 
traktivität als zentrale Eigenschaft des jeweiligen Objekts markieren.?®° Vor allem 
dann, wenn die beworbenen Produkte eine Optimierung des Erotikkörpers in Aussicht 
stellen, wird der erotisch attraktive Körper als zentrale Dimension des vom Individu- 
um herzustellenden und darzustellenden Selbstes propagiert, und zwar im Rahmen 
von Images, die über spezifische Erscheinungsformen definieren, was unter guter Ero- 
tik zu verstehen ist. 

Die Entwicklung dieses Image-Komplexes beginnt im Zugriff auf Bildvorlagen 
anderer Gattungen. Weisser zufolge orientiert sich die Werbung im 19. Jahrhundert 
in puncto Körper- bzw. Erotikdarstellung noch fast ausschließlich an der Kunst und 
deren Bild der Frau, wobei dieses in der »ersten Blütezeit der Reklame« (zwischen 
1880 und 1930) durch die »drei wichtigsten Kunststile: Historismus, Jugendstil und 
Art Deco« geprägt bleibt (Weisser 1981, 7).286 Später ist es dann vor allem der Film, 
der eine Art Vorreiterrolle und Vorbildfunktion übernimmt. Begriffe wie Sexappeal 
oder Sexbombe sowie die damit in Verbindung stehende Ausgestaltung eines spezifi- 
schen Frauentyps entwickeln sich nicht nur mit der Werbung, sondern insbesondere 


284 Diese Reize scheinen selbst dann zu funktionieren, wenn die jeweiligen Rezipienten 
im entsprechenden Moment gar nicht spezifisch motiviert oder interessiert sind (vgl. 
Felser 1997, 90; Kroeber-Riel 1990, 69). Erotik, die lediglich für sich selbst Aufmerk- 
samkeit herstellt, nicht aber für die Handlung und den Sinnrahmen, in dessen Kontext 
das beworbene Produkt eine Rolle spielt, scheint empirischen Studien zufolge den stra- 
tegischen Zweck der Werbung oft nicht zu erfüllen: Erotik als Eigenwert wird im Ne- 
gativfall zwar wahrgenommen und erinnert, weiteres aber geschieht kaum (vgl. Felser 
1997, 315; Moser 1990, 92). Ja umgekehrt kann der Einsatz erotischer Werbung auf der 
Ebene der Werte und Einstellungen zu Reaktanz führen (vgl. Smith/Haugtvedt/Anton 
1996, 11 ff.). 

285 Vor allem Frauenzeitschriften spielen eine Vorreiterrolle als Werbebühnen erotischer 
Körperinszenierung und als Generatoren ästhetischer Leitbilder (vgl. Thoms 1995, 
243). Nimmergut datiert den regelmäßigen und stilistisch kanonisierten Einsatz von 
Erotik in der Werbung (mit einem Vorsprung der USA) auf die 1890er Jahre (vgl. Nim- 
mergut 1966, 54 f.). 

286 Vgl. zu dieser Einschätzung auch Thoms 1995, 247. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 287 


mit dem Film.?87 Bei aller Intertextualität”®® zu anderen Bereichen visueller Kultur 
sind jedoch auch im Zusammenhang der Erotikdarstellungen die werbungsspezifi- 
schen Formen symbolischer Generalisierung entscheidend. Sie prägen die werbliche 
Erotikkultur, die auf die Bestimmung erotischer Attraktivität (Erotizität) als Image- 
Wert spezifiziert ist. 

Schon ab den 1920er Jahren wird die Präsenz erotischer Reklamebilder zum The- 
ma kritischer Diskurse in den allgemeinen Publikumsmedien, 2°? und im Zusammen- 
hang mit der zunehmenden Verbreitung massenmedialer Erotikangebote überhaupt ist 
dann in den 1950er Jahren von einer »Sexualisierung« oder »Erotisierung« der Gesell- 
schaft die Rede — meist im Sinne einer für problematisch gehaltenen Entwicklung, "20 
für die nicht zuletzt die Werbung verantwortlich gemacht wird.??! 

Im Blick auf das Untersuchungsmaterial ist die zunehmende Bedeutung und in- 
szenatorische Vielfalt von Erotikdarstellungen im Laufe des 20. Jahrhunderts nicht zu 
übersehen. Während der Einsatz von Erotik um 1900 noch auf die Reklame für solche 
Produkte beschränkt ist, die selbst in engster Weise mit Erotik verbunden sind — so 
z.B. »interessante Lectüre für Herren!« oder (Damen-)Unterwäsche (vgl. Abb. 205, 


287 Vgl. Nimmergut 1966, 39-50. 

288 Daß und inwiefern werbliche Körperschönheitsideale mit solchen Idealen in einem 
wechselseitigen Beeinflussungsverhältnis stehen, die in der Mode, über Filmstars, 
Mannequins oder durch die Schaufensterpuppengestaltung vermittelt werden, zeigt 
ausführlich Thoms 1995, 266-272. 

289 Vgl. Thoms 1995, 245. 

290 1955 formuliert z.B. Schelsky in Bezug auf die »Sexualisierung« der öffentlichen 
Sphäre: »Dies ist nun genau der Mechanismus, mit dem die westliche Zivilisation auch 
die unerhörte Konformität zeittypischer sexueller Verhaltensweisen erzeugt: durch 
aufdringliches Bereitstellen unausweichlicher Triebphantasmen. Man hat sich oft ge- 
stritten, ob unsere Zeit eigentlich einen hohen Grad an Erotisierung zeige oder nicht; 
die Bejaher dieser Ansicht konnten für ihre Behauptung auf die Allgegenwärtigkeit 
erotischer Bilder in der modernen Publizität und Propaganda, auf die offenherzigste 
Ausbreitung sexueller Anreize in Illustrierten, Kinos, Schlagermusik, Reklamebildern, 
Fernsehschirmen und sonstwo hinweisen. Die Frage, ob das eine Erotisierung schlecht- 
hin bedeutet, erscheint mir belanglos gegenüber der Einsicht, daß durch diese im Dau- 
erdruck moderner Massenkommunikationsmittel aufgedrängten erotischen Bilder und 
Klischees die im Individuum entspringende Triebphantasie bis zur Untätigkeit entlastet 
und also in Wirklichkeit gehemmt wird. Man kommt der individuellen erotischen Ein- 
bildungskraft zuvor, indem man ihr zur Übernahme und zum Gebrauch mehr anbietet, 
als sie im Durchschnitt von sich aus überhaupt aufzubringen vermocht hätte. Die Folge 
ist eine Erotisierung, besser sogar Sexualisierung des modernen Menschen von außen, 
eine Daueraktualisierung sexueller Impulse durch die Gesellschaft ohne eigentlichen 
Triebdruck vom Individuum her und mit der Konzession weitgehender Phantasie- und 
Gefühlsträgheit.« (Schelsky 1955, 125 f.) 

291 Vgl. Nimmergut 1966, 11-15. 


288 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


206), läßt sich seit den 1950er Jahren Erotik als objektunabhängiger Image-Faktor be- 
schreiben. Mit dieser Expansion geht eine Prägnanzsteigerung erotischer Images ein- 
her, und zwar fast ausnahmslos im Rückgriff auf Darstellungen weiblicher Körper.?”? 
Thoms spricht für diese Zeit von einer » Aktivierung aller sexuellen Körpersignale 
über die Demonstration aller sekundären Geschlechtsmerkmale« (1995, 264), die nun 
als Waffen der Frau vorgeführt und empfohlen werden. 

Vor der Darstellung verschiedener Semantiken, mit denen die Werbung expli- 
ziert, was unter guter (und damit zugleich schlechter) Erotik zu verstehen ist, sei zu- 
nächst auf einige Aspekte hingewiesen, die in den verschiedenen Sub-Images eine 
Rolle spielen. So gilt z.B. prinzipiell und themenübergreifend, daß Erotik (auch) in 
der Werbung auf symbolischen Kopplungen zur leiblichen Sexualität basiert. Dies 
bemerkt bereits Schelsky in seiner »Soziologie der Sexualität« (1955), wenn er in 
Bezug auf Darstellungen von Sexualität und Erotik feststellt, daß diese »zu einem 
Medium künstlicher Kommunikation, zu einem Vehikel der Leiblichkeit werden und 
damit neue Bereiche und Formen zwischenmenschlicher erotischer Beziehungen 
schaffen, wie wir sie vor allem in den Auswirkungen der darstellenden Kunst, von 
den Frauenstatuetten der Steinzeit bis zur modernen Reklame, studieren können.« 
(Schelsky 1955, 15)2% Es versteht sich von selbst, daß die bildförmige Entfaltung 
dieses Mediums über den Einsatz von verstehensanweisenden Zeichen und Symbolen 
erfolgen muß. Der Mensch ist dabei in noch unverzichtbarerer Weise als in den ande- 
ren Image-Konstruktionen die zentrale Zeichen- und Symbolressource. Der Körper 
und der wechselseitige Körperbezug der Akteure fungiert nicht nur als Matrize der 
Darstellung äußerlicher erotischer Attraktivität (Erotizität), sondern auch als Medi- 
um psychischer Zustandsbeschreibungen. Am Körper muß also (nicht immer, aber 
immer wieder) mehr sichtbar werden als oberflächliche Körperlichkeit, nämlich auch 
die Tiefe erotischen Erlebens.??* Neben und mit dem Körper verfügt die Werbung 


292 Auf der Seite des Mannes bleibt es dagegen, bei aller Ästhetisierung seiner Rolle und 
bei aller Entfaltung einer männlichen Erotikkultur bis heute, bei einer relativen Un- 
differenziertheit des inszenatorischen Spektrums und bei einer tendenziellen Unreflek- 
tiertheit von Erotik als Identitätswert. Zu einer typologischen Darstellung männlicher 
Erotikinszenierungen der neueren Werbung vgl. Zurstiege 1998, Borstnar 2002 und 
Willems/Kautt 2003. 

293 Genau genommen ist die Inszenierung reiner sexueller Reize gar nicht möglich. Auch 
Inszenierungen, die Frauen als sachliche Erotik-Objekte vorführen (Schmerl spricht 
im Blick auf die ›Сагмегипо‹ des Gezeigten mit mehr oder weniger nackten Frauen 
von einem »Petersilieneffekt«), Können nur im Rahmen einer symbolischen Ordnung 
oder Struktur präsentiert werden, hier z.B. derjenigen, die Frauen in einen »natürlichen 
Rahmen« (Goffman 1977) stellt. 

294 Vor allem der (junge) Frauenkörper wird in der Werbung in den verschiedensten Zu- 
sammenhängen als ein erotiksymbolisches Ausdrucksmedium modelliert. Das Frau- 
engesicht ist dabei von größter Bedeutung: Mehr oder weniger geöffnete Münder, ge- 
schlossene Augen, herausgestreckte Zungen oder verklärte Blicke sollen erotische In- 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |289 


über verschiedene Symboltypen, um Erotik als Thema zu markieren und Kriterien 
der Qualifizierung guter Erotik bereitzustellen. So übernehmen die in der Werbung 
häufig zum Einsatz gebrachten Phallus- und Venussymbole eine Rahmungsfunktion 
in Sachen Erotik. Zwar meinen nicht alle länglichen Objektformen das männliche 
Geschlechtsteil — die Werbung rechtfertigt aber im Rahmen entsprechender An- und 
Zuordnungen in vielen Fällen die von Gmelin gemachte Feststellung, daß man ins- 
besondere allerlei Waren als »sekundäre Geschlechtsteile« bezeichnen kann (Gmelin 
1975, 127).2% Auch Orte und Örtlichkeiten gehören zu der erotiksymbolischen Ord- 
nung. Gemeint ist die Bezugnahme auf eine erotische Sinnhaftigkeit von Räumen, die 
als allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann. Eine Klasse dieser signifikanten 
Räume hat sozusagen folkloristischen Charakter. Städte wie Venedig, Rom oder Paris 
(bzw. deren architektonische Ikonen) und Landschaften wie die Toskana oder die Ka- 
ribik fungieren geradezu als Sinnbilder romantischer Liebe oder erotischer Sensation. 
Im intimen Nahraum stellen Sofas und Betten (und Schlafzimmer überhaupt) Örtlich- 
keiten dar, denen ein Erotiksinn immanent zu sein scheint. 

Ein weiterer Grundzug dieses Image-Komplexes besteht darin, Erotizität an 
bestimmte Körperwerte zu binden, die in den verschiedensten Inszenierungen als 
erotische Erfolgswerte vorgeführt werden. Gute Erotik konstruiert die Werbung 
also grundlegend über die Selektion gezeigter Körper.” In diesem Image-Rahmen 
erscheinen nur die Körper, die gängigen Schönheitsvorstellungen zufolge perfekt 
ѕіпа.297 Als die wichtigsten Eigenschaften des Erotikkörpers werden im gesam- 
ten Untersuchungszeitraum propagiert: Schlankheit,?°® Symmetrie (insbesondere 
der Gesichtszüge), bestimmte Proportionen (z.B. lange Beine im Verhältnis zum 


volviertheit, Verzücktheit oder Ekstase darstellen. Die Selbstberührung der Lippen mit 
den Fingern, das Lecken und Befeuchten derselben mit der Zunge, das Knabbern an 
ihnen, das Zusammenpressen oder Anspitzen des Mundes sind weitere orale Handlun- 
gen, die als erotisches Engagement, als Begierde und Zugänglichkeit oder als Anspie- 
lungen auf sexuelle Praktiken verstanden werden können und sollen. Hinzu kommen 
Körperhaltungen wie gespreizte Beine, Gesten wie die in den Mund gesteckten Finger 
usw., die erotische Bereitschaft und Affekte der Darstellerinnen indizieren. 

295 Vgl. zu zahlreichen Beispielen Gmelin 1975, 122-127. 

296 Vgl. Solomon u.a. 1993. 

297 Daß die Werbung zugleich selbst an der Durchsetzung und dem Wandel entsprechender 
Ideale beteiligt ist, dürfte kaum zu bestreiten sein. 

298 Obwohl Schlankheit um 1900 schon ein Ideal in Sachen Erotikkörper ist und Kör- 
perfülle implizit als Stigma erscheint, lassen sich hier auch noch (wenige) Anzeigen 
finden, in denen dünne Körper als unattraktiv thematisiert werden, so z.B. in einer An- 
zeige, die eine schlanke Frau zeigt, die ihre gute Figur dem Text zufolge nicht einer Ab- 
nahme-, sondern einer Zunahme-Diät verdankt. Deutlich sichtbare Abweichungen von 
diesen Werten wie etwa »rote Hände«, »Nasenfehler«, oder abstehende Ohren können 
bereits um 1900 als Stigmata dramatisiert werden, deren Beseitigung (auch Männern!) 
empfohlen wird. 


290 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Oberkörper, schlanke Taille, hochsitzende Brüste (bei der Frau) sowie bestimm- 
te Merkmale des Gesichtes (volle Lippen, schmale Nase, große Augen), der Haut 
(Glätte, Makellosigkeit, Haarlosigkeit) und anderer Körperaspekte (straffe Brüste 
(der Frau), Muskeln (des Mannes), gepflegte Finger- und Fußnägel, volles und glän- 
zendes Haar, weiße und symmetrisch ausgerichtete Zähne). Das Perfektionsmaß 
des Erotikkörpers wird also ausschließlich an sichtbaren Körpereigenschaften fest- 
gemacht und dramatisiert. Wichtige Attribute des idealen Erotikkörpers sind neben 
und mit den genannten Jugendlichkeit und Reinheit. Letztere wird nicht selten durch 
den dramaturgisch hervorgehobenen Einsatz kristallklaren Wassers zum Ausdruck 
gebracht. Es umspült den nicht nur attraktiven, sondern auch »porentief« reinen 
Körper. Klares Wasser und saubere Nacktheit gehören als Symbolisierungen von 
Reinheit zu einem Vorstellungskomplex, in dessen Rahmen Schweiß, Menstruati- 
onsblut, Mundgeruch und Haare an der »falschen« Stelle (z.B. unter den Achseln)” 
als unnatürliche Mängel oder Defekte gelten, die ihre Träger(innen) stigmatisie- 
ren. Dabei ist unübersehbar, daß die Produkte zur Reinheitserzeugung wie deren 
Inszenierungsformen im Laufe des 20. Jahrhunderts vielfältiger werden. Während 
Haarentfernungspräparate schon zu den regelmäßig beworbenen Gegenständen um 
1900 gehören, etabliert sich bald eine Produktpalette (z.B. Deodorants, Mundwas- 
ser, Kaugummis), für die dann mit Images geworben wird, die den zivilisierten und 
in gewisser Weise denaturalisierten Körper als guten und (daher) legitimierten Ero- 
tik- bzw. Sexkörper stilisieren, und zwar im Rahmen von Bildern, deren präzisierte 
Oberflächendarstellung neue Maßstäbe in Sachen Reinheit, Glätte usw. zu setzen 
vermag 200 Es liegt auf der Hand, daß diese Fundierung positiver Erotik insbeson- 
dere in solchen Reklamen in Erscheinung tritt, die für Produkte werben, die sich auf 
die Herstellung bzw. Optimierung des erotischen Körpers beziehen — vor allem also 
in der Werbung für Kosmetik, Körperpflegeprodukte und Mode bzw. Unterwäsche. 
Aber auch in vielen anderen Zusammenhängen entfaltet die Werbung über die kon- 
sistente Selektion und Präparation ihrer Modelle erotische Ideale als eine Qualität 
der jeweiligen Images. Dabei erweckt sie im Ganzen ihrer Inszenierungen den Ein- 


299 Haare gelten als unrein, insofern sie die Glätte der Haut irritieren. Sie erscheinen auch 
gleichsam als Schmutzfänger. 

300 In der jüngeren Vergangenheit wird diese Reinheitssemantik scheinbar immer wieder 
invertiert: So sieht man schwitzende, ölverschmierte, mit Dreck beschmutzte Frauen- 
leiber, und zwar gerade dann, wenn es sich um offensichtlich erotische Inszenierun- 
gen handelt. Es scheint, als werde der Körper hier, sozusagen in die Gegenrichtung 
von Reinheit als Ursprünglichkeit, naturalisiert. Bemerkenswert ist jedoch, daß sich 
diese Inszenierungen nicht um eine realistische Darstellung von Schmutz bemühen. 
Vielmehr werden Schmutzdekorationen gezeigt, die eine eigentümliche Spannung zu 
dem erotischen Perfektkörper erzeugen, auf den sie aufgetragen wurden. Es geht hier 
um die symbolische Darstellung von Schmutz als solchem auf dem Hinter- bzw. Un- 
tergrund von Reinheit, also um eine akzeptable (zivilisierte) Form des Schmutzes und 
Beschmutzens. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |291 


druck, daß es nicht nur einen Zusammenhang von Körperschönheit und erotischem 
Erfolg gibt, sondern daß auch die Qualität erotischer Erlebnisse eine Funktion der 
Körperschönheit der (Inter-)Akteure ist: Die schönsten Menschen haben demnach 
auch die schönste Erotik und den schönsten (heißesten, reinsten) Sex. 

Die verschiedenen erotischen Körperwerte sind als Definitionsgrundlage guter 
Erotik um so wichtiger, als ein sich historisch entfaltendes Spektrum von Erotikinsze- 
nierungen darauf abzielt, den Körper - insbesondere den der Frau — zu objektivieren, 
d.h. als eine Sache erscheinen zu lassen. Das Inventar von Gestaltungsmitteln ent- 
spricht tendenziell dem der Pornographie 20) Zentral ist die Zerlegung des Körpers 
durch Bildausschnitte, die nur einige der als erotisch attraktiv vorgeführten Körper- 
teile zeigen, wobei das Gesicht als Identitätsaufhänger der Person bezeichnender- 
weise oft ausgespart bleibt: Das Dekollete, der Hüftbereich (Bauch/Po) oder die Bei- 
ne sind hier die Körperzonen, die ihrerseits von detaillierteren Ausschnitten ergänzt 
oder ersetzt werden können. Derartige Partialisierungen generieren eine bestimmte 
Verkörperung des Körpers und sie beschränken und konzentrieren den Körper auf 
seine physische Erscheinung, die als Objekt erotischen Begehrens stilisiert wird (vgl. 
Abb. 208-212).?% Als erotisches Spielzeug und Lustobjekt ist die Reklamefrau gele- 
gentlich schon in den Werbung am Beginn des 20. Jahrhunderts auf den ersten Blick 
zu erkennen, und zwar an ihrer (Reiz-)Wäsche. Auffällig ist dabei, daß im gesam- 
ten Untersuchungszeitraum eine Pflanzen-Ornamentik vorherrscht, die nicht nur das 
Verhältnis von erotischer Transparenz und Intransparenz reguliert, sondern auch eine 
symbolische Dimension besitzt: Blumenmuster und ähnliche Pflanzenmotive rahmen 
den Körper der Frau als schöne Natur.?® 

Neben verschiedenen Formen weiblicher Selbstberührung (Abb. 107, 168, 213, 
214) und weiblichen Posierens (vgl. Abb. 215-219) sind die Erotikinszenierun- 
gen nicht zuletzt durch alltägliche Vorstellungen des erotischen Hofierens der Ge- 
schlechter bestimmt. Die lebenswirkliche Interaktionsordnung in Sachen Erotik ist 
also für die Werbung ein Modell, das ihr als Bezugsrahmen ihrer Image-Konstruk- 
tionen dient. Besonders deutlich wird das in den schon relativ früh vorkommenden 
Inszenierungen, die das traditionelle Hofierungsschema als Blickschema kopieren. 


301 Man kann diese Versachlichung/Entsubjektivierung bzw. Naturalisierungen des weibli- 
chen Geschlechts mit dem Begriff des Obszönen in Verbindung bringen (vgl. Willems 
1998). 

302 In der hier analysierten Konsumgüterwerbung steht die Partialisierung natürlich oft im 
Zusammenhang mit der Funktion, ein zu bewerbendes Produkt vorzuführen. So sieht 
man entkontextualisierte Beine in der Werbung für Strümpfe, Brüste in der Werbung 
für BHs, Finger und Hände in der Werbung für Schmuck oder Nagellack usw. Die Wer- 
bung schließt damit an einen Partialisierungssinn an, der diesen Objekten oftmals auch 
in der Lebenswirklichkeit zukommt. 

303 Zu diesen und anderen Entsubjektivierungen bzw. Naturalisierungen des weiblichen 
Geschlechts vgl. Willems/Kautt 2003, 322-326. 


292 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Dies kann auf zwei Ebenen geschehen. Auf der ersten Ebene wird das erotische 
Blickspiel im Bild reproduziert: Während der Werbemann, oft im Hintergrund posi- 
tioniert, als distanziert-interessierter Beobachter und Begutachter der Frau erscheint 
oder ihre Attraktivität von der Seite mit anerkennenden Blicken Tribut zollt, führt 
sie die Palette ihrer Reize vor (vgl. Abb. 217-219).?0* Hier gilt dann im Sinne einer 
Verdoppelung des bekannten Prinzips: »Männer sind Anschauende, Begutachtende 
oder Bild-Macher, Frauen sind Angeschaute, Begutachtete, Bildvorlagen« (Schmerl 
1992, 21). Auf einer zweiten Ebene wird das Blickverhalten in Bezug auf einen 
außenstehenden (Bild-)Betrachter konstruiert, den erotisch kontextierte Frauen bli- 
ckend ansprechen (vgl. Abb. 218, 219, 221, 222). Sie erwecken dann den Eindruck, 
von ihrer Rolle ebenso überzeugt wie erfreut zu sein, wobei meist eine reizvolle 
(Ent-)Kleidung und das Exponieren einzelner Körperpartien die Botschaft unter- 
stützt, daß sie und ihr Körper als »Anblick« (Berger 1998) gelesen werden sol- 
len und wollen 202 John Berger beschreibt das weit in die Kunstgeschichte zurück- 
reichende Mienenspiel so: »Es ist der Ausdruck einer Frau, die mit kalkuliertem 
Charme auf den Mann reagiert, den sie sich als ihren Betrachter vorstellt — ohne ihn 
zu kennen. Sie bietet ihre Weiblichkeit an als das (vom Prüfer in der Frau) Geprüf- 
te« (Berger 1998, 52). Die Inszenierung der Frau (die ein Sujet darstellt) ratifiziert 
demnach das männliche Begehren; die Frau weiß und will wissen, daß sie begehrt 
wird, und sie operationalisiert dieses Wissen und Wissenwollen gleichsam im Rah- 
men ihrer Selbstpräsentation. Es handelt sich um eine bildspezifische Modulation 
des lebenswirklichen Hofierens mit dem Zweck, den ausgeschlossenen Bildbetrach- 
ter einzuschließen, und d.h. die erotische Attraktivität als Image-Wert zu diesem in 
eine direkte(re), gleichsam interaktive Beziehung zu setzen. 

Neben und mit den genannten Symbolisierungen, Körperwerten und Formen des 
Hofierens entwirft die Werbung Images guter Erotik, indem sie das Thema in verschie- 
dene, über Erotik hinausweisende Kontexte einbindet, die ihrerseits spezifizieren, was 
unter guter Erotik zu verstehen ist. Einige dieser erotischen Subkulturen werden im 
folgenden skizziert. 


304 Beliebt ist auch das Motiv »photographierender Mann mit posierender Frau: (vgl. Abb. 
219 u. 220). 

305 Dies verdeutlichen neben und mit dem klassischen Motiv der die eigene Schönheit 
reflektierenden »Frau mit Spiegel, solche Inszenierungen, in denen Frauen (niemals 
Männer) sich buchstäblich als Bild für ihre Geliebten inszenieren — so z.B. im Rahmen 
der Werbung für Photoapparate, oder (später) für Videokameras, (mobile) Bildtelepho- 
ne oder Webcams. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |293 


a) Erotisches Mysterium 

Ein traditions- wie variantenreicher Typus dieser Programmressource zeichnet sich 
durch die Tendenz aus, das Erotische als ein Geheimnis zu stilisieren, in dem sich 
ein tieferer Sinn verbirgt.’ Die Idealisierung weiblicher Körperschönheit im Rück- 
bezug auf mythologisierende Darstellungen der Kunst, die sich in der Werbung des 
19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts einer gewissen Beliebtheit erfreut, kann 
man als einen Schritt in diese Richtung interpretieren. Folgt man Thoms, erklärt 
sich diese Darstellungsweise über den Sachverhalt, daß die Darstellung bloßer Ero- 
tik in dieser Zeit noch als unschicklich gilt — die künstlerisch veredelte Erotik wäre 
demnach eine funktional notwendige Pasteurisierung von Nackthei 207 In diachro- 
ner Perspektive ist allerdings erkennbar, daß sich die Konstruktion geheimnisvoller 
Verhüllungserotik in den späteren Jahrzehnten keineswegs auflöst. Im Gegenteil! 
Solche Images kommen bis in die Gegenwart vor und bilden gerade in der jüngsten 
Vergangenheit der Werbung einen Schwerpunkt ihrer Erotikinszenierungen. Der 
weibliche Körper steht dabei in den Entwürfen erotischer Mysterien von Anfang 
an im Vordergrund. Während die frühen Geheimnisbildungen im wesentlichen auf 
Verdunklungseffekte festgelegt sind, entsteht mit der Zeit ein umfangreiches Me- 
thoden-Inventar zur semantischen Vertiefung und Auratisierung von Erotik. Frauen- 
körper werden z.B. hinter Schleiern, Netzen, Fächern, Stoffen usw. verborgen oder 
von Spiegeln verzerrt oder vervielfältigt (vgl. Abb. 224). Auch das Spiel mit Kör- 
perpartialisierungen, Perspektiven und anderen Gestaltungsmitteln (Unschärfen, 
Weichzeichner, Bildmontagen und Filmschnitte) wird subtiler und ermöglicht die 
Herstellung surrealistischer Bildrätsel, die allegorisch eine außergewöhnliche und 
geheimnisvolle Wirklichkeit der Erotik zum Ausdruck bringen sollen. Nicht zuletzt 
tragen die Bühnen und Kulissen zu einer Mystifizierung und Annäherung des Ero- 
tischen an das Übersinnliche und Religiöse bei. Die einfarbigen Hintergründe, die 
in den ersten Jahrzehnten noch Assoziationen mit der Alltagswelt unterbinden, ma- 
chen später diversen Phantasiekulissen Platz, so z.B. synthetischen Möblierungen, 


306 Die Verknüpfung von Erotik und transzendierenden, spirituellen Erfahrungen ist selbst- 
verständlich keine Erfindung der Werbung. Schelsky stellt fest: »Die Ähnlichkeit der 
Haltung gegenüber Sexualität und Religion ist immer erkannt und z.B. von W. Schu- 
bart als ein vollkommener Parallelismus geistvoll analysiert worden; ihre weitgehende 
Verschmelzung kann man darauf zurückführen, daß sowohl in beiden dem Menschen 
schwer manipulierbare Bedrohungen des Gewohnten und der Alltagsordnung entge- 
gentreten als auch, daß beide Lebensgebiete ihm die Chance der extremen Lebens- und 
Gefühlszustände bieten.« (Schelsky 1955, 94) 

307 Für die Zeit um 1900 stellt Thoms fest: »Das Motiv der Venus selbst wird in der Wer- 
bung häufig aufgegriffen, meist in der Darstellung griechisch anmutender Frauen. Die 
zeitweise Bevorzugung dieses Motivs dürfte sich damit erklären lassen, daß Idealisie- 
rung, Allegorisierung und damit feste Eingliederung dieses Motivs in das künstlerische 
Repertoire spätestens seit dem Historismus auch im Bildungsbürgertum keinen Ver- 
dacht auf Erotisierung aufkommen ließen.« (Thoms 1995, 245 f.) 


294 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


historischen Bauwerken ferner Länder oder Naturmotiven wie Wüsten, Meeren, 
Bergen und Himmelsansichten, die für die Größe und Erhabenheit dessen stehen, 
was als Mysterium anklingen soll. 

Im Rahmen der so verzauberten Welten verkörpern die Darsteller überdeutlich 
ihre Leidenschaft und Versunkenheit in den erotischen Vorgang, in dem sie sich viel- 
fach zur Gänze aufzulösen scheinen: Eng umschlungene Leiber, nach hinten geworfe- 
ne Köpfe, ekstatisch aufgerissene Münder sind ebenso zu sehen wie Einzelpersonen, 
die sich, offenkundig nach Innen gewandt, ihren sinnlich-übersinnlichen Erfahrungen 
hingeben. Erotisch engagierte Akteure und Akteurinnen, die ihre Augen wie in Trance 
gen Himmel emporrichten, erinnern an das aus der Kunstgeschichte bekannte Motiv 
des »himmelnden Blicks«, der eine Nähe zum Heiligen, eine religiöse Erfahrung zum 
Ausdruck bringen sollte (vgl. Abb. 227). Symptomatisch für die Transzendenz des 
erotischen Mysteriums ist, daß die gezeigten Interaktionen die in der Werbung an- 
sonsten vorherrschende symbolische Geschlechterordnung dekonstruieren (vgl. Abb. 
226). Zu sehen sind in diesen Images z.B. passive Männer, die sich als ganz hingege- 
bene Wesen berühren und verführen lassen. Derartige Inszenierungen zeugen von der 
Eigensinnigkeit und Anarchie des erotischen Mysteriums, in dem die »reale Realität« 
und die dazugehörige Interaktionsordnung umgekehrt werden kann. Dabei geht es 
nicht nur um ein besonderes Erlebnis- und Glücksversprechen, sondern auch um ein 
Seins- und Heilsversprechen, das gerade in der jüngeren Vergangenheit immer wieder 
dramatisch herausgestellt wird. Als Beispiel kann hier eine Werbung für das Parfum 
»Escape« (Calvin Klein) dienen: Zu sehen ist ein Liebespaar, eingekeilt von zwei wei- 
Ben, glatten, d.h. haltlosen Wänden, die sich nach hinten zu einem Spalt verjüngen, 
ohne daß ein Ende der Verengung in Sicht wäre, denn von hinten erhellt gleißendes 
Gegenlicht die Szene. Die Darstellung des sich umschlingenden und (fast) küssenden 
Paares ist von einer eigentümlichen Aura umgeben, die die erotische Intimität als 
letzten Halt vor dem Abgrund, dem Nichts erscheinen läßt. Wie der Körper als solcher 
wird die (körperliche) Erotik hier als Wahrheit und Substanz stilisiert, an die man sich 
angesichts der Fragilität, Riskanz und Flüchtigkeit des Lebens noch halten kann (vgl. 
Abb. 228). 


b) Feine Erotik 

Ein anderes Erotik-Image entwerfen Inszenierungen, die Erotik als Handlungs- 
und Erlebnisfeld feiner Leute darstellen. Neben den üblichen Körperwerten spielt 
dann die Sichtbarmachung von (Status-)Exklusivität eine hervorgehobene Rol- 
le. Ein Kennzeichen ist die Dezenz der Kleidung (vgl. Abb. 229-231). Sie zielt 
weniger auf eine Rahmung erotisch attraktiver Körperteile als vielmehr auf eine 
schlichte Eleganz, deren erotischer Hintersinn sich nicht in den Vordergrund spielt. 
Diese Form der Feinheit wird unterstützt durch eine »geschmackvolle< Auswahl 
von Bühnen, Kulissen und Requisiten, die den kultivierten Lebensstil feiner Leute 
ins Bild setzt und über aussagekräftige Statussymbole (z.B. Schmuck) zu einer 
Veredelung der Erotik beitragen soll. Der Zivilisiertheit der Kleidung entspricht 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |295 


ein beherrschtes Verhalten der Akteure: Gestik und Mimik künden hier nicht von 
erotischer Ekstase, wohl aber von einem spezifisch-erotischen Interesse der Han- 
delnden. Ein prägnantes, bekanntes und daher erwähnenswertes Beispiel hierfür 
geben die Spots und Anzeigen, die in etwa seit den 1970er Jahren das Image der 
Marke »Campari« bestimmen. Mann und Frau, gleichermaßen in edle Kleidung 
gehüllt, die beim Mann fast keine und bei der Frau vergleichsweise wenig Haut 
freigeben, begegnen sich in diesen Inszenierungen in einer auf das Mindeste re- 
duzierten Umgebung (eine Wand, ein Barhocker, eine stilisierte Theke), um wort- 
los einen Drink zu sich zu nehmen. Gut kalkulierte Blicke, winzige Regungen 
im Gesicht und entsprechende Körperhaltungen deuten eine erotisch aufgeladene 
Beziehung und (Intim-)Kommunikation an, die davon bestimmt wird, daß sich die 
Akteure ebenso stark voneinander distanzieren, wie sie aufeinander Bezug neh- 
men. Die zur Schau gestellte Distanz und Coolness (zivilisierte Kühle) etabliert 
einen Hintergrund, vor dem die heiße Erotik als Subtext entfaltet wird. Diese 
Impression einer Mischung aus (Noch-)Selbstkontrolle und zu erwartender ero- 
tischer Affektivität (Heftigkeit) der Akteure kommt auch in der Lichtgestaltung 
zum Ausdruck, die kalte Farben (Dunkelblau) in den Kontrast zu warmen Farben 
(Violett und Rot) setzt (vgl. Abb. 232). 


c) Auto-Erotik 

Eine weitere Image-Ressource bilden Inszenierungen, die verschiedene Dimensionen 
des Autos, des Autofahrens und des Autoverkehrs als ein Feld erotischer Zeichen und 
Symbole stilisieren. Aus naheliegenden Gründen kommen diese Images vorzugsweise 
in der Automobilreklame zum Einsatz, wenngleich in den untersuchten Materialien 
erst in den 1960er Jahren. Zentral ist zum einen die bildliche Verknüpfung physisch 
faßbarer Dimensionen des Kraftfahrens (wie Beschleunigung, Tempo) mit erotischem 
Handeln und Erleben, z.B. durch entsprechende Bildsequenzen, die eine natürliche 
Abfolge von Autofahren und Sex suggerieren. Neben und mit der Betonung des ero- 
tischen Erlebnischarakters des Autofahrens operiert die Werbung mit einer automo- 
bilen Sexsymbolik im engeren Sinne. Die konkreten Formen des Autodesigns werden 
dann mit Körperteilen und deren erotischer Attraktivität in Verbindung gebracht. Die 
Inszenierungen arbeiten dann mit einer Arbeitsteilung der Geschlechter. Während die 
Arbeit der Frau darin besteht, als erotisch stilisiertes Objekt neben, auf oder in dem 
Auto als eine dem Design gleichwertige Form zu posieren — die Formen der Autos 
werden als homolog zum weiblichen Körper stilisiert — besteht die Arbeit des Mannes 
darin, sich an diesen Formen zu erfreuen und sie als Maschinist souverän zu beherr- 
schen. 

Kennzeichnend für diesen Erotiktypus ist, daß die unmittelbare Zugänglichkeit 
von Sex als Positivwert stilisiert wird. In ähnlicher Weise wie in der Pornographie 
entwerfen diese Images eine Bildwelt, in der die Subjektivität und die Sozialwelt der 
Akteure nicht als Zivilisierungsbremse wirken, sondern in der die sozialen Beziehun- 
gen systematisch ausgeblendet bzw. auf den Willen zum Sex reduziert werden. Die 


296 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


entsprechenden Bilder werden häufig von sprachlichen Zweideutigkeiten gestützt, die 
die erotische Lesart der Bilder betonen und pornographische Inhalte (die nicht gezeigt 
werden dürfen) assoziierbar machen. 


d) Ethnizität 

Eine weitere Spezial-Erotik gewinnen Image-Kommunikationen über die Kategorie 
der Ethnizität. In der deutschen Werbung stehen z.B. »südländische« Darsteller und 
Darstellerinnen für ein erotisches Erleben und Handeln der besonderen Art. Einen 
Hintergrund hierfür liefern Vorstellungen von den »Minderzivilisierten«, die Rath 
wie folgt beschreibt: 


Von kulturell geforderter, fühlbarer Einbuße an Lust und der daraus resultierenden Unbe- 
friedigung scheinen die Fremden verschont. Es ist, als seien sie frei von Schuldgefühlen, 
würden nicht von Gewissensanforderungen gepeinigt, etwa bezüglich der Notwendigkeit, 
die eigene Zeit gewinnbringend zu nutzen, anstatt sie mit Liebe, Spiel und Palaver zu ver- 
tun. Der Traum von ihrer größeren Natürlichkeit und Freizügigkeit enthält die Vorstellung, 
die »Minderzivilisierten< unterlägen laxeren oder gar keinen Verboten (1990, 16, zit. n. 
Spieß 1995, 83 f.). 


Im Rahmen dieser kosmologischen Figur werden südländische Nationalitäten 
des europäischen Auslands (SpanierInnen, ItalienerInnen, GriechInnen) und 
Ethnien anderer Kontinente (Asien, Afrika, Amerika) schon seit längerem regel- 
mäßig als Identitäten mit besonders starken erotischen Attributen stilisiert. Die 
entsprechenden Frauen und Männer stehen in der Werbung für eine aufregende 
»exotic love« und verkörpern eine natürlich-erotische Triebhaftigkeit. So kann 
ein dunkelhäutiges Model wie Naomi Campbell an ihre Geschlechtsgenossinnen 
appellieren: »follow your instinct« (Naomi Campbell/Parfum 2000). Da hell- 
häutige Menschen anscheinend nicht (mehr) über diesen Instinkt verfügen, kann 
ihnen die Werbung schon einmal produktive Abhilfe versprechen, so z.B. in Form 
blumenbedruckter »Tropicana«-Unterwäsche — mittels derer auch nordländische 
Blondinen »dem Alltag einen Schuß exotischer Würze geben« können (Schiesser, 
ST 1974, 6). Besonderen Nachdruck und Eindeutigkeit verleiht die Werbung den 
Erotikstereotypen des Südländers und der Südländerin durch die Stilisierung von 
Requisiten (z.B. offene Hemden, folkloristische Erotikmode) und Verhaltensstilen 
(gefühlsbetontes Sprechen und Gestikulieren) sowie durch den Einsatz charak- 
terisierender Vokabeln im kommentierenden Text (»rassig«, »temperamentvoll«, 
»leidenschaftlich«). 

Zu der werblichen Ethnien-Erotik gehört auch der Einsatz bestimmter Land- 
schaften, die wie ihre Bewohner durch den Reiz ihrer Exotik bestechen. Als Gegen- 
motiv zur zivilisierten Welt soll die Natur die Möglichkeit der Rückkehr zu einer 
erotischen Natürlichkeit bzw. zur Natur des erotischen Körpers illustrieren. Vor al- 
lem tropische Landschaften (z.B. Karibik, Malediven) werden in diesem Sinne im- 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 297 


mer wieder als Glücksnatur inszeniert: Wenn die Sonne auf weiße Strände scheint 
und klares Wasser zum Baden lockt, pflegen die dargestellten Akteure wie selbstver- 
ständlich eine (Fast-)Freikörperkultur, die an die unterstellte glückliche Schamlo- 
sigkeit der »Naturvölker« erinnern soll 208 Das Idealklischee der paradiesischen Na- 
tur verweist zudem auf die Realität des Urlaubs — also auf einen Raum für zeitlich 
begrenzte Fluchten aus dem Alltag. Dieser realistische Hintergrund tritt besonders 
hervor, wenn Orte wie Schiffe, Strände oder Swimming Pools vom erwünschten 
Dolce Vita zeugen. Hier sieht man immer wieder unverkennbar Urlauber, die von 
heißblütigen »Naturmenschen« vor Ort verführt werden (meist in der Konstellation: 
Frau verführt Mann). 

Indem die Analyse das zunehmende Vorhandensein verschiedener und in gewis- 
ser Weise konträrer Erotik-Images feststellt, läßt sie die Schlußfolgerung zu, daß 
die Entwicklung der Werbungserotik nicht auf einer Achse der (Ent-)Zivilisierung 
verläuft und sich demzufolge nur sehr partiell zivilisations-3°” oder informalisie- 
rungstheoretisch?! rekonstruieren läßt. Hier wie in Bezug auf andere Image-Res- 
sourcen ist vielmehr evident, daß die Image-Programmierung der Flexibilisierung 
der Kriterienbildung im Blick auf verschiedene Publika dient bzw. daß es zu einer 
Differenzierung unterschiedlichster Qualitätskriterien (hier: guter Erotik) kommt. 
Vergleichbar sind die verschiedenen Erotik-Images aber insofern, als die jeweili- 
gen Inszenierungen über die selektive Behandlung der Oberflächen in sich selbst 
definieren, was unter guter Erotik zu verstehen ist. Und eben dies leistet die direkte 
(unzivilisierte, informalisierte) Erotik, die sich inzwischen stilistisch und drama- 
turgisch an der Pornographie orientieren kann (vgl. Abb. 234), ebenso wie die kul- 
tivierte (zivilisierte, formalisierte) Erotik feiner Leute oder die Inszenierung des 
erotischen Mysteriums. Geht man von einer Struktur der Image-Kommunikation 
im Sinne einer Differenzierung von Codierung und Programmierung aus, wird ver- 
ständlich, inwiefern sich scheinbar widersprüchliche Aussagen der vorliegenden 
Literatur zum Thema (Ent-)Zivilisierung in einen sinnvollen Zusammenhang brin- 
gen lassen: Während z.B. Nimmergut, der eine der wenigen breit angelegten Un- 
tersuchungen zum Thema »Werben mit Sex« durchgeführt hat, die Geschichte der 


308 Dabei wird deutlich, daß z.B. die Schamlosigkeit des »Bacardi-Stammes« voraussetzt, 
daß die vorgeführten Frauen- und Männerkörper den (mindestens in der Werbung) 
herrschenden Schönheitsidealen entsprechen. Es gibt also in dieser Richtung nichts, 
wofür sich die Akteure schämen müßten — ja umgekehrt wird (weitgehende) Nacktheit 
in diesem Fall dazu benutzt, Körperperfektion zu demonstrieren. Die hier gemeinte 
Schamlosigkeit hat also nichts mit der scheinbaren Schamlosigkeit der sogenannten 
Primitiven zu tun, sondern verweist gerade umgekehrt auf besonders scharfe Scham- 
und Peinlichkeitsgrenzen, die in der zivilisierten Gesellschaft (u.a.) der Werbung gezo- 
gen werden. 

309 Vgl. Elias 1980. 

310 Vgl. Wouters 1979. 


298 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Werbung (bis 1966) durch einen mehr oder weniger klaren Trend weg von direkten 
Erotik-Darstellungen hin zur Andeutung und zur Sublimierung sexueller Themen 
gekennzeichnet sieht,?!! sehen andere Autoren wie z.B. Thoms (1995) oder Jen- 
drosch (2000) die Erotik der Werbung im allgemeinen durch eine zunehmende Frei- 
zügigkeit und einen Abbau von Darstellungsgrenzen geprägt. Die vorliegende Un- 
tersuchung verdeutlicht, daß beide Aussagen zugleich zutreffen, insofern man eine 
Spezifizierung feiner Erotik in Richtung Gegenwart ebenso feststellen kann wie die 
Entwicklung solcher Varianten, die mit einer nahezu pornographischen Obszönität 
operieren. Der Widerspruch entsteht also erst dann, wenn man die Zu- bzw. Abnah- 
me von Kultiviertheit und Zivilisiertheit als den entscheidenden Bezugsrahmen der 
Erotikdarstellung in der Werbung interpretiert bzw. wenn man den Versuch unter- 
nimmt, die empirisch zunehmend vielfältiger werdenden Erotiken der Werbung in 
eine zivilisationstheoretische Klammer einzufügen. 


311 Nimmergut behauptet also so etwas wie einen diskursiven (reflexiven) Zivilisations- 
prozeß (in) der Werbung, weg von ihren »Flegeljahren«, und belegt dies durch ver- 
schiedene Beispiele aus dem frühen 20. Jahrhundert: »Junge Nackedeis saßen auf 
Kohleschaufeln und verkündeten zwinkernd den überaus originellen Slogan: »Sie heizt 
zwar besser ein, aber Kohlen brauchen Sie trotzdem, Kohlen von xyz.« « (Nimmergut 
1966, 55) Auch Werbeslogans, die mittels Photomontagen auf nackte Frauenrücken 
gleichsam tätowiert wurden oder Behauptungen im Werbetext, mit den Artikeln hätten 
Vertreterinnen des ältesten Gewerbes der Welt den bourbonischen Prinzen verführt, 
interpretiert er als Hinweise in diese Richtung. Bemerkenswert in diesem Zusammen- 
hang ist auch, daß Werbungen für Produkte mit assoziierten Themen, wie Medikamente 
gegen Geschlechtskrankheiten oder Impotenz, bereits um 1890 kein Tabu mehr waren 
(vgl. ebd. 55 Ё). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 299 


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300 | IMAGE. Zur GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


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Ker ieren 


Lifi 


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2000 


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CLARINS 


PARIS 


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HOMME ' 


209: Arwa; ST 1952, 9 

210: Clarins; ST 2000, 8 

211: Joop; Max 2004, 12 

212: Estée Lauder; Max 2001, 8 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 301 


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KOR PER PUDER] 


Jn die Ferien mit 
Teiss Ron Camera! 


... ein Traum von Strumpf 


213: Vasenol; BIZ 1929, 36 
214: Biotherm; ST 2000, 2 
215: Zeiss; BIZ 1928, 32 
216: ОЪ; ST 1965, 15 


302 | IMAGE. Zus GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Mit „Lebewohl‘‘* gepflegte Füße 
können Sie sich sehen lassen. 


*) Gemeint ist natürlich das berühmte, von vielen Ärzten empfohlene Hühner- 
augen-Lebewohl und Lebewohl-Ballenscheiben. Blechdose (8 Pflaster) 
65 Pfennig. Lebewohl-Fußbad gegen empfindliche Füßc und Fußschweiß, 
Schachtel (2 Bäder) 42 Pfennig, erhältlich in Apotheken und Drogerien. 

Wenn Sie keine Enttäuschung erleben wollen, achten Sie auf die Marke 
„Lebewohl“, da häufig weniger gute Mittel als „ebenso gut“ vorgelegt werden. 


HAUTSTRAFF 


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Senden um Bet a de Da {Ден 
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217: Lebewohl; BIZ 1938, 22 
218: Nivea; ST 2002, 27 

219: Bemberg; BIZ 1927, 27 
220: Pepe Jeans; Max 1995, 25 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 303 


Miederfabrik Wilhelm Blank, Göppingen 


TOSCA 


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221: Pulmonet; ST 1949, 49 

222: Manhatten Cosmetics; Max 2001, 4 
223: Tosca; ST 1965, 15 

224: Versace; Max 2001, 8 


304 | IMAGE. Zur GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


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225: Benger Ribana; BIZ 1937, 18 
226: Rochas; Max 1998, 18 

227: D&G; Max 1997, 6 

228: Calvin Klein; Max 1998, 2 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |305 


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Was wäre Kühnheit 
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229: Pixavon; BIZ 1930, 40 
230: 8х4; ST 1964, 10 

231: Cartier; Max 1996, 11 
232: Campari; ST 1974, 6 


306 | IMAGE. Zur GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


233: Calvin Klein; Max, 9 
234: D&G; Max 2003, 4 
235: D&G; Max 2004, 3 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 307 


3.4.10 Realismus 


Nicht erst seit Sachbücher wie »No Logo!« (Klein 2000), Zeitschriften wie das US- 
amerikanische Magazin »Adbusters« oder Filme wie »American Beauty« in der Mit- 
te der Gesellschaft angekommen sind, läßt sich Kultur- und Konsumkritik selbst als 
ein Resultat der Kulturindustrie begreifen.?!? Auch die Werbung bedient seit längerem 
einen entsprechenden Bedarf. In erster Linie geschieht dies über Darstellungen einer 
realen Realätät: 2173 Wie in anderen Fällen wird das Image-Weltbild über bestimmte 
Bilder von der Welt konstituiert. Spezifische Sujets und eine gesteigerte Sachlich- 
keit der Gestaltung realisieren einen Kontrast zu anderen Images. Propagiert werden 
Image-Widerstände gegen die Illusionen einer (Werbe-)Welt des schönen Scheins und 
der falschen Ideale mit Entwürfen einer als wahrhaftiger, ehrlicher und authentischer 
stilisierten Weltanschauung. Die Werbung reagiert so auf eine Kritik, die im Zuge ih- 
rer Entwicklung in Richtung Image-Kommunikation Kontur gewinnt. Der Realismus- 
Komplex nimmt diese Kritik reflexiv in sich auf und bietet sie als Image an. Wenngleich 
sich entsprechende Kampagnen seit dem Ende der 1960er Jahre vereinzelt beobachten 
lassen, kommt es erst Ende der 1980er Jahre zu einer Kanonisierung solcher Images. 
Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher ausschließlich auf Beispiele der jün- 
geren Vergangenheit.3!* 

Eine moderate Variante bilden Werbungen, die die Realität knapper finanziel- 
ler Mittel fokussieren und einen rationalen Umgang mit denselben als bessere Le- 
bensführung stilisieren. Die Autowerbung, die es mit besonders exponierten Sta- 
tussymbolen zu tun hat, setzt hier gelegentlich an. Sie vertritt dann im Rahmen 
yrealistischer< Inszenierungen eine Moral, die Statussymbole unter negative oder 


312 Mit guten Gründen sprechen neuere Untersuchungen vom »Mythos der Gegenkultur« 
(vgl. z.B. Holert/Terkessidis 1998; zu einer ausführlichen Darstellung von Märkten und 
Produkten, die auf konsum- und kulturkritische Mentalitäten eingestellt sind vgl. auch 
Heath/Potter 2005). 

313 Die Forderung nach dem Echten kann man in den weiteren Zusammenhang des Entste- 
hens einer neueren Medienkultur seit dem 18. Jahrhundert stellen: Die sich seitdem for- 
mierende Klage über den Verlust der Mittelbarkeit im Zuge der expansiven Bedeutung 
literarischer Fiktionalitäten (vgl. Luserke 1996, 171 Ё; Doelker 1991) entspricht den 
aktuelleren Entwicklungen insofern, als schon mit dem Roman und dem Zeitungsfeuil- 
leton Kulturkritik marktförmig angeboten wird. 

314 In dem massenmedialen Zentralbereich der Unterhaltung ist seit längerem ein ähnli- 
cher Trend zu beobachten. Die »reale Realität«, wie sie z.B. von Tatsachenberichten 
(z.B. den Nachrichten) oder Dokumentarfilmen vorausgesetzt wird, fungiert zuneh- 
mend als Kommunikationsressource. Jüngere Formate wie »Big Brother« stehen be- 
reits in einer Tradition von Reality-Soaps (mit jeweils unterschiedlichen thematischen 
Ausrichtungen), die darauf schließen läßt, daß das scheinbar Nichtinszenierte, Sponta- 
ne und Zufällige im Umfeld einer Medienrealität, die jedermann für manipuliert hält, 
Aufmerksamkeit, Interesse und Sympathie zu erzeugen vermag. 


308 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


relativierende Vorzeichen bringt: »Es gibt Wichtigeres als ein protziges Auto«, heißt 
es in einer Werbung, die die wahre Relevanzstruktur menschlichen Lebens zu ken- 
nen behauptet (»Wenn man jung ist, braucht man Geld für viele Dinge«; Suzuki ST 
1998, 16). Seit den 1990er Jahren sind zudem Bilder zu sehen, die Realitäten im 
Sinne alltäglicher Banalitäten über Inszenierungen des Nichtinszenierten vorführen 
(vgl. Abb. 237). Ein Beispiel geben Anzeigen und Spots für eine Bank, die den Slo- 
gan »Leben Sie. Wir kümmern uns um die Details« mit Bildern durchschnittlicher 
Menschen in verschiedensten Alltagssituationen kombinieren (Hypo Vereinsbank, 
ST 1999, 51; vgl. Abb. 236). Realistisch erscheinen diese Inszenierungen zum einen 
insofern, als sie auf Schönungen verzichten und Szenen darstellen, deren Belanglo- 
sigkeit kaum zu überbieten ist — das Herumsitzen in der Küche wird genauso zum 
Thema wie das Sich-an-der-Nase-Reiben. Die Werbung zeigt hier eine Rollendis- 
tanz, die die Aufmerksamkeit des gelangweilten Publikums (wieder-)gewinnen soll 
und sie präpariert zugleich Authentizität als Image-Wert.?!? Erwähnenswert sind in 
diesem Zusammenhang Image-Varianten, die sich als eine Art bildbasierte sozio- 
logische Aufklärung formieren, so z.B. in Gestalt des von Benetton produzierten 
Magazins »Colors«, das global recherchierte Photodokumentationen zu Themen 
wie »Umwelt«, »Konsum« oder »Krieg« zum alleinigen Inhalt macht. Hier geht 
es, wie im (Bilder-)Rahmen der langjährigen Werbungskampagnen des Textilher- 
stellers darum, sich als Repräsentant einer verstehenden, illusionslosen Reflexivi- 
tät darzustellen, die mit einer Bildsprache zum Ausdruck gebracht wird, die die 
Perversionen der modernen Konsumgesellschaft mit maximaler Drastik als solche 
vorführt. Gerade dann, wenn Jugendliche als Rezipienten (Konsumenten) ange- 
sprochen werden sollen, operiert der Werberealismus mit einer Ästhetik des Unge- 
schminkten, die die Dinge hinter der Fassade so zeigen will, wie sie angeblich wirk- 
lich sind: »Image ist nichts« heißt es z.B. in einer Werbung, die einen Jugendlichen 


315 Mit einem ähnlichen Kalkül verwendet der Werbespot eines Sportartikelherstellers, 
der während der Fußballweltmeisterschaft 1998 gesendet wurde, allem Anschein nach 
private Filmaufnahmen, die den Musiker Bob Marley in der Kleidung des beworbe- 
nen Herstellers beim Fußballspielen zeigen. Werbung vertraut hier nicht nur auf das 
Positiv-Image eines einstigen Jugendstars und auf die Beliebtheit von dessen Musik, 
sondern auch auf den Eindruck des Realen, auf den Dokumentationsrahmen, der den 
authentischen Spaß am Spiel beglaubigen soll (adidas 1998). Auch ein Spot für »Coca- 
Cola« inszenierte über die Darstellung jugendlicher Fußballspieler der Dritten Welt 
Fußballspielen als ein Erlebnis des Echten. Die entsprechenden Bilder wurden in der 
Werbung gegen das von der Werbung selbst mitbestimmte Negativ-Image der Welt- 
meisterschaft als Marketing- und Medienereignis positioniert. Der »echte< Spaß, den 
die spielenden Kinder und Jugendlichen trotz der im Hintergrund gezeigten Armut 
offensichtlich hatten, soll mit dem »echten< Spaß des Cola-Konsums in Verbindung 
gebracht werden. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |309 


beim Trinken zeigt (»Durst ist alles«; Sprite, ST 1998, 16).31° Insbesondere sol- 
che Inszenierungen, die auf hohen Schichtstatus, gute Form oder Jugendlichkeit im 
beschriebenen Sinne (vgl. 3.4.6) setzen, werden im Rahmen dieser Images konter- 
kariert. Dies gilt auch für Bilder, die eine Orientierung am Existentiellen und Ei- 
gentlichen über Portraits verletzlicher Individuen zur Schau stellen (vgl. Abb. 242 
u. 243). 

Weiterhin hat in den letzten Jahren ein, wiederum insbesondere an Jugendliche 
adressiertes Image an Beliebtheit gewonnen, das die Großstadt der Gegenwarts- 
gesellschaft nicht als idyllische Lebenswelt, sondern als urbane Wüste thema- 
tisiert, in der es darum geht, mit Haltung und Stil den Alltag zu meistern. Auch 
wenn in diesen Inszenierungen immer wieder Reste von »natürlicher Natur: vor- 
kommen (z.B. Bäume oder Wiesen), fungieren die großstädtischen Kontexte als 
Sinnbilder für eine künstliche und (daher) harte Umwelt, in der Menschen (über-) 
leben müssen. So zeigen Photos ein Zelt, das inmitten von Hochhausschluchten 
aufgeschlagen ist (vgl. Abb. 239), ein jugendliches Pärchen, das auf dem Dach ei- 
nes Parkhauses ein Lagerfeuer entzündet oder einen vor Gefahr flüchtenden Stadt- 
menschen. Die Idee von der urbanen Welt als einer anforderungsreichen Natur 
wird auch dadurch zum Ausdruck gebracht, daß die Darsteller vor besonders kal- 
ten Kulissen des städtisch-industriellen Raumes posieren (z.B. vor Ölraffinerien, 
Betonmauern, Autobahnbrücken, Parkhäusern; vgl. Abb. 238). Der Bedeutung der 
Bühnen und Kulissen entspricht ein modischer Funktionalismus der Kleidung. Er 
tritt um so mehr hervor, als das gestische und mimische Verhalten der Darsteller 
in diesen Inszenierungen auffallend zurücktritt, ja ausdruckslos ist — so als solle 
der Betrachter nicht von der homologen Struktur zwischen den Zeichen der Klei- 
dung und denen der dargestellten Umwelt abgelenkt werden. Die Mode erscheint 
also nicht als solche, sondern eher als Ausrüstung, als Lösung für Probleme und 
Aufgaben, die der urbane Lebensraum mit sich bringt: Viele und große Taschen 
an Hosen und Jacken, stabile Materialien, dicke Schuhsohlen, bequem-schlichte 
Schnitte und ein überhaupt ornamentfreies Design ohne verzierende Details sym- 


316 Der paradoxe Charakter solcher Images des Imagelosen wird oftmals durch eine Dif- 
ferenzierung von Text und Bild in der Logik des double-bind kuvriert: Während auf 
der Ebene der Sprache die Irrelevanz von Oberfläche, Aussehen, Image usw. betont 
wird, entfalten die dazugehörigen Bilder (so auch im oben stehenden Beispiel) genau 
umgekehrt die ganze Palette von Oberflächenstandards und -idealen (der Kleidung, 
der Frisur, des expressiven Verhaltens usw.), um die es eigentlich geht. So ist in einem 
Werbeprospekt für Snowboards und entsprechende Mode, der die Produktpalette auf 
97 Seiten als eine Serie von (jugend-)trendgerechten Bildern vorführt, zu lesen: »Nach 
welchen Kriterien auch immer du dein Board aussuchst, kauf dein Board nicht wegen 
der Graphics, die Bindung nicht wegen der Lackierung [...]. Das gilt auch für die Be- 
kleidung. Das Beste am Snowboarden ist nicht, wie du aussiehst, sondern wie du dich 
fühlst« (Burton 1999). 


310 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


bolisieren Funktionalität und (damit) optimale Angepaßtheit an die artifizielle, 
nichtsdestoweniger rohe zweite Natur.?!7 

Eine andere Variante dieses Image-Komplexes bilden Inszenierungen einer 
jugendlichen Gegenkultur, die nicht selten in Anlehnung an lebenswirkliche 
Jugendsubkulturen (der Hippies, der Rocker, der Hip-Hop- oder Techno-Szene 
usw.) entworfen wird. Wichtiges Demonstrationsfeld ist wiederum der Körper: 
Kleidung, Haare, Haut, Fingernägel und diverse Accessoires spielen eine zentrale 
Rolle, wenn es darum geht, das aus der Normalität und Angepaßtheit Entrückte 
als Merkmal jugendlicher Identität vorzuführen und als Image zu erschließen. Äs- 
thetische Mängel kommen hier nicht nur vor, sondern werden gelegentlich poin- 
tiert zu Schau gestellt, so etwa abweichende Figuren, Pubertätspickel oder schiefe 
Zähne. Provozieren soll des weiteren der Umgang mit Farben, Materialien und 
Formen. So sind das auffallende Färben (statt des dezenten Tönens) der Haare und 
andere direkt am Körper festzumachende Details (z.B. bunt lackierte Fingernägel, 
Tätowierungen, Piercings) »essentielle Zeichen« (Goffman 1981) dieser Stilisie- 
rung. Auch Accessoires wie übergroße Hüte, Brillen, Armbanduhren und andere 
Objekte sollen in ihrer ästhetischen Überhöhung einen Widerstand gegen die Äs- 
thetik des Normalen und Durchschnittlichen zum Ausdruck bringen. Gezieltere 
Angriffe auf die Werbeästhetik des schönen Scheins anderer Images unternehmen 
Photos wie das von einem Mann, der die ungeschminkte Wahrheit in Form einer 
großen Operationsnarbe vor das Objektiv der Kamera hält (vgl. Abb. 244), oder 
das von einer Frau, der per Bildmontage eine betont häßliche Frisur aufgesetzt 
wird (vgl. Abb. 245). 

Auch Bühnen und Kulissen können eine Ästhetik des Häßlichen vermitteln. 
Schmutzige Hinterhöfe, dunkle U-Bahn-Schächte und Wohnviertel mit Ghetto- 
Charakter werden in jugendlichen Mode- und Lifestylewerbungen zum Synonym 
für eine jugendliche Identität, die sich mit normalerweise für unschön gehaltenen 
Objekten und Lebensräumen identifiziert (vgl. Abb. 240). Was auf diese Weise de- 
monstrativ zur Schau getragen wird, ist Unangepaßtheit, Nonkonformität, funda- 
mentale Distanz zur Durchschnitts- und Normalgesellschaft. Dazu gehören Abwei- 
chungen auf den Ebenen der rituellen Umgangsformen (Manieren) sowie der Werte 


317 In diesem Sinne formuliert der Werbetext einer solchen Inszenierung: »We shape the 
things we build. Thereafter they shape us« (Carterpillar 1999). Doch nicht nur die 
Zeichen der Mode selbst sprechen für das besagte Deutungsschema. Es ist alles ande- 
re als zufällig, daß zu den wichtigsten Anbietern dieses Modetyps ein Hersteller von 
Baumaschinen und Arbeitskleidung gehört, dessen Image jenen Zusammenhang von 
funktionaler Kleidung und (harten) Umweltanforderungen besonders glaubwürdig ver- 
körpert (CAT). In diesem Fall dient die Symbol- und Themenwelt einer Firma, deren 
Markenlogo ein Bulldozer ist, als kosmologischer Kern, der im Hinblick auf einen 
spezifischen Jugend-Stil lediglich variiert und stilistisch verfeinert werden mußte, um 
den (Image-)Bedürfnissen jugendlicher Konsumenten entgegenzukommen. 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |311 


und Einstellungen. Abweichendes rituelles Verhalten zeigen z.B. Jugendliche, die 
mit mißachtenden Gesten (Zeigen des Mittelfingers, abschätzige Blicke) oder be- 
leidigenden Redewendungen Normen und Normalitäten der Achtungskommunika- 
tion brechen. Aufgrund und mit dieser sozusagen antizivilisatorischen Identitätsrah- 
mung kann der Jugendliche ähnlich wie das Kind Wahrheiten kommunizieren, die 
normalerweise verschwiegen werden müssen oder einer höflichen Umschreibung 
bedürfen.?!? 

Nicht zuletzt kann man einen ironischen Umgang mit den Versprechen und Äs- 
thetiken der Konsumkultur diesem Image-Komplex zuordnen. Denn auch dann wer- 
den positive Image-Werte über die Stilisierung der Reflexion realer: Verhältnisse 
der Gegenwartsgesellschaft hergestellt. Eine inszenatorische Technik besteht darin, 
bestimmte (Alltags-)Ästhetiken und (Werbe-)Images mit ihren eigenen Gestaltungs- 
mitteln so zu übersteigern, daß ihre Trivialität, ihr schlechter Geschmack oder ihre 
Pseudomoral gleichsam enttarnt werden, wobei die Ironie der so gewonnenen Bilder 
das spezifische Image konstituiert. Eine solche Konstruktion realisiert beispielswei- 
se eine Werbeanzeige für die Popgruppe »Die Prinzen«: Unter der Überschrift »Die 
Prinzen« ist das Photo eines schmierigen Brathähnchens zu sehen, das mit den Wor- 
ten »Fett, Häßlich & Kult« in Verbindung gebracht wird. Da außer diesem Objekt 
nichts zu sehen ist, bildet das Hähnchen sowie dessen ästhetische Präsentation den 
Rahmen für das Image der Musikgruppe (vgl. Abb. 241). Dabei handelt es sich um 
eine Art (Selbst-)Stigmatisierung, die ironisch sein soll und zur Umkehrung ihrer 
selbst aufruft. Die ins Rampenlicht gestellte Häßlichkeit des Hähnchens verulkt die 
ansonsten im Marketing üblichen Weihnachtsromantisierungen, die zeitgleich zu 
der beworbenen Tournee der Band (Dezember 1999) zu beobachten sind, und führt 
unter dem Motto »Die Tour zur Gans ’99« vor, worum es an Weihnachten eigentlich 
geht (nämlich um Fressen, und nicht um Moral). Diese in die visuelle Kommuni- 
kation eingebaute Reflektiertheit ist das eigentliche Identifikationsangebot hinter 
der oberflächlichen Selbststigmatisierung. Zu der Reflektiertheit gehört das stilisti- 
sche Zitat eines spezifischen Werbegenres, das dieser Inszenierung als Bezugspunkt 
der Darstellung einer Spießer-Kultur dient, deren minderwertige Ästhetik sie unter 
ironischen Vorzeichen reproduziert. Die verwendeten Farbkontraste, unmodischen 
Schrifttypen, schlecht plazierten Textfenster und andere Gestaltungselemente fin- 
den sich normalerweise nur in Randbereichen der Werbung, wie z.B. in der Su- 
permarktwerbung, die über Postwurfsendungen in die Privathaushalte gelangt und 
bei der das Design lediglich die Funktion erfüllt, die Preise von Produkten mit der 
Abbildung derselben zu verknüpfen. Gespielt wird also mit einer Transformation 
von Zeichen, indem bekannte Gestaltungsformen in einen anderen Zusammenhang 
gestellt werden. 


318 So gestikulieren z.B. zwei als Hip-Hopper verkleidete Jugendliche auf Werbeplakaten 
in der Manier dieses Stils und reimen dazu den Kurz-Klartext: »Rabattpreise Laber- 
scheiße« (Mediamarkt, ST 2001, 28). 


312 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KoMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Auch normale Vorstellungen von Schönheit, Ordnung oder Geschlecht können, 
wie verschiedene Werte und Einstellungen, die die Werbung in anderen Images als 
positiv bewertet, durch eine übertriebene Zeichenhaftigkeit oder kommentierende 
Textpassagen ad absurdum geführt werden. Karikiert wird derart z.B. das übliche 
Werbungsversprechen, der Kauf des jeweiligen Produktes verhelfe zu einem Mehr 
an Schönheit, Anerkennung oder Lebensglück. In der Annahme, daß eine ironische 
Übersteigerung anderer Imageprogramme und Werbungsklischees Sympathien beim 
(jugendlichen) Publikum erzeugt,’!? zelebrieren entsprechende Inszenierungen Kon- 
sum als einzige Form gelungener Lebensführung. Selbst der Zusammenhang von Äs- 
thetik und Anästhetik kann hier reflektiert werden: »Think of all the bad things in the 
world... Then think about shopping... that’s why I love shopping.” (Diesel 1999) »For 
successfull living« lautet entsprechend der markenidentifizierende Slogan, unter dem 
der Modehersteller Diesel seit Jahren Hilfestellungen für verschiedene Situationen 
des jugendlichen Lebens zu geben beansprucht, wobei klar ist, daß die Verhaltens- 
und Benimmregeln, z.B. in Form von Reise-, Einkaufs- und Interaktions-Ratgeber- 
büchern (»How to [...] -Guides«) Teil einer ironisch-reflexiven Markenwelt sind, in 
deren Image die Produkte eingeschlossen sind. 


319 Ein ironisches Verständnis von Gegenkultur dürfte am ehesten zu lebenswirklichen 
Entwicklungen passen: »Ein Großteil der Jugendkulturen entzieht sich in den 1990er 
Jahren dem kommerziellen Druck nicht mehr, sondern verwendet Marken und Signets 
direkt als stilbildende Elemente für die symbolische Arbeit« (Richard 1999, 118; vgl. 
auch Bolz 1995, 346 f.). 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE- KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG | 313 


dë En 


FÜR LAU. es ОМО DRUCK DEINEN 
SEH ч ZE о: For 


236: Hypo Vereinsbank; ST 1999, 42 
237: Motorola; Max 1999, 5 


314 | IMAGE. Zur GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


А Мо-Ег 15:00 P . 
EEE едым 7 SEE со ОЁ 17.12.00 CM een Feet + ВА 1140 C Laera, Pepe 


a ае айыб TELEVISION EE di 


238: CAT; Max 2000, 1 

239: Dockers; Max 2000, 12 

240: Mtv; Max 1998, 11 

241: Die Prinzen; Musikexpress 1999, 11 


3. Die ENTWICKLUNG VON IMAGE-KOMMUNIKATION IN DER WERBUNG |315 


be good. be bad. just be. 


STA-PREST°E 


ONE CREASE _ 


LIFE IN PROGRESS 


MUSIK? FERNSEHEN! VIVA ZWEI A 


242: Hugo; Max 1998, 9 

243: Calvin Klein; Max 1997, 4 
244: Viva Zwei; Max 1997, 5 
245: Levi’s; Max 1999, 4 


4. SCHLUSSBEMERKUNGEN 


Vorliegende Untersuchung interpretiert die allgegenwärtige Bedeutung von Image 
und Images in der Gegenwartsgesellschaft nicht als Resultat eines spezifisch mo- 
dernen Kampfes um Anerkennung, der seinen Ursprung in neuartigen, oberflächen- 
orientierten Motivlagen von Individuen findet.' Image-Kommunikation bildet sich 
vielmehr als eine themenorientierte Spezialsprache aus, weil soziale Probleme gelöst 
werden müssen, die im Zuge der Einführung technischer Bildmedien und deren Nut- 
zung durch das System der Massenmedien entstehen. Entscheidend ist zum einen 
der Sachverhalt, daß der spezifische (Nicht-)Realismus der technischen Bildmedien 
im Themenkontext der Schematisierung und Qualifizierung sozialer Objekte die Be- 
deutung von sichtbaren Oberflächen als Ausweis von Identität betont wie zugleich 
in Frage stellt. Zum anderen ist entscheidend, daß die technischen Bildmedien nicht 
nur als Kommunikations-, sondern auch als Verbreitungsmedien einen neuartigen 
Problemhorizont in der Gesellschaft eröffnen: Mit der Reproduzierbarkeit entspre- 
chender Bilder expandieren öffentliche Räume einer visuellen Kultur, in denen die 
als Sichtbarkeiten kommunizierten sozialen Objekte unter hochgradig anonymisier- 
ten Bedingungen akzeptiert werden müssen. Bereits die Aneignungsformen photo- 
graphischer Bilder im 19. Jahrhundert manifestieren — als ästhetische Praxis ebenso 
wie als schriftbasierter Diskurs — eine Bezugnahme auf die skizzierten Problemla- 
gen. Letztere gewinnen durch das System der Massenmedien, das sich technischer 
Bilder als basale Kommunikations- und Verbreitungsmedien bedient, eine beson- 


1 Eine solche Erklärung ließe sich z.B. in Anlehnung an eine Feststellung von Elias im 
Blick auf das gesteigerte Prestigestreben in der höfischen Gesellschaft zurückweisen: 
»Angesichts solcher Phänomene begnügt man sich oft mit individualpsychologischen 
Erklärungen, etwa mit dem Hinweis auf ein besonders starkes »Geltungsverlangen« der 
betreffenden Menschen. Aber Erklärungen dieses Typs sind ihrer ganzen Anlage nach in 
diesem Falle unzureichend. Die Annahme, die ihnen zugrunde liegt, daß sich zufälliger- 
weise gerade in dieser Gesellschaft viele Individuen zusammenfanden, die von Natur aus 
mit einem besonders starken Geltungsverlangen ausgestattet waren oder mit irgendwel- 
chen anderen individuellen Eigenschaften, deren Besonderheit die der höfischen Status- 
und Prestigekonkurrenz erklären kann, stellt einen der vielen Versuche dar, etwas Uner- 
klärtes durch etwas Unerklärbares zu erklären.« (Elias 1983, 142) Vgl. zu einer ähnlichen 
Kritik der Erklärung von Sozialprestige über »universale Triebe« Scheuch 1961, 66. 


318 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


dere Relevanz. Die Kommunikation bildlich identifizierter Objekte wird dauerhaft 
und in den verschiedensten Themenzusammenhängen zu einer wichtigen Ressource 
einer massenmedialen Realität, die entlang der reflexiven Behandlung des Informa- 
tionswerts möglicher Mitteilungen (re-)produziert wird. Das System (re-)produziert 
sichtbare Gestalten im Sinne stabiler Eigenwerte und schafft mit seinem (Bild-)Ge- 
dächtnis den Bezugsrahmen von Variations- bzw. Informationsmöglichkeiten. Indem 
dies geschieht, muß den Erscheinungsformen der in dieser Realität kondensierenden 
sozialen Objekte in besonderer Weise Rechnung getragen werden. Sie sind zentraler 
Bestandteil des Horizonts von (Nicht-)Informationen, mit denen das System arbei- 
tet und entsprechend Ausgangspunkt weiterer Kommunikationen, die prinzipiell der 
Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sind, als Nichtinformationen behandelt zu werden. Da 
sichtbare Oberflächen zudem eine wichtige Bewertungsgrundlage der jeweils dar- 
gestellten Objekte bilden, kommt es gerade im System der Massenmedien zur Aus- 
arbeitung von Bildsprachen, die die Annahmewahrscheinlichkeit der Erscheinungs- 
bilder in den verschiedenen Systembereichen (Nachrichten, Unterhaltung, Werbung) 
steigern. Das Reflexivwerden der Unterscheidung Oberfläche/Tiefe bei der Kommu- 
nikation der jeweiligen (Bild-)Identitäten sowohl auf der Seite der Bildproduktion 
wie auf der der Rezeption spielt dabei eine besondere Rolle. Während die Behand- 
lung der Oberflächen im Kontext des berichtenden Informierens die Akzeptanzwahr- 
scheinlichkeit des Gezeigten unter dem Gesichtspunkt der Authentizität (des »Doku- 
mentarischen«) steigern, ist im Bereich der Unterhaltung die stimmige Charakterisie- 
rung sozialer Objekte (Dinge, Personen) nach Maßgabe des jeweiligen Handlungs- 
zusammenhangs unter dem Gesichtspunkt der Steigerung von Unterhaltungswerten 
(z.B. Spannung) relevant. Die visuellen Kommunikationen der Werbung hingegen 
zielen auf eine Verschmelzung der Identifizierung sozialer Objekte bei gleichzei- 
tiger (Positiv-)Bewertung derselben ab. Der Bedarf hierfür entsteht, weil das alte 
Bezugsproblem des Werbens — nämlich, daß Menschen nicht prinzipiell von sich 
aus wollen, was andere als deren Wollen wollen — unter den Bedingungen der Reali- 
tät der Massenmedien und unter den Kommunikationsverhältnissen der technischen 
Bildmedien erheblich spezifiziert wird. Indem sich die Gesellschaft auf die Ausdiffe- 
renzierung des Systems der Massenmedien im Sinne einer »Verdopplung der Reali- 
tät« einläßt, mithin auf eine massenmediale »Hintergrundrealität« (Luhmann), deren 
Konstruktionen gesellschaftsübergreifend Orientierungswerte und kommunikative 
Anschlußmöglichkeiten herstellen, muß in diesem System eine Spezialsprache im 
Bereich der Kommunikation von Bildern entwickelt werden, die für die verschie- 
densten Sinnanbieter — nicht zuletzt: die Massenmedien selbst — Überzeugungsarbeit 
unter eben diesen Bedingungen übernehmen kann. Dieser Aufgabe stellen sich die 
Image-Kommunikationen der Werbung. Ihre Operationsweise ist über den Code und 
die Programme darauf eingestellt, die visuelle Schematisierung sozialer Objekte mit 
einer expliziten Positivbewertung zu verknüpfen und die Annahmewahrscheinlich- 
keit eben dieses Selektionsschemas der Kommunikation von Bildern als Generatoren 
der Identifizierung sozialer Objekte zu steigern. 


A. SCHLUSSBEMERKUNGEN | 319 


Die Leistung, die die Werbung für ihre Auftraggeber erbringt, besteht demnach 
in der Steigerung der Annahmewahrscheinlichkeit der jeweils angebotenen Objekte 
über Images unter den Bedingungen der technischen Bildmedien und des Systems der 
Massenmedien — mögen die als Image kommunizierten Objekte Konsumgüter, poli- 
tische Parteien, soziale Bewegungen oder Unterhaltungsformate des TV-Programms 
sein.? Die Formen des Erlebens und Handelns, die an die (Nicht-)Akzeptanz von Ima- 
ges anschließen, können dementsprechend verschieden sein. So kann man im Blick 
auf Images Konsumgüter kaufen (nicht kaufen), politische Parteien wählen (nicht 
wählen), Überzeugungen sozialer Bewegungen übernehmen (nicht übernehmen) oder 
Fernsehsendungen rezipieren (nicht rezipieren). In der Umwelt des Systembereichs 
können sich die (Nicht-)Erfolge der Image-Kommunikation nach Maßgabe der је ei- 
genen Erfolgskriterien bemerkbar machen, also z.B. als Zu- bzw. Abnahme von Ver- 
kaufszahlen, Wählerstimmen, Mitgliedern, Einschaltquoten. 

Die gesellschaftliche Funktion der Werbung besteht hingegen — zunächst im An- 
schluß an Luhmann formuliert — »in der Stabilisierung eines Verhältnisses von Re- 
dundanz und Varietät in der Alltagskultur« (Luhmann 1996, 94). Die Funktion des 
Systems der Massenmedien, nämlich einen Horizont stabiler Objekte herzustellen, der 
in weiteren Kommunikationen vorausgesetzt werden kann und die dauerhafte Irritabi- 
lität der Gesellschaft für die (Re-)Produktion von (Nicht-)Informationen ermöglicht, 
ist demnach im Bereich der Werbung auf eine bestimmte Sach- bzw. Themenorientie- 
rung eingeschränkt — nämlich auf das (Re-)Produzieren eines Gedächtnisses, das die 
Informationsverarbeitung in der Alltagskultur reguliert. Daß es mit der Werbung nicht 
zu der Stabilisierung des Verhältnisses von Redundanz und Varietät von Alltagskul- 
tur im allgemeinen kommt, bringt Luhmanns wohlbedachte Formulierung nur eines 
Verhältnisses von Redundanz und Varietät zum Ausdruck (ebd.).? Diese Einschrän- 
kung wirft dann aber wiederum die Fragen auf, inwiefern, wozu und mit welcher The- 
menorientierung die Werbung zur Stabilisierung dieses Verhältnisses beiträgt, also: auf 
welches spezifische Verhältnis von Redundanz und Varietät in der Alltagskultur sich 


2 Die Wirtschaft und die Massenmedien sind die Systeme, die die Leistung der Werbung 
im deutschsprachigen Raum am häufigsten in Anspruch nehmen. Zu den Investitions- 
summen der einzelnen Branchen im Jahr 2006 vgl. Wibbelt 2007, 63. 

3  Zweifellos wäre es für die Gesellschaft viel zu riskant, sich in Bezug auf die fortlaufende 
Reproduktion von Varietät und Redundanz der Alltagskultur im allgemeinen auf die Werbung 
zu verlassen. Um so mehr wird man diesbezüglich — um nur im Rahmen der Funktionen 
des Systems der Massenmedien zu bleiben — an den weiten und äußerst differenzierten Be- 
reich der Unterhaltung denken müssen. Aber auch andere Organisationen, Unternehmen und 
Institutionen des Kulturbetriebs jenseits der Massenmedien arbeiten entlang verschiedener 
Themenspezialisierungen an kulturellen Eigenwerten. Dies ist um so mehr zu betonen, als 
die »Kreativ- und Kulturwirtschaft« (vom selbständigen Musiker bis zum Museum) nach der 
Automobilindustrie und der Ernährungswirtschaft europaweit der drittstärkste Wirtschafts- 
sektor ist (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 17. April 2008 (Nr. 90), 14). 


320 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


die Funktion der Werbung bezieht.‘ Die bisherigen Überlegungen kommen zu dem 
Schluß, daß Image-Kommunikation die Themenorientierung ist, über die die Werbung 
das Verhältnis von Varietät und Redundanz in der Kultur reguliert. Die Werbung ent- 
faltet über ihre Images einen Informationshorizont, anhand dessen man sich über die 
verschiedensten Objekte der Kultur unter Imagegesichtspunkten informieren kann. 
Unter diesen — und nur unter diesen — Gesichtspunkten stabilisiert die Werbung das 
Verhältnis von Redundanz und Varietät in der Alltagskultur. Sie setzt ihre Images auf 
den verschiedensten »Märkten« — nicht nur denen der Wirtschaft — dem Prinzip von 
Angebot und Nachfrage aus und trägt so zu einer Image-Kultur der Gesellschaft bei, 
die bestimmtes erinnert und anderes vergißt. Ihre symbolische Ordnung ist eine Image- 
Ordnung, und entsprechend gehört es, eine Feststellung Luhmanns spezifizierend, zu 
der Funktion der Werbung, diese Ordnung bekannt zu machen und durchzusetzen.° 
Wenngleich das symbolische Universum der Werbung ein Subuniversum eines 
Funktionssystems ist, läßt es sich unschwer zugleich als Bestandteil der (Alltags-)Kul- 
tur identifizieren. Das gilt zumindest dann, wenn man von einem weit gefaßten Kul- 
turbegriff ausgeht, der das mit ihm Bezeichnete z.B. definiert als »Gesamtkomplex 
von Vorstellungen, Denkformen, Empfindungsweisen, Wertungen und Bedeutungen, 
der sich in Symbolsystemen materialisiert.« (Nünning/Nünning 2003, 6) Eine entspre- 
chende Zuordnung liegt aber auch nahe, weil die Werbung die verschiedensten in der 


4 Luhmanns Hinweis auf die Tatsache, daß das Marktprinzip für die Wiederholung er- 
folgreicher Kommunikationsformen bzw. für die Änderung nicht erfolgreicher Werbun- 
gen sorgt, umgeht diese Fragestellung bzw. erweckt sie den Eindruck, die Funktion der 
Werbung beziehe sich lediglich auf die Konsumkultur der Alltagskultur, wenngleich im 
Bereich der Wirtschaftswerbung sicher gilt: »Redundanz wird dadurch erzeugt, daß sich 
etwas verkaufen läßt — that it sells well, Varietät dadurch, daß man die eigenen Produk- 
te am Markt muß unterscheiden können. [...] Entsprechend liegt ein Hauptproblem der 
Werbung darin, laufend Neues vorstellen und zugleich Markentreue, also Varietät und 
Redundanz, erzeugen zu müssen.« (1996, 94) 

5  Luhmanns Feststellung, die Werbung informiere »über den Wert des Produktes« (ebd., 
43), ist entsprechend enger und weiter zugleich zu fassen: Weiter insofern, als die Funk- 
tionalität der Image-Kommunikation keineswegs auf Konsumgüter, sondern auf die ver- 
schiedensten Objekte eingestellt ist. Enger insofern, als sich der Wert, den die Werbung 
für die verschiedensten Objekte herstellt, genauer bestimmen läßt — nämlich als Image. 
Daß den als Image konstruierten Objekten jenseits dieser Kommunikationen ganz andere 
Werte und Qualitäten zugesprochen (bzw. nicht zugesprochen) werden können, ist damit 
selbstverständlich nicht bestritten. 

6 Luhmann hierzu: »Ein BMW bleibt ein BMW, aber er wird von Modell zu Modell im- 
mer besser, und sogar die Beseitigung des Objekts, das sogenannte »recycling«, kann 
verbessert werden. So entsteht eine Kombination von hoher Standardisierung mit gleich- 
falls hoher Oberflächendifferenzierung — eine Art beste der möglichen Welten mit so viel 
Ordnung wie nötig und so viel Freiheit wie möglich. Die Werbung macht diese Ordnung 
bekannt und setzt sie durch.« (Ebd., 94) 


A. SCHLUSSBEMERKUNGEN | 321 


Gesellschaft kursierenden Themen und Gegenstände aufgreifen kann und faktisch von 
dieser Möglichkeit fortwährend Gebrauch macht: Darstellungen von Freundschaft und 
Gemeinschaft, Natur und Kultur’ kommen ebenso vor wie solche von Erotik, feinen 
Milieus oder gesellschaftlichen Konflikten. Insofern schließt die Werbung das ein, was 
in den anderen Funktionssystemen systematisch ausgeschlossen bleibt. Insbesondere 
die Darstellungen des Menschen und des Menschlichen, die in der Werbung gleichsam 
als image-transzendierendes Thema fungieren, leisten diesem Eindruck Vorschub. Ja 
man ist versucht zu sagen, daß die Werbung mit ihrem offenen Horizont von (Bild-) 
Semantiken gleichsam als Schmiermittel gegen Reibungseffekte wirkt, die die funktio- 
nale Differenzierung hervorbringt und insofern ähnliches leistet wie Kultur, wenn man 
derselben wie Baecker eine entsprechende Funktion attestiert: Gerade weil soziale Sy- 
steme Kommunikationen entlang zweiwertiger Codes reproduzieren, so Baecker, muß 
es einen Bereich in der Gesellschaft geben, über den auf der Ebene von Organisationen 
und auf der Ebene von Interaktionen die jeweils ausgeschlossenen Werte wieder ins 
Spiel gebracht werden können: »Kultur ist das tertium datur gegen die Zweiwertigkeit 
aller Unterscheidungen. Das Unbehagen der Kultur ist das Ungenügen an der Binari- 
tät.« (2001, 107)* Eine vergleichbare Funktionalität werblicher Image-Kommunikatio- 
nen ließe sich mit einem knappheitstheoretischen Kulturbegriff formulieren. Sieht man 
wie Balla die Daseinssphäre des Menschen durch Knappheitsbedingungen bestimmt 
und denkt Kultur als eine auf dieses Problem bezogene »Daseinssphäre von Knapp- 
heitsbewältigung«, scheinen sich die Images der Werbung zunächst durchaus (auch) 
als Kommunikationen von Kultur verstehen zu lassen. Evidenterweise thematisieren 
sie immer wieder »Knappheitsbereiche«, die die Lebensverhältnisse des Menschen 
(d.h. aller Rezipienten) existentiell tangieren. So spielt die Knappheit materieller Gü- 
ter oder intakter Beziehungsgefüge ebenso regelmäßig eine Rolle wie die Knappheit 
von Zeit und Wissen. Auch die fundamentale Unzulänglichkeit menschlicher Existenz 
— die Vergänglichkeit des Lebens (Körpers) — wird hier angesprochen, so z.B. in zahllo- 
sen Jugendlichkeitsimages, aber auch in den Inszenierungen eines würdigen Alter(n)s. 
Angesichts vielfältiger Adaptionen lebenswirklicher Zeichen- und Symbolbestände un- 


7 Im Sinne derjenigen Objekte, die in der Gesellschaft selbst als Kultur thematisiert wer- 
den, wie z.B. die sich in der Werbung einer gewissen Beliebtheit erfreuenden Kunstwer- 
ke und Designs der klassischen Moderne des 20. Jahrhunderts. 

8 Ваескег zufolge formiert sich dann im Kulturellen selbst das Unbehagen der Kultur als 
funktional spezifizierte Kommunikation: »Nun ist allerdings der Einwand des tertium 
datur selbst einer Unterscheidung geschuldet, nämlich der Unterscheidung der Drei-(und 
Mehr-)Wertigkeit von der Zweiwertigkeit. Die Kultur etabliert also ihrerseits einen bi- 
nären Code, nämlich den der Unterscheidung von Binarität und (mindestens) Tertiarität, 
und sie tut es, da dafür kein eigenes System postuliert werden kann, auf der Ebene der 
Gesellschaft. Kultur ist demnach die Schließung der Gesellschaft über der Möglichkeit, 
dritte Werte als das einzuschließen, was alle anderen Funktionssysteme zur Sicherung 
ihres binären Codes auszuschließen haben.« (Ebd.) 


322 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


terschiedlicher Publikumskulturen liegt es weiterhin nahe, von der Werbung als einer 
Form der »kulturellen Stellvertretung« (Weiß 1998) zu sprechen. Dies gilt um so mehr, 
als hierunter ein Nachfolgemodell einer »repräsentativen Kultur« zu verstehen ist, in 
der bestimmte Träger (Eliten, herrschende Schichten, exzeptionelle Persönlichkeiten) 
noch als Vergegenwärtigungs- und Verkörperungsmedien einer allgemein akzeptierten 
und (daher) verbindlichen Kultur Geltung erlangen.’ Denn im Unterschied zu dieser re- 
präsentativen Kultur zeugen auch und gerade die werblichen Image-Kommunikationen 
von der Fortführung eines historischen Prozesses, in dem »nicht nur die Abspaltung der 
kulturellen Sphäre von den übrigen Subsystemen der Gesellschaft, sondern vor allem 
auch die interne Differenzierung dieser Sphäre [...] weiter vorangetrieben und durchaus 
nicht in einer höheren Einheit »aufgehoben« worden (ist).« (Ebd., 136) 

Nicht zuletzt ist kaum zu übersehen, daß das Kulturelle nicht nur Eingang in die 
Werbung findet, sondern daß die imagekommunikativen Überarbeitungen, Modula- 
tionen und Neuerfindungen von Kultur zugleich umgekehrt in die Kultur diffundie- 
ren. Man kann daher von der Werbung als einem Generator der Image-Kultur der 
Gesellschaft sprechen, die entlang wechselseitiger Beeinflussungen von (Alltags-) 
Kultur und Werbung entsteht. Die räumlichen Grenzen dieser Kultur gehen mit der 
Reichweite sozialer Redundanz einher, die über die Bildverbreitungsmedien und das 
System der Massenmedien hergestellt wird. Die Reichweite der sozialen Redundanz 
entspricht dabei mühelos der technisch herstellbaren, da Sprache und Schrift als Kom- 
munikationsmedien bei der (Re-)Produktion von Images (fast) keine Rolle spielen, 
die Grenzen der Sprachräume für das symbolisch generalisierte Kommunikations- 
medium Image also kaum soziale Grenzen konstituieren. Ja gerade mit der Werbung, 
so scheint es, gewinnt die als Kommunikationszusammenhang gedachte Weltgesell- 
schaft eine prägnante Form.'® Daß sich die Image Kultur als ein Zentralbereich der 
Weltkultur der Weltgesellschaft entfaltet, ist jedenfalls kaum zu übersehen. 

Trotz dieser Argumente für die Beschreibung von Werbung als Kultur ist es jedoch 
entscheidend zu sehen, daß der werbliche Einschluß des Kulturellen immer im Rahmen 
der skizzierten Selektionslogik der Image-Kommunikationen erfolgt. Die Kommunika- 
tionen der Werbung mögen von dem Ungenügen an der Binarität der Funktionssysteme 
(bzw. der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien) profitieren, indem ihre 
Images auf der Klaviatur kultureller Semantiken spielen. Doch kann dies nicht darüber 
hinwegtäuschen, daß ihre Kommunikationsangebote nicht funktional auf das Ungenü- 


9 Zur ausführlichen Entfaltung dieser Überlegung, insbesondere im Blick auf die Reprä- 
sentation bzw. Stellvertretung von Kultur in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und 
Kunst vgl. Weiß 1998, 121-151. 

10 Zu dem Begriff der »Weltkommunikation« mit Hinweisen auf die Werbung vgl. Bolz 
2001. Während die längerfristigen Entwicklungen einer werbungsindizierten globalen 
Image-Kultur nicht abzusehen sind, ist offensichtlich, daß die Image-Kommunikationen 
internationaler Kampagnen derzeit kaum auf kulturelle Unterschiede Rücksicht nehmen. 
Für entsprechende Untersuchungen vgl. exemplarisch Müller 1997. 


A. SCHLUSSBEMERKUNGEN | 323 


gen an der Binarität eingestellt sind. Evident ist vielmehr die polarisierende Zuspitzung 
dargestellter Kultur zu Zwecken der Positivbewertung der jeweiligen (Image-)Identität 
im Rahmen bestimmter Image-Attribute. Entsprechend zielt ihre Funktion auch nicht 
auf die Überwindung von Knappheit. Geradezu umgekehrt trägt die spezifische Be- 
handlung des Kulturellen im Werbungsrahmen zu einer Steigerung von »komparativen 
Knappheitsproblemen«'' bei. Die Inszenierungen entfalten mit ihren Image-Werten in 
sich selbst einen Horizont von Vergleichsmöglichkeiten, der als solcher ohne die Wer- 
bungskommunikationen nicht existieren würde. Besonders deutlich werden die Image- 
Knappheiten zweifelsohne im Bereich der Konsumgüterwerbung, die dem Rezipienten 
in Bezug auf das jeweilige Image vor Augen führt, was er hat und ist und damit immer 
auch: was er nicht hat und nicht ist. Von kultureller Stellvertretung kann hier wie im Fal- 
le von Werbung überhaupt nur insofern die Rede sein, als die Zeichenvorräte gewählter 
(Sub-)JKulturen als /mage rekonstruiert und kommuniziert werden. Die Kommunika- 
tionen der Werbung sind also nicht selbst als eine Kulturleistung im Sinne Baeckers 
zu verstehen. Noch weniger sind sie Kultur im Sinne eines Rests von Sinnbeständen, 
der der Gesellschaft jenseits funktionalisierter Kommunikations- und Handlungssphä- 
геп zur Verfügung steht.'? Sie sind vielmehr funktional spezifizierte Kommunikationen 
eines Bereichs der Massenmedien, der auf die skizzierten Problemlagen eingestellt ist. 

Indem sich die vorliegende Untersuchung auf die Rekonstruktion der Bezugs- 
probleme von Image und die Entwicklungsgeschichte der Image-Kommunikationen 
der Werbung konzentriert, bringt sie verschiedene Forschungsdesiderata hervor. Drei 
Themenbereiche seien genannt. 


a) Image-Kommunikation und (die Theorien des) Marketing 

Ein Fragenkomplex bezieht sich auf die Reichweite der Genealogie der Image-Kom- 
munikation im Sinne einer Theorie der modernen Werbung. Indem die Operationsweise 
der Image-Kommunikationen als prinzipiell unabhängig von den Objekten gedacht ist, 
für die die Werbung wirbt, ist der Begriff der Werbung hier weiter gefaßt als im Rahmen 
solcher Konzepte, die im Blick auf unterschiedliche Auftraggeber und entsprechend dif- 
ferenzierte Objekttypen zwischen Werbung, Reklame und Propaganda unterscheiden."? 
Er ist aber zugleich enger gefaßt als ein Begriff des Werbens, der jede Form des profes- 
sionell organisierten Informations- und Beeinflussungsmanagements umfassen und sich 


11 Vgl. Balla 1987, 244. 

12 Zu diesem Kulturbegriff vgl. Bude 1999, 106 ff. u. 121 f. 

13 So schlägt z.B. Westerbarkey vor, Reklame, Propaganda und Public Relations hinsicht- 
lich verschiedener Beeinflussungsziele und Gegenstandsbereiche zu unterscheiden (vgl. 
2002b, 620-624). In puncto Propaganda wird häufig eine Orientierung der Kommunikati- 
on an politischen Interessen und Zielsetzungen (vgl. Maletzke 1972) oder doch immerhin 
eine enge Verbindung mit dem Medium der Macht betont (vgl. Merten 2000). Zu einer 
wissenschaftsgeschichtlichen Darstellung des Propagandabegriffs im 20. Jahrhundert bis 
hin zu einer Typologie gegenwärtiger Definitionsansätze vgl. Bussemer 2005. 


324 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


entsprechend auch auf Public Relations! und die verschiedensten Varianten des Mar- 
ketings beziehen will. Es wäre daher theoretisch und empirisch-analytisch genauer zu 
zeigen, in welchen Beziehungen etwa Sponsoring, Product-Placement, Programming 
oder Viral-Marketing einerseits und Image-Kommunikation andererseits zueinander 
stehen. Einen Ausgangspunkt könnte dabei die Hypothese bilden, daß Image-Kommu- 
nikationen auch für die Marketingformen einen maßgeblichen Bezugsrahmen bilden, 
die mit eigenen Begriffen bezeichnet werden, weil sie sich systematisch von der Wer- 
bung im engeren (Image-)Sinn unterscheiden. So stehen beispielsweise Events ebenso 
wie Product-Placements durchaus in engen und dezidiert herbeigeführten Beziehungen 
zu den Images, die in der (Image-)Werbung für die jeweiligen Objekte konstruiert wer- 
den. Neben und mit diversen Intertextualitäten in Sachen Design (z.B. Event-Bühnen, 
-Kulissen, -Requisiten) und Kontextierungen (z.B. Settings für Events, Filme für Pro- 
duct-Placements) läßt sich ein regelrechtes Hineinkopieren von Zeichen und Symbolen 
in den jeweils anderen Rahmen beobachten, so z.B. dann, wenn für Events im Vorlauf 
mit Werbung (Image-Kommunikation) geworben wird, wenn Image-Filme (Spots) auf 
Events gezeigt werden oder wenn — in umgekehrter Kopierrichtung — Darstellungen 
von Events oder Product-Placements als Rohmaterial für Werbespots und deren Image- 
Arbeit dienen. Selbst beim Sponsoring, bei dem sich der »Mäzen« oftmals nur über sei- 
nen Namen bemerkbar macht, wird der Imagewert des Kontextes berücksichtigt, in dem 
dieser Name erscheint und zwar gerade dann, wenn ein werblich programmiertes Image 
vorliegt, das für den Namen steht bzw. für das der Name des Sponsors steht. Ähnliches 
gilt für die über das Verbreitungsmedium Funk kommunizierte Werbung, wie man leicht 
an der Passung von assoziierbaren Bildern von Radio-Spots einerseits und sichtbaren 
Images dazugehöriger TV-Spots/Printwerbung andererseits erkennen kann "e 


b) Image-Kommunikation und moderne Identität 

Eine andere Erweiterung vorliegender Untersuchung könnte auf die Verknüpfung der 
Entwicklungsgeschichte von Image-Kommunikation mit solchen Modernisierungs- 
prozessen abzielen, die die Entfaltung des Individualismus und des modernen Selbst 


14 Zu einer aktuellen Übersicht über Public Relations als eigenständige Kommunikations- 
form vgl. Zerfaß/van Ruler/Sriramesh (Hg.) 2008. 

15 Dabei kann vermutet werden, daß die inzwischen als klassisch zu bezeichnende Werbung 
im Stile der Image-Kommunikation zu einem Bedarf anderer Formen der Beeinflussung 
beiträgt, da die Image-Probleme, die die Werbung mit der Festlegung ihrer Kommunika- 
tionen auf das Medium Image selbst hervorbringt, nur bedingt in diesem Medium gelöst 
werden können. Neben bekannten Erweiterungen wie dem Eventmarketing trifft man 
inzwischen auch Kommunikationsformen an, die an die Krisenexperimente der Ethno- 
methodologie oder an künstlerische Happenings und Performances erinnern. Zu einer 
Übersicht über aktuelle Strategien und Formen vgl. Himpe 2006. 

16 Die Bedeutung des einzigen bildlosen Verbreitungsmediums von Werbung ist dabei von 
marginaler Bedeutung. So hält die Radiowerbung 2006 lediglich einen Marktanteil von 
6,1 % der Bruttowerbeumsätze (vgl. Wibbelt 2007, 66). 


A. SCHLUSSBEMERKUNGEN | 325 


bedingen. Denn es liegt auf der Hand, daß bestimmte Effekte funktionaler Differen- 
zierung dem Bedarf an Image-Kommunikation und an Images über eine hier nicht 
thematisierte Problemlage zuarbeiten: Gemeint ist der bereits von Dilthey gesehene 
Sachverhalt, daß Individuen in den themenorientierten »Kultursystemen« nur noch 
als Funktionsträger nachgefragt werden und sich daher in der Umwelt der Systeme 
als Identitäten in neuer Weise formieren müssen.'” Entsprechend ließe sich z.B. fra- 
gen, ob und inwiefern sich werbliche Image-Kommunikationen als spezifische »Bio- 
graphiegeneratoren« und »partizipative Identitäten« (Hahn 1987) beschreiben lassen, 
die einer durch Prozesse funktionaler Differenzierung bedingten »Generalisierung 
von Fremdheit« entgegenwirken.'® Ein solcher Bedarf ist um so größer, als Indivi- 
duen unter diesen Bedingungen soziale Identität bekanntlich nur noch bedingt über 
familiale Herkunft gewinnen können. Die mit Prozessen funktionaler Differenzierung 
einhergehende »Dynamisierung des Selbst« macht jedenfalls verständlich, warum 
(u.a. Image-)Identität zu einer erfolgsversprechenden Offerte der »Kulturindustrie« 
und zu einem Hebel werden kann, an dem die Konditionierungen der Image-Kom- 


17 Zur Entstehung des modernen Selbst bzw. moderner Identitäten vor dem Horizont der 
durch gesellschaftliche Differenzierungsprozesse verursachten Problemlagen vgl. exem- 
plarisch Sennett 1983; Luhmann 1989; Weiß 1998; Willems/Hahn 1999. Im Blick auf 
Diltheys Diagnosen stellen Willems und Hahn fest: »War bei Emile Durkheim oder — 
wenngleich ganz anders akzentuiert – auch bei Marx das Problem, daß die verschiedenen 
Gruppen nur einen Ausschnitt der gesamtgesellschaftlichen Realität repräsentieren konn- 
ten, so wird nun deutlich, daß das Individuum sehr wohl in alle Sphären der Gesamtge- 
sellschaft eingelassen ist, aber jeweils nur in für es selbst partiellen Engagements, z.B. 
als Zahler, Liebhaber, Glaubender oder Gläubiger, Patient oder Arzt.« (Willems/Hahn 
1999, 14) 

18 Während Biographiegeneratoren auf das Problem bezogen sind, daß Individuen ihre je 
individuelle, einzigartige biographische Identität als ein Ganzes konstruieren müssen, 
d.h. auf das Problem der Vereinzelung von Identität bezogen sind, stehen die »partizipa- 
tiven Identitäten« vor dem Problem, »wie die derart vereinzelten Objekte sich als soli- 
darisch empfinden können.« (Willems/Hahn 1999, 17) Hahn sieht in den partizipativen 
Identitäten dabei nicht nur ein (funktionales) Resultat moderner Fremdheiten, sondern 
zugleich ein Apriori funktionaler Differenzierungsprozesse. Nur wenn integrative Iden- 
tifikationsmöglichkeiten über tragfähige Identitätsbeschreibungen abgesichert sind, so 
Hahn, können Prozesse funktionaler Differenzierung ungestört ablaufen. Zu diesen, ins- 
besondere an den Formen »Nation« und »Mensch« ausgearbeiteten Überlegungen vgl. 
Hahn 1997. Beschriebe man Images als partizipative Identitäten, könnte man auch sagen, 
daß die Werbung eine Kohäsionsfunktion für die funktional differenzierte Gesellschaft 
übernimmt. 

19 Vgl. Willems 1999, 94 f. Daß gerade auch das System der Massenmedien über eine all- 
gemeine Steigerung von Reflexivität, die sich im Modus der Beobachtung zweiter Ord- 
nung dann u.a. auf das jeweils beobachtende Subjekt bezieht, einen neuen und forcierten 
Bedarf an Selbstschematisierung — d.h. Identität — erzeugt, betont Luhmann (vgl. 1996, 
195-205). 


326 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


munikation gerade im Bereich der Konsumgüterwerbung ansetzen können. Für das 
moderne Individuum, das die Herstellung von Identität selbst leisten muß, bieten sich 
gerade Images als im konsumtiven Handeln (relativ) leicht zugängliche wie zugleich 
semantisch aussagekräftige und fein differenzierbare »Verlängerungen des Selbst« 
(Belk 1988) an. Die Überlegung, daß sich die gesellschaftliche Konstruktion bzw. 
die Erziehung des Konsumenten (vgl. Trentmann 2006) auch und gerade über die 
Konstruktion von Images vollzieht, könnte dabei in Auseinandersetzung mit moder- 
nisierungstheoretischen Diagnosen wie etwa Riesmans Beschreibung der Entstehung 
einer »außengeleiteten Lebensweise« (1958) oder Baudrillards Analyse symbolischer 
Tauschbeziehungen (1982) spezifiziert werden.” 


c) Image-Kommunikation, soziale Praxis und soziale Ungleichheit 

Die Frage nach der Funktion von Images für den modernen »Existenzbastler«?' berührt 
diejenige nach den faktischen Bedeutungen der Image-Kommunikationen in der so- 
zialen Praxis. Offensichtlich ist, daß die Werbung die Akzeptanz ihrer Kommunika- 
tionen nicht prinzipiell sicherstellen kann. Wie die anderen symbolisch generalisier- 
ten Kommunikationsmedien generiert die Image-Kommunikation mit ihren Lösungen 
vielmehr zugleich Akzeptanzprobleme, die aus diesem Medium hervorgehen.” Mit der 
Differenzierung unterschiedlichster Images wird es zunehmend unwahrscheinlich, daß 
sich das einzelne Image umstandslos gegen vorliegende Alternativen durchsetzt. Das 
gilt um so mehr, als Entscheidungen für Images immer als Entscheidung gegen andere 
Images reflektiert werden können bzw. Image-Identitäten als Zwei-Seiten-Formen ver- 
standen werden müssen, die mit ihren jeweiligen Identitätswerten nicht nur spezifische 
Einschlüsse, sondern auch Ausschlüsse (z.B. anderer Image-Attribute) regulieren. Auch 
das Image-Medium spezifiziert also Annahme- bzw. Ablehnungswahrscheinlichkeiten 
und verschiebt dadurch eher ein Problem, als daß es dieses aufhebt. Ja man wird sagen 
können, daß das Ungenügen der einzelnen Images vor dem Horizont wählbarer Alter- 
nativen die Orientierung der Individuen (psychischen Systeme) an dem Medium der 
Image-Kommunikation stabilisiert, indem es (das Ungenügen) ein permanentes Sich- 
Informieren sowie fortwährende (Neu-)Entscheidungen in puncto Image nahelegt.” 


20 Zu einem Überblick über Funktionsbeschreibungen des »symbolischen Konsums« unter- 
schiedlicher Fachwissenschaften im allgemeinen vgl. Reisch 2002. Zu einer Differenzie- 
rung von Funktionen der Produktkommunikation vgl. auch Karmasin 1993. 

21 Vgl. Hitzler 2001. 

22 Vgl. Luhmann 1997, 317. 

23 Die so ermöglichte Irritabilität der Rezipienten könnte man vermutlich als Basis einer 
habituell werdenden »Außengeleitetheit« beschreiben, die Riesman u.a. (1958) für ein 
Merkmal des modernen (Medien-)Menschen hält. Ähnliches diagnostiziert Baudrillard 
(1970), wenn er von einer prinzipiellen Unersättlichkeit von Bedürfnissen im Rahmen 
des modernen konsumsymbolischen Universums spricht, oder auch Sennett (1983), wenn 
er die Medienkultur als Generator eines heillosen Narzißmus beschreibt. 


A. SCHLUSSBEMERKUNGEN | 327 


Entsprechend geht die Entlastungsfunktion, die die Image-Schablonen für die Rezipi- 
enten übernehmen können, mit einer spezifischen Belastung einher, die die Image-Kom- 
munikationen erst herstellen. Nicht zuletzt ist es Individuen prinzipiell freigestellt, sich 
an Images zu orientieren — die Funktion der Werbung kann, muß aber nicht nachgefragt 
werden. Zu Recht weisen auch die Cultural Studies darauf hin, daß die Rezeptionswei- 
sen verschiedener Medienangebote bis hin zur Werbung keineswegs auf die Bedeu- 
tungen festgelegt sind, die die Mitteilungshandelnden selbst im Sinn haben — so sehr sie 
einen »idealen Leser« ihrer Botschaften unterstellen mögen bzw. in ihren Angeboten 
Bedeutungsstrukturen anlegen, die im Sinne eines »preferred reading« fungieren, also 
»die eine Interpretationsweise fördern und andere erschweren« (Fiske 1987, 65). 

Andererseits gibt es fraglos Umstände, in denen man durchaus von der Unmög- 
lichkeit sprechen kann, nicht Images zu kommunizieren. Das trifft wiederum insbe- 
sondere für die — alle Mitglieder der Gesellschaft einschließende — Sphäre des Güter- 
konsums zu. Mit dieser Feststellung ist das Bestehen sozialer Unterschiede und damit 
gegebener Exklusionsmöglichkeiten in puncto Image (z.B. durch unterschiedliche 
Kaufkraft), keineswegs bestritten. Entscheidend ist jedoch, daß in der Gesellschaft 
(fast) kein Mensch (mehr) existiert, der keine mit Images versehenen Dinge sein 
eigen nennt und entsprechend von anderen u.a. im Blick auf diese Images identifiziert 
werden könnte. Gerade sichtbare Waren werden mit Images der Werbung assoziiert 
und entsprechend laufen alle Personen als Konsumenten Gefahr, von anderen ganz 
unabhängig von eigenen Kaufmotiven unter Image-Gesichtspunkten beobachtet zu 
werden. Image-Kommunikation kann sich also ohne die Intentionalität derer reprodu- 
zieren, die in den jeweiligen Situationen als sichtbare Träger bzw. als Kommunikati- 
onsmedium von Image fungieren. Dieser Sachverhalt ist um so folgenreicher, als mit 
der Diffusion der Image-Kommunikationen in die verschiedensten Themen- und Ge- 
genstandsbereiche Zugriffsmöglichkeiten auf imagelose Objekte zunehmend knapp 
werden.” 

Im Anschluß an die hier skizzierte Image-Kommunikation, die man auch als ein Re- 
gelwerk der Herstellung eines »preferred reading« visueller Kommunikationen verstehen 


24 Vgl. z.B. auch Hall 1980; Winter 1995; Krotz 2003; Wren-Lewis 1983; Newcomb/Hirsch 
1986. Zu einer handlungstheoretischen Darstellung von Medienaneignungsprozessen 
vgl. Göttlich 2006. Zu einer konversationsanalytischen Untersuchung der situativen An- 
eignung von Werbespots vgl. Ayaß 2001. 

25 Luhmann beschreibt die Ausweglosigkeit des modernen Konsumenten mit einem schö- 
nen Beispiel, das vorliegender Untersuchung zufolge in Sachen Werbung auf deren 
Image-Ordnung zu beziehen ist: »Man kann in typischen amerikanischen Restaurants 
zwischen Salat dressings (French or Italian) wählen, aber nicht Olivenöl und Zitronensaft 
verlangen und selbst über eine angemessene Mischung entscheiden. Und offenbar wäh- 
len nur wenige den Ausweg, unter diesen Bedingungen auf Salate ganz zu verzichten.« 
(1996, 95) 


328 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


kann,” stellt sich in einem weiteren Schritt also die Frage nach den verschiedenen Aneig- 
nungspraktiken von Images. Mit theoretischen und empirisch-analytischen Konzepten, die 
z.B. in der Wissenssoziologie oder der Medienrezeptionsforschung gebräuchlich sind,” 
könnten sich die individuellen und gruppenspezifischen Perspektiven auf und die Erwar- 
tungen an konsumierbare Images näher bestimmen lassen. Neben und mit den Rationa- 
litäten, die dem Entscheidungsverhalten von Konsumenten, Wählern, Vereinsmitgliedern 
usw. im Anschluß an Images zugrunde liegen, wäre an imagebezogene Identitätsbalancen 
von Individuen ebenso zu denken wie an eine Beschreibung der Beziehungen zwischen 
den Image-Kommunikationen und den symbolisch generalisierten Kommunikationsme- 
dien wie etwa der Liebe oder der Macht im Feld sozialer Praxis.” 

Die Frage nach den lebensweltlichen Aneignungspraktiken von Images läßt sich 
zudem als eine Frage nach der Einflußnahme verschiedener Kategorien sozialer Un- 
gleichheit auf die sozialen Gebrauchsweisen der Image-Kommunikation stellen. Alter, 
Geschlecht, Ethnizität, soziale Schicht, Milieu oder Lebensstil sind z.B. Kategorien, 
mittels derer das Konzept der Image-Kommunikation empirisch-analytisch überprüft 
werden könnte. Von Interesse wäre insbesondere eine Auseinandersetzung mit der So- 
ziologie der Lebensstile?’, da gerade diese symbolische Ordnungen als (Re-)Produk- 
tionsmechanismen sozialer Ungleichheiten auffaßt, wenngleich die Autonomie der 
Lebensstile von traditionellen (insbesondere stratifikatorischen) Gliederungsformen 


26 Die Regelgeleitetheit der Image-Kommunikationen, deren problembezogene Funktion 
und deren Struktur zielt ja gerade darauf ab, die Wahrscheinlichkeit der Annahme trotz 
unterschiedlicher Motivlagen der Individuen, also gleichsam gegen die Individualität der 
Bewußtseine zu steigern. Im Blick auf den kommunikativen Output der Werbung ist die 
Feststellung entsprechend durchhaus gerechtfertigt, daß sich die Polysemie der Werbung 
in erheblich engeren Grenzen bewegt als gelegentlich angenommen. Man mag den Kom- 
munikationen der Werbung zustimmen oder sie ablehnen, aber man wird nur in wenigen 
Fällen sagen können, daß unklar bleibt, daß es um die Konstruktion von Images geht und 
worin der positive Imagewert besteht, den die jeweilige Werbung modelliert (z.B. Natür- 
lichkeit, Jugendlichkeit, Erotik). Selbstverständlich kann man Werbungs-Images variieren, 
ironisieren oder, wie z.B. die kanadische Aktivisten-Gruppe »Adbusters«, mittels subtil 
modulierter Re-Inszenierungen kritisieren. Selbst im Konsum von Image-Objekten kann 
man Distanz zum jeweiligen Image zum Ausdruck bringen, z.B. durch ein »modisches 
Handeln« (Würtz/Eckert 1998), das verschiedene Image-Symbole semantisch kontrastiert 
oder manipulierte Werbeslogans zum Einsatz bringt. Derartige Phänomene sind aber kein 
Beweis gegen die Eindeutigkeit der Image-Logik der Werbung. Vielmehr weisen die ge- 
nannten Beispiele darauf hin, daß die Images als solche deutlich kommuniziert werden und 
deshalb als Grundlage verschiedenster Anschlußkommunikationen fungieren können. 

27 Zu einem Überblick vgl. Jäckel 2008 und Bonfadelli 1999. 

28 Zu einer Kritik der systemtheoretischen Nichtberücksichtigung der »Triangulation von 
Mediendifferenzen« in der sozialen Praxis allgemein vgl. Renn 2006. 

29 Zu der Beziehung von Lebensstilen und Werbung vgl. Hölscher 1998 und Borgmann 
1999. 


A. SCHLUSSBEMERKUNGEN | 329 


der Gesellschaft unterschiedlich eingeschätzt wird.’ Zu denken wäre in diesem Zu- 
sammenhang auch an einen auf Image-Kommunikation bezogenen Theorievergleich 
zwischen Bourdieus Konzept des symbolischen Kapitals einerseits und Luhmanns 
Theorie der (symbolisch generalisierten) Kommunikationsmedien andererseits.’ 

Vor der Untersuchung derartiger Problemstellungen kann aber bereits vor dem Hin- 
tergrund der skizzierten Struktur und Eigenlogik der Image-Kommunikation mit guten 
Gründen angenommen werden, daß Images als Mikrostrukturen der (Re-)Produktion 
sozialer Ungleichheit fungieren, die keineswegs aufgehen in Phänomenen wie Schicht, 
Milieu oder Lebensstil.” Sie stellen vielmehr eigenständige Sinnstrukturen dar und ge- 
rade das macht ihre Stellung im Themenzusammenhang sozialer Ungleichheit aus. Als 
spezifisch schematisierte und qualifizierte soziale Objekte (Image-Identitäten) stehen 
sie der Konstruktion von Identität (u.a. des Geschlechts, des Lebensstils, der Ethnizität) 
als ein Baustein von Fremd- und Selbstbeschreibungen zur Verfügung. Die sich im 20. 
Jahrhundert entfaltende Image-Kommunikation etabliert einen weiteren Horizont sym- 
bolischer Ordnungsmöglichkeiten in der Gesellschaft, wobei sie jeweils in sich selbst 
festlegt, welche (sichtbaren) Attribute als Identitätsaufhänger fungieren und inwiefern 
dieselben Anlaß zu (Image-)Positivbewertungen geben. Die Operationsweise der Wer- 
bung ermöglicht dabei eine hochgradige Flexibilität der Kriterienbildung für die Zutei- 
lung der Codewerte Imagenegativ/Imagepositiv. So entsteht eine symbolische Ordnung, 
die keineswegs über eine Logik »feiner Unterschiede« (Bourdieu) und eine dazugehö- 
rige (wie auch immer verdeckte) Anerkennung einer hierarchischen Gesellschaftsord- 
nung angemessen beschrieben werden kann. Der Kommunikationscode Image und das 
symbolische Universum der Werbung bestätigt vielmehr neuere Positionen der aktuellen 
Debatte zum Thema soziale Ungleichheit, die die Ablösung von Prozessen sozialer Ex- 
klusion (Inklusion) von allgemein akzeptierten Vorstellungen eines gesellschaftlichen 
»oben« und »unten« betonen.” Die strukturell äußerst flexiblen Gratifikationszuteilungen 
der Image-Kommunikationen passen bestens zu den diffusen Inklusions-/Exklusions- 
mechanismen der modernen Gesellschaft, die in den verschiedensten Lagen, Schichten, 
Milieus und Lebensstilgruppierungen vorkommen, aber eben kaum mehr anhand ein- 
heitlicher Muster zu beschreiben sind. 


30 Die Positionen reichen von der Interpretation von Lebensstilen als Ausdruck von Schich- 
ten (Bourdieu 1982; Vester 1993) bis hin zur Konzeption von Lebensstilen als völlig ei- 
genständige Sozialstrukturen (Schulze 1992; Müller-Schneider 1994; zu einer mittleren 
Position vgl. z.B. Müller 1992; Hradil 1996; Spellerberg 2002; zu einem Überblick über 
die neuere Debatte vgl. Otte 2005; Rössel 2005; Burzan 2005). 

31 Zu einem solchen Vergleich entlang des Themas Liebe vgl. Becker 2005. 

32 Das heißt selbstverständlich nicht, daß die Image-Kommunikationen der Werbung nicht 
auf alltagsästhetische Schemata Rücksicht nehmen würden, die die Soziologie verschie- 
denen Lebensstilen oder Milieus zuordnet (vgl. Schulze 1992). Zu dem Zusammenhang 
von Lebensstil und Werbung vgl. Hölscher 1998 und Bächold 1991. 

33 Ур]. Bude 2008, 246 f. und 258 ff. 


330 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


Schon diese Aufzählung von Anschlußfragen verdeutlicht, daß das Konzept von 
Image-Kommunikation keineswegs als abgeschlossen zu betrachten ist. Folgt man 
der hier entfalteten Argumentation, eröffnet sich jedoch neben und mit einer genealo- 
gischen Perspektive auf die als Image kommunizierten Objekte eine neue Perspektive 
auf die Verwendung des Wortes Image im Alltag einerseits und auf die Image-Begriffe 
der Sozialwissenschaften andererseits. Inwiefern dies für das Alltagswort zutrifft, läßt 
sich gut anhand entsprechender Einschätzungen Boorstins (1964) verdeutlichen, die 
immer noch aktuell sind, da andere Untersuchungen bislang fehlen, die Image als ein 
historisches Phänomen in den Blick nehmen. Boorstin deutet die alltägliche Rede von 
und die Bezugnahme auf Images als Symptom eines medienbedingten Realitätsver- 
lustes. Im »Zeitalter der Images«, so Boorstin, sei die »Kopie« wichtiger geworden 
als das »Original«.’* Vorliegende Untersuchung gelangt hingegen zu einer entgegen- 
gesetzten Diagnose — nämlich zu der, daß der Alltagsgebrauch des Wortes Image dem 
Sachverhalt Rechnung trägt, daß sich ein Kommunikationscode in der Gesellschaft 
einspielt, der an die neuartigen, über die Verbreitungsmedien und das System der 
Massenmedien kommunizierten Identitätskonstruktionen angepaßt ist. In puncto Re- 
alitätsbezug indiziert die Image-Semantik gerade nicht Realitätsverlust, sondern Rea- 
litätsgewinn. Mit Image zielt man — und zwar schon im alltäglichen Sprachgebrauch 
— auf die Bezeichnung einer spezifischen Identität. Gerade weil man eine unterscheid- 
bare Selektivität als Generator der bezeichneten Objekte unterstellt, benutzt man die- 
ses Wort. Da mit den Massenmedien und deren »Hintergrundrealität« (Luhmann) die 
entsprechenden Identitätsschematisierungen zu gewöhnlichen Bezugspunkten alltäg- 
licher Kommunikation werden, braucht man ein Wort, mit dem man sich reflexiv auf 
diese Objekte beziehen kann. Die mehr oder weniger gepflegte Image-Semantik dies- 
seits und jenseits der Massenmedien seit den 1950er Jahren weist auf diesen Bedarf 
hin. Die seitdem zu beobachtende Vergewöhnlichung des Wortes hat, so die hieran 
anschließende These, bei allen feststellbaren Bedeutungsmodulationen in den ver- 
schiedenen Anwendungskontexten ihren Kern, ihren Ausgangs- und Haltepunkt in 
den über die Verbreitungsmedien und das System der Massenmedien reproduzierten 
Images und den stärker formalisierten Image-Kommunikationen der Werbung. Vor 
dem Horizont dieser Images entsteht eine Image-Metaphorik der Alltagssprache, die 
in die verschiedensten Lebenswelten diffundiert, so daß man z.B. vom Image von Per- 
sonen des sozialen Nahraums, vom Image eines lokalen Sportvereins, eines Museums 
oder einer Schule spricht und nicht etwa (mehr) von deren Ruf oder Ansehen.’ 

Eine vergleichbare Diagnose ergibt sich in Bezug auf die Image-Begriffe der Sozial- 
wissenschaften. Der Nichtthematisierung von Image im Sinne eines historischen Un- 
tersuchungsgegenstands entspricht das Ausbleiben einer geschichtlichen Reflexion der 


34 Auch spätere Untersuchungen arbeiten mit der Entgegensetzung von Realität (Wirklich- 
keit) und Image (vgl. z.B. Zankl 1971, 41-50 und Regenthal 2002, 61). 

35 Auch Prozeßbeschreibungen wie Image-Pflege, Image-Marketing oder Image-Politik ge- 
hören in den letzten Jahrzehnten zunehmend zum alltäglichen Sprachgebrauch. 


A. SCHLUSSBEMERKUNGEN | 331 


Aufnahme des Begriffs in die eigenen Disziplinen.’ Beides ist um so erstaunlicher, als 
man annehmen kann, daß der Begriff hier nicht zufällig in derselben Zeit wie in der All- 
tagskultur in Erscheinung tritt?” — und zwar aus ganz anderen Gründen, als z.B. in der 
Soziologie bisher vermutet. Denn insofern sich diese bislang überhaupt die Frage stellt, 
ob und inwiefern ihr Image-Begriff eine Beziehung zum Alltagswort unterhält, sieht sie 
hier keinen bedeutsamen Zusammenhang.” So schreibt Erwin Scheuch 1961 im Blick 
auf die Neueinführung des Image-Begriffs der voraus liegenden Jahre in einem Aufsatz 
über »Sozialprestige und soziale Schichtung«: »Die soziale Wirksamkeit der Soziologie 
in Deutschland erschöpft sich weitgehend darin, Modeworte zu liefern, die für die vor- 
wissenschaftliche Daseinsorientierung konservativ eingestellter und kulturkritisch mo- 
tivierter Personen handliche Klischees abgeben.« (Scheuch 1961, 93)?’ In einer Reihe 
von Begriffen und Theoremen wie »nivellierte Mittelstandsgesellschaft«, »skeptische 
Generation« und »außengesteuerte Persönlichkeit« nennt Scheuch auch den Begriff des 
Images als eine der neueren »Errungenschaften« der Soziologie. Vorliegende Analyse 
legt hingegen den Schluß nahe, daß Image keineswegs ein Begriff ist, den die Sozio- 
logie in der Gesellschaft lanciert. Die Soziologie entdeckt diesen Begriff vielmehr erst, 
als von Images bereits in der gepflegten Semantik des Alltags die Rede 15.4 Sie bedient 
sich eines Begriffs, der für die »vorwissenschaftliche Daseinsorientierung« relevant wird 


36 Sozialwissenschaftliche Image-Begriffe zielen bis in die Gegenwart auf den Aspekt 
der Typisierung ab und orientieren sich an Begriffen wie »Vorstellungsbild« (Kleining 
1961); vgl. zu ähnlichen Definitionen auch Bergler 1966; Faulstich 1992; Bentele 1995; 
Herbst 2005; Kückelhaus 1998. Entsprechend bringt Mersmann die Imageforschung zu 
Recht in die Nähe zur Stereotypen- und Universalienforschung (vgl. Mersmann 2004, 99 
u. 102). Eine Sonderstellung nimmt Goffmans Image-Begriff ein, der neben und mit der 
Schablonisierung von Identität die Kommunikation von (Miß-)Achtung als Funktion der 
Image-Arbeit (»Face-Keeping«) auffaßt (vgl. 1967) und insofern dem hier vorgestellten 
Image-Konzept am nächsten steht. 

37 Diese Annahme läßt sich auch auf die prominenten und soziologisch einschlägigen Be- 
griffe von Kleining (1961) und Goffman (1967) beziehen, wenngleich beide Studien 
diesen Zusammenhang nicht thematisieren. 

38 Auch die Wissenssoziologie, der sich diese Frage am ehesten hätte aufdrängen müssen, 
schweigt sich hierüber bislang aus. 

39 Zu einer solchen Diagnose vgl. auch Dahrendorf 1961, 327. 

40 Von dort aus wird sie vermutlich zuerst von der US-amerikanischen Konsum- und Ab- 
satzforschung adaptiert, also von einem Forschungsbereich, der durch seine Anwen- 
dungsbezüge und durch seine Gegenstände (u.a. (Bild-)Werbung) für die Aufnahme des 
Begriffs besonders prädestiniert ist. Der Hinweis auf die amerikanische Absatzforschung 
als Ausgangspunkt soziologischer Begriffsprägungen (vgl. Brachfeld 1976) kann also in 
den weiteren Zusammenhang der Entstehung von Image-Kommunikation gestellt wer- 
den. Diese These schließt natürlich nicht aus, daß die Soziologie den Begriff terminolo- 
gisch bzw. theoretisch kontextiert immer wieder in die verschiedenen Diskurse (auch der 
Massenmedien) eingespeist und zu seiner Vergewöhnlichung beigetragen hat. 


332 | IMAGE. ZUR GENEALOGIE EINES KOMMUNIKATIONSCODES DER MASSENMEDIEN 


und sich von dort aus geradezu aufdrängt, und zwar, wie gezeigt, nicht aus Gründen der 
Mode. Allerdings bildet sie dann eine Terminologie in Bezug auf diese Vokabel aus, 
die die Genealogie des Begriffs, seine historische Bedeutung und Besonderheit ebenso 
unberücksichtigt läßt wie die damit zusammenhängende Beziehung von Wissenschafts- 
begriff und Alltagssemantik.*' Zu einem entsprechenden Perspektivenwechsel will die 
vorliegende Untersuchung einen Beitrag leisten. 


41 Insofern kann man Scheuch doch Recht geben, wenn er den Begriff (schon) zu seiner 
Zeit für eine Modeerscheinung hält. Denn wenn man ihn, wie z.B. Kleining (1961) als 
einen Ersatzbegriff für »Vorstellungssysteme« oder kognitive »Typisierungen« einsetzt, 
bleibt in der Tat offen, wieso er an die Stelle der genannten Synonyme treten muß. 


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ZfK - Zeitschrift für Kulturwissenschaften 


Birgit Althans, Kathrin Audem, 


Zeitschrift für 
Kulturwis 


u Beate Binder, Moritz Ege, Alexa Färber (Hg.) 
ЭЗЕ Kreativität. Eine Rückrufaktion 


Zeitschrift für Kulturwissenschaften, 
Heft 1/2008 


März 2008, 138 Seiten, kart., 8,50 € 
ISSN 9783-9331 


ZFK - Zeitschrift für Kulturwissenschaften 


Der Befund zu aktuellen Konzepten kultumissenschaftlicher Analyse und 
Synthese ist ambivalent: Neben innovativen und qualitativ hochwertigen 
Ansätzen besonders jüngerer Forscher und Forscherinnen steht eine 
Masse oberflächlicher Antragsprosa und zeitgeistiger Wissensproduktion - 
zugleich ist das Werk einer ganzen Generation interdisziplinärer Pioniere 
noch wenig erschlossen. 

In dieser Situation soll die Zeitschrift für Kulturwissenschaften eine 
Plattform für Diskussion und Kontroverse über Kultur und die 
Kulturwissenschaften bieten. Die Gegenwart braucht mehr denn je 
reflektierte Kultur, historisch situiertes und sozial verantwortetes Wissen. 
Aus den Einzelwissenschaften heraus kann so mit klugen interdisziplinären 
Forschungsansätzen fruchtbar über die Rolle von Geschichte und 
Gedächtnis, von Erneuerung und Verstetigung, von Selbststeuerung und 
ökonomischer Umwälzung im Bereich der Kulturproduktion und der 
naturwissenschaftlichen Produktion von Wissen diskutiert werden. 

Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften lässt gerade auch jüngere 
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu Wort kommen, die aktuelle 
fächerübergreifende Ansätze entwickeln. 


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Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften erscheint zweimal jährlich in 
Themenheften. Bisher liegen die Ausgaben Fremde Dinge (1/2007), 
Filmwissenschaft als Kulturwissenschaft (2/2007) und Kreativität. Eine 
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Kristiane Hasselmann, 
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Kultur im Zeichen 

von Medienkonkurrenz 
und Eventstrategien 
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Menschenbilder aus 

der Psychiatrie 

des 20. Jahrhunderts 
Dezember 2008, ca. 220 Seiten, 
kart., zahlr. Abb., ca. 25,80 €, 
ISBN: 978-3-89942-420-1 


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Friederike Wille (Hg.) 
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Mittelalterliche Jenseitsreisen 
in Text und Bild 

Dezember 2008, ca. 300 Seiten, 
kart., zahlr. Abb., ca. 31,80 €, 
ISBN: 978-3-89942-888-9 


Christian Kassung (Hg.) 

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Dezember 2008, ca. 400 Seiten, 
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Kristiane Hasselmann 

Die Rituale der Freimaurer 
Zur Konstitution eines 
bürgerlichen Habitus im 
England des 18. Jahrhunderts 
Dezember 2008, ca. 300 Seiten, 
kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €, 
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Kathrin Ackermann, 
Christopher F. Laferl (Hg.) 
Transpositionen 

des Televisiven 
Fernsehen in 

Literatur und Film 
Dezember 2008, ca. 200 Seiten, 
kart., zahlr. Abb., ca. 25,80 €, 
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Alma-Elisa Kittner 
Visuelle Autobiographien 
Sammeln als Selbstentwurf 
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Sophie Calle und 

Annette Messager 
Dezember 2008, ca. 300 Seiten, 
kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €, 
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Sandra Poppe, 

Thorsten Schüller, 
Sascha Seiler (Hg.) 

9/11 als kulturelle Zäsur 
Repräsentationen 

des 11. September 2001 
in kulturellen Diskursen, 
Literatur und 

visuellen Medien 
Dezember 2008, ca. 294 Seiten, 
kart., ca. 28,80 €, 

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Özkan Ezli, Dorothee Kimmich, 
Annette Werberger (Hg.) 
Wider den Kulturenzwang 
Migration, Kulturalisierung 
und Weltliteratur 

Dezember 2008, ca. 400 Seiten, 
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Nikolaus Müller-Schöll (Hg.) 
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Dezember 2008, ca. 160 Seiten, 
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Zur Skandalisierung 

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Geschichte des Fernsehens 
November 2008, 408 Seiten, 
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ISBN: 978-3-89942-994-7 


Bettina Lockemann 

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Der europäische Blick auf 
Japan in der künstlerischen 
Dokumentarfotografie 
November 2008, 338 Seiten, 

kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 33,80 €, 
ISBN: 978-3-8376-1040-6 


Annette Bitsch 
Diskrete Gespenster 
Die Genealogie des 
Unbewussten aus der 
Medientheorie und 
Philosophie der Zeit 
November 2008, 552 Seiten, 
kart., 42,80 €, 

ISBN: 978-3-89942-958-9 


Doris Kolesch, Vito Pinto, 
Jenny Schrödl (Hg.) 
Stimm-Welten 
Philosophische, 
medientheoretische und 
ästhetische Perspektiven 
November 2008, 232 Seiten, 
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ISBN: 978-3-89942-904-6 


York Kautt 

Image 

Zur Genealogie eines 
Kommunikationscodes 
der Massenmedien 
November 2008, 368 Seiten, 
kart., zahlr. Abb., 29,80 €, 
ISBN: 978-3-89942-826-1 


Daniel Gethmann, 
Susanne Hauser (Hg.) 
Kulturtechnik Entwerfen 
Praktiken, Konzepte 

und Medien in Architektur 
und Design Science 
November 2008, 300 Seiten, 
kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €, 
ISBN: 978-3-89942-901-5 


Susanne von Falkenhausen 
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Kulturgeschichte 

einer Bauform von der 
Französischen Revolution 
bis zum Medienzeitalter 
Oktober 2008, 214 Seiten, 

kart., zahlr. Abb., 24,80 €, 
ISBN: 978-3-89942-945-9 


Ines Kappert 

Der Mann in der Krise 
oder: Kapitalismuskritik 
in der Mainstreamkultur 
Oktober 2008, 250 Seiten, 
kart., 24,80 €, 

ISBN: 978-3-89942-897-1 


Ramön Reichert 

Amateure im Netz 
Selbstmanagement und 
Wissenstechnik im Web 2.0 
Oktober 2008, 246 Seiten, 

kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 24,80 €, 
ISBN: 978-3-89942-861-2 


Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: 
www.transcript-verlag.de 


Kultur- und Medientheorie 


Dorothee Kimmich, 
Wolfgang Matzat (Hg.) 
Der gepflegte Umgang 
Interkulturelle Aspekte 
der Höflichkeit in Literatur 
und Sprache 

Oktober 2008, 226 Seiten, 
kart., 22,80 €, 

ISBN: 978-3-89942-820-9 


Uwe Seifert, Jin Hyun Kim, 
Anthony Moore (eds.) 
Paradoxes of Interactivity 


Perspectives for Media Theory, 


Human-Computer Interaction, 
and Artistic Investigations 
Oktober 2008, 344 Seiten, 

kart., zahlr. Abb., 35,80 €, 

ISBN: 978-3-89942-842-1 


Gunther Gebhard, Oliver 
Geisler, Steffen Schröter (Hg.) 
StreitKulturen 


Polemische und antagonistische 


Konstellationen in Geschichte 
und Gegenwart 

September 2008, 236 Seiten, 

kart., 25,80 €, 

ISBN: 978-3-89942-919-0 


Henri Schoenmakers, 


Stefan Bläske, Kay Kirchmann, 


Jens Ruchatz (Hg.) 
Theater und Medien/ 
Theatre and the Media 
Grundlagen - Analysen - 
Perspektiven. 

Eine Bestandsaufnahme 
September 2008, 584 Seiten, 
kart., zahlr. Abb., 19,80 €, 
ISBN: 978-3-8376-1064-2 


Michael Schetsche, 
Martin Engelbrecht (Hg.) 
Von Menschen und 
Außerirdischen 
Transterrestrische 
Begegnungen im Spiegel 
der Kulturwissenschaft 
August 2008, 286 Seiten, 
kart., 27,80 €, 

ISBN: 978-3-89942-855-1 


Geert Lovink 

Zero Comments 
Elemente einer 
kritischen Internetkultur 
August 2008, 332 Seiten, 
kart., 28,80 €, 

ISBN: 978-3-89942-804-9 


Christa Sommerer, 

Laurent Mignonneau, 
Dorothée King (eds.) 
Interface Cultures 

Artistic Aspects of Interaction 
August 2008, 348 Seiten, 

kart., zahlr. Abb., 34,80 €, 

ISBN: 978-3-89942-884-1 


Simone Loleit 

Wahrheit, Lüge, Fiktion: 
Das Bad in der deutsch- 
sprachigen Literatur 
des 16. Jahrhunderts 

Juli 2008, 390 Seiten, 

kart., 41,80 €, 

ISBN: 978-3-89942-666-3 


Antonia Wunderlich 

Der Philosoph im Museum 
Die Ausstellung 

»Les Immateriaux« von 
Jean Francois Lyotard 

Juli 2008, 264 Seiten, 

kart., zahlr. Abb., 28,80 €, 

ISBN: 978-3-89942-937-4 


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